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BGH, Urteil vom 21. Mai 1953, BGHSt 4, 210 – Bewusstloser ...

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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

<strong>BGH</strong>, <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>21.</strong> <strong>Mai</strong> <strong>1953</strong>, <strong>BGH</strong>St 4, <strong>210</strong> <strong>–</strong> <strong>Bewusstloser</strong><br />

Sachverhalt: Eines Nachts entdecken August und Bernhard den völlig<br />

betrunkenen und bewusstlosen, vor dem Bahnhof liegenden Günther.<br />

Um ihn ungestört ausplündern zu können, heben sie diesen gemeinsam<br />

hoch und nehmen ihn mit sich. Unterwegs gibt August, da er<br />

annimmt, Günther wolle sich wehren, diesem einen Schlag auf den<br />

Hinterkopf. Daraufhin fällt Günther zu Boden. August und Bernhard<br />

bringen ihr Opfer nun zu einem kleinen und dunklen Seitenweg. Hier<br />

schlagen sie Günther, der sich an nichts erinnert, so zusammen, dass<br />

er blutüberströmt mit einer Gehirnerschütterung, einem Nasenbeinbruch<br />

und einer etwa tennisballgroßen Geschwulst unter dem Auge<br />

liegen bleibt. Sie ziehen ihn sodann bis auf die Unterhose aus und<br />

nehmen sämtliche Gegenstände, die Günther bei sich hat, mit. Die für<br />

sie verwendbaren Kleidungsstücke und Gebrauchsgegenstände teilen<br />

beide unter sich auf. Wie haben sich August und Bernhard strafbar<br />

gemacht?<br />

Thema: Qualifizierte Nötigungsmittel bei § 249 StGB, insbesondere:<br />

Gewaltanwendung gegenüber einem Bewusstlosen<br />

Materialien: Arbeitsblatt BT Nr. 22<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Lösungsübersicht:<br />

A. Strafbarkeit wegen Raubes in Mittäterschaft, §§ 249 I, 25 II StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Fremde, bewegliche Sachen (+)<br />

b) Wegnahme<br />

Problem: Hat ein <strong>Bewusstloser</strong> noch Gewahrsam? (+)<br />

c) Gewalt gegen eine Person<br />

Problem: Gewaltanwendung gegen Bewusstlosen möglich?<br />

- <strong>BGH</strong>: Ja, auch bei Verbringung an anderen Ort.<br />

- a.M.: Ja, wenn zu erwartender Widerstand verhindert werden soll.<br />

d) Kausalitätsbeziehung<br />

Problem: Ist Kausalitätsbeziehung zwischen Anwendung des Raubmittels<br />

und der Wegnahme erforderlich?<br />

- <strong>BGH</strong>: Nein.<br />

- a.M.: Ja.<br />

e) Mittäterschaft, § 25 II StGB (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

a) Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestandes (+)<br />

b) Finalzusammenhang zwischen Raubmittel und Wegnahme (+)<br />

c) Zueignungsabsicht (+)<br />

d) Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit der Zueignung (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />

B. Strafbarkeit wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall in Mittäterschaft,<br />

§§ 242 I, 243 I Nr. 6, 25 II StGB<br />

- nur bei Anschluss an die a.M. zu prüfen, die Gewaltanwendung gegen Bewusstlose<br />

nicht als möglich ansieht oder die objektive Kausalitätsbeziehung fordert!<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

III. Strafzumessungsregel des § 243 I Nr. 6 StGB (+)<br />

C. Strafbarkeit wegen Nötigung in Mittäterschaft, §§ 240, 25 II StGB (+)<br />

- nur bei Anschluss an die a.M. zu prüfen, die Gewaltanwendung gegen Bewusstlose<br />

nicht als möglich ansieht oder die objektive Kausalitätsbeziehung fordert!<br />

D. Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung in Mittäterschaft, §§ 223 I,<br />

224 I Nr. 4 StGB (+)<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit von August und Bernhard wegen Raubes in Mittäterschaft,<br />

§§ 249 I, 25 II StGB<br />

August und Bernhard könnten sich wegen eines Raubes in Mittäterschaft<br />

strafbar gemacht haben, indem sie Günther zusammenschlugen<br />

und ihm anschließend die Kleidungsstücke und weitere ihm gehörende<br />

Gegenstände wegnahmen.<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Fremde, bewegliche Sachen<br />

