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Was ist Gewalt?<br />

DIPL.-PSYCH. ROBERTO ROTONDO. FREITAG, 21.09.2011<br />

„Aggression und Gewalt in der Pflege“<br />

<strong>Seniorenresidenz</strong> <strong>Helene</strong> <strong>Donner</strong> gGmbH<br />

der <strong>DRK</strong>-Schwesternschaft Hamburg e.V<br />

Damm 12-14. 25421 Pinneberg<br />

Meines Wissens hat sich im deutschen Sprachraum bisher keine allgemeingültige Definition<br />

zur Gewalt durchgesetzt. Gewaltdefinitionen unterscheiden sich je nach Zugangsweise<br />

(Psychologie, Medizin, Soziologie, Justiz, Polizei, usw.). In der Alten- und<br />

Krankenpflegeausbildung werden folgende Definitionen für „Aggressives Verhalten und<br />

Gewalt“ vermittelt.<br />

Aggressives Verhalten<br />

„Aggressives Verhalten liegt nur dann vor, wenn die Absicht der Schädigung bei einem Täter<br />

vorhanden ist. Wenn also eine Person absichtlich etwas macht oder unterlässt, um eine<br />

psychische oder physische Beeinträchtigung einer anderen Person herbeizuführen, verhält<br />

sie sich aggressiv. Aggression wird aufgrund der Intention definiert.<br />

Im üblichen Begriff der Aggression steckt weiterhin auch die Aggression als Gefühl, also<br />

derjenigen Wut (oder schwächer: Ärger), die man als aggressive Gefühle bezeichnen kann,<br />

die aber lange noch nicht zur aggressiven Handlung führen müssen." i<br />

Gewalt<br />

„Es wird immer dann von Gewalt gesprochen, wenn eine Person zum „Opfer" wird, d.h.<br />

vorübergehend oder dauernd daran gehindert wird, ihrem Wunsch oder ihren Bedürfnissen<br />

entsprechend zu leben. Gewalt heißt also, dass ein ausgesprochenes oder<br />

unausgesprochenes Bedürfnis des Opfers missachtet wird. Dieses Vereiteln einer<br />

Lebensmöglichkeit kann durch eine Person verursacht sein (personale Gewalt) oder von<br />

institutionellen oder gesellschaftlichen Strukturen ausgehen (strukturelle Gewalt). Bei der<br />

personalen Gewalt erscheint darüber hinaus die Unterscheidung zwischen aktiver<br />

Gewaltanwendung im Sinne der Misshandlung, und passiver Gewaltanwendung im Sinne<br />

der Vernachlässigung. Gewalt sollte immer aus der Sicht des geschädigten Opfers definiert<br />

werden." ii<br />

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DIPL.-PSYCH. ROBERTO ROTONDO. FREITAG, 21.09.2011<br />

Gewalt gegen Pflegebedürftige - Statistik<br />

Im Jahre 2002 erschien der „Vierte Altenbericht zur Lage der älteren Generation in der<br />

Bundesrepublik Deutschland“. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und<br />

Jugend (BMfFSFJ) konstatierte, dass über „das Ausmaß von Gewalt gegen alte und<br />

hochaltrige Menschen [...] bislang noch zu wenig bekannt [ist]“. Erste Anhaltspunkte wurden<br />

schon 2001 in einer Pressemitteilung veröffentlicht.<br />

Demnach werden „circa 600 000 ältere Menschen oder 6,6 % der 60- bis 75-Jährigen<br />

Opfer innerfamiliärer Gewalt; rund 340 000 erleiden körperliche Gewalt (Näheres<br />

hierzu siehe unten).<br />

Das Spektrum der Gewalt reicht von Vernachlässigung und seelischer Misshandlung<br />

über finanzielle Ausnutzung, Freiheitseinschränkung bis hin zu körperlicher Gewalt.<br />

Gewalt tritt oft in engen sozialen oder privaten Beziehungen auf.<br />

Über zwei Drittel der Fälle von Gewalt treten in familiären Beziehungen auf. Nur ein<br />

Bruchteil davon wird bekannt.“ iii<br />

Die Ergebnisse des 4. Altenberichts beziehen sich auf eine Studie des Kriminologischen<br />

Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN-Studie) von 1992. iv<br />

Durch den Pflegebericht des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der<br />

Krankenkassen (MDS) und der Pflegekassen, der sich auf die Jahre 2004 bis 2006 bezieht,<br />

kam auch das Thema Gewalt in der Pflege 2007 wieder auf. Bei jedem zehnten<br />

Heimbewohner und bei 5,7 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause wurde ein "akut<br />

unzureichender Pflegezustand" festgestellt. „Mehr als 3700 Qualitätsprüfungen bei<br />

ambulanten Pflegediensten und rund 4200 Qualitätsprüfungen in stationären<br />

Pflegeeinrichtungen liegen der Analyse zugrunde. [...] Nach wie vor gibt es gravierende<br />

Mängel bei Ernährung und Flüssigkeitsversorgung der Pflegebedürftigen. Bei etwa jedem<br />

dritten Pflegefall (Heime: 34,4 Prozent; ambulante Pflege: 29,6 Prozent) stellten die Prüfer<br />

Defizite fest.“ v<br />

Auch zur so genannten „Gewalt im sozialen Nahraum“ gibt es sehr wenig Erkenntnisse.<br />

Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen e.V. (KFN) führt seit 2004 die Studie<br />

"Kriminalität und Gewalt im Leben alter Menschen" in Hannover durch. vi Es wurde eine so<br />

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DIPL.-PSYCH. ROBERTO ROTONDO. FREITAG, 21.09.2011<br />

genannte Bevölkerungsbefragung (n=3.030), eine schriftlichen Befragung von<br />

Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ambulanter Pflegedienste (n=503) und eine qualitative<br />

Interviewstudie in häuslichen Pflegesettings durchgeführt, bei der Pflegebedürftige,<br />

pflegende Angehörige und ambulante Kräfte befragt wurden (178 Interviews und vier<br />

Gruppengespräche). „Die Beteiligung sowohl auf der Ebene der Dienste als auch der<br />

MitarbeiterInnen war erfreulich hoch; die Teilnahmequote der Pflegekräfte lag bei rund 43%.“<br />

Folgende zentrale Punkte wurden festgehalten:<br />

„rund 40% der Befragten berichteten für den Zeitraum der letzten 12 Monate<br />

mindestens ein einschlägiges Vorkommnis. Die berichteten Verhaltensweisen liegen<br />

allerdings primär im unteren Schwerebereich und konzentrieren sich auf die Bereiche<br />

der Vernachlässigung, der verbalen Aggression / psychischen Misshandlung sowie<br />

problematischer Formen der Freiheitseinschränkung (letztere offenbar primär auf<br />

Wunsch von Angehörigen und weniger aus eigener Initiative). Soweit physische<br />

Gewalt berichtet wird, handelt es sich überwiegend um Fälle des "groben Anfassens"<br />

Pflegebedürftiger durch Pflegende.“<br />

„Als bedeutsames Problemverhalten wurde in der Studie angesehen, wenn eine<br />

Pflegekraft angegeben hatte, „dass sie mindestens fünfmal in den vergangenen 12<br />

Monaten einen Pflegebedürftigen beschimpft, angeschrien, grob angefasst,<br />

respektlos behandelt, ausgelacht, seine Mundpflege vernachlässigt, ihn nicht<br />

rechtzeitig gelagert, ihn absichtlich länger als nötig auf Hilfe warten lassen, ihn<br />

absichtlich nicht gewaschen, seine Wäsche trotz Inkontinenz nicht gewechselt, ihm<br />

nicht genug zu essen oder zu trinken gegeben oder seiner Verletzung nicht sorgfältig<br />

genug versorgt hatte.“ vii<br />

„Bedeutsames Problemverhalten“ wurde auch angenommen, wenn eine Pflegekraft<br />

weniger als fünfmal in den letzten 12 Monaten die oben genannten Verhaltensmuster<br />

zeigte, aber eine gewisse „Breite“ problematischen Verhaltens aufwies. Also<br />

mindestens drei Verhaltensweisen für den Zeitraum der letzten 12 Monate jeweils<br />

mindestens einmal berichtete.<br />

Aber es gibt auch Verhaltensweisen, die als so gravierend und mit dem pflegerischen<br />

