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<strong>Infoblatt</strong><br />
Jahrgang 2008 - Ausgabe Nr. 3<br />
vom 29.04.2008, Stand 11.08.2008 ∗ Autor: Steffen Hemberger<br />
Arbeitslosengeld II und Krankheit<br />
Wer krank ist, ist arbeitsunfähig; Arbeitslosengeld II wird dabei weitergezahlt, unabhängig davon,<br />
ob Sie pflichtversichert sind oder familienversichert (§ 25 SGB II).<br />
„Wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus untergebracht ist“,<br />
erhält Leistungen nach dem SGB II (§ 7 Abs. 4 SGB II). D.h. im Umkehrschluss, wenn das Krankenhaus<br />
nach Ihrer Aufnahme feststellt, dass Sie voraussichtlich länger als sechs Monate untergebracht<br />
sein werden, haben Sie nur Anspruch auf Sozialhilfe.<br />
1. Anzeigepflicht<br />
Sie müssen dem Amt „unverzüglich“ (am ersten Tag der Krankheit) anzeigen, dass und wie lange<br />
Sie voraussichtlich krank sind (§ 56 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Spätestens vor Ablauf des dritten Tages der<br />
Arbeitsunfähigkeit ist eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen (§ 56 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Wer seine<br />
Arbeitsunfähigkeit nicht anzeigt, handelt ordnungswidrig (§ 63 SGB II). Attestgebühren haben Sie<br />
selbst zu tragen, sie sind in der Regelleistung enthalten.<br />
2. Zuzahlungen<br />
Gesetzlich Krankenversicherte haben sich an den Kosten bestimmter Leistzungen zu beteiligen;<br />
das gilt auch dann, wenn Sie ALG II erhalten. Grundsätzlich zahlen Versicherte Zuzahlungen nach<br />
folgender Übersicht:<br />
Arzneimittel<br />
Verbandmittel<br />
Fahrtkosten<br />
Heilmittel<br />
Hilfsmittel<br />
Leistung Zuzahlung<br />
zum Verbrauch bestimmte<br />
Hilfsmittel<br />
10% des Apothekenabgabepreises<br />
min. 5 €, max. 10 € - jedoch nicht mehr als die Kosten<br />
10% des Apothekenabgabepreises<br />
min. 5 €, max. 10 € - jedoch nicht mehr als die Kosten<br />
10% des Fahrtkosen<br />
min. 5 €, max. 10 €/Fahrt - jedoch nicht mehr als die Kosten<br />
(nur bei zwingender medizinischer Notwendigkeit und bei Fahrten zur ambulanten<br />
Behandlung nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in ganz<br />
besonderen Ausnahmefällen)<br />
10% des Abgabepreises, zzgl. 10 € je Verordnung<br />
- jedoch nicht mehr als die Kosten<br />
(bei häuslicher Krankenpflege für max. 28 Tage der Inanspruchnahme)<br />
10% der Kosten des Hilfsmittels<br />
min. 5 €, max. 10 € - jedoch nicht mehr als die Kosten<br />
10% der Kosten und max. 10 €/Monat<br />
Krankenhausbehandlung 10 €/Kalendertag für max. 28 Tage<br />
ambulante Rehabilitationsmaßnahmen<br />
Stationäre Vorsorge- und<br />
Rehabilitationsmaßnamen<br />
10 €/Kalendertag<br />
10 €/Kalendertag<br />
Anschlussrehabilitation 10 €/Kalendertag für max. 28 Tage<br />
Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen<br />
für Mütter<br />
und Väter<br />
Praxisgebühr<br />
10 €/Kalendertag<br />
10 €/Quartal für jede Erstinanspruchnahme einer ärztlichen oder zahnärztlichen<br />
Leistungserbringung, die nicht auf Überweisung aus dem selben Quartal<br />
erfolgt; nicht jedoch bei Kindern und Jugendlichen, Untersuchungen zur<br />
Früherkennung von Krankheiten, Vorsorgeuntersuchungen beim Zahnarzt,<br />
Schutzimpfungen, Maßnahmen der Schwangerenvorsorge<br />
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+ Arbeitslosengeld II und Krankheit + <strong>Infoblatt</strong> 3/2008 - Seite 1 / 3
3. Brillen und Zahnersatz<br />
Brillengestelle und –gläser werden von der Krankenkasse bis auf wenige Einzelfälle nicht<br />
übernommen. Zahnersatz (Ersatz von Zähnen durch Kronen, Brücken, Prothesen und Implantaten)<br />
