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03 Autodiebstahl - unirep - Humboldt-Universität zu Berlin

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<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der <strong>Humboldt</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>zu</strong> <strong>Berlin</strong><br />

BGH Urteil vom 28. Oktober 1976, BGHSt 27, 40 – <strong>Autodiebstahl</strong><br />

Sachverhalt: Anton hat in einer Kneipe erheblich „einen über den<br />

Durst“ getrunken. Als er sich schließlich auf den Heimweg machen<br />

will, sieht er den nagelneuen PKW des Bruno, der ordnungsgemäß am<br />

Straßenrand einer einsamen Seitenstraße abgestellt ist und einen Wert<br />

von 20.000 € hat. Da er bereits in der Vergangenheit häufig Autos<br />

„geknackt“ und diese sodann an den ihm bekannten Herbert verkauft<br />

hat, beschließt er, sich diese Gelegenheit nicht entgehen <strong>zu</strong> lassen. Er<br />

bricht das Auto auf, schließt die Zündung kurz und fährt los. Da er<br />

allerdings alkoholisiert ist (BAK-Wert 1,3 Promille), obwohl er sich<br />

selbst allerdings durchaus noch für fahrtüchtig hält, fährt er viel <strong>zu</strong><br />

schnell in eine Kurve, sodass er von der Fahrbahn abkommt und in<br />

den Graben fährt aus dem er jedoch wieder herausfahren kann. Im Übrigen<br />

verläuft die Fahrt ereignislos. Anton bringt das Fahrzeug sicher<br />

<strong>zu</strong> sich nach Hause. Zu einem Weiterverkauf an Herbert kommt es<br />

allerdings nicht, da die von Bruno alarmierte Polizei den Anton <strong>zu</strong>vor<br />

ermitteln kann. Wie hat Anton sich strafbar gemacht?<br />

Thema: Eigentums- und Straßenverkehrsdelikte: Stellt das vom Täter<br />

gesteuerte fremde Fahrzeug ein taugliches Gefährdungsobjekt i.S. des<br />

§ 315c StGB dar?<br />

Anmerkungen: Rüth, JR 1977, 432<br />

<strong>Universität</strong>s-Repetitorium der HU <strong>Berlin</strong> / Strafrecht / Prof. Heinrich und Dr. Knauer 1


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Lösungsübersicht:<br />

A. Diebstahl in einem besonders schweren Fall, §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 2<br />

StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Fremde bewegliche Sache (+)<br />

b) Wegnahme (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

a) Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale (+)<br />

b) Zueignungsabsicht (+)<br />

c) Rechtswidrigkeit der Zueignung und diesbzgl. Vorsatz (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />

III. Straf<strong>zu</strong>messung: Regelbeispiele des § 243 StGB<br />

1. § 243 I 2 Nr. 1 StGB (+)<br />

2. § 243 I 2 Nr. 2 StGB (+)<br />

B. Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c I Nr. 1a StGB<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Handlung im Straßenverkehr (+)<br />

2. Führen eines Fahrzeugs (+)<br />

3. Fahruntüchtigkeit: absolut gegeben bei 1,3 Promille BAK (+)<br />

4. Konkrete Gefährdung (+)<br />

5. Taugliches Gefährdungsobjekt (–)<br />

Problem: Laut BGH kann vom Täter gesteuertes Fahrzeug nicht<br />

<strong>zu</strong>gleich Tatmittel und Gefährdungsobjekt sein.<br />

C. Vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr, § 316 I StGB<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr (+)<br />

2. Fahruntüchtigkeit infolge Genusses alkoholischer Getränke (+)<br />

II. Subjektiver Tatbestand<br />

1. Vorsatz bzgl. Führen eines Fahrzeugs (+)<br />

2. Vorsatz bzgl. eigener Fahruntüchtigkeit (–)<br />

D. Fahrlässige Trunkenheit im Verkehr, § 316 II StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr (+)<br />

2. Fahruntüchtigkeit infolge Genusses alkoholischer Getränke (+)<br />

3. Objektive Sorgfaltspflichtverlet<strong>zu</strong>ng (+)<br />

4. Objektive Zurechnung, insbesondere Voraussehbarkeit (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />

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Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit Antons wegen Diebstahls in einem besonders<br />