Berufsethos als unvereinbar angesehen werden, wenn sie einmalig innerhalb der<br />

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letzten 12 Monate vorkamen. Folgende Verhaltensmuster wurden berichtet:<br />

„verprügeln; Ohrfeigen; würgen; treten; mit der Faust schlagen; absichtlich zu heiß<br />

oder zu kalt baden/duschen; schubsen oder stoßen; sexuell belästigen; ruhigstellende<br />

Medikamente geben, um weniger Mühe zu haben; fixieren, um weniger Mühe zu<br />

haben; Geld/Wertgegenstände unerlaubt wegnehmen; absichtlich falsche<br />

Rechnungen ausstellen; absichtlich beleidigen; andere lächerlich machen; mit Worten<br />

bedrohen; absichtlich ärgern; Schamgefühl absichtlich verletzen.“ viii<br />

Nicht berichtet wurde, dass Pflegekräfte Patienten auch töten. ix<br />

Verhalten von Pflegebedürftigen gegenüber Pflegekraft<br />

Die Forscher des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen e.V. (KFN)<br />

interessierten sich auch für die Gewalt, die Pflegebedürftige gegen das Pflegepersonal<br />

anwenden:<br />

Patienten beleidigen, beschimpfen, verbreiten Unwahrheiten, bedrohen mit Worten,<br />

belästigen sexuell, fassen grob an, kratzen, werfen mit Gegenstand nach PK, sie stoßen,<br />

treten, bespucken, schlagen mit Faust, beißen, ziehen an den Haaren, sie geben Ohrfeigen,<br />

schlagen mit Gegenstand, bedrohen mit Waffe, verprügeln, bestehlen, setzen Waffe ein,<br />

blocken alles, sind ausländerfeindlich, lügen, unterstellen einen Diebstahl und haben<br />

versucht, Kollegen gegen andere Kollegen aufzuhetzen, sie auszuhorchen. x<br />

Entstehungstheorien<br />

Es gibt verschiedene Theorien über die Entstehung von Aggression und Gewalt. Die am<br />

häufigsten angeführten Theorien werden nun kurz dargestellt.<br />

1. Triebtheorien. Triebtheoretiker gehen davon aus, daß Menschen von Geburt an<br />

Aggressionsenergie bilden. Diese Energie staut sich an und muss abgebaut bzw.<br />

verbraucht werden. Man kann sich das vereinfacht etwa so vorstellen, dass man<br />

Wasser auf einer Herdplatte erhitzt, die Temperatur steigt langsam, aber stetig, bis<br />

das Wasser kocht. Wenn die Energie nicht entweichen kann, weil ein Deckel es<br />

verhindert, dann kommt es zur explosiven Entladung. Wenn diese Theorie zutreffen<br />

würde, müssten wir Menschen Alternativen finden, um den Trieb ausleben zu können,<br />

ohne andere zu gefährden. Z.B. durch sportliche Betätigung o.ä.<br />

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2. Frustrations-Aggressions-Theorie. Bei dieser Theorie ging man davon aus, dass<br />

"Aggression ist immer eine Folge von Frustration" und "Frustration führt immer zu<br />

einer Form von Aggression". Demnach könnte es theoretisch möglich sein, keine<br />

Aggression zu haben, wenn man nicht frustiert wird.<br />

3. Lernpsychologische Ansätze. Die Grundannahme hierbei lautet, dass Aggressionen<br />

auf verschiedenen Wegen gelernt werden.<br />

1) das klassische Konditionieren (Lernen, Reiz-Reaktions-Lernen): Stellen Sie sich<br />

vor, dass Sie immer morgens um 6:00 Uhr von Menschen gegen ihren Willen geweckt<br />

werden, die weiße Kleidung tragen. Wenn Sie dann Aggressionen gegen Menschen<br />

in weißer Kleidung entwickeln, die Ihnen gar nichts antun, haben Sie gelernt.<br />

2) das Lernen am Erfolg (Lernen, Instrumentelles Lernen): Diese Lernmethode erklärt<br />

sich von selbst. Stellen Sie sich vor, dass Sie immer morgens um 6:00 Uhr von<br />

Menschen gegen ihren Willen geweckt werden, die weiße Kleidung tragen. Vielleicht<br />

fangen Sie an, diese Menschen zu schlagen und stellen fest, dass sie den Raum<br />

verlassen und erst 30 Minuten später wieder zu ihnen kommen. Sie hatten Erfolg und<br />

werden ihr Verhalten mit großer Wahrscheinlichkeit wiederholen.<br />

3) das Lernen am Modell (Lernen, Modell-Lernen). Bei dieser Methode beobachtet<br />

man Modelle, die sich aggressiv verhalten und lernt ihr Verhalten. Mir wollte<br />

beispielsweise eine erfahrene Pflegekraft beibringen, wie man eine bestimmte<br />

Bewohnerin dazu bringt, ihren Mund zu öffnen, damit sie schneller ißt. Sie hielt der<br />

alten Damen die Nase zu, als diese ihre Lippen aufeinander presste. Sie öffnete den<br />

Mund und die Schwester steckte ihr den Löffel in den Mund. Sie wollte, dass ich es<br />

genauso mache. xi<br />

4. Aggression als Folge von Interaktion: In diesem Fall erfolgt die Aggression als Folge<br />

wechselseitigem Aufeinandereinwirken von Akteuren oder Systemen.<br />

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Diagramm 2: Quellen des Gewalt- und Aggressionspotentials<br />

Familien -/Partnerprobleme<br />

Doppelbelastung<br />

Konflikte. Streit<br />

Isolation, Einsamkeit<br />

sexuelle Probleme, etc.<br />

Pflegepersonal<br />

Einstellungen/<br />

Werte, Kompetenzen<br />

Teamprobleme<br />

persönlich<br />

fachlich/sachlich<br />

unverarbeitete Autobiographie<br />

verdrängte Endlichkeit, eigener<br />

Tod<br />

strukturelle Zwänge<br />

Hausordnung<br />

Helfersyndrom<br />

Arbeitszeiten, Schichtdienst<br />

Personalmangel<br />

hierarchisch/organisatorisch<br />

Frühere Autoritätskonflikte<br />

Diskrepanz körperlicher Nähe - seelische<br />

Distanz<br />

Arbeitsablauf versus Bedürfnisse<br />

Bevormundung, Dirigismus<br />

Querstellen gegen Programm<br />

Erfolglosigkeit der Endlospflege<br />

Konfrontation mit der eigener Endlichkeit<br />

Erinnerung an frühere Autoritätspersonen<br />

mangelnde Dankbarkeit<br />

Wenig Prestige, geringer sozialer Status<br />

unverarbeitete Autobiographie<br />

Konflikte mit Kindern, Eltern,<br />

Geschwistern, Enkeln etc.<br />

frühere Autoritätskonflikte<br />

nicht „loslassen" können<br />

strukturelle Zwänge<br />

Hausordnung<br />

Verlust an Lebensqualität<br />

ungewollter Eintritt<br />

ins Krankenhaus/ He i m<br />

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erlebte Endlichkeit<br />

endlose Abhängigkeit<br />

abgelehnte Gebrechen<br />

bewußte Endlichkeit<br />

existentielle Ängste<br />

Isolation, Einsamkeit<br />

Patient/in<br />

Erkrankung/<br />

Medikamente<br />

unfreie<br />

Kontakte/Kontaktwahl<br />

wenig Angehörige<br />

nicht ausgewählte Mitpatienten<br />

oder Pflegebezugspersonen<br />

Quelle: Hartdegen, Karsten. Aggression und Gewalt in der Pflege. Fischer 1996.<br />

