INFOS - Arbeitskammer des Saarlandes
INFOS - Arbeitskammer des Saarlandes
INFOS - Arbeitskammer des Saarlandes
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die Ölpest im Golf von Mexiko<br />
und andere Katastrophen<br />
B P öse<br />
Am 20. April 2010 explodiert im<br />
Golf von Mexiko die von BP<br />
betriebene Ölplattform „Deepwater<br />
Horizon“. Elf Menschen<br />
sterben, zwei Tage später sinkt<br />
die Plattform. Seither laufen<br />
täglich Millionen Liter Rohöl aus<br />
– die bisher größte Umweltkatastrophe<br />
der USA nimmt<br />
ihren Lauf. Es sollte die<br />
schlimmste Ölpest aller Zeiten<br />
werden. Doch auch ohne Unfälle<br />
schadet das profitträchtige<br />
Geschäft mit dem Rohstoff Öl<br />
Mensch und Umwelt.<br />
anne<br />
Der Stoff läuft auch unter dem Namen<br />
„Schwarzes Gold“. Denn wer es besitzt,<br />
fördert oder damit handelt, kann steinreich<br />
werden. Das kann man sehr schön<br />
in den arabischen Emiraten beobachten,<br />
wo die „Ölprinzen“ ein Megaprojekt<br />
nach dem nächsten aus dem Wüsten-<br />
boden stampfen, von künstlichen Inseln<br />
bis zu Skipisten. Aber auch die weltweit<br />
tätigen Konzerne sahnen nicht schlecht<br />
ab. Das lässt sich weniger spektakulär<br />
verfolgen als in Abu Dhabi, es sei denn,<br />
so ein Unternehmen gerät wegen etwas<br />
anderem in die Schlagzeilen. Dann<br />
werden in den Medien auch die<br />
Umsatzzahlen ausgegraben – und das<br />
Publikum staunt nicht schlecht.<br />
So geht es gerade dem<br />
Energieunternehmen BP (British Petrol),<br />
dem Betreiber der verunglückten<br />
Ölplattform. 2009 verzeichnete der<br />
international tätige Konzern mit Sitz in<br />
London einen Reingewinn von 13,9<br />
Milliarden US-Dollar. Und das war in<br />
Zeiten der Krise, als die Energiegiganten<br />
alle einen Gewinneinbruch erlitten.<br />
Shell etwa, das weltweit größte<br />
Energieunternehmen, stürzte regelrecht<br />
ab: von stolzen 31,3 Milliarden<br />
US-Dollar im Jahr 2007 blieben 2009<br />
„nur noch“ 12,5 Milliarden. Der<br />
Ölkonzern Exxon Mobil, auch bekannt<br />
unter dem Markennamen Esso, machte<br />
vor der Krise, im Jahr 2008, satte 45<br />
Milliarden Gewinn, im Jahr der Krise<br />
waren es immerhin noch gut 19<br />
Milliarden. Mitleid mit den Giganten ist<br />
allerdings unnötig, im ersten Quartal<br />
2010 fuhren die Konzerne wieder dicke<br />
Gewinne ein, allein sechs Milliarden<br />
waren es bei BP.<br />
Davon allerdings dürften in diesem Jahr<br />
große Summen in die Bewältigung der<br />
Katastrophen-Folgen fließen – in<br />
Entschädigungen und den Versuch, die<br />
Ölpest einzudämmen. Seit April zahlte<br />
BP nach eigenen Angaben täglich rund<br />
40 Millionen Dollar. Und noch ist völlig<br />
offen, wie hoch die Kosten für<br />
Säuberungen und Schadenersatz<br />
letztlich sein werden. Zwischen 30 und<br />
100 Milliarden schwanken die<br />
Schätzungen von Experten. 44.500<br />
Helfer, 6.500 Schiffe und 113 Flugzeuge<br />
waren Mitte Juli im Kampf gegen den<br />
Ölteppich im Einsatz.<br />
Fast schlimmer aber ist der Image-<br />
Schaden für den Konzern, der sich in<br />
den letzten Jahren bemühte, sich ein<br />
„grünes“ Erscheinungsbild zu geben,<br />
weg vom dreckigen Öl, hin zu sauberen<br />
Energien. Das ist jetzt dahin, zumal bei<br />
der Aufarbeitung der Katastrophe auch<br />
herauskam, wie lax in dem Unternehmen<br />
mit den Sicherheitsvorkehrungen<br />
umgegangen wurde. Denn die<br />
„Deepwater Horizon“ ist nicht der erste<br />
Fall, in dem aus Kostengründen bei der<br />
Sicherheit geschlampt und auf<br />
vorgeschriebene Kontrollen verzichtet<br />
wurde. 2005 starben 15 Menschen bei<br />
einer Explosion in einer Raffinerie in<br />
Texas – auf 87 Millionen Dollar belief<br />
sich die Strafe, weil BP gegen<br />
Sicherheitsvorkehrungen verstoßen<br />
