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“Aktives Altern in norddeutschen Betrieben - bei der ...

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“Aktives <strong>Altern</strong> <strong>in</strong> <strong>norddeutschen</strong> <strong>Betrieben</strong>? Ergebnisse e<strong>in</strong>er aktuellen<br />

Studie”<br />

Paula Aleksandrowicz, Zentrum für Sozialpolitik, Universität Bremen<br />

Die Ergebnisse, die ich hier präsentieren werde, entstanden im Rahmen des Projekts “ActivAge –<br />

Chancen und Barrieren <strong>der</strong> aktiven europäischen Seniorenpolitik”. An dem Projekt, das von <strong>der</strong><br />

Europäischen Kommission beauftragt ist, ar<strong>bei</strong>ten außer dem Zentrum für Sozialpolitik noch neun<br />

an<strong>der</strong>e Forschungse<strong>in</strong>richtungen aus europäischen Län<strong>der</strong>n. Forschungsergebnisse können Sie unter<br />

<strong>der</strong> Internetadresse http://www.iccr-<strong>in</strong>ternational.org/activage <strong>in</strong> englischer Sprache e<strong>in</strong>sehen.<br />

Im Rahmen des Projektes gehen wir von e<strong>in</strong>er Def<strong>in</strong>ition des “aktiven <strong>Altern</strong>s” aus, die von <strong>der</strong> OECD<br />

im Jahr 1998 entwickelt wurde: “Aktives <strong>Altern</strong> bedeutet die Fähigkeit <strong>der</strong> Menschen, im Verlauf des<br />

<strong>Altern</strong>s e<strong>in</strong> gesellschaftlich und ökonomisch produktives Leben zu führen. Insbeson<strong>der</strong>e bedeutet dies<br />

die Fähigkeit zur flexiblen Entscheidung darüber, wie sie ihre Zeit im Lebensverlauf verwenden – <strong>in</strong><br />

Bezug auf Lernen, Ar<strong>bei</strong>ten, Freizeit und Pflege”. Bezogen auf den Ar<strong>bei</strong>tsmarkt hat e<strong>in</strong>e Politik des<br />

aktiven <strong>Altern</strong>s e<strong>in</strong>e höhere Beschäftigungsquote älterer Ar<strong>bei</strong>tnehmer im Blick und e<strong>in</strong>en – freiwilligen<br />

– späteren Rentene<strong>in</strong>tritt.<br />

Darstellung <strong>der</strong> Untersuchungsfrage<br />

Seit e<strong>in</strong>iger Zeit wird aktives <strong>Altern</strong> von allen Seiten hochgehalten und für gut befunden: von <strong>der</strong><br />

Europäischen Kommission, <strong>der</strong> Regierung, Wissenschaftlern, e<strong>in</strong>igen Tarifpartnern und<br />

Seniorenorganisationen. Demzufolge soll e<strong>in</strong>e höhere Beschäftigungsquote älterer Ar<strong>bei</strong>tnehmer und<br />

e<strong>in</strong> späteres Rentene<strong>in</strong>trittsalter für die Ar<strong>bei</strong>tnehmer selbst gut se<strong>in</strong>, da es ihnen e<strong>in</strong> aktives und<br />

erfülltes Leben im dritten Lebensabschnitt ermöglicht. Aktives <strong>Altern</strong> soll auch für Betriebe gut se<strong>in</strong>,<br />

weil auf diese Weise wertvolles Know-how erhalten bleibt. Zudem können Unternehmen so den<br />

prognostizierten Fachkräftemangel abfe<strong>der</strong>n. Schließlich soll aktives <strong>Altern</strong> die sozialen<br />

Sicherungssysteme stabilisieren. Doch <strong>der</strong>zeit liegt die Erwerbsquote <strong>der</strong> 55- bis 64-Jährigen <strong>in</strong><br />

Deutschland <strong>bei</strong> 36,8 Prozent (OECD 2002) und das durchschnittliche Zugangsalter <strong>in</strong><br />

Versichertenrenten beträgt 60,1 Jahre für Männer und 60,7 Jahre für Frauen (VDR, 2003). Die<br />

Regierung hat seit Ende <strong>der</strong> neunziger Jahre versucht, den Trend zur Frühverrentung aufzuhalten,<br />

<strong>in</strong>dem es den Übergang <strong>in</strong> den Ruhestand unattraktiver machte. Me<strong>in</strong>e Fragestellung ist nun, ob sich<br />

Betriebe dem Trend zum aktiven <strong>Altern</strong> angeschlossen haben. Ist e<strong>in</strong> längerer Verbleib <strong>der</strong><br />

Beschäftigten im Erwerbsleben möglich, und tritt diese Situation bereits tatsächlich e<strong>in</strong>?<br />

Um diese Frage zu beantworten, habe ich leitfadengestützte Experten<strong>in</strong>terviews <strong>in</strong> 14 <strong>Betrieben</strong><br />

durchgeführt und da<strong>bei</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>der</strong> Personalabteilung o<strong>der</strong> Betriebsräte befragt. Ich habe Betriebe<br />

aus dem <strong>norddeutschen</strong> Raum mit m<strong>in</strong>destens 250 Mitar<strong>bei</strong>ter untersucht und da<strong>bei</strong> verschiedene<br />