Modifiziert durch Dipl. Psych. Roberto Rotondo


Einschub – Fallarbeit Präsentation<br />

DIPL.-PSYCH. ROBERTO ROTONDO. FREITAG, 21.09.2011<br />

Dieses Beispiel zeigt, dass natürlich auch das Pflegepersonal Gewalt gegen sich erfährt.<br />

Aber, auch pflegende Angehörige und Pflegepersonal üben Gewalt gegen Pflegebedürftige<br />

aus.<br />

Um meine Sicht auf Gewalt in Institutionen zu verdeutlichen, möchte ich nochmal auf den<br />

Pflegebericht des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen und der<br />

Pflegekassen zurückkommen. Es gab gravierende Mängel bei Ernährung und<br />

Flüssigkeitsversorgung der Pflegebedürftigen. Bei etwa jedem dritten Pflegefall (Heime: 34,4<br />

Prozent; ambulante Pflege: 29,6 Prozent) stellten die Prüfer Defizite fest.“ xii<br />

Liegen die Ursachen nur bei den Pflegekräften bzw. den Einrichtungen?<br />

Als der Pflegebericht 2007 veröffentlicht wurde hatte ich einige Anfragen von Journalisten,<br />

die wissen wollten, warum Einrichtungen bzw. Pflegekräfte zulassen, dass Pflegebedürftige<br />

verhungern und verdursten. Diese Journalisten zeigten mir mit ihrer Frage, dass sie nicht<br />

systemisch denken. Sie hatten eine einfaches Ursachemodell. Wenn ein Mensch Gewalt<br />

ausübt oder es in einer Einrichtung geschieht, liegt die Ursache ausschließlich bei ihm oder<br />

der Einrichtung. Dass die Gewalt möglicherweise eine Folge eines wechselseitigen<br />

Aufeinandereinwirkens von Akteuren oder Systemen war, wurde nicht bedacht.<br />

Ich stellte dann meistens eine Gegenfrage. Warum glauben Sie, dass es lediglich an der<br />

Einrichtung bzw. an den Pflegekräften liegt und nicht auch an der Vorgaben nach denen<br />

gepflegt werden muss?<br />

Ich erwähne dies, weil ich mit meinem Vortrag verdeutlichen möchte, dass es, im Falle von<br />

Gewalt von Pflegekräften an Pflegebedürftigen, sogar im Falle von Patiententötungen zu<br />

einfach gedacht wäre, wenn man ausschließlich die Pflegekräfte verurteilen würde.<br />

Der Tagesspiegel berichtete im September 2007 im Artikel „Frau Zielinskis knappe Zeit“ von<br />

einer Heimbewohnerin, die im Marienhaus in Essen lebt. Frau Zielinski, geboren im Mai<br />

1909, war zum Zeitpunkt der von mir erwähnten Gutachten 96 Jahre alt. „In den Gutachten<br />

des Heims heißt es, Frau Zielinski leide an einer schweren senilen Demenz, Depression,<br />

Bluthochdruck, Hüftarthrose beiderseits, an Wirbelsäulen-Syndromen, offenen<br />

Hautkrebsstellen an Rücken und im Gesicht. Sie ist inkontinent, sehr schwerhörig,<br />

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kurzsichtig und extrem ängstlich. Im MDK-Gutachten hat Frau Zielinski ein „Mobilitätsdefizit<br />

bei deg. Wirbelsäulensyndrom“, Kniearthrose, Diabetes mellitus, kann „teils kontrolliert“<br />

abführen.“<br />

Die MDK-Gutachterin G. „trug 2005 unter Punkt „5.2. Ernährung“ ein: Zeitaufwand pro Tag<br />

für die mundgerechte Zubereitung 10,0 Minuten. Für die Aufnahme der Nahrung – oral: 2,0<br />

Minuten. [...] Sie notierte in ihrem Gutachten unter Punkt 5.1. „Körperpflege“: drei Mal<br />

Wasserlassen pro Tag, Gesamtdauer sechs Minuten. Dazu vier Mal pro Woche Stuhlgang,<br />

umgerechnet auf sieben Tage sind das zwei Minuten pro Tag. [...] Das Marienhaus in Essen<br />

hat schon oft gegen die Einstufungen seiner Bewohner durch den MDK geklagt. In einer<br />

Liste führt das Heim 57 Höherstufungsanträge und Widersprüche auf. Gesamtsumme:<br />

340774,38 Euro. Das ist der Wert der Pflegeleistungen, die das Heim seiner Meinung nach<br />

für Fälle der Stufen III und III plus leistet, obwohl die Kassen mit Verweis auf MDK-<br />

Gutachten nur Leistungen der Stufen I oder II bezahlen. xiii<br />

Tatmodivations- und Hintergrunddynamik am Beispiel „Patiententötung“<br />

Sogar Richter folgen in Bezug auf Gewalttaten durch Pflegende der Theorie der Interaktion.<br />

Hierzu ein Beispiel: Am 29.06.2007 verurteilte das Landgericht Berlin Irene B., eine 55-<br />

jährige Krankenschwester, zu einer lebenslangen Haftstrafe. Die Staatsanwaltschaft warf ihr<br />

sechsfachen Mord sowie Mordversuch in zwei Fällen vor. Dies konnte jedoch nicht<br />

zweifelsfrei bewiesen werden. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass Irene B. zwischen<br />

Juni 2005 und Oktober 2006 auf der kardiologischen Intensivstation 104 I der Charité<br />

(Berlin) fünf schwer kranke Patienten mit einer Medikamenten-Überdosis getötet hat. Sie<br />

selbst gab in Vernehmungen nur die Tötung von vier Patienten im Jahr 2006 zu.<br />

Serientötungen unterliegen einer komplexen Tatmodivations- und Hintergrunddynamik. Es<br />

gibt eine Wechselwirkung zwischen arbeits-organisatorischen Belastungsfaktoren,<br />

persönlichen „Schwächen“ der TäterInnen, ihrer individuellen Belastbarkeit und<br />

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Aus meiner Sicht trifft dies auch auf andere Formen<br />

von Gewalt an Pflegebedürftigen durch Pflegende zu (siehe oben, Stichwort: „bedeutsames<br />

Problemverhalten“). xiv<br />

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Quellen des Gewalt- und Aggressionspotentials im Fall Irene B.<br />

Belastung durch die Patienten<br />

Auf der kardiologischen Intensivstation 104 I der Charité lagen schwer kranke Patienten im<br />

Alter von 48 bis 77 Jahren. Leid, Sterben und Tod gehörten zum Alltag der Station.<br />

Familien-/ Partnerprobleme<br />

Psychiaters Alexander Böhle begutachtete die Angeklagten:<br />

• Sie habe den Tod der Mutter „nie richtig verarbeitet“. xv<br />

• Nach 25 Ehejahren trennte sich ihr Ehemann 1998 von ihr. Er hatte eine jüngere Frau<br />

kennengelernt. „Geblieben sei eine tiefe Kränkung“, so Böhle. xvi<br />

• Die Scheidung führte zu einem „Trauma, das [...] zu einer zeitweisen „Depression mit<br />

klinischen Symptomen“ geführt habe. xvii<br />

Unverarbeitete Autobiographie<br />

Es gibt Hinweise auf frühere Autoritätskonfikte und ein Helfersyndrom:<br />

• Sie wuchs in einem offenbar sehr gefühlskalten Umfeld auf. xviii<br />

• Irene B. in einem Fernsehbericht 2007 während des Prozesses: Krankenpflege, das<br />