hatte. An einer verrotteten Pipeline in<br />
Alaska fanden Experten ein Jahr später<br />
ein Loch, was mit einer Strafe von 20<br />
Millionen geahndet wurde.<br />
Aber Sicherheit scheint nicht das<br />
Hauptinteresse <strong>des</strong> Konzerns zu sein.<br />
Seit 2007 (bis zu seiner Abberufung im<br />
Juli) wird er von dem Geologen<br />
Tony Hayward geleitet, der bei den<br />
Meeresbohrungen darauf drängte, in<br />
immer weitere Tiefen vorzustoßen, in<br />
der Nordsee, im Atlantischen Ozean vor<br />
Angola und im Golf von Mexiko. Dort<br />
war man mittlerweile bei einer Tiefe<br />
von 1.500 Metern angelangt. Und hier<br />
liegen auch die meisten Tiefsee-Ölfelder<br />
der Welt, rund 160 nämlich. Weltweit<br />
sind nach Angaben der Umweltschutzorganisation<br />
Greenpeace rund 800<br />
Plattformen auf etwa 300 Ölfeldern im<br />
Einsatz. Mit der Sicherheit ist es dabei<br />
oft nicht weit her. Das belegen die<br />
vielen Störfälle. Schuld daran sind aber<br />
auch die viel zu laschen staatlichen<br />
Kontrollen. Wie sich im Fall BP herausstellte,<br />
hatte die Aufsichtsbehörde es<br />
der Firma überlassen, zu prüfen und zu<br />
bestätigen, dass die notwendigen<br />
Sicherheitsventile funktionieren. Und<br />
das war offenkundig kein Einzelfall –<br />
wie jetzt herauskam, haben sich viele<br />
staatliche Kontrolleure bestechen lassen,<br />
und die Ölfirmen verfügen über reichlich<br />
Schmiermittel…<br />
Doch es muss gar nicht erst zur großen<br />
Katastrophe kommen, um Mensch und<br />
Natur bei der Ölförderung nachhaltig zu<br />
schädigen. „Schon der Normalbetrieb ist<br />
eine einzige Katastrophe“, schrieb die<br />
„taz“ im Juni. Und führte jede Menge<br />
Beispiele an, auch bei uns. So stehen in<br />
der Nordsee insgesamt 400<br />
Förderanlagen, die beim alltäglichen<br />
Betrieb pro Jahr 10.000 Tonnen Öl ins<br />
Meer leiten. Dazu kamen 2007 nochmal<br />
4.000 Tonnen, die bei den über 500<br />
Unfällen auftraten. Auch hier fördert BP<br />
risikoreich in über 400 Metern Tiefe.<br />
In Nigeria steht vor allem der<br />
Shell-Konzern im Rampenlicht: Allein<br />
durch seine Förderung sollen im Jahr<br />
2009 etwa 14.000 Tonnen Rohöl ins<br />
Nigerdelta geflossen sein. Sie zerstörten<br />
damit langfristig das mit 20.000<br />
Quadratmetern größte Feuchtgebiet<br />
Afrikas, in dem (noch) 150 Tierarten<br />
beheimatet sind. „Royal Dutch Shell“, so<br />
der offizielle Name, fördert in Nigeria<br />
seit 1956 Öl, erwirtschaftet dort rund<br />
zehn Prozent seines Umsatzes und<br />
finanziert in der ehemaligen britischen<br />
Kronkolonie völlig ungeniert<br />
Bürgerkrieg und Waffenhandel.<br />
Aber nicht nur bei der Förderung,<br />
sondern auch beim Transport gelangen<br />
große Mengen Rohöl in die Umwelt.<br />
Dabei machen die spektakulären<br />
Tankerunfälle wie etwa 1978 die Amoco<br />
Cadiz in der Bretagne (über 220.000<br />
Tonnen gelangten ins Meer) nur einen<br />
Bruchteil der Verschmutzung aus: genau<br />
fünf Prozent nämlich. Die restlichen 95<br />
Prozent entstehen im Normalbetrieb<br />
beim Auswaschen der Tanks und<br />
Ölaustritten aus den Motoren.<br />
Vorbeugen könnte man der<br />
Dauerverschmutzung und immer wieder<br />
eintretenden Katastrophen nur mit<br />
einem globalen Umdenken. Doch damit<br />
tut sich die Politik genauso schwer wie<br />
mit wirksamen Auflagen für die<br />
mächtige Öl-Lobby. US-Präsident Barack<br />
Obama hat zwar angekündigt, neue<br />
Regeln einzuführen, damit so etwas nie<br />
wieder geschehen könne. Aber von<br />
einer radikalen Wende in der Energiepolitik<br />
war bisher keine Rede. 300<br />
Millionen Amerikaner, das sind fünf<br />
Prozent der Weltbevölkerung,<br />
verbrauchen weiter 25 Prozent <strong>des</strong><br />
Öls weltweit.<br />
Text: Gabi Hartmann<br />
Fotos: picture alliance<br />
6 7