schweren Fall, §§ 242 I, 243 I S. 2 Nr. 1, 2 StGB<br />

Anton könnte sich wegen eines Diebstahls in einem besonders schweren<br />

Fall gemäß §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 2 StGB strafbar gemacht haben,<br />

indem er Brunos PKW aufbrach, kurzschloss und damit nach<br />

Hause fuhr.<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

Erste Vorausset<strong>zu</strong>ng eines Diebstahls ist die Wegnahme einer fremden<br />

beweglichen Sache.<br />

a) Fremde bewegliche Sache<br />

Das Auto stand nicht in Antons Eigentum, sondern gehörte Bruno. Es<br />

war mithin für Anton eine fremde Sache, die auch beweglich war.<br />

b) Wegnahme<br />

Eine Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen,<br />

nicht notwendig tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam ist die von<br />

einem natürlichen Herrschaftswillen getragene Sachherrschaft, deren<br />

Umfang und Grenzen von der Verkehrsanschauung bestimmt werden.<br />

Obwohl Bruno seinen PKW am Straßenrand einer einsamen Seitenstraße<br />

abgestellt hatte und er selbst nicht in der Nähe war, hatte er den<br />

Gewahrsam an diesem nicht verloren. Der PKW befand sich nach der<br />

Zuschreibung der Verkehrsanschauung vielmehr noch immer in Brunos,<br />

aufgrund der räumlichen Entfernung etwas gelockerten, aber<br />

noch immer von seinem Herrschaftswillen getragenen Sachherrschaft.<br />

Diesen Gewahrsam hat Anton spätestens durch das Wegfahren mit<br />

Brunos PKW gegen oder <strong>zu</strong>mindest ohne dessen Willen aufgehoben,<br />

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d.h. gebrochen, und die tatsächliche Herrschaft über den PKW derart<br />

erlangt, dass ihrer Ausübung keine wesentlichen Hindernisse mehr<br />

entgegenstanden. Damit hat Anton neuen, eigenen Gewahrsam an dem<br />

PKW begründet.<br />

Im Ergebnis hat Anton mithin eine fremde, bewegliche Sache weggenommen,<br />

so dass der objektive Tatbestand des § 242 I StGB erfüllt ist.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

In subjektiver Hinsicht müsste Anton mit Vorsatz bezüglich aller objektiven<br />

Tatbestandsmerkmale und mit Zueignungsabsicht gehandelt<br />

haben. Die Zueignung müsste ferner rechtswidrig und der Vorsatz<br />

auch darauf bezogen gewesen sein.<br />

a) Vorsatz bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale<br />

Anton war sich bewusst, dass der PKW im Gewahrsam seines Eigentümers<br />

Bruno stand und wollte gleichwohl mit ihm nach Hause fahren.<br />

Hinsichtlich des objektiven Tatbestandes handelte er demnach vorsätzlich.<br />

b) Zueignungsabsicht<br />

Die darüber hinaus erforderliche Zueignungsabsicht liegt vor, wenn<br />

der Täter <strong>zu</strong>mindest den Eventualvorsatz hat, den Eigentümer dauerhaft<br />

aus dieser Position <strong>zu</strong> verdrängen, diesen also <strong>zu</strong> enteignen, und<br />

er ferner die Absicht hat, die Sache <strong>zu</strong>mindest vorübergehend dem<br />

eigenen Vermögen ein<strong>zu</strong>verleiben, sie sich also an<strong>zu</strong>eignen.<br />

Anton wollte Brunos PKW an Herbert verkaufen. Sein Ziel war es<br />

mithin, sich vorübergehend bis <strong>zu</strong>m Verkauf in eine eigentümerähnliche<br />

Position bezüglich des PKW auf<strong>zu</strong>schwingen und diesen später<br />

wie ein Eigentümer <strong>zu</strong> verkaufen. Er wusste, dass er Bruno damit auch<br />

dauerhaft aus dessen Eigentümerposition verdrängen musste, um dieses<br />

Ziel <strong>zu</strong> erreichen. Sowohl die Aneignungsabsicht als auch der Enteignungsvorsatz<br />

sind mithin <strong>zu</strong> bejahen. Eine Zueignungsabsicht Antons<br />

lag vor.<br />

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c) Rechtswidrigkeit der Zueignung und diesbzgl. Vorsatz<br />