Branchen berücksichtigt. Tabelle 1 stellt die wesentlichen Merkmale <strong>der</strong> untersuchten Betriebe und<br />

e<strong>in</strong>er Dienststelle dar.<br />

1


Tab. 1: Untersuchte Betriebe und Dienststellen<br />

DECKNAME BRANCHE MITARBEITER-<br />

ANZAHL (gerundet)<br />

% ÄLTERER<br />

ARBEITNEHMER<br />

AM STANDORT<br />

“Kommune A” Öffentliche Verwaltung 2.000 29% im Alter 46-55,<br />

12,7% im Alter 56-65<br />

“Betrieb B” Bankgewerbe 1.000 20,1% im Alter 50+<br />

“Betrieb C” Metall erzeugende<br />

Industrie<br />

4.300 27,2% im Alter 50+<br />

Durchschnittsalter: 41,3<br />

“Betrieb D” Versicherungsgewerbe 300 12% im Alter 50+<br />

“Betrieb E” Fahrzeugbau 3.200 21.5% im Alter 50+<br />

(deutschlandweit)<br />

“Betrieb F” Ernährungsgewerbe 700 22,6% im Alter 45-54,<br />

“Betrieb G1”<br />

und “G2”<br />

Ernährungsgewerbe 4.500<br />

(deutschlandweit)<br />

19,8% im Alter 55+<br />

25,5% im Alter 50+<br />

Durchschnittsalter: 41,75<br />

(<strong>bei</strong>de Angaben:<br />

deutschlandweit)<br />

“Betrieb H” Ernährungsgewerbe 1.200 19,6% im Alter 51+<br />

“Betrieb I” Fahrzeugbau 16.000 14% im Alter 51+<br />

Durchschnittsalter: 41,1<br />

“Betrieb J” Ernährungsgewerbe 900 23,8% im Alter 51+<br />

Durchschnittsalter: 44<br />

“Betrieb K” Elektrotechnik 700 (<strong>bei</strong>de Standorte) 44,4% im Alter 50+<br />

Durchschnittsalter: 47<br />

“Betrieb L” Ver- und Entsorgung 2.500 17,8% im Alter 50+<br />

Durchschnittsalter: 39,9<br />

“Betrieb M” Fahrzeugbau 1.100 34,9% im Alter 50+<br />

Durchschnittsalter: 46<br />

(<strong>bei</strong>de Angaben: 2002)<br />

Als “ältere Ar<strong>bei</strong>tnehmer” betrachte ich <strong>bei</strong> me<strong>in</strong>en Untersuchungen Beschäftigte im Alter von 50<br />

Jahren und älter. Bei dieser E<strong>in</strong>grenzung orientiere ich mich an dem Beschäftigungsprogramm <strong>der</strong><br />

ehemaligen Bundesanstalt für Ar<strong>bei</strong>t unter dem Namen “50 plus” und an tariflichen<br />

Unkündbarkeitsregeln.<br />

Daten <strong>der</strong> Bundesanstalt für Ar<strong>bei</strong>t aus dem Jahr 2001 ergaben: Der Anteil <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer ab 55<br />

Jahren liegt <strong>in</strong> westdeutschen <strong>Betrieben</strong> mit m<strong>in</strong>destens 100 Beschäftigten <strong>bei</strong> etwa 10 Prozent<br />

(Koller, Bach, Brixy, 2003). Im Vergleich ist <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> älteren Ar<strong>bei</strong>tnehmer <strong>in</strong> den 14<br />

<strong>norddeutschen</strong> <strong>Betrieben</strong> wesentlich höher. Beson<strong>der</strong>s stechen die Betriebe K und M hervor, die<br />

jeweils 45 und 35 Prozent an Beschäftigten “50 plus” haben. E<strong>in</strong>en dieser Betriebe stelle ich später <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Fallstudie dar.<br />

Die Ergebnisse me<strong>in</strong>er Untersuchung präsentiere ich folgen<strong>der</strong>maßen: Zuerst stelle ich die<br />

allgeme<strong>in</strong>en Entwicklungen <strong>in</strong> den 14 <strong>Betrieben</strong> dar und versuche da<strong>bei</strong> zu erläutern, was aus me<strong>in</strong>er<br />

Sicht die för<strong>der</strong>lichen und die h<strong>in</strong><strong>der</strong>lichen Faktoren für aktives <strong>Altern</strong> s<strong>in</strong>d. Anschließend stelle ich<br />

e<strong>in</strong>e Betriebsfallstudie vor.<br />

Chancen und H<strong>in</strong><strong>der</strong>nisse für aktives <strong>Altern</strong> <strong>in</strong> den untersuchten <strong>Betrieben</strong><br />

Die Bundesvere<strong>in</strong>igung <strong>der</strong> Deutschen Ar<strong>bei</strong>tgeberverbände hat mehrere Publikationen zum Thema<br />

“alternde Belegschaften” herausgegeben, Tagungen zu diesem Thema organisiert und <strong>in</strong> den<br />

Mitgliedsunternehmen dafür geworben. Die Unternehmen s<strong>in</strong>d an diesem Thema <strong>in</strong>teressiert.<br />

Literaturrecherche und Interviews <strong>in</strong> Ar<strong>bei</strong>tgeberverbänden ergaben jedoch, dass es e<strong>in</strong>e Diskrepanz<br />

2


gibt zwischen dem Bewusstse<strong>in</strong> für das Thema und <strong>der</strong> Umsetzung e<strong>in</strong>er alternsgerechten<br />

Personalpolitik. Wie sieht es <strong>in</strong> den 14 <strong>norddeutschen</strong> <strong>Betrieben</strong> aus, gibt es e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> für den<br />

demographischen Wandel? Wirkt sich dieser Wandel bereits auf die Betriebe aus, <strong>bei</strong>spielsweise als<br />

e<strong>in</strong> Mangel von qualifizierten Nachwuchskräften o<strong>der</strong> als e<strong>in</strong>e Alterung <strong>der</strong> Belegschaft? Wie gehen<br />

Betriebe damit um?<br />

Die meisten <strong>der</strong> untersuchten Betriebe spüren noch ke<strong>in</strong>e Auswirkungen <strong>der</strong> demographischen<br />

Alterung. E<strong>in</strong>ige führen das auf den hohen Anteil <strong>der</strong> Auszubildenden zurück, mit denen sie ihren<br />

Bedarf an jungen Nachwuchskräften stillen. Der Personalleiter e<strong>in</strong>es Betriebes <strong>der</strong><br />

Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie sah demographischen Wandel gegenwärtig nicht als Thema. Zitat: „Wenn<br />

alles gut läuft, warum sollte man sich damit beschäftigen? Das ist die Normalität...Es gibt hier ke<strong>in</strong>e<br />

