Geldpolitik und Staatsverschuldung
Geldpolitik und Staatsverschuldung
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Annahme:<br />
Preisniveau <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong><br />
Private Wirtschaftssubjekte berücksichtigen bei ihren<br />
Entscheidungen die Budgetrestriktion des Staates.<br />
Wenn sich der Staat in der Gegenwart stark verschuldet,<br />
dann muss der zusätzliche Schuldendienst durch<br />
künftige Staatseinnahmen finanziert werden. Diese<br />
können aus Steuern ( Erwartung steigender Steuern)<br />
oder Seignorage-Einnahmen ( Erwartung höherer<br />
Inflation) bestehen.<br />
Wenn die <strong>Staatsverschuldung</strong> hauptsächlich in<br />
heimischer Währung nominiert ist, kann der Staat die<br />
Realverschuldung auch durch Inflation senken<br />
( Erwartung höherer Inflation).<br />
Preisniveau <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong><br />
Ein Anstieg der Schuldenquote<br />
( = <strong>Staatsverschuldung</strong> / BIP)<br />
hat zur Folge, dass für die Zukunft höhere Steuern <strong>und</strong> /<br />
oder ein höheres Preisniveau bzw. höhere Inflation<br />
erwartet werden.<br />
Gedankenexperiment: Der Staat erhöht die<br />
Neuverschuldung um 1 Mrd.€, um die Steuern damit um<br />
den gleichen Betrag zu senken. Im nächsten Jahr erhöht<br />
er die Steuern um (1+i) Mrd.€, um Schulden <strong>und</strong> Zinsen<br />
zu tilgen.<br />
Wie wirkt die Maßnahme auf den privaten Konsum?<br />
1<br />
2
<strong>Staatsverschuldung</strong>: Ricardianische Äquivalenz<br />
Bei perfektem Kapitalmarkt können sich Konsumenten<br />
ebenfalls zum Zinssatz i verschulden oder sparen.<br />
Der Konsum in jeder Periode hängt ab vom<br />
Gegenwartswert des Lebenseinkommens, c t (W).<br />
W<br />
=<br />
T<br />
∑<br />
t=<br />
Y T<br />
1 (1 i) −<br />
−<br />
+<br />
t t<br />
t 1<br />
Das verfügbare Einkommen in Periode 1 wird um 1 Mrd.€<br />
erhöht, das verfügbare Einkommen in Periode 2 sinkt um<br />
(1+i) x 1 Mrd.€.<br />
Das Lebenseinkommen bleibt unverändert <strong>und</strong> somit hat<br />
die Steuersenkung keinen Effekt auf den Konsum.<br />
Ricardianische Äquivalenz<br />
<strong>Staatsverschuldung</strong>: Ricardianische Äquivalenz<br />
Einwand 1: Kapitalmärkte sind nicht perfekt:<br />
Asymmetrische Information begründet Risikoprämien<br />
<strong>und</strong> Kreditrestriktionen.<br />
Kreditnehmer bewerten die Vermögensänderung zu<br />
höherem Zinssatz (i+p), der ihren Opportunitätskosten<br />
entspricht (Zins für sichere Anlagen + Risikoprämie) .<br />
−dT − (1 + i) x€<br />
=− + = € +<br />
1+ i+ p 1+<br />
i+ p<br />
2<br />
dW dT1 x<br />
(1 + i+ p) − (1 + i) = x€<br />
> 0.<br />
1+<br />
i+ p<br />
x€ ist der Betrag der Steuerentlastung für den<br />
einzelnen Haushalt.<br />
3<br />
4
<strong>Staatsverschuldung</strong>: Ricardianische Äquivalenz<br />
Einwand 2: Wenn die Konsolidierung des Haushalts mit<br />
positiver Wahrscheinlichkeit erst nach seinem<br />
Lebensende durchgeführt wird, so dass ihn die spätere<br />
Steuererhöhung nicht betrifft, dann steigt das erwartete<br />
Lebenseinkommen durch eine Steuersenkung.<br />
