Infoblatt
Infoblatt
Infoblatt
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>Infoblatt</strong><br />
Jahrgang 2007 - Ausgabe Nr. 1<br />
vom 27.08.2007 ∗ Autor: Steffen Hemberger<br />
Bedarfsgemeinschaft bei „eheähnlicher Gemeinschaft“<br />
Nach § 9 Abs. 2 SGB II sind bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, auch das Einkommen<br />
und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Nach den Durchführungshinweisen der<br />
Bundesagentur für Arbeit zum SGB II (BA 7.8) wird grundsätzlich unabhängig von etwaigen Unterhaltsansprüchen<br />
nach dem BGB … von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erwartet, dass es<br />
sein Einkommen und Vermögen zur Deckung des Gesamtbedarfs aller Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft<br />
einsetzt.<br />
Zur Bedarfsgemeinschaft gehören alle, die der gesteigerten Unterhaltspflicht unterliegen und in<br />
einem Haushalt zusammenleben. Nur sie sind gesetzlich verpflichtet, ihr Einkommen und Vermögen<br />
in vollem Umfang füreinander einzusetzen. Dazu gehören auf jeden Fall der nicht dauernd getrennt<br />
lebende Ehegatten bzw. Lebenspartner untereinander sowie Eltern oder Elterneteile, die<br />
mit ihren minderjährigen unverheirateten Kinder zusammenleben.<br />
Die Leistungsträger vermuten einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander<br />
zu tragen und füreinander einzustehen und damit eine Bedarfsgemeinschaft, wenn<br />
Partner länger als ein Jahr oder mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder<br />
oder Angehörige im Haushalt betreuen oder befugt sind, über Einkommen und Vermögen<br />
des anderen zu verfügen. Greift die Vermutung, müssen Sie beweisen, dass dies<br />
nicht zutrifft. Es sind hierfür keine überzogenen Beweisanforderungen zu stellen. Ist<br />
der Partner gegenüber dem Hilfebedürftigen nicht unterhaltspflichtig, reicht eine entsprechende<br />
schriftliche Erklärung des Angehörigen dann aus, wenn keine anderweitigen<br />
Erkenntnisse den Wahrheitsgehalt dieser Erklärung in Zweifel ziehen (Durchführungshinweise<br />
der Bundesagentur für Arbeit zum SGB II – BA 9.35).<br />
Eheähnliche Gemeinschaft<br />
Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, seien sie gleichen oder verschiedenen Geschlechts,<br />
werden so behandelt, als ob sie Eheleute wären und damit in einer Bedarfsgemeinschaft leben. §<br />
7 Abs. 3 Nr. 3b SGB II regelt, dass zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des/der erwerbsfähigen<br />
Hilfebedürftigen auch der/die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner/in gehört.<br />
Aber nach wie vor besteht der Unterschied zu Ehegatten darin, dass eheähnliche Partner nicht<br />
verheiratet und damit nicht gesetzlich zum Unterhalt verpflichtet sind. Sie sind letztlich also nur<br />
Mitglieder einer Haushaltsgemeinschaft, bei der vermutet werden kann, dass die zum Lebensunterhalt<br />
des Partners beitragen, sofern ihr Einkommen und Vermögen das zulässt. Nur in dem<br />
Maße, wie sie das auch tatsächlich tun, ist ihr Einkommen und Vermögen anzurechnen.<br />
Eheähnliche Partner sind Verschwägerten gleichgestellt. § 9 Abs. 5 SGB II regelt, dass bei in Haushaltsgemeinschaft<br />
lebenden Verwandten oder Verschwägerten vermutet wird, dass sie von ihnen<br />