Programme, <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Art, die Belegschaft zu verjüngen...Wir haben ältere Mitar<strong>bei</strong>ter, die e<strong>in</strong>en<br />

breiten Erfahrungsschatz haben...Man muss das so lassen, wie es ist.”<br />

E<strong>in</strong>ige Betriebe und die untersuchte Kommune sahen das Problem auf sich zukommen, dass <strong>in</strong> den<br />

nächsten fünf bis 15 Jahren viele ältere Mitar<strong>bei</strong>ter aufgrund von Altersrenten o<strong>der</strong> Altersteilzeit<br />

ausscheiden und dann e<strong>in</strong>e “Lücke” h<strong>in</strong>terlassen. Drei Betriebe haben Konzepte erar<strong>bei</strong>tet, wie sie mit<br />

<strong>der</strong> verän<strong>der</strong>ten Altersstruktur umgehen wollen. Der zuständige Mitar<strong>bei</strong>ter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betrieb <strong>der</strong><br />

Branche Fahrzeugbau sagte: „Es ist e<strong>in</strong> zunehmendes Bewusstse<strong>in</strong> da, dass wir e<strong>in</strong>e älter werdende<br />

Belegschaft bekommen.“ Es wird auch e<strong>in</strong>e zunehmende Konkurrenz um die besten Nachwuchskräfte<br />

geben, me<strong>in</strong>te er. “<strong>Altern</strong>de Belegschaften” sieht me<strong>in</strong> Interviewpartner als Querschnittsthema.<br />

Folglich setzen Lösungen auf allen Organisationsbereichen an, etwa im technischen Planungsbereich,<br />

im Gesundheitsmanagement, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Personalbeschaffung o<strong>der</strong> Personalentwicklung. E<strong>in</strong> Ziel, das die<br />

Projektverantwortlichen da<strong>bei</strong> verfolgen, ist es, e<strong>in</strong>en Anstieg des Durchschnittsalters zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n.<br />

Daher wird nach Aussage me<strong>in</strong>es Interviewpartners Altersteilzeit auch weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e große Rolle<br />

spielen. Es werden aber auch nach und nach <strong>Altern</strong>ativen zu e<strong>in</strong>er Frühberentung <strong>der</strong> älteren<br />

Beschäftigten erar<strong>bei</strong>tet.<br />

Ich sehe die Tatsache, dass e<strong>in</strong> Betrieb bereits vom demographischen Wandel e<strong>in</strong>geholt wurde und<br />

Strategien zum Umgang damit entwickelt hat, als e<strong>in</strong>e Chance für aktives <strong>Altern</strong>. E<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> Betriebe,<br />

die bereits vom demographischen Wandel betroffen s<strong>in</strong>d, entwickelten Maßnahmen, die auf e<strong>in</strong><br />

gesundes <strong>Altern</strong> und e<strong>in</strong>e kont<strong>in</strong>uierliche Weiterbildung abzielen. Als h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich für aktives <strong>Altern</strong> sehe<br />

ich h<strong>in</strong>gegen an, wenn die Lösung für demographischen Wandel im Betrieb hauptsächlich auf e<strong>in</strong>e<br />

Senkung des Durchschnittsalters abzielt.<br />

Ich fragte die Betriebe nach personalpolitischen Maßnahmen, die auf ältere Mitar<strong>bei</strong>ter zugeschnitten<br />

s<strong>in</strong>d. Die Interviewpartner nannten Altersteilzeit, die Vorruhestandsregelung und altersgerechte<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze und verwiesen auf tarifliche Regelungen zum Kündigungsschutz, auf die<br />

Verdienstsicherung <strong>bei</strong> Abgruppierung und auf Altersfreizeiten. Die Tatsache, dass Maßnahmen zum<br />

früheren Ausstieg am häufigsten genannt wurden, ist ke<strong>in</strong>e geeignete Voraussetzung für aktives<br />

<strong>Altern</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs entspricht Altersteilzeit auch den Wünschen <strong>der</strong> Beschäftigten und kommt me<strong>in</strong>en<br />

Interviewpartnern zufolge auf freiwilliger Basis zum E<strong>in</strong>satz, mit Ausnahme <strong>der</strong> Son<strong>der</strong>situation<br />

Personalabbau.<br />

3


Auf die Frage nach <strong>der</strong> “generellen Ausrichtung <strong>der</strong> Personalpolitik gegenüber älteren Ar<strong>bei</strong>tnehmern”<br />

gaben e<strong>in</strong>ige Interviewpartner an, e<strong>in</strong>e altersneutrale Personalpolitik zu betreiben. E<strong>in</strong> Personalleiter<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betrieb <strong>der</strong> Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie misst alle Beschäftigten nach den gleichen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen: „Ziel muss se<strong>in</strong>, dass je<strong>der</strong> hier se<strong>in</strong>en Job macht, zu 100 Prozent, egal ob er 33 o<strong>der</strong><br />

63 ist.“ E<strong>in</strong> Personalleiter aus e<strong>in</strong>er Versicherung gab an, dass es ke<strong>in</strong>e Differenzierung nach Alter<br />

gebe und dass alle Beschäftigten gleiche Chancen haben. Die meisten me<strong>in</strong>er Gesprächspartner<br />

f<strong>in</strong>den, dass ältere Beschäftigte <strong>in</strong> ihrem Betrieb gut <strong>in</strong>tegriert s<strong>in</strong>d. Zwei Personalleiter <strong>in</strong> <strong>Betrieben</strong><br />

<strong>der</strong> Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie wiesen ausdrücklich darauf h<strong>in</strong>, dass es ihr Bestreben sei, ältere<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter zu halten. Es wurden jedoch ke<strong>in</strong>e proaktiven Maßnahmen <strong>in</strong> diese Richtung angewendet.<br />

Gleichzeitig werden <strong>in</strong> den meisten <strong>Betrieben</strong> Schonar<strong>bei</strong>tsplätze abgebaut o<strong>der</strong> ausgeglie<strong>der</strong>t. Von<br />

den Betriebsräten erfuhr ich aber, dass es bisher immer gelungen sei, e<strong>in</strong>en Ersatzar<strong>bei</strong>tsplatz für<br />

leistungse<strong>in</strong>geschränkte Mitar<strong>bei</strong>ter zu f<strong>in</strong>den. Der Betriebsrat <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Betrieb <strong>der</strong><br />

Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie berichtete, dass Gesundheitsprobleme im Ar<strong>bei</strong>tsalltag <strong>in</strong> dem Unternehmen<br />

bereits ab Mitte 50 anfangen. Bei <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t gehe es “richtig zur Sache”, die Ar<strong>bei</strong>tsplätze <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

Lebensmittelherstellung seien viel belasten<strong>der</strong> als “normale” Ar<strong>bei</strong>tsplätze. Die Versetzung Älterer an<br />

e<strong>in</strong>en leichteren Ar<strong>bei</strong>tsplatz scheitere nicht nur an <strong>der</strong> Knappheit <strong>der</strong>selben, son<strong>der</strong>n auch am<br />

Wi<strong>der</strong>stand <strong>der</strong> Beschäftigten selbst, die nicht ihr gewohntes Ar<strong>bei</strong>tsumfeld verlassen möchten. Dies<br />

br<strong>in</strong>ge Nachteile für die Qualifikation <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>tnehmer nach sich. Zitat: „[D]ie blocken...Denn<br />

eigentlich schon, so mit den Gedanken <strong>in</strong> Rente und im Liegestuhl auf dem Balkon...´Ich soll jetzt hier<br />

fünf, sechs Jahre noch irgendwas lernen? Totaler Blöds<strong>in</strong>n. Lass mal die Jungen machen.´ Bloß, die<br />

Jungen s<strong>in</strong>d oftmals nicht da“.<br />

In <strong>der</strong> gerontologischen Forschung wird anstatt “Schonar<strong>bei</strong>tsplätze” das Konzept <strong>der</strong><br />

“alternsgerechten Ar<strong>bei</strong>tsplätze” favorisiert, weil diese alle Altersgruppen e<strong>in</strong>beziehen und die<br />

Stigmatisierung <strong>der</strong> Schonar<strong>bei</strong>tsplätze als qualitativ niedrigwertiger Ar<strong>bei</strong>tsplätze vermeiden. Ebenso<br />

wird das Konzept <strong>der</strong> “altersneutralen Personalpolitik” verworfen. Das Gegenargument lautet, dass<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze, die auf Jugendlichkeit abstellen, den Anfor<strong>der</strong>ungen und Fähigkeiten älterer Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

nicht gerecht werden.<br />

<strong>Altern</strong>s-, bzw. altersgerechte Ar<strong>bei</strong>tsplätze s<strong>in</strong>d <strong>der</strong>zeit <strong>in</strong> zwei <strong>der</strong> untersuchten Betriebe e<strong>in</strong> Thema.<br />

In e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Betriebe entsteht e<strong>in</strong>e neue Produktionshalle nach ergonomischen Maßstäben, um e<strong>in</strong><br />

gesundes Ar<strong>bei</strong>ten zu ermöglichen. Zudem achten die Vorgesetzten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Besetzung <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze auf Rotation und Wechselbelastung. In dem an<strong>der</strong>en Betrieb suchen die<br />

Verantwortlichen nach E<strong>in</strong>satzbereichen für ältere Mitar<strong>bei</strong>ter, die auf Dauer dem psychischem Druck<br />

im operativen Geschäft nicht standhalten können. Sie haben z.B. die Idee, ältere Mitar<strong>bei</strong>ter nur mit<br />

Projektar<strong>bei</strong>t zu betrauen o<strong>der</strong> sie als Mentoren auszubilden.<br />

Das Fehlen von Schonar<strong>bei</strong>tsplätzen für gesundheitlich bee<strong>in</strong>trächtigte Mitar<strong>bei</strong>ter ist aus me<strong>in</strong>er Sicht<br />

e<strong>in</strong>e Barriere für aktives <strong>Altern</strong>. Gesundheitlicher Verschleiß begünstigt Frühverrentung, dies zeigt die<br />

Forschung und dies zeigte sich auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Interviews. Schonar<strong>bei</strong>tsplätze s<strong>in</strong>d aber, wie e<strong>in</strong>ige<br />

me<strong>in</strong>er Interviewpartner feststellten, kostspielig für die Unternehmen. Auch wi<strong>der</strong>spricht aus me<strong>in</strong>er<br />

Sicht e<strong>in</strong> Verbleib auf e<strong>in</strong>em leichten, jedoch nicht erfüllenden Ar<strong>bei</strong>tsplatz <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des aktiven<br />

<strong>Altern</strong>s. Längerfristig halte ich alternsgerechte Ar<strong>bei</strong>tsplätze und e<strong>in</strong> präventiv wirkendes<br />

4


Gesundheitsmanagement für die besseren <strong>Altern</strong>ativen, sowohl für den Betrieb als auch für die<br />

Beschäftigten.<br />

In me<strong>in</strong>en Untersuchungen stellte ich fest, dass das 60. Lebensjahr als implizite betriebliche<br />

Altersgrenze fungiert. Es entspricht den Wünschen <strong>der</strong> Beschäftigten, <strong>in</strong> diesem Alter aus dem<br />

Erwerbsleben auszusteigen. Es entspricht auch den Vorstellungen <strong>der</strong> Betriebe, die ihre Altersstruktur<br />

verjüngen wollen o<strong>der</strong> neue Mitar<strong>bei</strong>ter e<strong>in</strong>stellen wollen. Auch vermeiden Betriebe auf diese Weise<br />

Probleme mit leistungse<strong>in</strong>geschränkten Beschäftigten. In allen <strong>Betrieben</strong>, die ich untersucht habe, gibt<br />

es nur vere<strong>in</strong>zelt Beschäftigte, die bis zum 65. Lebensjahr ar<strong>bei</strong>ten. E<strong>in</strong> Personalverantworlicher<br />

brachte es auf den Punkt: “[D]ie...Philosophie lautet ´mit 60 vom Hof´“. Altersteilzeit war <strong>in</strong> elf<br />

<strong>Betrieben</strong> <strong>der</strong> häufigste Weg, auf dem Mitar<strong>bei</strong>ter das Unternehmen verlassen. Es dom<strong>in</strong>ierte das<br />