Die Kleidungsstücke und die sonstigen Gegenstände Günthers waren<br />

dessen Eigentum. Mithin stellten sie für August und Bernhard fremde<br />

bewegliche Sachen i.S.v. § 249 I StGB dar.<br />

b) Wegnahme<br />

August und Bernhard müssten an Günthers Sachen auch gegen dessen<br />

Willen neuen Gewahrsam begründet haben. Wegnahme ist der Bruch<br />

fremden und die Begründung neuen nicht notwendigerweise tätereigenen<br />

Gewahrsams. Dabei setzt ein „Bruch“ des Gewahrsams regelmäßig<br />

ein Handeln gegen den Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers<br />

voraus.<br />

Zwar haben August und Bernhard hier Günthers Sachen an sich genommen,<br />

problematisch erscheint der diesbezüglich erforderliche<br />

Gewahrsamsbruch aber deshalb, weil Günther zum Zeitpunkt der<br />

Wegnahme nicht bei Bewusstsein war und folglich auch nicht die tatsächliche<br />

Sachherrschaft, welche das Gewahrsamsverhältnis im Wesentlichen<br />

ausmacht, ausüben konnte. Für den Gewahrsam spricht jedoch,<br />

dass grundsätzlich kein aktuelles „Bewusstsein der Sachherrschaft“<br />

zu dessen Aufrechterhaltung erforderlich ist. Zudem ist aner-<br />

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kannt, dass eine vorübergehende Verhinderung in der Ausübung die<br />

tatsächliche Gewalt über einen Gegenstand nicht beseitigt. Folglich<br />

übte Günther trotz seiner Bewusstlosigkeit Gewahrsam an den von<br />

August und Bernhard weggenommenen Sachen aus.<br />

c) Gewalt gegen eine Person<br />

§ 249 I StGB verlangt als Tathandlung die Vornahme sog. „qualifizierter<br />

Nötigungsmittel“, d.h. die Anwendung von Gewalt gegen eine<br />

Person oder die Drohung gegenüber einer Person mit einer Gefahr für<br />

Leib oder Leben. Vorliegend kommt die Anwendung von Gewalt gegen<br />

Günther in Betracht, da Günther zunächst auf den Hinterkopf und<br />

später dann nochmals zusammengeschlagen wurde.<br />

Wie bei § 240 StGB wird als Gewalt jede körperliche Kraftentfaltung<br />

angesehen, durch die ein körperlich wirkender Zwang auf das Opfer<br />

ausgeübt wird, um einen geleisteten oder erwarteten Widerstand zu brechen.<br />

Es stellt sich daher die Frage, ob die Ausübung eines körperlich<br />

wirkenden Zwangs gegenüber einem Bewusstlosen überhaupt möglich<br />

ist.<br />

Nach einer Ansicht liegt eine Gewaltanwendung auch bzw. schon in<br />

der Verbringung eines Bewusstlosen an einen anderen Ort vor, da es<br />

nicht auf die körperliche Wahrnehmung des Bewusstlosen ankommt.<br />

Es reicht demnach aus, wenn durch die Schläge möglicherweise zu<br />

erwartender Widerstand unmöglich gemacht werde. Hiernach liegt<br />

nicht erst in dem Schlag auf den Hinterkopf, sondern bereits in dem<br />

bloßen Verbringen des bereits bewusstlosen Günther eine entsprechende<br />

Gewaltanwendung vor.<br />

Eine andere Ansicht hingegen will das bloße Ausnutzen der Bewusstlosigkeit<br />

eines anderen nicht ausreichen lassen. Entscheidend sei, dass<br />

der Täter einen Sachbeherrschungswillen des Gewahrsamsinhabers in<br />

objektiv erkennbarer Weise überwindet, d.h. tatsächlich geleisteten<br />

oder zu erwartenden Widerstand unmöglich macht. Daher wird z.B.<br />

das bloße Umdrehen eines Bewusstlosen zum Zwecke der Wegnahme<br />

nicht als Gewalt angesehen. Im vorliegenden Fall dürfte aber auch<br />

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diese Auffassung zur Bejahung von Gewalt kommen, da durch das<br />

