Zwischen Trauer und Versöhnung

Kapitel 1
Die Vorgeschichte
Der Beginn der Erkenntnis ist die Entdeckung von etwas,
was wir nicht verstehen.
Frank Herbert
Aufgeregt beschrieb mir Becky, was sie erlebt hatte: „Ich habe meine
Mutter wiedergesehen!“, sagte sie mit einem breiten Lächeln auf ihrem
verweinten Gesicht. „Ich habe ihr gesagt: ‚Ich liebe dich’, und sie erwiderte:
‚Ich liebe dich auch.’ Dann umarmte sie mich. Ich konnte wirklich ihre
Arme um meinen Körper spüren.“
Das Erstaunliche daran: Als Becky mir dieses Erlebnis schilderte, war ihre
Mutter schon fünf Jahre tot. Betty beschrieb nicht etwa einen Traum. Sie saß
als Klientin in meiner Praxis und erzählte, sie habe gespürt, wie die Arme ihrer
Mutter sie berührten, und sie freute sich, ihre Mutter lächeln zu sehen –
doch im Zimmer waren nur sie und ich und sie hatte ihre Augen geschlossen.
Die warme, vertraute Umarmung ihrer Mutter empfand sie als deutlich spürbar
und lebendig, doch ihre Mutter war tot.
Die Empfindung, von ihrer verstorbenen Mutter umarmt zu werden, war
schon ungewöhnlich genug, doch die daraus resultierende Veränderung in
ihrem Leben war äußerst bemerkenswert: „Ich war mein ganzes Leben lang
Atheistin, doch jetzt bin ich mir sicher, dass es wirklich ein Leben nach dem
Tod gibt. Früher machte das Thema Sterben mir Sorgen und Kummer und ich
empfand den Tod meiner Mutter als sehr schmerzlich. Jetzt aber weiß ich, dass
meine Angst und meine Trauer auf etwas beruhten, was ich nicht verstand.
Und ich weiß, dass alles in Ordnung ist und dass ich mich genau daran
erinnern muss, wenn mir das Leben zusetzt.“ Ihre Trauer ließ enorm nach
und trat auch in den Monaten danach nicht mehr auf.