Blockmodell mit e<strong>in</strong>er Laufzeit von fünf Jahren.<br />

Wie stehen die Chancen, dass die Beschäftigten zukünftig länger im Betrieb verbleiben und unter<br />

guten Ar<strong>bei</strong>tsbed<strong>in</strong>gungen alt werden? Im Jahr 2010 läuft die Atlersteilzeit aus, auch erwarten<br />

Betriebe, dass die Regelaltersgrenze auf 67 Jahre steigt. Unternehmen rechnen daher mit e<strong>in</strong>em<br />

längeren Verbleib <strong>der</strong> Älteren im Erwerbsleben. Die Pläne und Erwartungen für die Zeit “nach <strong>der</strong><br />

Altersteilzeit” s<strong>in</strong>d unterschiedlich:<br />

• Laut dem Personalleiter e<strong>in</strong>es Betriebes <strong>der</strong> Fahrzeugbranche wird das Unternehmen künftig<br />

auch Mitar<strong>bei</strong>ter jenseits von 55 Jahren <strong>in</strong> die Personalentwicklung e<strong>in</strong>beziehen. Dafür sieht er<br />

handfeste betriebswirtschaftliche Gründe. Gleichzeitig glaubt <strong>der</strong> Personalleiter, dass die<br />

Unternehmen künftig wesentlich zurückhalten<strong>der</strong> e<strong>in</strong>stellen o<strong>der</strong> verstärkt auf befristete<br />

Ar<strong>bei</strong>tsverträge zurückgreifen werden.<br />

• Me<strong>in</strong> Gesprächspartner aus e<strong>in</strong>em Versicherungsunternehmen erklärte, dass <strong>der</strong> Betrieb<br />

vornehmlich auf jüngere Beschäftigte setzt. Falls ältere Mitar<strong>bei</strong>ter künftig länger im Erwerbsleben<br />

verbleiben werden, werde es ke<strong>in</strong>e freien Stellen für junge Nachrücker geben.<br />

• Der Betriebsrat aus e<strong>in</strong>em Betrieb <strong>der</strong> Nahrungsmittelbranche hält die Ausweitung <strong>der</strong><br />

Lebensar<strong>bei</strong>tszeit für den falschen Ansatz. Das wichtigste Ziel sei die Bekämpfung <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit, me<strong>in</strong>te er 1 .<br />

• E<strong>in</strong>ige Betriebsräte rechnen mit e<strong>in</strong>em erhöhten Druck auf die Beschäftigten aufgrund <strong>der</strong><br />

Ar<strong>bei</strong>tsverdichtung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Zunahme von Schichtar<strong>bei</strong>t. Sollten <strong>in</strong> Zukunft angemessene<br />

Optionen zur Frühverrentung nicht mehr zur Verfügung stehen, dann „werden die Menschen noch<br />

früher...<strong>in</strong> Krankheit getrieben und werden noch früher den Sozialträgern aufgedrückt“. Dies<br />

befürchtet e<strong>in</strong> Betriebsrat aus e<strong>in</strong>em Betrieb <strong>der</strong> Metall erzeugenden Industrie. Er schätzt, dass<br />

gesundheitliche Probleme sich auf e<strong>in</strong> früheres Lebensalter verschieben werden.<br />

• Viele Betriebe würden e<strong>in</strong> Nachfolgemodell nach Auslaufen <strong>der</strong> Altersteilzeit begrüßen, warten<br />

jedoch gesetzliche Regelungen <strong>in</strong> dieser Richtung ab. E<strong>in</strong> Beispiel dafür ist die Aussage e<strong>in</strong>es<br />

1 Se<strong>in</strong>e Aussage ist auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund <strong>der</strong> belastenden Ar<strong>bei</strong>tsplätze <strong>in</strong> diesem Betrieb zu sehen.<br />

5


Personalleiters: „Was nützen die besten Überlegungen, wenn <strong>der</strong> Gesetzgeber das nicht<br />

umsetzt?”<br />

Nicht nur die Betriebe haben sich größtenteils nicht auf die Zeit „nach Altersteilzeit“ e<strong>in</strong>gestellt. Die<br />

Nachricht, dass Altersteilzeit e<strong>in</strong> Auslaufmodell ist, ist <strong>bei</strong> vielen Beschäftigten noch nicht<br />

angekommen. Wie die Betriebsrät<strong>in</strong> aus e<strong>in</strong>em Betrieb <strong>der</strong> Nahrungsmittel<strong>in</strong>dustrie me<strong>in</strong>te: „[V]iele<br />

fangen an, mit 50, 55 dann abzuschalten: ´Ach, brauch ich sowieso nicht mehr lernen, ich geh´ ja bald<br />

nach Hause. Ich unterschreib´ Altersteilzeit, und dann ist gut.´ Und das ist fatal.“<br />

Präsentation von e<strong>in</strong>em Fall<strong>bei</strong>spiel: Betrieb K<br />

Betrieb K produziert elektrotechnische Komponenten für den militärischen und zivilen Markt und<br />

beschäftigt rund 700 Mitar<strong>bei</strong>ter an zwei Standorten. Von den an<strong>der</strong>en untersuchten <strong>Betrieben</strong><br />

unterscheidet Betrieb K die Altersstruktur <strong>der</strong> Beschäftigten. So beträgt das Durchschnittsalter <strong>der</strong><br />

Stammbelegschaft 47 Jahre, Beschäftigte im Alter von 50 und mehr Jahren machen e<strong>in</strong>en Anteil von<br />

44,4 Prozent aus.<br />

[Hier das Schaubild mit <strong>der</strong> Altersstruktur e<strong>in</strong>fügen]<br />

Die gegenwärtige Altersstruktur des Betriebes (siehe Schaubild 1) ist bed<strong>in</strong>gt durch e<strong>in</strong>ige<br />

Entwicklungen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er neuesten Geschichte. Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre wurde Betrieb K aus<br />

e<strong>in</strong>em größeren Konzern ausgeglie<strong>der</strong>t und entließ viele, hauptsächlich jüngere, Beschäftigte. Durch<br />