Leistungen erhalten, soweit dies nach Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Partner<br />
gehören nur dann zu einer eheähnlichen Bedarfsgemeinschaft, wenn sie tatsächlich ihr gesamtes<br />
Einkommen und Vermögen für ihren wechselseitigen Unterhalt einsetzen wollen. Nur dann sind<br />
sie Ehegatten gleichgestellt, tun sie das nicht, sind sie keine eheähnliche Gemeinschaft und brauchen<br />
es auch im Antrag nicht ankreuzen.<br />
Erste Voraussetzung: Wohngemeinschaft<br />
Eine Voraussetzung für eine eheähnliche Gemeinschaft ist das Vorhandensein einer<br />
Wohngemeinschaft (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 21.06.2006 – L 29 B 314/06 AS ER). Haben Partner<br />
getrennte Wohnungen, spricht das trotz einer etwaigen Liebesbeziehung gegen eine eheähnliche<br />
Gemeinschaft (Oberverwaltungsgericht Sachsen 29.06.2000). Wenn sie Besuche von einem Mann haben,<br />
wenn jemand bei Ihnen übernachtet, wenn sie ein Doppelbett haben, in dem jemand schlafen<br />
könnte, wenn Zeichen früherer Anwesenheiten eines nicht gleichgeschlechtlichen Wesens aufgespürt<br />
werden (Männerhemd/Männerzahnbürste), wenn Sie eine Wochenendbeziehung pflegen,<br />
liegt noch keine eheähnliche Gemeinschaft vor (Sozialgericht Berlin 13.06.2005 – S 37 AS 3125/05 ER).<br />
http://montagsdemo.oestliche.gefil.de Prüfen Sie bitte regelmäßig auf Aktualisierungen des <strong>Infoblatt</strong>es !<br />
+ Bedarfsgemeinschaft bei „eheähnlicher Gemeinschaft“ + <strong>Infoblatt</strong> 1/2007 - Seite 1 / 2
Eine eheähnliche Gemeinschaft liegt auch dann nicht vor, wenn Sie ein gemeinsames mit einer<br />
Person haben, die getrennt von Ihnen lebt und das Kind und damit auch Sie nur besucht (Oberlandesgericht<br />
Köln 19.10.2001 – 25 WF 185/01). Allerdings kann eine eheähnliche Gemeinschaft auch bei getrennten<br />
Wohnungen (z.B. innerhalb eines Hauses bestehen, wenn man gemeinsam den Haushalt<br />
führt und gemeinsam wirtschaftet (Oberlandesgericht Koblenz 29.03.2004 – 13 UF 567/03).<br />
Zweite Voraussetzung: Haushaltsgemeinschaft<br />
Eine Ehe kann bestehen, ohne dass gemeinsam gewirtschaftet wird, eine eheähnliche<br />
Gemeinschaft nicht. Ohne Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft kein eheähnliches<br />
Verhältnis (Landessozialgericht Hessen 24.07.2006 – L7 86/06 ER).<br />
Ein Untermietverhältnis schließt eine Haushaltsgemeinschaft und damit eine eheähnliche Gemeinschaft<br />
aus. Ein „Wirtschaften aus einem Topf“ kann nicht angenommen werden …, wenn einer<br />
dem anderen Mietzins zahlen muss. (Landessozialgericht Baden-Württemberg 05.12.2005 – L 8 AS 3441/05 ER-<br />
B). Eine Haushaltsgemeinschaft liegt auch nicht vor, wenn zwar eine Wohnung gemeinsam bewohnt,<br />
jedoch selbständig und getrennt gewirtschaftet wird (Durchführungshinweise der Bundesagentur für<br />
Arbeit zum SGB II – BA 9.10).<br />
Indiz für eine Wirtschaftsgemeinschaft kann die gemeinsame Verfügung über ein einziges Konto<br />
sein bzw. eine gegenseitige Kontovollmacht oder die Befugnis, über Einkommen und Vermögen<br />
des Partners tatsächlich verfügen zu können. Die gemeinsame Verfügung über ein Auto wird als<br />
Indiz für Eheähnlichkeit genommen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 02.03.2006 – L 14 B 18/06 AS ER).<br />
Auch der gemeinsame Kauf einer Immobilie kann ein Indiz sein für gemeinsames Wirtschaften<br />