„ist mein Traumberuf. Ich habe schon als kleines Kind mit fünf Jahren, habe ich mal<br />

einen kleinen Roten-Kreuzkoffer geschenkt bekommen und bin schon durch die<br />

Wohnung gelaufen mit einem Stethoskop. Wahrscheinlich habe ich noch gar nicht<br />

gewusst, was ein Stethoskop ist und im Unterbewusstsein stand für mich fest, ich<br />

werde Krankenschwester. Und das, so habe ich das gedacht. Ich habe fast alles, was<br />

ich im Leben machen wollte, das habe ich erreicht. Das, was ich mir vorgenommen<br />

habe.“ xix<br />

• „Der Psychiater sah als Ursache für dieses Verhalten deutliche Defizite in Irene B.s<br />

Persönlichkeit. So habe sie „Schwierigkeiten, „sich selbst und andere richtig<br />

wahrzunehmen“. xx<br />

• „Immer wieder habe es bei ihr aber auch „Tendenzen zu Großem, Grandiosen“<br />

gegeben.“ xxi Hierzu ein Beispiel: Irene B., : „Der Begriff `Töten` klingt sehr hart. Ich<br />

habe diesen Menschen die Lebenszeit verkürzt. Das war ein Eingreifen meinerseits<br />

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und im Nachhinein weiß ich, dass dies ein absurder Irrtum war. Aber ich habe es<br />

getan und dazustehe ich.“ Laut einem Fernsehbericht will sie ihre Opfer, meist<br />

todkranken Patienten, vor einem langsamen, leidvollen Sterben „erlöst" haben. Die<br />

strenggläubige Schwester hatte ihre eigenen Vorstellungen von Religion bzw. der<br />

Auslegung der 10 Gebote. Irene B.: „Dass man die 10 Gebote, die in unserem<br />

Christentum sind, dass man sie auch ausdehnen kann. Dass sie weit gefächerter<br />

werden und trotzdem, ja, der Grundgedanke, das Grundelement vorhanden ist. Und<br />

dass vieles nicht als Sünde angesehen wird. Sondern, dass man einfach humaner in<br />

unsere Gesellschaft und in unserem Staat umgeht. Den letzten Atemzug sollte ein<br />

Mensch selbst machen und er sollte nicht von einer Maschine Luft bekommen.“ Nach<br />

Angaben von Angehörigen der Opfer tötete sie gegen den Willen der Patienten. Auch<br />

im Nachhinein ist Irene B. sich sicher, richtig gehandelt zu haben. Irene B.: „Ich weiß,<br />

dass diese Menschen keine Qualen hatten. Vielleicht wollte man etwas anderes<br />

beweisen, ich weiß es nicht. Aber ich habe es am Körper und Gesichtsausdruck<br />

gesehen. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“ xxii<br />

• Die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses im Jüdischen Krankenhaus 1991 stellte ein<br />

weiteres „Trauma“ dar, dass zum Ausbruch einer „Depression“ führte. „Sie habe bis<br />

heute nicht verstehen können, sagte Böhle, dass es plötzlich eine breite Abneigung<br />

gegeben habe.“ xxiii<br />

Teamprobleme<br />

• Auf der Station 104i der Kardiologieklinik der Charité „hatte sich der größte Teil des<br />

Pflegepersonals von Irene B. wegen ihres dominanten und herrischen Wesens<br />

zunehmend zurückgezogen.“ xxiv<br />

• „Sie habe sich auch ganz bewusst abseits gehalten und den Pausenraum<br />

gemieden.“ xxv<br />

• „Irene B. selbst habe von dieser wachsenden Ablehnung nichts bemerkt, sagte Böhle.<br />

Sie sei „wütend und verbittert“ gewesen, als sie in den Akten die Zeugenaussagen<br />

einiger Kollegen gelesen habe.“ xxvi<br />

• Gleichzeitig führten die oft streng hierarchisch geprägten Organisations- und<br />

Leitungsstruktur zu einem dürftigen Kommunikationsfluss unter den Ärzten. xxvii<br />

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Strukturelle Zwänge<br />

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• Möglichkeiten der Kommunikation: Der Gutachter machte „ein Systemversagen“<br />

aus und „kritisierte zudem die Arbeitsbedingungen auf der der Station 104 i. So habe<br />

es „auf der Station nur sehr selten Konferenzen und Aussprachen gegeben.“ xxviii<br />

• Möglichkeiten der Kommunikation: „Auch an Supervision habe es gemangelt,<br />

obwohl sie auf derartigen Stationen zum Standard gehören müssten.“ xxix<br />

• Alltägliche Arbeitsbelastungen: Zum Zeitpunkt der Taten gab es eine<br />

unzureichende Personalausstattung auf dieser Station. An der Berliner Charité<br />

bemängelten Fachleuten 2007 die ärztliche Präsenz auf Station 104i (siehe unten). xxx<br />

• Die Erreichbarkeit der Vorgesetzten: In der Berliner Charité: Eine Woche vor der<br />

Verhaftung von Irene B. beraten Stationsarzt, Oberarzt und Stationsschwester hinter<br />

verschlossenen Türen über den Verdacht und beschließen den Chefarzt zu<br />

informieren. Obwohl die Station als „Team of Excellence" bezeichnet wurde, ist<br />

Chefarzt Baumann angeblich nicht erreichbar. „Ganze sieben tagelang nicht. Das<br />

behauptet der ihm Untergebene Stationsarzt vor Gericht.“ Der Chefarzt bestreitet<br />

das. xxxi<br />

• Gesellschaftlichen (kollektiven) Rahmenbedingungen: Fachleute, wie<br />

beispielsweise Gutachter oder betroffene Chefärzte, in deren Abteilungen getötet<br />

wurde, nehmen heute an, dass komplexe gesellschaftliche Veränderungen<br />

mitverantwortlich dafür waren, dass Pflegekräfte in ihrer pflegerischen Aufgabe und<br />

der Sinnerfüllung mit dieser Aufgabe scheiterten und in der Folge Patienten töteten.<br />

◦ Die demografische Entwicklung: Die Lebenserwartung der Menschen in der<br />

westlichen Welt ist angestiegen. Damit gibt es auch eine Zunahme von<br />

chronischen Krankheiten am Lebensende und eine Zunahme von<br />

Langzeitpatienten in der Pflege, die in ihren Familien keinen Platz mehr haben. In<br />

der Folge steigen die Belastungen für Pflegekräfte.<br />

◦ Verbesserte Möglichkeiten der Medizin: Die Fortschritte in der Medizin haben<br />

zwar viele Vorteile, aber auch eine Kehrseite. Manche Intensiv- und<br />

Transplantationsmediziner sind überzeugt davon, dass das was machbar ist, auch<br />

eingesetzt werden muss. Behandlung um jeden Preis. Aber nicht immer haben die<br />

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Maßnahmen den erhofften Erfolg. In solchen Fällen ist es sehr wichtig, dass die<br />

behandelnden Mediziner ihre Entscheidungen bezüglich der Maßnahmen, gut und<br />

verständlich gegenüber Pflegekräften begründen. Pflegekräfte neigen dazu, sich<br />

ihre eigenen Phantasien über die Notwendigkeit einer Behandlung zu machen. In<br />

solchen Fällen kann die fehlende bzw. mangelhafte Kommunikation dazu führen,<br />

dass Pflegekräfte eigenmächtig handeln.<br />

◦ Delegieren von Sterben und Tod: Nach Angaben des Nationalen Ethikrates aus<br />

dem Jahr 2006 „sterben in Deutschland etwa 850.000 Menschen. [...] Obwohl der<br />

Wunsch verbreitet ist, die letzte Lebensphase zu Hause zu verbringen, sterben<br />

tatsächlich rund 90 Prozent der Menschen in Krankenhäusern oder<br />

Pflegeheimen.“ Auf diese Entwicklungen waren Krankenhäuser nicht<br />

vorbereitet. xxxii<br />

◦ Verlangen nach Sterbehilfe (im Sinne einer aktiven Euthanasie): Als Folge der<br />

oben genannten Entwicklungen wird immer öfter an Ärzte und Pflegekräfte das<br />