Frühpensionierungen (57er-Regelung) versuchte das Management, noch mehr Kündigungen zu<br />

vermeiden und das damalige Durchschnittsalter m<strong>in</strong>destens zu halten. Aufgrund <strong>der</strong><br />

Massenentlassungen klafft e<strong>in</strong>e Lücke <strong>bei</strong> den Beschäftigten mit e<strong>in</strong>er Betriebszugehörigkeit von acht<br />

bis zwölf Jahren, doch es gibt e<strong>in</strong>e große Anzahl von Personen mit e<strong>in</strong>er längeren und mit e<strong>in</strong>er<br />

kürzeren Dienstzeit. Letzteres s<strong>in</strong>d Personen, die <strong>in</strong>folge von Altersteilzeit seit 1998 neu e<strong>in</strong>gestellt<br />

wurden. In <strong>der</strong> Altersstruktur ist dieser Effekt nicht so deutlich: Die Neuzugänge im<br />

Angestelltenbereich haben e<strong>in</strong>e abgeschlossene Ausbildung und somit e<strong>in</strong> Alter Ende 20 o<strong>der</strong> Anfang<br />

30. Im gewerblichen Bereich gibt es h<strong>in</strong>gegen viele Neue<strong>in</strong>steiger o<strong>der</strong> Auszubildende, die Anfang 20<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Die Belegschaft im Betrieb K ist qualifiziert, angelernte und unqualifizierte Personen machen nur e<strong>in</strong>en<br />

Anteil von vier Prozent aus. 74 Prozent <strong>der</strong> gewerblichen AN s<strong>in</strong>d Fachar<strong>bei</strong>ter, und 49 Prozent <strong>der</strong><br />

Angestellten haben e<strong>in</strong>en Hoch- o<strong>der</strong> Fachhochschulabschluss. Mit den hohen qualifikatorischen<br />

Anfor<strong>der</strong>ungen des Betriebes s<strong>in</strong>d zwei Phänomene verbunden, die <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Augen e<strong>in</strong>e gute<br />

Ausgangsbasis für aktives <strong>Altern</strong> schaffen. Zum e<strong>in</strong>en gibt es im Betrieb K ke<strong>in</strong>e körperlich<br />

belastenden Ar<strong>bei</strong>tsplätze, Schichtar<strong>bei</strong>t wird nur <strong>bei</strong> Bedarf und nur <strong>in</strong> <strong>der</strong> mechanischen Fertigung<br />

geleistet. Es gibt ke<strong>in</strong>e Fließbandar<strong>bei</strong>t, son<strong>der</strong>n, wie sich me<strong>in</strong> Interviewpartner ausdrückte,<br />

„Hochpräzisionsar<strong>bei</strong>t“. Aufgrund <strong>der</strong> wenig belastenden Ar<strong>bei</strong>tsbed<strong>in</strong>gungen gibt es ke<strong>in</strong>en Bedarf an<br />

Schonar<strong>bei</strong>tsplätzen.<br />

Das zweite Phänomen, dass <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Augen e<strong>in</strong> „aktives <strong>Altern</strong>“ im Betrieb K ermöglicht, ist <strong>der</strong><br />

hohe Anteil <strong>der</strong> Projektar<strong>bei</strong>t. Me<strong>in</strong>e Gesprächspartner halten das Erfahrungswissen <strong>der</strong> älteren<br />

Mitar<strong>bei</strong>ter für unabd<strong>in</strong>gbar, weil viele Projekte e<strong>in</strong>e Laufzeit von 10-15 Jahren haben. Resümmierend<br />

6


me<strong>in</strong>te e<strong>in</strong> Gesprächspartner: „Im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Erfahrung...[fänden] wir es auch gut..., ältere Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

mehr da zu haben, und auch jetzt nicht zu sagen, jetzt unbed<strong>in</strong>gt viel mehr da loswerden zu wollen<br />

o<strong>der</strong> zu müssen, denn die Flexibilität des Unternehmens bietet eigentlich viele Chancen“. An<strong>der</strong>erseits<br />

f<strong>in</strong>den die Interviewpartner, dass junge Mitar<strong>bei</strong>ter wichtig für das Unternehmen s<strong>in</strong>d, weil sie neue<br />

Technologiekenntnisse mitbr<strong>in</strong>gen. Das Unternehmen hat <strong>der</strong>zeit Probleme, junge Ingenieure<br />

anzuwerben – auch dies ist <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Augen e<strong>in</strong>e Tatsache, die die Bedeutung <strong>der</strong> älteren Mitar<strong>bei</strong>ter<br />

für das Unternehmen erhöht und ihre Stellung verbessert.<br />

Dass trotz dieser guten Ausgangsbasis viele ältere Mitar<strong>bei</strong>ter e<strong>in</strong>en früheren Ausstieg aus dem<br />

Betrieb wählen, liegt laut e<strong>in</strong>em Interviewpartner an den „wichtige[n] Angebote[n] <strong>in</strong> <strong>der</strong> Freizeitphase<br />

an Senioren“, an den H<strong>in</strong>zuverdienstgrenzen, an <strong>der</strong> Familiensituation, <strong>der</strong> gesundheitlichen<br />

Verfassung, den Pendelkosten und <strong>der</strong> guten f<strong>in</strong>anziellen Ausstattung <strong>der</strong> Altersteilzeit. Jedoch gibt es<br />

<strong>in</strong> diesem Unternehmen verglichen mit an<strong>der</strong>en <strong>Betrieben</strong> relativ viele Ar<strong>bei</strong>tnehmer ab 60 Jahren –<br />

45 Mitar<strong>bei</strong>ter, das s<strong>in</strong>d 6,5 Prozent.<br />

Nun möchte ich auf personalpolitische Maßnahmen e<strong>in</strong>gehen, die für aktives <strong>Altern</strong> von Bedeutung<br />

s<strong>in</strong>d. Seit Anfang <strong>der</strong> neunziger Jahre s<strong>in</strong>d im Betrieb K viele Verän<strong>der</strong>ungen e<strong>in</strong>getreten, nicht nur <strong>in</strong><br />