werden über Festzuschüsse abgerechnet – i. d. R. 50% der Kosten einer Regelversorgung.<br />
Füllungen sind kein Zahnersatz, sie werden deshalb von der Krankenkasse finanziert. Bezieher<br />
von Arbeitslosengeld II erhalten bei der Regelversorgung (Zahnersatz aus Nichtedelmetall-Legierungen)<br />
immer den doppelten Festzuschuss. Reicht das nicht aus, auch evtl. Mehrkosten; stellen<br />
Sie hierzu bei Ihrer Krankenkasse einen Härtefallantrag.<br />
4. Belastungsgrenze<br />
Sie haben pro Jahr Zuzahlungen max. bis zur Belastungsgrenze zu zahlen; diese beträgt 2% der zu<br />
berücksichtigenden Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Der Gesetzgeber geht dabei vom<br />
Familienbruttoeinkommen aus; für jeden Familienangehörigen ist ein Freibetrag zu berücksichtigen.<br />
Als Freibetrag wird für den ersten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen ein<br />
Betrag von 15% der „jährlichen Bezugsgröße“ (2008: 4.473 €), für jeden weiteren Angehörigen<br />
10% (2008: 2.928 €) gewährt; der Freibetrag für Kinder beträgt 3.648 €. Bei Alleinerziehenden gilt<br />
das Kind als erster Angehöriger; somit kommt der höhere Freibetrag von 4.473 € zur Anrechnung.<br />
Als Familieneinkommen sind Ihre Bruttoeinnahmen und die aller im gemeinsamen Haushalt<br />
lebenden Angehörigen anzusehen. Hierzu gehören alle Einkünfte – unabhängig von der steuerlichen<br />
Behandlung (Urteil des BSG vom 24.07.1985; AZ: 8 RK 36/84 – USK 85245); z.B. Arbeitsentgelt, Renten,<br />
Versorgungsbezüge, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Kapitalvermögen, Vermietung und<br />
Verpachtung, nach dem Bundessozialhilfegesetz sowie dem SGB II. Sie und Ihr Ehegatte/Lebenspartner<br />
und Ihre Kinder haben die im laufenden Kalenderjahr entstehenden Zuzahlungen zu<br />
dokumentieren. Die Krankenkasse erteilt einen Befreiungsbescheid für den Rest des Jahres, wenn<br />
die Belastungsobergrenze erreicht ist.<br />
Für chronisch kranke Versicherte, die wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung sind, gilt<br />
eine geringere Belastungsobergrenze von 1%. Chronisch krank ist, wer wenigstens ein Jahr<br />
mindestens einmal pro Quartal ärztlich behandelt wurde und eines der folgenden Kriterien erfüllt<br />
ist:<br />
Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe 2 oder 3,<br />
GdB nach dem Schwerbehinderten- oder Versorgungsrecht von mindestens 60% oder<br />
Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Unfallversicherungsrecht von mindestens 60%,<br />
kontinuierliche medizinische Versorgung, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine<br />
lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung<br />
oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die aufgrund der<br />
Krankheit verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.<br />
Die Feststellung, ob eine schwerwiegende chronische Erkrankung vorliegt, trifft die Krankenkasse.<br />
Das „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“ sieht vor,<br />
dass ab 01.01.2008 nur noch chronisch Kranke von der 1%-Regelung profitieren sollen, die sich<br />
therapiegerecht verhalten und die sich – soweit sie in bestimmte Altersgruppen fallen – vor ihrer<br />
Erkrankung über Vorsorgeuntersuchungen haben beraten lassen (vorerst nur bei Darm-, Gebärmutterhals-<br />
und Brustkrebs). Von dieser Neuregelung betroffen sind Personen, die am 01.04.2007<br />
erstmals Vorsorgeuntersuchungen in Anspruch nehmen können (Frauen ab dem 20. Lebensjahr,<br />
Männer ab dem 45. Lebensjahr). Haben Sie Vorsorgeuntersuchungen versäumt, nehmen aber<br />