Verlangen nach Sterbehilfe herangetragen. 2005 kam die Diskussion bei uns<br />

wieder auf, weil u.a. die Schweizer Sterbehilfeorganisation Dignitas im September<br />

2005 in Hannover eine Filiale eröffnete und sich der damalige Hamburger<br />

Justizsenators Roger Kusch im Oktober 2005 offen für die Einführung und<br />

Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen hatte.<br />

Auch sogenannte Repräsentativumfragen über „aktive“ Sterbehilfe unterstützen<br />

Ausweitungstendenzen und müssen aus meiner Sicht mit einem kritischen Blick<br />

betrachtet werden. So berief sich Roger Kusch u.a. auf eine Umfrage des<br />

Meinungsforschungsinstituts Forsa, nach der 74 Prozent der Deutschen eine<br />

aktive Sterbehilfe für Todkranke auf deren ausdrücklichen Wunsch hin<br />

befürworteten.<br />

Die Ergebnisse können jedoch extrem Schwanken. So kommt die Deutsche<br />

Hospiz Stiftung in einer Langzeitstudie zu dem Ergebnis, dass „nur“ 35 Prozent für<br />

aktive Sterbehilfe sind. (21.10.2005, Die Welt)<br />

Auch Pflegekräfte sollen zu einem großen Prozentsatz die Einführung von »aktiver<br />

Sterbehilfe« befürworten. 1998 veröffentlichte Karl Beine, Lehrstuhlinhaber für<br />

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Psychiatrie an der Witten/Herdecker Universität, die Auswertung einer Umfrage als<br />

Teil seiner Studie »Sehen, Hören, Schweigen – Patiententötungen und aktive<br />

Sterbehilfe«. Demnach haben 16 % derjenigen, die den Fragebogen ausgefüllt<br />

zurückschickten, angekreuzt, sie würden »aktive Sterbehilfe praktizieren«, wenn<br />

sie hierzulande legal sei. Erheblich mehr Schwestern und Pfleger würden »aktive<br />

Sterbehilfe« erlauben: 44,3 % der Befragten sind mit einer Legalisierung<br />

einverstanden. Das »Antwortverhalten«, so Beine, werde »entscheidend<br />

beeinflusst« durch die Berufszufriedenheit. Dies lasse »vermuten, dass die eigene<br />

berufliche Unzufriedenheit dem ständigen Umgang mit leidenden, verwirrten und<br />

sterbenden Menschen teilweise oder ganz zugeschrieben wird«. Patiententötung<br />

erscheine vielen Pflegekräften offenbar als ein Ausweg: „Überwiegendes Motiv für<br />

die abgegebenen Voten dürfte sein, dass von der Legalisierung der aktiven<br />

Sterbehilfe eine Verringerung des täglichen Leidens erwartet wird.“<br />

◦ »Vermuteter Auftrag«: Schon 1991 sah der bekannte Psychiater Prof. Klaus<br />

Dörner einen Zusammenhang zwischen Patiententötungen und der evtl.<br />

gestiegenen gesellschaftlichen Akzeptanz für die Ausweitung der aktiven<br />

Sterbehilfe in Deutschland.<br />

»Bei der verzweifelten Sinnsuche für die Stationsarbeit wird der vermutete Auftrag,<br />

der vermutete Sinn der gesellschaftlichen Mehrheitsmeinung exekutiert und<br />

vollzogen.«<br />

Diese provokante These vertrat Prof. Dörner nachdem es in Gütersloh 1991 zur<br />

Patiententötung durch einen Pfleger gekommen war. Ein Aussage von Irene B.<br />

könnte dies bestätigen.<br />

“Es gab mal, ich weiß es nicht mehr, es gab irgend einen Abgeordneten, der mal<br />

gesagt hat, was weiß ich, eine 86-jährige muss ja, nicht jede 86-jährige muss ja<br />

eine neue Hüfte oder ein neues Kniegelenk bekommen.“ So Irene B. in einem<br />

Fernsehbericht. xxxiii<br />

Es ging um den damals 23-jährigen Philipp Mißfelder (CDU), 2003 Chef der<br />

Jungen Union. Auch heute noch ihr Bundesvorsitzender. Er forderte damals unter<br />

anderem, dass 85-jährige keine Hüftgelenke mehr als Kassenleistung erhalten<br />

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sollten. "Ich halte nichts davon, wenn 85-Jährige noch künstliche Hüftgelenke auf<br />

Kosten der Solidargemeinschaft bekommen", Mißfelder wörtlich in einem<br />

Zeitungsinterview. xxxiv<br />

Irene B.: „Da war ja eine Empörung im Lande. Aber ich habe verstanden, was der<br />

Mann gemeint hat. […] Es soll jeder das bekommen, was ihm gut tut. Aber, es gibt<br />

Situationen, da tut es einfach nicht gut. Ich habe Menschen gesehen, mit neuen<br />

Hüftgelenken, die nicht mehr aus dem Bett kamen, die ein Pflegefall waren, die<br />

geschrien haben vor Schmerzen, wenn man sie gebettet hat im Pflegeheim.“ xxxv<br />

Umgang mit Aggression und Gewalt<br />

Frühwarnhinweise beachten<br />

Grobheiten, Grenzverletzungen, Respektlosigkeiten oder „bedeutsames Problemverhalten“,<br />

wie es vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen eingestuft wird, sind<br />

Frühwarnhinweise auf gefährliche Entwicklung in einem Heim oder einer<br />

Krankenhausstation.<br />

Peter Faust, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin in diesem Fall:<br />

"So ist es beispielsweise berichtet worden, mehrfach berichtet worden, durch sich<br />

gegenseitig bestätigende Berichte belegt worden, dass es durchaus Übergriffe, übergriffiges<br />

Verhalten gegen Patienten gab, bis hin zu Schlägen. Und das ist natürlich etwas, was nicht<br />

akzeptabel ist, was bei einer, nach meiner Meinung, normal funktionierenden derartigen<br />

Station a) entdeckt werden muss und b) wenn es entdeckt wird, natürlich sofort beseitigt<br />

werden muss. Da es ein Bereich absoluter Gewaltlosigkeit sein muss, wer dort gewalttätig<br />

ist, gegen Patienten, gehört sofort entfernt.“ xxxvi<br />

Irene B. begründete ihre Schläge gegen Patienten folgendermaßen: "Ich bin auch für die<br />

Sicherheit des Patienten zuständig. Und wenn er sich irgendwelche Kabel abreißt oder sonst<br />

irgend etwas macht. Da gibt es unheimliche Geschehnisse, die man erwähnen könnte oder<br />

aber auch eingestuhlt hat, irgendwie, da gibt es die unterschiedlichsten Sachen. Und sie<br />

weisen mehrmals daraufhin und sie machen und sie sagen, „und dies nicht und das nicht<br />

und jenes nicht“. Da ist es manchmal hilfreicher, wenn sie sagen „Bupp“ [deutet gleichzeitig<br />

mit der Hand ein Schlagen an, anmerk. des Autors]. Da ist ein Erstaunen, … ein Gucken und<br />

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ein Registrieren, das darf ich nicht. Das ist, wie soll ich sagen, es ist manchmal wie eine<br />

Rückkopplung mit einem kleinen Kind." xxxvii<br />

Peter Faust, Vorsitzender Richter am Landgericht Berlin: „Es gibt dann sicherlich innerhalb<br />

der Hierarchie Leute, die dafür zuständig sind, jemanden, der sich in der Art und Weise grob<br />

fehl verhält, aus dem Arbeitsverhältnis zu entfernen. Man muss das nur einfach machen und<br />

nicht monatelang hin warten und Überlegungen anstellen, die ja offenbar von großer<br />

Ängstlichkeit geprägt waren. Man hatte Angst vor arbeitsrechtlichen Verfahren, vor der<br />