Wegtragen Günthers besondere Vorkehrungen getroffen wurden, um<br />

eine Wegnahme seiner Sachen zu ermöglichen. Zudem hat August<br />

Günther auch auf den Hinterkopf geschlagen. Später haben August<br />

und Bernhard den Günther dann nochmals heftig zusammengeschlagen.<br />

Nach beiden Ansichten ist somit eine Gewaltanwendung nach § 249 I<br />

StGB zu bejahen.<br />

d) Kausalitätsbeziehung<br />

Fraglich ist zudem, ob es einer Kausalitätsbeziehung zwischen der<br />

Anwendung des Raubmittels und der Wegnahme bedarf. Diese wäre<br />

hier aufgrund der Bewusstlosigkeit Günthers nicht gegeben.<br />

Für ein solches Kausalitätserfordernis spricht zunächst der Wortlaut<br />

von § 249 I StGB, der eine Wegnahme „mit Gewalt“ bzw. „unter<br />

Drohung“ vorsieht. Für den vorliegenden Fall hätte dies zur Folge,<br />

dass ein vollendeter Raub ausscheiden würde und lediglich noch ein<br />

versuchter Raub in Frage käme.<br />

Gegen eine objektive Kausalitätsbeziehung zwischen der Gewaltanwendung<br />

und der Wegnahme sprechen jedoch Schutzzweckerwägungen.<br />

Vielmehr soll es genügen, dass der Täter die Gewaltanwendung<br />

deshalb vornimmt, weil er sie für geeignet hält, die Wegnahme zu ermöglichen.<br />

Ob sie jedoch auch objektiv erforderlich war, sei indes<br />

ohne Belang. Maßgebend seien somit allein die Vorstellung und der<br />

Wille des Täters. Diese sind wiederum im Rahmen des subjektiven<br />

Tatbestandes zu prüfen. Gerade im Hinblick auf den von § 249 StGB<br />

intendierten Rechtsgüterschutz schafft es allein die letztgenannte Ansicht,<br />

unbillige Ergebnisse bzw. Strafbarkeitslücken zu vermeiden.<br />

Dieser soll somit gefolgt werden.<br />

e) Mittäterschaft, § 25 II StGB<br />

Als Mittäterschaft i.S.v. § 25 II StGB gilt das bewusste und gewollte<br />

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Zusammenwirken Mehrerer durch arbeitsteiliges Handeln bei der Begehung<br />

einer Tat. Aufgrund eines gemeinsamen Tatplans und Tatentschlusses<br />

werden die einzelnen Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet.<br />

Im vorliegenden Fall bestehen keine Zweifel an einem arbeitsteiligen<br />

Zusammenwirken von August und Bernhard. Beide erfüllten hier wesentliche<br />

Beiträge zur Realisierung der Tat. Einerseits wollten August<br />

und Bernhard die Tat als ihre eigene. Andererseits traten sie auch jeweils<br />

als unmittelbar handelnde Zentralgestalten in Erscheinung. Ihnen<br />

sind daher die jeweiligen Tatbeiträge gemäß § 25 II StGB wechselseitig<br />

zuzurechnen. Da hier nach allen Ansichten eine Mittäterschaft<br />

vorlag, ist eine Entscheidung des Streits zwischen der Tatherrschaftslehre<br />

und der modifiziert-subjektiven Theorie nicht erforderlich.<br />

Der objektive Tatbestand ist vorliegend erfüllt.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

a) Vorsatz bzgl. des objektiven Tatbestandes<br />

August und Bernhard müssten vorsätzlich im Hinblick auf sämtliche<br />

Merkmale des objektiven Tatbestandes, welche insbesondere die des §<br />

242 StGB sowie die hier als Raubmittel gegen Günther eingesetzte<br />

Personengewalt beinhalten, gehandelt haben. Dies ist der Fall, denn<br />

beide handelten wissentlich und willentlich bezüglich der Wegnahme<br />

einer fremden Sache und der Gewaltanwendung, mithin vorsätzlich.<br />

Zudem wollten beide auch die mittäterschaftliche Begehung der Tat.<br />

b) Finalzusammenhang zwischen Raubmittel und Wegnahme<br />

Wie dargelegt, reicht eine finale, subjektive Beziehung zwischen der<br />

Nötigungshandlung, d.h. dem Raubmittel, und der Wegnahme aus.<br />

Diese ist regelmäßig schon dann gegeben, wenn der Täter die von ihm<br />

eingesetzten Raubmittel für geeignet hält, um die Wegnahme zu ermöglichen<br />

oder zu erleichtern. Vorliegend ging es August und Bernhard<br />

darum, Günther in Ruhe ausplündern zu können und Hilferufe<br />

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und Ähnliches von vornherein zu vereiteln. Aus diesem Grund verbrachten<br />

sie ihn auf einen abgelegenen Weg und schlugen ihn zusammen.<br />

Der erforderliche Finalzusammenhang ist somit festzustellen.<br />

c) Zueignungsabsicht<br />

August und Bernhard handelten in der Absicht, Günther dauerhaft um<br />

die ihm gehörenden Sachen zu enteignen und sich selbige zumindest<br />

für eine gewisse Zeit anzueigenen.<br />

d) Vorsatz bzgl. der Rechtswidrigkeit der Zueignung<br />

Bei der Wegnahme war August und Bernhard auch bewusst, dass sie<br />

keinerlei rechtlichen Anspruch auf die Sachen des Günther hatten, so<br />

dass sie auch vorsätzlich im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der<br />