Im Beispiel: Für einen Haushalt der nur noch Periode 1<br />
erlebt, nicht aber Periode 2, gilt<br />
dW =− dT = x€<br />
> 0<br />
Vgl. Modell überlappender Generationen<br />
Fazit: Auch bei Berücksichtigung der Budgetrestriktion<br />
des Staates haben Steuersenkungen einen expansiven<br />
Einfluss auf den privaten Konsum.<br />
Preisniveau <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong><br />
Auf das erwartete Preisniveau hätte eine Steuersenkung,<br />
die durch spätere Steuererhöhungen ausgeglichen wird,<br />
keinen Einfluss.<br />
Anders verhält es sich mit Neuverschuldung, deren<br />
Gegenfinanzierung durch spätere Steuereinnahmen<br />
nicht gesichert ist.<br />
Wenn hierdurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass sich<br />
der Staat seiner Schulden irgendwann durch Inflation<br />
entledigt, dann steigen die langfristig erwartete<br />
Inflationsrate <strong>und</strong> der langfristige Zinssatz (das lange<br />
Ende der Zinsstrukturkurve).<br />
5<br />
6
Preisniveau <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong><br />
Das Problem wird noch dadurch verstärkt, dass sich die<br />
zu zahlende Risikoprämie <strong>und</strong> die Erwartung einer<br />
realen Entwertung der Schuldtitel gegenseitig positiv<br />
beeinflussen.<br />
So kann es theoretisch sogar „self-fulfilling prophecies“<br />
geben.<br />
Die „Fiskaltheorie des Preisniveaus“ erklärt auch das<br />
gegenwärtige Preisniveau mit der <strong>Staatsverschuldung</strong>:<br />
Je höher die gegenwärtigen Schulden, desto höher die<br />
Wahrscheinlichkeit einer Geldentwertung, desto weniger<br />
Waren ist man heute bereit, für Geld herzugeben.<br />
Das aktuelle Preisniveau steigt daher mit der<br />
<strong>Staatsverschuldung</strong>.<br />
Inflation <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong>: Maastricht-Kriterien<br />
Budgetrestriktion des Staates:<br />
D = ( 1+<br />
i)<br />
D + G −T<br />
t+<br />
1<br />
t<br />
Dt<br />
/ Yt<br />
≤<br />
60%<br />
t<br />
Dt = Debt = <strong>Staatsverschuldung</strong><br />
Gt = Staatsausgaben ohne Zinszahlungen<br />
Tt = Steuereinnahmen<br />
Maastricht verlangt, dass Neuverschuldung nicht höher ist als 3%<br />
des BIP:<br />
Dt<br />
+ 1 − Dt<br />
≤ 3%<br />
Y<br />
Die Gesamtverschuldung soll langfristig 60% des BIP nicht<br />
übersteigen:<br />
t<br />
t<br />
7<br />
8
Inflation <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong>: Maastricht-Kriterien<br />
Budgetrestriktion des Staates:<br />
D = ( 1+<br />
i)<br />
D + G −T<br />
t+<br />
1<br />
Zusammenhang zwischen den beiden Kriterien:<br />
Wie ändert sich die Schuldenquote, wenn die<br />
Neuverschuldung jeweils x% des BIP beträgt?<br />
⇔<br />
⇔<br />
Dt+ 1 = Dt<br />
+ Yt<br />
D<br />
Y<br />
D<br />
Y<br />
Y<br />
D<br />
⋅ x<br />
t + 1 t+<br />
1 t = +<br />
t+<br />
1 Yt<br />
Yt<br />
t+<br />
1<br />
( 1+<br />
w<br />
/ 100<br />
x<br />
100<br />
D<br />
) =<br />
Y<br />
t + 1 nom t +<br />
t<br />
x<br />
100<br />
w nom = nominale Wachstumsrate des BIP<br />
Inflation <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong>: Maastricht-Kriterien<br />
D<br />
Y<br />
t+<br />
1<br />
( 1+<br />
w<br />