Möglichkeit vielleicht wegen Verleumdung belangt zu werden usw. und so fort. Das sind alles<br />

menschlich nachvollziehbare Überlegungen, die aber wegen des überragend hohen Wertes<br />

des zu schützenden Gutes da fehl am Platze sind. Wenn es darum geht, das schwer kranke<br />

Menschen drangsaliert oder gar körperlich misshandelt werden, dann müssen derartige<br />

Bedenken, muss so eine Bedenkenträgerei zurückstehen. Da kann es meiner Meinung nach<br />

keine Diskussion geben.“<br />

Fortbildungen<br />

Aus genau diesem Grund, weil es um den Schutz von Patienten geht, sollten Seminare zu<br />

den Themen Aggression, Gewalt und auch Patiententötung als regelmäßige Veranstaltungen<br />

in jeder Pflegeeinrichtung angeboten werden und wenn nötig, die Teilnahme zur Auflage<br />

gemacht werden. Immer wieder mache ich die Erfahrung, dass in Einrichtungen die Angst<br />

davor besteht, diese Themen, insbesondere das Thema Patiententötung, anzubieten. Eine<br />

häufige Begründung: In der Öffentlichkeit könnte der Eindruck entstehen, dass in der<br />

betreffenden Einrichtung die Probleme existieren. Vielleicht sollte auch diese Art von<br />

„Bedenkenträgerei“ zurückstehen, wenn es darum geht, frühzeitig zu verhindern, dass<br />

Patienten drangsaliert, körperlich misshandelt oder sogar getötet werden.<br />

Aber auch andere Fortbildungen sind nötig, um Aggression und Gewalt zu verhindern. Ein<br />

paar Beispiele: Krankheitslehre, insbesondere Demenz, Depression, Psychosen,<br />

Angststörungen. Biographiearbeit und Gesprächsführung, um hier nur einige zu nennen.<br />

Aber auch das Thema Supervision, Helfersyndrom und der Umgang mit Belastungen sind<br />

wichtige Themen.<br />

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Rahmenbedingungen - Die »GAU-Frage«<br />

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Prof. Dörner war 1991 ärztlicher Direktor in Gütersloh in einer Klinik, in der ein Pfleger<br />

Patienten tötete. Zum Zeitpunkt der Taten war er der Vorgesetzte des Täters und gab zu,<br />

„jämmerlich versagt“ zu haben.<br />

Dörner empfahl, jeder Krankenhaus- und Heimmitarbeiter solle sich die sogenannte »GAU-<br />

Frage etwa jedes viertel Jahr einmal stellen«. GAU bedeutet den Größten Anzunehmenden<br />

Unfall, der im Krankenhaus bzw. Altenheim geschehen kann.<br />

»Stellen Sie sich vor, jemand erzählt Ihnen, dass in Ihrer Station, Abteilung, Klinik,<br />

Heim in einem Jahr ein Mitarbeiter Patienten töten wird, wenn alles so bleibt, wie es<br />

jetzt ist; was werden Sie tun?«<br />

Schon vor dem Hintergrund der Patiententötungen aus den letzten Jahren ist jene GAU-<br />

Frage nach wie vor aktuell.<br />

Die Charité hat versucht, aus den Taten der Irene B. zu lernen. Im Sommer 2007, noch<br />

während des Prozesses, beauftragt die Charité internationale Experten mit der Suche nach<br />

Schwächen im ihrem System. „Gewisse Kommunikationsdefizite, eine gewisse<br />

Betriebsblindheit, ein gewisses Obrigkeitsdenken, Defizite an Zivilcourage und Defizite in der<br />

Ausübung der eigenen Verantwortung“ habe man auf der Station 104i der Charité<br />

ausgemacht, zitierte der Tagesspiegel den Schweizer Intensivmediziner Peter Suter<br />

(Schweizerische Akademie der Wissenschaften). xxxviii<br />

Erst nach den Patiententötungen führte die Klinik in allen Abteilungen das CIRS (Critical<br />

Incident Reporting System), ein Frühwarnsystem ein, damit jeder Klinikmitarbeiter anonym<br />

Beschwerden, Bedenken und Kritik in den Charité-internen Computer-Briefkasten eingeben<br />

kann.<br />

Die Station, auf der gemordet wurde, hatte einen „nicht optimalen Personalstand“, denn nicht<br />

immer war auf der Intensivstation 104 ein Arzt zur Stelle. Ein Lösungsvorschlag der<br />

Gutachter: „Diese Station hat möglicherweise eine nicht optimale Größe und durch eine<br />

Zusammenlegung von Bereichen kann es erreicht werden, dass diese professionelle<br />

Betreuung rund um die Uhr, besser gesichert werden kann“, so Professor Dr. Suter . Meint<br />

Vergrößerung der Intensivstation auf rund das Doppelte, also mehr Patienten pro Arzt, so ein<br />

Fernsehbericht. xxxix Welche Bedeutung die Zusammenlegung der Station mit einer anderen<br />

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Station für die Pflegekräfte haben wird, wurde nicht erwähnt. Aufstockung des Personals?<br />

Weniger Patienten pro Schwester/Pfleger? Patiententötungen geschehen auch, wenn Ärzte<br />

anwesend sind. Dunkelfeldstudien zeigen, dass auch Ärzte an Patiententötungen beteiligt<br />

sind.<br />

Pflegedirektorin Hedwig Francois-Kettner berichtete dem Tagesspiegel, „dass den<br />

Pflegekräften der Charité inzwischen verstärkt Supervision und psychologische<br />

Teambegleitung angeboten werde. Keiner der direkt in den Fall Irene B. verwickelten<br />

Mitarbeiter sei noch auf der Station 104i tätig. Ein Oberarzt und einige Pflegekräfte arbeiten<br />

jetzt auf anderen Stationen, die leitende Pflegekraft wurde beurlaubt. Noch gebe es keine<br />

dienstrechtlichen Konsequenzen, eine entsprechende Prüfung sei aber auf der gesamten<br />

Station vorgesehen.“ xl<br />

Ich hoffe, dass ich verdeutlichen konnte, dass es nicht nur ein Motiv bzw. eine Ursache für<br />

die Taten gab. Aus diesem Grund sind gesellschaftliche und institutionelle Veränderungen<br />

notwendig, damit Patienten und Pflegekräfte nicht in solche vermeintlich ausweglosen<br />

Situationen geraten.<br />

Als Dipl.-Psychologe stimmt mich nachdenklich, dass die TäterInnen nicht in der Lage<br />

waren, Schwächen wahrzunehmen und/oder diese zuzugeben. Jedenfalls konnten sie nicht<br />

um Hilfe bitten und die Einrichtungen boten auch keine bzw. keine ausreichende<br />

Unterstützung vor Ort an. Daher ist es meiner Sicht zwingend notwendig, dass schon in der<br />

Ausbildung von Pflegekräften eine psychische Begleitung in Form von Supervision<br />

angeboten wird und sie lernen, im Kollegenumfeld über Ängste, Sorgen, Nöte, aggressive<br />

Phantasie bzw. Gefühle und Schwächen zu reden. Aber auch nach der Ausbildung müssen<br />

die finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, damit die emotionalen und psychischen<br />

Belastungen schon auf der Arbeit aufgefangen werden können, beispielsweise durch das<br />

Angebot regelmäßiger Supervision. Auch sollten regelmäßig Team- und Fallbesprechungen<br />

stattfinden und die Weiterbildung zu Fragen der Ethik in Grenzsituationen des menschlichen<br />

Lebens sollte zwingend vorgeschrieben und/oder verbessert werden.<br />

Dies alles wird jedoch wenig oder gar nichts nützen, wenn Arbeitgeber bzw. Konzerne die<br />

Bewertung bzw. die Erfolgsquote einer Station ausschließlich an der wirtschaftlichen<br />

Effizienz und dem wissenschaftlichen Output festmachen. Sinkende Ausgaben pro<br />