Zueignung handelten.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

August und Bernhard handelten sowohl rechtswidrig, als auch schuldhaft.<br />

Es sind weder Rechtsfertigungs- noch Entschuldigungsgründe<br />

ersichtlich.<br />

III. Ergebnis<br />

August und Bernhard haben sich wegen eines Raubes in Mittäterschaft<br />

gemäß §§ 249 I, 25 II StGB strafbar gemacht, indem sie den<br />

bewusstlosen Günther auf einen abgelegenen Weg brachten, ihn dort<br />

zusammenschlugen und ihm anschließend seine Sachen wegnahmen.<br />

Anmerkung: Wird im Punkt der Kausalität der Gewaltanwendung im<br />

Hinblick auf die Wegnahme ein entsprechendes Kausalitätserfordernis<br />

<strong>–</strong> entgegen der hier vertretenen Ansicht <strong>–</strong> verlangt, wäre der vorliegende<br />

mittäterschaftliche Raub (nur) als Versuchstat gegeben. Die<br />

Prüfung wäre in diesem Fall wie folgt fortzusetzen:<br />

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B. Strafbarkeit von August und Bernhard wegen Diebstahls in<br />

einem besonders schweren Fall in Mittäterschaft, §§ 242 I, 243 I<br />

Nr. 6, 25 II StGB<br />

August und Bernhard könnten sich zudem wegen eines besonders<br />

schweren Diebstahls in Mittäterschaft gemäß §§ 242 I, 243 I Nr. 6, 25<br />

II StGB strafbar gemacht haben, indem sie dem bewusstlosen Günther<br />

dessen Kleidungsstücke und weitere Sachen weggenommen haben.<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Die Ansichnahme von Günthers Sachen stellt eine Wegnahme einer<br />

fremden beweglichen Sache im Sinne eines Gewahrsamsbruchs dar,<br />

so dass der objektive Tatbestand des Dienstahls zu bejahen ist. Hierbei<br />

handelten August und Bernhard auch im Wege geplanten und gewollten<br />

arbeitsteiligen Zusammenwirkens, also mittäterschaftlich.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

Auch handelten die beiden vorsätzlich hinsichtlich der objektiven<br />

Diebstahlsvoraussetzungen und der mittäterschaftlichen Begehungsweise.<br />

Darüber hinaus besaßen August und Bernhard auch die Absicht<br />

der rechtswidrigen Zueignung.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

August und Bernhard handelten auch rechtswidrig und schuldhaft.<br />

III. Strafzumessungsregel des § 243 I Nr. 6 StGB<br />

Zudem könnte das Regelbeispiel des § 243 I Nr. 6 StGB vorliegen. In<br />

Betracht kommt diesbezüglich das Ausnutzen der Hilflosigkeit einer<br />

anderen Person <strong>–</strong> hier die des Günther. Aufgrund seiner Trunkenheit<br />

befand sich Günther hier eindeutig in einer hilflosen Lage, d.h. in einer<br />

Situation, in der er sich nicht mehr selbst gegen die Wegnahme<br />

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seiner Sachen zur Wehr setzen konnte. Diesen Zustand Günthers nutzten<br />