Bezug auf den organisatorischen Aufbau und die Altersstruktur <strong>der</strong> Belegschaft, son<strong>der</strong>n auch <strong>in</strong><br />

Bezug auf den Markt, Geschäftspartner und Produkte. Die Personalentwickler bauten e<strong>in</strong> „Change<br />

Management“ auf, im Rahmen dessen „Change Manager“ ausgebildet werden. Diese zeigen<br />

anschließend den Mitar<strong>bei</strong>tern, wie sie mit den verän<strong>der</strong>ten Rahmenbed<strong>in</strong>gungen umgehen können.<br />

Me<strong>in</strong> Gesprächspartner f<strong>in</strong>det, dass die Change-Management-Sem<strong>in</strong>are <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für ältere<br />

Beschäftigte relevant s<strong>in</strong>d, da diese sich schwieriger auf neue Methoden und Produkte e<strong>in</strong>stellen<br />

könnten.<br />

E<strong>in</strong> weiteres Instrument, das den Wandel im Unternehmen aufgreift und auf Weiterbildung <strong>der</strong><br />

Beschäftigten abzielt, ist das Wissensmanagement. Hier<strong>bei</strong> geht es darum, das Wissen im<br />

Unternehmen zu b<strong>in</strong>den, <strong>bei</strong>spielsweise wenn ältere Mitar<strong>bei</strong>ter über Altersteilzeit ausscheiden.<br />

Künftig möchten die Personalentwickler die Beschäftigten <strong>in</strong> Altersteilzeit als Mentoren e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den. Der<br />

Wissenstransfer setzt auch <strong>bei</strong> den Experten an, die noch im Unternehmen s<strong>in</strong>d. So wurde<br />

<strong>bei</strong>spielsweise e<strong>in</strong> technischer Redakteur e<strong>in</strong>gestellt, <strong>der</strong> Experten <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Ar<strong>bei</strong>t beobachtete und<br />

dies dokumentierte. Durch diese Dokumentation können an<strong>der</strong>e Mitar<strong>bei</strong>ter nun fehlerfrei Reparaturen<br />

durchführen. Hier sieht e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gesprächspartner e<strong>in</strong> potenzielles Problem: „Das ist schwierig, dass<br />

das <strong>bei</strong> Älteren ankommt, weil <strong>bei</strong> dem Wissenstransfer viele ältere Mitar<strong>bei</strong>ter natürlich auch Sorge<br />

haben, wenn sie ihr Wissen zu leicht weitergeben, kann man sie ersetzen“. In e<strong>in</strong>igen Fällen habe <strong>der</strong><br />

Wissenstransfer jedoch gut funktioniert und die älteren Mitar<strong>bei</strong>ter äußerten selbst<br />

Verbesserungsvorschläge. E<strong>in</strong>e große Rolle spielt im Betrieb K die fachliche Weiterbildung, <strong>bei</strong> <strong>der</strong><br />

ke<strong>in</strong>e Altersgrenzen gesetzt werden, „weil das braucht er [=<strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter] bis zum letzten Tag“.<br />

Zum Abschluss fragte ich me<strong>in</strong>e Gesprächspartner, ob sie Verän<strong>der</strong>ungswünsche an die Politik und<br />

die Tarifpolitik haben, die sie <strong>bei</strong> ihrer Personalpolitik gegenüber älteren Ar<strong>bei</strong>tnehmern unterstützen<br />

würden. E<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Gesprächspartner würde es begrüßen, wenn weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> flexibles Ausscheiden<br />

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aus dem Erwerbsleben möglich wäre. „Also, zur Zeit geht die Än<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> die Richtung 63-65, ist ja<br />

nichts Flexibles mehr. 60-65 war flexibel...63-67 könnte das wie<strong>der</strong> flexibel ersche<strong>in</strong>en lassen“, me<strong>in</strong>te<br />

er im H<strong>in</strong>blick auf die Anhebung <strong>der</strong> Altersgrenzen und die erwartete Anhebung des gesetzlichen<br />

Rentene<strong>in</strong>trittsalters. Der Gesprächsparnter wies mich darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> gegenwärtige<br />

Altersdurchschnitt <strong>der</strong> Belegschaft ohne Frühverrentungen und Neue<strong>in</strong>stellungen jüngerer<br />

Ar<strong>bei</strong>tnehmer gegenwärtig <strong>bei</strong> 51 Jahren liegen würde.<br />

Schlussbemerkungen<br />

Die Ergebnisse me<strong>in</strong>er 14 Betriebsfallstudien zeigen: Aktives <strong>Altern</strong> ist noch Zukunftsmusik, auch<br />

wenn es schon erste Vorstöße <strong>in</strong> diese Richtung gibt. Zusammenfassend möchte ich auf e<strong>in</strong>ige<br />

Punkte h<strong>in</strong>weisen, die ich als h<strong>in</strong><strong>der</strong>lich o<strong>der</strong> för<strong>der</strong>lich für aktives <strong>Altern</strong> im Betrieb erachte. Ich<br />

beg<strong>in</strong>ne zuerst mit den h<strong>in</strong><strong>der</strong>lichen Faktoren, um me<strong>in</strong>en Vortrag mit e<strong>in</strong>em optimistischen Akzent<br />

abzuschließen: E<strong>in</strong> unüberw<strong>in</strong>dbares H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis ist e<strong>in</strong>e schlechte Situation auf dem Absatzmarkt, weil<br />

<strong>bei</strong> Personalabbau das Instrument <strong>der</strong> Frühverrentung <strong>in</strong> großem Ausmaß zum E<strong>in</strong>satz kommt. Auch<br />

lässt e<strong>in</strong>e schlechte Geschäftsentwicklung des Unternehmens es nicht zu, über <strong>in</strong>novative<br />

Maßnahmen <strong>der</strong> Personalpolitik nachzudenken. E<strong>in</strong> weiteres Hemmnis auf dem Weg zum aktiven<br />