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statistischem Patienten können, wie der Fall an der Charité zeigt, zu schlechterer<br />

Versorgung der Patienten und Gewalt gegen bis hin zu Tötungen von Patienten führen. Ein<br />

andere Folge des Sparens bedeutet, dass das Personal schlecht versorgt wird und extremen<br />

Belastungen ausgesetzt wird, sogar in einem „Team of Excellence“. Richter Faust machte in<br />

einem Zeitungsinterview nicht nur den Kollegen von Irene B. einen Vorwurf, weil sie den<br />

„'ruppigen Umgang mit Patienten in Worten und Taten' beobachtet und dennoch nicht<br />

reagiert. 'Das ist nicht nur erbärmlich, das ist eindeutig Gewalt und strafbar', sagte Faust.<br />

Und eine Verwaltung, die das zulasse, mache sich ebenfalls strafbar.“ xli<br />

Die Berliner Zeitung berichtete am 26.01.2006 mit dem Titel „Existenzängste in der Charité“,<br />

dass bis „2010 [...] an allen vier Standorten 1656 Stellen abgebaut werden [sollen] [...]. Rund<br />

207 Millionen Euro müssen bis zum Jahr 2010 eingespart werden - 70 Prozent der Summe<br />

will der Charité-Vorstand durch den Abbau von Personal erwirtschaften. 500 Vollzeitstellen<br />

werden deshalb bis Ende dieses Jahres gestrichen, bis zum Jahr 2010 sollen noch weitere<br />

1156 folgen - davon voraussichtlich an die 400 betriebsbedingte Kündigungen, befürchtet<br />

der Personalratsvorsitzende Ingo Zeplien.“ xlii<br />

Es ist zu einfach gedacht, nur Pflegekräfte und die Verwaltung in die Verantwortung zu<br />

nehmen. Wenn die Ausführungen von Richter Faust konsequent weiter gedacht werden, ist<br />

es auch erbärmlich, dass beispielsweise die Bundesregierung und die politisch<br />

Verantwortlichen in den Ländern seit Jahrzehnten Kenntnisse über Stellenabbau und<br />

unzumutbare Arbeitsbedingungen in der Pflege haben und fördern. Ein Beispiel:<br />

Das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) veröffentlichte im Mai 2010<br />

die Studie „Pflege-Thermometer 2009“ an der sich mehr „als 10.000 in Krankenhäusern<br />

beschäftigte Gesundheits- und Krankenpfleger“ beteiligten. Auszug aus der<br />

Pressemitteilung:<br />

„Die Ergebnisse weisen auf eine steigende Belastung der Beschäftigten und demzufolge auf<br />

zunehmende Mängel in der Patientenversorgung hin. Hintergrund ist, dass in den<br />

vergangenen Jahren etwa 50.000 Stellen in der Krankenhauspflege bei steigenden<br />

Patientenzahlen abgebaut worden sind. […]<br />

Laut Studie lassen sich daraufhin inzwischen insbesondere Mängel bei Pflegeleistungen wie<br />

einer angemessenen Überwachung von verwirrten Patienten, Mobilisierung und<br />

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fachgerechte Lagerung von bewegungseingeschränkten Patienten, Gesprächshäufigkeiten,<br />

Betreuung Schwerstkranker und Sterbender sowie Unterstützung bei der<br />

Nahrungsaufnahme beschreiben. Selbst bei Medikamentengaben, Verbandswechseln und<br />

Hygienemaßnahmen sind es jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten, die Fehler<br />

aufgrund von hoher Arbeitsbelastung nicht ausschließen konnten. In der Studie wurde auch<br />

nachgewiesen, dass besonders hoch belastete Pflegekräfte höhere Fehlerquoten in allen<br />

Leistungsbereichen angaben. Damit wurde ein direkter Zusammenhang zwischen<br />

abnehmender Pflegekapazität und vermehrten Risiken für die Patienten sichtbar.“ xliii<br />

Ein weiteres Beispiel aus Hamburg. Aus einer Pressemitteilung von Ver.di vom 20.06.2005:<br />

„Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hat betriebsbedingte Kündigungen im Landesbetrieb<br />

Krankenhäuser ab 2006 nicht ausgeschlossen und das Vorgehen der Asklepios-Chefetage<br />

verteidigt, darunter auch die Forderung nach Erhöhung der Arbeitszeiten und den Austritt<br />

des LBK aus dem Arbeitgeberverband.“ xliv<br />

Die Bundesregierung und die politisch Verantwortlichen in den Ländern sollten auch in die<br />

Verantwortung genommen werden bzw. ein Bewusstsein dafür bekommen, dass auch sie<br />

sich, wenn auch nicht juristisch, aber mindestens moralisch mit strafbar machen, wenn es<br />

zur Gewalt in der Pflege kommt.<br />

Dipl. Psych. Roberto Rotondo<br />

Rappstr. 9<br />

20146 Hamburg<br />

Tel.: 040/44 80 99 22<br />

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19<br />

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Möglichkeiten der Beinflussung von Gewalt (Hirsch, 1997)<br />

Institution:<br />

• „Philosophie“<br />

• Struktur<br />

• Arbeitsbedingungen<br />

• Unterstützung des Personals<br />

• Qualifikation des Personals<br />

• Qualitätssicherung<br />

• Pflegemanagement<br />

• Ausreichende Anzahl des<br />

Personals<br />

• Fortbildungsmaßnahmen (auch<br />

Supervision)<br />

• Psychohygiene<br />

• Räumliche Aufteilung der Zimmer<br />

u.a.<br />

• Architektur<br />

• Arbeitsmittel<br />

Personal:<br />

• Teambesprechung<br />

• <strong>Dokument</strong>ation<br />

• Gegenseitige soziale<br />

Unterstützung<br />

• Fachliche Kompetenz<br />

• Klärung von Beziehungsproblemen<br />

(Nähe und Distanz)<br />

• Arbeitsmotivation<br />

Vorgesetzte:<br />

• Soziale Unterstützung<br />

• Förderung von Emanzipation und<br />

Teamarbeit<br />

• „Helfen“ statt „Strafen“<br />

• Förderung von Problembewußtsein<br />

• Entwicklung und Erarbeitung von<br />

Alternativen zur Gewalt<br />

Region:<br />

• „Runder Tisch“<br />

• Beratungs- und Krisenstelle<br />

• „Gewalt-Telefon“<br />

• Öffentliche Veranstaltungen<br />

Gesellschaft:<br />

• Anerkennung der Arbeit mit alten<br />

Menschen<br />

• Enttabuisierung von „Gewalt“<br />

• Einstellung zum Alter u. Altern<br />

• Gleichstellung von somatisch und<br />

psychisch Kranken<br />

Wissenschaft:<br />

• interdisziplinäre Forschung zur<br />

„Gewalt“<br />

• Untersuchung von Alternativen<br />

• Erstellung eines Leitfadens zum<br />

Umgang mit Gewalt<br />

Quelle: Gewalt in der Pflege: ein drängendes gesellschaftliches Problem*). R. D. Hirsch,<br />

Bonn (Mai 2000). S. 24<br />

* Manuskript zum Gespräch am 11. Mai 2000 im Ausschuss für Menschenrechte und<br />

Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags in Berlin.<br />

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Literatur<br />

Aggresion und Gewalt<br />

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• Theo Kienzle & Barbara Paul-Ettlinger. Aggression in der Pflege. Kohlhammer 2007<br />

• Markus Breitscheidel. Abgezockt und totgepflegt. Alltag in deutschen Pflegeheimen.<br />

Econ 2005<br />

• Andreas Stähli. Umgang mit Emotionen in der Palliativpflege. Ein Leitfaden.<br />

Kohlhammer 2004.<br />

• Rolf D. Hirsch & Claus Fussek. Gewalt gegen pflegebedürftige alte Menschen: Gegen<br />

das Schweigen – Berichte von Betroffenen. 2. Aufl. 1999.<br />

• Hans-Peter Nolting. Lernfall Aggression. Wie sie entsteht – wie sie zu vermindern ist.<br />