August und Bernhard auch gerade dazu aus, um ihn zu bestehlen.<br />

Da sich beide auch der hilflosen Lage Günthers bewusst waren, haben<br />

sie das Regelbeispiel des § 243 I Nr. 6 StGB erfüllt.<br />

IV. Ergebnis<br />

August und Bernhard haben sich des gemeinschaftlichen Diebstahls in<br />

einem besonders schweren Fall nach §§ 242 I, 243 I Nr. 6, 25 II StGB<br />

strafbar gemacht.<br />

C. Strafbarkeit von August und Bernhard wegen Nötigung in Mittäterschaft,<br />

§§ 240, 25 II StGB<br />

Regelmäßig stellt die Anwendung qualifizierter Nötigungsmittel den<br />

ersten Akt eines Raubes dar. Folglich ist in jedem Raub auch eine Nötigung<br />

enthalten. Indem August und Bernhard den Günther schlugen<br />

und wegtrugen, wendeten sie ein qualifiziertes Nötigungsmittel, nämlich<br />

Gewalt gegen eine Person, an. Wie bereits dargelegt, ist es dabei<br />

unschädlich, dass Günther zum Zeitpunkt der Gewaltanwendung bereits<br />

das Bewusstsein verloren hatte. Im Ergebnis nötigten August und<br />

Bernhard den Günther in vorsätzlicher, rechtswidriger und schuldhafter<br />

Weise zur Duldung der Wegnahme seiner Sachen. Dabei handelten<br />

sie auch bewusst und gewollt im Wege arbeitsteiligen Zusammenwirkens.<br />

Folglich haben sich August und Bernhard wegen einer mittäterschaftlichen<br />

Nötigung gemäß §§ 240 I, 25 II StGB strafbar gemacht.<br />

Die Strafbarkeit tritt nur im Falle der Annahme eines vollendeten<br />

Raubes <strong>–</strong> wie hier vertreten <strong>–</strong> hinter diesen zurück.<br />

D. Strafbarkeit von August und Bernhard wegen gefährlicher<br />

Körperverletzung in Mittäterschaft, §§ 223 I, 224 I Nr. 4, 25 II<br />

StGB<br />

Durch den Schlag auf den Kopf sowie das spätere Zusammenschlagen<br />

könnten sich August und Bernhard zudem einer gefährlichen mittäterschaftlich<br />

begangenen Körperverletzung gemäß §§ 223 I, 224 I Nr. 4,<br />

25 II StGB strafbar gemacht haben.<br />

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Die durch August und Bernhard geführten Schläge stellen eine üble<br />

unangemessen Behandlung dar, die das körperliche Wohlbefinden<br />

Günthers nicht nur unerheblich beeinträchtigte. Auch wurde durch die<br />

Schläge ein pathologischer Zustand herbeigeführt, mithin lag eine<br />

körperliche Misshandlung und eine Gesundheitsschädigung vor. Der<br />

Grundtatbestand des § 223 I StGB ist damit vorsätzlich, rechtswidrig<br />

und schuldhaft von August und Bernhard erfüllt worden.<br />

Zwar ist für eine gemeinschaftliche Begehung gemäß § 224 I Nr. 4<br />

StGB nicht erforderlich, dass die Täter als Mittäter i.S.v. § 25 II StGB<br />

handeln. Liegt jedoch <strong>–</strong> wie hier <strong>–</strong> eine Mittäterschaft zwischen den<br />

Handelnden vor und werden für die Körperverletzung gleichwertige<br />

Tatbeiträge erbracht, liegt auch die Qualifikation des § 224 I Nr. 4<br />

StGB vor, da sich eine derart begangene Körperverletzung für das Opfer<br />

in jedem Fall auch als besonders gefährlich darstellt. Auch diesbezüglich<br />

handelten August und Bernhard vorsätzlich, rechtswidrig und<br />

schuldhaft. Damit haben sie sich im Ergebnis auch wegen einer gefährlichen<br />

mittäterschaftlich begangenen Körperverletzung nach §§<br />

223 I, 224 I Nr. 4, 25 II StGB strafbar gemacht. Die Körperverletzung<br />

steht dabei in Tateinheit gemäß § 52 StGB zu den anderen verwirklichten<br />

Taten, unabhängig davon, ob hinsichtlich des Raubes die<br />

Vollendung <strong>–</strong> wie hier <strong>–</strong> oder lediglich dessen Versuch angenommen<br />

wird, da die Körperverletzungshandlungen, insbesondere das Zusammenschlagen,<br />

hier eine derart massive Form von Personengewalt darstellen,<br />

dass dieser allein wegen der Schwere der bei Günther hervorgerufenen<br />

Verletzungen ein eigener (Körperverletzungs)Unwertgehalt<br />

zukommt.<br />

E. Gesamtergebnis<br />

Nach der hier vertretenen Ansicht haben sich August und Bernhard<br />

eines vollendeten mittäterschaftlichen Raubes, §§ 249 I, 25 II StGB,<br />

und einer gefährlichen mittäterschaftlichen Körperverletzung, §§ 223<br />

I, 224 I Nr. 4, 25 II StGB, strafbar gemacht. Diese stehen zu einander<br />

in Tateinheit gemäß § 52 StGB.<br />

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Nach anderer Ansicht haben sich August und Bernhard jeweils in Mittäterschaft<br />

eines versuchten Raubes, §§ 249 I, 22, 23 I, 25 II StGB,<br />

eines besonders schweren Diebstahls, §§ 242 I, 243 I Nr. 6, 25 II<br />

StGB, einer Nötigung, §§ 240, 25 II StGB und einer gefährlichen<br />

Körperverletzung, §§ 223 I, 224 I Nr. 4 StGB, strafbar gemacht. Zwischen<br />

sämtlichen Delikten besteht Tateinheit gemäß § 52 StGB.<br />

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