oder mehrere gemeinsame Wohnungswechsel (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 30.05.2005 – L 8<br />
AS 95/05 ER).<br />
Dritte Voraussetzung: Verantwortung- und Einstehensgemeinschaft<br />
Eine eheähnliche Gemeinschaft kann nicht bestehen, wenn ein Partner noch anderweitig verheiratet<br />
ist, wenn also noch eine andere „Einstehensgemeinschaft“ besteht (Sozialgericht Düsseldorf<br />
30.09.2005 – S 35 AS 146/05). Gemeinsam wohnen und wirtschaften allein ist keine ausreichende Bedingung<br />
für eine eheähnliche Gemeinschaft (Landessozialgericht Baden-Württemberg 31.01.2006 – L 7 AS<br />
108/06 ER-B; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 26.06.2006 – L9 AS 292/06 ER). Eine eheähnliche Gemeinschaft<br />
liegt vielmehr nur vor, „wenn zwischen den Partnern so enge Bindungen bestehen, dass<br />
von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden<br />
kann (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft)“ (Bundesverfassungsgericht 17.11.1992, IDAS 3/93, I<br />
3.4).<br />
Wenn eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft nicht besteht, sind Mann und<br />
Frau auch dann keine eheähnliche Gemeinschaft, wenn sie gemeinsam wohnen und<br />
wirtschaften (Oberverwaltungsgericht Saarlouis 03.04.1998). Es kommt also nicht in erster Linie darauf<br />
an, ob man unter einem einzigen Wohnsitz gemeldet ist (Bundesverfassungsgericht 02.09.2004 – 1 BvR<br />
1962/04), einen gemeinsamen Eintrag im Telefonbuch hat, einen gemeinsamen Mietvertrag hat<br />
(Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 06.04.2006 – L 2 B 14/06 AS ER), ob man gemeinsam kocht und isst (Landessozialgericht<br />
Niedersachsen-Bremen 09.03.2006 – L 9 AS 86/06), oder die Wäsche gemeinsam wäscht (Landessozialgericht<br />
Hessen 16.03.2006 – L 7 AS 23/06 ER), ob der Kühlschrank getrennte Fächer hat, die Badeutensilien<br />
getrennt aufbewahrt werden oder die Wohnung gemeinschaftlich genutzt wird.<br />
Eine „eheähnliche Gemeinschaft“ kann also nur angenommen werden, wenn die Partner ausdrücklich<br />
bestätigen, auch in Zukunft füreinander einstehen zu wollen (Sozialgericht Düsseldorf<br />
18.05.2005 – S 23 AS 175/05 ER). Wenn ein Partner also „zunächst“ an Kinder aus erster Ehe Unterhalt<br />
zahlt, Raten für Schulden abbezahlt, seine Eltern oder Geschwister finanziell unterstützt, alleine in<br />
Urlaub fährt oder sonst wie Geld für seine eigenen Bedürfnisse verwendet, bevor er den „gemeinsamen<br />
Lebensunterhalt sicherstellt“, oder wenn er sein Ferienhaus oder sein über den Vermögensfreigrenzen<br />
liegendes Auto nicht verkaufen will oder sein die Freibeträge übersteigendes Vermögen<br />
nicht einsetzen will oder die freiwillige Weiterversicherung des Partners in der Kranken-<br />
und Pflegeversicherung nicht bezahlen will um vorrangig seinen Partner zu unterstützen, stellt er<br />
seine Bedürfnisse nicht hinter die des Partners zurück. Somit liegt folglich keine Verantwortungs-<br />
und Einstehensgemeinschaft und damit auch keine eheähnliche Gemeinschaft vor.<br />
http://montagsdemo.oestliche.gefil.de Prüfen Sie bitte regelmäßig auf Aktualisierungen des <strong>Infoblatt</strong>es !<br />
+ Bedarfsgemeinschaft bei „eheähnlicher Gemeinschaft“ + <strong>Infoblatt</strong> 1/2007 - Seite 2 / 2