Rororo 1997<br />

• Karsten Hartdegen. Aggression und Gewalt in der Pflege. Gustav Fischer 1996<br />

Patiententötung<br />

• Karl-H. Beine. Sehen, Hören, Schweigen. Patiententötungen und aktive Sterbehilfe.<br />

Lambertus 1998<br />

• Herbert Maisch. Patiententötung. Dem Sterben nachgeholfen. Kindler 1997<br />

• Manfred Oehmichen (Hrsg.). Lebensverkürzung, Tötung und Serientötung – eine<br />

interdisziplinäre Analyse der „Eutanasie“. Schmidt-Römhild 1996<br />

• Christine Gibiec. Tatort Krankenhaus. Der Fall Michaela Roeder. Dietz Taschenbuck<br />

1990<br />

21<br />

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i Ruthemann, Ursula. Aggression und Gewalt im Altenheim – Verständnishilfen und Lösungswege für die<br />

Praxis. Basel 1993. S. 14, 15.<br />

ii Ebd.<br />

iii Vierter Altenbericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Risiken,<br />

Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger – unter besonderer Berücksichtigung demenzieller<br />

Erkrankungen. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Januar 2002, S. 133 - 136<br />

iv BILSKY, W., MECKLENBURG, E. & WETZELS, P. Persönliches Sicherheitsgefühl, Angst vor Kriminalität<br />

und Gewalt, Opfererfahrung älterer Menschen. Skalenanalyse und Skalenkonstruktion zur KFN-<br />

Opferbefragung 1992<br />

(KFN-Forschungsbericht; Nr.: 13). Hannover: KFN. http://kfn.de/versions/kfn/assets/fb13.pdf<br />

v Pflege leidet unter Qualitätsproblemen. Financial Times Deutschland. 31.08.2007. Internet:<br />

http://www.ftd.de/politik/deutschland/:Pflege%20Qualit%E4tsproblemen/246719.html. Datum: 16.01.2008.<br />

vi GÖRGEN, T., HERBST, S. & RABOLD, S. Kriminalitäts- und Gewaltgefährdungen im höheren<br />

Lebensalter und in der häuslichen Pflege (KuGiLaM-Bericht No. 2) (KFN-Forschungsbericht; Nr.: 98).<br />

Hannover: KFN. http://kfn.de/versions/kfn/assets/fb98.pdf<br />

vii Ebd. S. 70<br />

viii Ebd. S. 70<br />

ix http://www.supervision-hamburggesundheitswesen.de/rotondo/veroeffentlichungen/veroeffentlichung.html<br />

x GÖRGEN, T., HERBST, S. & RABOLD, S. Kriminalitäts- und Gewaltgefährdungen im höheren<br />

Lebensalter und in der häuslichen Pflege (KuGiLaM-Bericht No. 2) (KFN-Forschungsbericht; Nr.: 98).<br />

Hannover: KFN. http://kfn.de/versions/kfn/assets/fb98.pdf. S. 63<br />

xi Vergl: Herbert Selg. Aggression. http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/337. Datum:<br />

11.09.2011<br />

xii Pflege leidet unter Qualitätsproblemen. Financial Times Deutschland. 31.08.2007. Internet:<br />

http://www.ftd.de/politik/deutschland/:Pflege%20Qualit%E4tsproblemen/246719.html. Datum: 16.01.2008.<br />

xiii Frau Zielinskis knappe Zeit. Der Tagesspiegel, 09.09.2007. Internet:<br />

http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Frauen-Maenner;art7754,2375209. Datum: 16.01.2008.<br />

xiv Charité-Krankenschwester wegen Patiententötung vor Gericht. Quelle: http://www.nettribune.de/article/170407-38.php.<br />

Datum: 17. April 2007 09:51 Uhr<br />

xv Michael Mielke. Irene B. voll schuldfähig. Internet: Welt Online,<br />

http://www.welt.de/berlin/article967710/Irene_B._voll_schuldfaehig.html. 17.09.2011.<br />

xvi Ebd.<br />

xvii Ebd.<br />

xviii Ebd.<br />

xix Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xx Michael Mielke. Irene B. voll schuldfähig. Internet: Welt Online,<br />

http://www.welt.de/berlin/article967710/Irene_B._voll_schuldfaehig.html. 17.09.2011.<br />

xxi Ebd.<br />

xxii Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xxiii Michael Mielke. Irene B. voll schuldfähig. Internet: Welt Online,<br />

http://www.welt.de/berlin/article967710/Irene_B._voll_schuldfaehig.html. 17.09.2011.<br />

xxiv Ebd.<br />

xxv Ebd.<br />

xxvi Ebd.<br />

xxvii Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xxviii Michael Mielke. Irene B. voll schuldfähig. Internet: Welt Online,<br />

http://www.welt.de/berlin/article967710/Irene_B._voll_schuldfaehig.html. 17.09.2011.<br />

xxix Ebd.<br />

xxx Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xxxi Ebd.<br />

xxxii „Jährlich sterben in Deutschland etwa 850.000 Menschen. [...] Obwohl der Wunsch verbreitet ist, die<br />

letzte Lebensphase zu Hause zu verbringen, sterben tatsächlich rund 90 Prozent der Menschen in<br />

Krankenhäusern oder Pflegeheimen.“ Quelle: Nationaler Ethikrat. Stellungnahme Selbstbestimmung und<br />

Fuersorge am Lebensende 2006. Zuletzt verändert: 16.11.2009. S. 38. Link:<br />

http://www.ethikrat.org/search?SearchableText=850.000. Datum: 20.09.2011.<br />

xxxiii Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xxxiv Cordula Eubel und Peter Siebenmorgen. Keine Hüftgelenke für die ganz Alten. Der Tagesspiegel vom


3.8.2003. Internet: http://www.tagesspiegel.de/politik/div/;art771,1930676. <strong>Download</strong>: 14.01.2008.<br />

xxxv Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xxxvi Ebd.<br />

xxxviiEbd. xxxviiiAdelheid Müller-Lissner. Charité-Prozess. Betriebsblindheit und Defizite an Zivilcourage. Der<br />

Tagesspiegel, 10.07.2007. Internet: http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,2337292, 14.01.2008.<br />

xxxix Schwester Tod - Mord auf der Intensivstation. Film von Norbert Siegmund. Phoenix 8.1.08, 22:15 – 23:00<br />

Uhr. Erstsendung: 4. Juli 2007 in der Reihe „ARD-exclusiv".<br />

xl Adelheid Müller-Lissner. Charité-Prozess. Betriebsblindheit und Defizite an Zivilcourage. Der<br />

Tagesspiegel, 10.07.2007. Internet: http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,2337292, 14.01.2008.<br />

xli Michael Mielke. Schwester Irene B. zu Höchststrafe verurteilt. Welt Online, 29.06.2007.<br />

http://www.welt.de/berlin/article986124/Schwester_Irene_B._zu_Hoechststrafe_verurteilt.html<br />

xlii Sarah Schelp. Existenzängste in der Charité. Berliner Zeitung vom 26.01.2006.<br />

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0126/lokales/0036/index.html.<br />

xliii Studie: Es herrscht ein chronischer Pflegemangel im Krankenhaus. Pressemitteilung des Deutschen<br />

Instituts für angewandte Pflegeforschung e.V. (dip) vom 19. Mai 2010. Internet:<br />

http://www.dip.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/?<br />

tx_ttnews[backPid]=62&tx_ttnews[tt_news]=126&cHash=0d448fe35c3adc4972730e9da320d704. Datum:<br />

19.09.2011.<br />

xliv Ole von Beust verteidigt Tarifdumping, Stellenabbau und Kündigungen im LBK Hamburg.<br />

Pressemitteilung ver.di vom 20.06.2005.

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