<strong>Altern</strong> liegt me<strong>in</strong>er Ansicht nach dar<strong>in</strong>, dass die Dr<strong>in</strong>glichkeit des Themas noch nicht erkannt wurde.<br />

Viele Unternehmen berücksichtigen nicht <strong>in</strong> ihrer Planung, dass ältere Beschäftigte künftig länger im<br />

Betrieb verbleiben werden, aufgrund gesetzlicher Än<strong>der</strong>ungen und als Folgen des demographischen<br />

Wandels. E<strong>in</strong> weiteres H<strong>in</strong><strong>der</strong>nis: E<strong>in</strong>e niedrige Qualifikation von Beschäftigten ist e<strong>in</strong>e schlechte<br />

Voraussetzung für e<strong>in</strong>en längeren Verbleib im Betrieb, weil die Ar<strong>bei</strong>tskräfte leicht ersetzbar und<br />

zudem belastenden Ar<strong>bei</strong>tsbed<strong>in</strong>gungen ausgesetzt s<strong>in</strong>d, z.B. als Saisonar<strong>bei</strong>tskräfte <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Lebensmittel<strong>in</strong>dustrie. Überdies ergeben Untersuchungen, dass <strong>der</strong> Anteil an unqualifizierten<br />

Tätigkeiten bis 2010 abnimmt, während <strong>der</strong> Anteil hochqualifzierter Tätigkeiten zunehmen wird (z.B.<br />

Bosch, 2004). Aktives <strong>Altern</strong> ist weniger möglich auf manuellen Ar<strong>bei</strong>tsplätzen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Produktion, die<br />

mit e<strong>in</strong>em höheren Verschleiß <strong>der</strong> Beschäftigten e<strong>in</strong>hergehen. Und schließlich, den Schil<strong>der</strong>ungen<br />

e<strong>in</strong>iger Interviewpartner zufolge, haben viele Beschäftigte ke<strong>in</strong> Interesse an e<strong>in</strong>em längeren Verbleib<br />

im Erwerbsleben und beteiligen sich im höheren Alter weniger häufig an Weiterbildung.<br />

Nun komme ich zu den positiven Faktoren, die me<strong>in</strong>er Ansicht nach aktives <strong>Altern</strong> ermöglichen.<br />

Diejenigen Betriebe <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Untersuchung, <strong>der</strong>en Personalpolitik ältere Mitar<strong>bei</strong>ter aktiv e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>det,<br />

s<strong>in</strong>d bereits von e<strong>in</strong>em Fachkräftemangel o<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>er Alterung <strong>der</strong> Belegschaften betroffen o<strong>der</strong><br />

sehen solche Herausfor<strong>der</strong>ungen mittelfristig auf sich zukommen. Man könnte also im Umkehrschluss<br />

sagen, dass die Betroffenheit vom demographischen Wandel e<strong>in</strong>e Politik des aktiven <strong>Altern</strong>s im<br />

Betrieb begünstigt. In manchen Fällen zielt die Politik darauf ab, e<strong>in</strong>en weiteren Anstieg des<br />

Durchschnittsalters zu verh<strong>in</strong><strong>der</strong>n, doch es werden zusehends auch <strong>Altern</strong>ativen zur Frühverrentung<br />

erdacht. Als weitere för<strong>der</strong>liche Bed<strong>in</strong>gungen sehe ich wissensbasierte Berufe, wenig belastende<br />

Ar<strong>bei</strong>tsplätze und e<strong>in</strong>e hohe Qualifikation <strong>der</strong> Mitar<strong>bei</strong>ter; dies haben Sie am Beispiel von Betrieb K<br />

gesehen. Des Weiteren würde ich die Behauptung aufstellen, dass diejenigen Betriebe, die bereits<br />

Erfahrung mit älteren Ar<strong>bei</strong>tskräften haben, aktivem <strong>Altern</strong> gegenüber aufgeschlossener s<strong>in</strong>d: Bei<br />

me<strong>in</strong>en Untersuchungen fiel mir auf, dass die befragten Mitar<strong>bei</strong>ter aus <strong>der</strong> Personalabteilung oft von<br />

e<strong>in</strong>em “gesunden Altersmix” als dem angestrebten Altersaufbau <strong>der</strong> Belegschaft sprachen. Die<br />

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Bedeutung dieses Ausdrucks variierte jedoch von Fall zu Fall. Die Interviewpartner aus den <strong>Betrieben</strong>,<br />

die e<strong>in</strong>en hohen Anteil an Mitar<strong>bei</strong>tern über 50 Jahren aufweisen, beschrieben ihre Altersstruktur<br />

durchaus auch als e<strong>in</strong>en “gesunden Altersmix”. Zugespitzt könnte man sagen: Diese Betriebe haben<br />

Erfahrungen mit älteren Beschäftigten gemacht und es “für gut befunden”.<br />

Literatur<br />

Bosch, Gerhard (2004), Demographischer Wandel, Ar<strong>bei</strong>tsmarkt und Zuwan<strong>der</strong>ung. Unveröffentlichter<br />

Vortrag auf dem Kolloquium zum 80. Geburtstag von Prof.Dr. Ernst Helmstädter, Institut Ar<strong>bei</strong>t und<br />

Technik, Gelsenkirchen, 5. Mai 2004<br />

Koller, Barbara, Hans-Uwe Bach, and Udo Brixy (2003), "Ältere ab 55 Jahren - Erwerbstätigkeit,<br />

Ar<strong>bei</strong>tslosigkeit und Leistungen <strong>der</strong> Bundesanstalt für Ar<strong>bei</strong>t", <strong>in</strong> IAB Werkstattbericht, No. 5/2003<br />

Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (2003), Rentenversicherung <strong>in</strong> Zeitreihen, Frankfurt<br />

am Ma<strong>in</strong><br />

ANHANG<br />

Schaubild 1: Altersaufbau <strong>der</strong> Belegschaft im Betrieb K, 2003<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

bis 24<br />

J.<br />

25-29 J. 30-34 J. 35-39 J. 40-44 J. 45-49 J. 50-54 J. 55-59 J. 60-64 J.<br />

Frauen<br />

Männer<br />

9

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