nach Ausbruch der Erkrankung an einem strukturierten Behandlungsprogramm für chronische<br />
Erkrankungen teil, gilt trotzdem die 1%-Regelung.<br />
Bei Personen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten, wird für die Ermittlung der Belastungsgrenze<br />
als Bruttoeinnahme lediglich die Regelleistung berücksichtigt.<br />
Sind Sie mit Entscheidungen oder dem Verhalten der Krankenkasse nicht einverstanden?<br />
Dann wenden Sie sich an das<br />
Bundesversicherungsamt, Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113 Bonn.<br />
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5. Regelsatzkürzungen bei stationärem Aufenthalt<br />
Zum 01.01.2008 wurde die Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung dahingehend geändert, dass<br />
Vollverpflegung während eines Krankenhausaufenthaltes pauschal i. H. v. monatlich 35% der nach<br />
§ 20 bzw. § 28 SGB II maßgebenden monatlichen Regelleistung als Einkommen zu berücksichtigen<br />
ist. Diese Regelung wird von der Mehrzahl der Rechtssprechung als rechtwidrig angesehen; legen<br />
Sie Widerspruch ein! Ist der pauschale Wert der Vollverpflegung geringer als die Bagatellgrenze<br />
84,24 € im Monat, ist sie auf jeden Fall nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Bei der Prüfung,<br />
ob die Bagatellgrenze überschritten wird, ist nicht der Gesamtzeitraum, sondern jeder Monat für<br />
sich zu betrachten.<br />
Beispiel: Herr X. (verheiratet) bricht sich das Bein. Er wird am 15.07. ins Krankenhaus eingeliefert<br />
und muss bis einschl. 14.08. dort bleiben. Im Juli wird ihm an 17 Tagen Verpflegung bereitgestellt.<br />
Bei einem täglichen Sachbezugswert von 3,69 € ergibt sich ein Gesamtwert der Verpflegung von<br />
62,73 €. Die Bagatellgrenze in Höhe von 84,24 € wird nicht überschritten. Im Juli erfolgt somit keine<br />
Anrechnung. Im August wird ihm an 14 Tagen Verpflegung bereitgestellt. Für diesen Monat ergibt<br />
sich demnach ein Wert von 51,66 €. Da auch dieser Wert unterhalb der Bagatellgrenze liegt, erfolgt<br />
keine Anrechnung.<br />
Beispiel: Herrn Y. (alleinstehend) bricht sich am 05.07. das Bein, wird ins Krankenhaus eingeliefert<br />
und muss bis einschl. 10.08. dort bleiben. Im Juli wird ihm an 27 Tagen Verpflegung bereitgestellt.<br />
Bei einem täglichen Sachbezugswert von 4,10 € ergibt sich ein Gesamtwert von 110,70 €. Da der<br />
Wert die Bagatellgrenze von 84,24 € überschreitet, ist sie auf das ALG II anzurechnen. Dabei können<br />
Absetzbeträge nach § 11 SGB II geltend gemacht werden, nach Abzug der Versicherungspauschale<br />
ergibt sich für den Juli ein Anrechnungsbetrag von 80,70 €. Im August wird Herrn Y. an 10 Tagen Verpflegung<br />
bereitgestellt. Es ergibt sich ein Wert von 41,00 €. Da die Bagatellgrenze nicht überschritten<br />
wird, erfolgt in diesem Monat keine Anrechnung.<br />
Beispiel: Herr Y. rutscht am 16.08. aus, zieht sich erneut einen Bruch zu und wird am gleichen Tag<br />
ins Krankenhaus eingeliefert, wo er diesmal bis einschl. 23.09.bleiben muss. Da er im August bereits<br />
10 Tage im Krankenhaus gewesen ist, wurde ihm in diesem Monat an insgesamt 26 Tagen Verpflegung<br />
bereitgestellt. Es ergibt sich ein Wert von insgesamt 106,60 €. Da die Bagatellgrenze überschritten<br />
wird, ist der Betrag unter Abzug der Absetzbeträge auf das ALG II anzurechnen. Im September<br />
wird Herrn Y. an 23 Tagen Verpflegung bereitgestellt. Es ergibt sich ein Wert von 94,30 €. Auch<br />
dieser überschreitet die monatliche Bagatellgrenze und ist daher nach Abzug der einschlägigen Absetzbeträge<br />
anzurechnen.<br />
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