D<br />
) =<br />
Y<br />
t + 1 nom t +<br />
t<br />
x<br />
100<br />
Gegen welchen Wert konvergiert die Staatsschuldenquote?<br />
langfristiger steady state:<br />
⇒<br />
⇔<br />
D<br />
Y<br />
nom<br />
d(<br />
1+<br />
w ) = d + x%<br />
d = x%<br />
/<br />
nom<br />
w<br />
Dt<br />
Y<br />
t + 1 = =<br />
t+<br />
1 t<br />
Bei einer nominalen Wachstumsrate von w nom = 5%, <strong>und</strong> einer<br />
Neuverschuldungsquote von x = 3 % konvergiert die Staatsschuld<br />
gegen d = 3/5 = 60% des BIP.<br />
Bei einem realen BIP-Wachstum von 3% erfordert dies 2% Inflation.<br />
d<br />
t<br />
t<br />
t<br />
9<br />
10
Inflation <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong>: Maastricht-Kriterien<br />
d<br />
= x%<br />
/ w<br />
nom<br />
=<br />
Neuverschuldungsquote<br />
reale Wachstumsrate<br />
+ Inflation<br />
Wenn die Neuverschuldung 4%, Inflation 2% <strong>und</strong> w real 2% beträgt, dann<br />
konvergiert die Gesamtverschuldung gegen d = 0,04/0,04 = 100%.<br />
Wenn die Neuverschuldung 4% <strong>und</strong> w real 2% beträgt <strong>und</strong> die<br />
Gesamtverschuldung langfristig nur d = 60% betragen soll, muss<br />
Inflation 4,66% sein.<br />
0 , 6 = 0,<br />
04 /( π + 0,<br />
02)<br />
⇔ π = 0,<br />
04 / 0,<br />
6 − 0,<br />
02 =<br />
4,<br />
66%<br />
Inflation <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong>: Maastricht-Kriterien<br />
Das Defizit-Kriterium von 3% soll sicherstellen, dass die<br />
europäische Gesamtverschuldung langfristig bei 2% Inflation<br />
den Wert von 60% des BIP nicht überschreitet.<br />
Warum 60%?<br />
Dieses Niveau erscheint nachhaltig finanzierbar.<br />
Anmerkungen<br />
1. Reales Wachstum liegt im Schnitt unter 3%.<br />
=> Defizit sollte im Schnitt ebenfalls unter 3% liegen, da sonst<br />
Staatsschulden über 60% anwachsen.<br />
2. Konjunkturzyklus: Im Abschwung sollte der Staat Kreditaufnahme<br />
erhöhen, im Boom senken.<br />
Die 3% sind ein Maximalwert. Staat sollte im Boom deutlich<br />
weniger Kredite aufnehmen oder sogar Überschüsse<br />
erwirtschaften. Nur bei starken Störungen sind befristete<br />
Überschreitungen der 3% zulässig.<br />
11<br />
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Inflation <strong>und</strong> <strong>Staatsverschuldung</strong>: Maastricht-Kriterien<br />
Gedankenexperiment: Angenommen,<br />
• die maximale nachhaltig finanzierbare <strong>Staatsverschuldung</strong> liegt<br />
bei d max (z.B. d max = 160% des BIP),<br />
• das jährliche Defizit beträgt x (z.B. x = 4% des BIP),<br />
• die reale Wachstumsrate beträgt w real (z.B. w real = 1%).<br />
Bestimmen Sie die minimale Inflationsrate in Abhängigkeit von<br />
(dmax , x, wreal ).<br />
x<br />
d =<br />
real<br />
nom<br />
x%<br />
/ w =<br />
w<br />
≤ d<br />
+ π<br />
⇔<br />
x<br />
π ≥ − max<br />
d<br />
Die genannten Werte legen eine minimale Inflation fest, hier:<br />
π min = x / d max –w real = 4/160 – 1% = 1,5%.<br />
max<br />
real<br />
w<br />
Durch die gewählte <strong>Staatsverschuldung</strong> schränkt der Staat den<br />
Entscheidungsspielraum der Zentralbank ein.<br />
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