Auf das Auto als den Gegenstand der beabsichtigten Zueignung hatte<br />

Anton keinen fälligen und durchsetzbaren Anspruch, was ihm auch<br />

bewusst war. Die Zueignung war mithin rechtswidrig und diese<br />

Rechtswidrigkeit vom Vorsatz des Anton umfasst. Auch der subjektive<br />

Tatbestand ist mithin erfüllt.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Anton handelte sowohl rechtswidrig, als auch schuldhaft. Trotz seiner<br />

BAK von 1,3 Promille besteht kein ausreichender Anlass, an seiner<br />

Schuldfähigkeit <strong>zu</strong> zweifeln. Eine etwaige Erwägung eingeschränkter<br />

Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB käme erst bei einer BAK von mindestens<br />

2,0 Promille in Betracht.<br />

III. Straf<strong>zu</strong>messung: Regelbeispiel des § 243 StGB<br />

Unter Straf<strong>zu</strong>messungsgesichtspunkten kommt ein besonders schwerer<br />

Fall gemäß § 243 I 2 Nr. 1 und Nr. 2 StGB in Betracht.<br />

Anton könnte <strong>zu</strong>r Ausführung der Tat <strong>zu</strong>nächst in einen „anderen umschlossenen<br />

Raum“ eingebrochen sein, § 243 I 2 Nr. 1 StGB. Der<br />

PKW müsste also als ein solcher umschlossener Raum gelten. Ein umschlossener<br />

Raum ist jedes durch <strong>zu</strong>mindest teilweise künstliche Hindernisse<br />

gegen das Betreten durch Unbefugte geschützte Raumgebilde,<br />

das vom Menschen betreten werden kann, gleichgültig, ob es mit<br />

dem Boden verbunden ist oder nicht. Der Insassenbereich eines PKW<br />

kann durch Menschen betreten werden. Das Betreten durch Unbefugte<br />

wird durch die Karosserie inklusive der verschlossenen Fahrzeugtüren<br />

verhindert, die diesen Raum vollständig umschließt. Der Insassenbereich<br />

ist mithin ein umschlossener Raum. In diesen ist Anton durch<br />

das gewaltsame, eine nicht unerhebliche Anstrengung erfordernde<br />

Öffnen einer Tür hineingelangt, um dann den PKW <strong>zu</strong> starten und davon<strong>zu</strong>fahren.<br />

Folglich ist er <strong>zu</strong>r Ausführung der Tat in den Insassenbereich<br />

eingebrochen und hat damit das Regelbeispiel des § 243 I 2<br />

Nr. 1 StGB verwirklicht.<br />

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Anton könnte ferner eine Sache, die durch eine andere Schutzvorrichtung<br />

gegen Wegnahme besonders gesichert war, weggenommen haben,<br />

§ 243 I 2 Nr. 2 StGB. Brunos PKW war <strong>zu</strong>mindest durch das<br />

Zündschloss gesichert, dessen spezifischer Zweck es ist, ein Wegfahren<br />

Unbefugter <strong>zu</strong> verhindern. Diese somit besonders gegen Wegnahme<br />

gesicherte Sache hat Anton weggenommen und damit auch das<br />

Regelbeispiel des § 243 I 2 Nr. 2 StGB erfüllt.<br />

IV. Ergebnis<br />

Anton hat sich durch das Aufbrechen, Starten und Wegfahren Brunos<br />

PKW wegen eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall gemäß<br />

§§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 2 StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit Antons wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, §<br />

315c I Nr. 1a StGB<br />

Indem Anton alkoholisiert mit Brunos Auto in den Graben fuhr, könnte<br />

er sich wegen Gefährdung des Straßenverkehrs, § 315c I Nr. 1a<br />

StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

1. Handlung im Straßenverkehr<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ng ist <strong>zu</strong>nächst, dass Anton ein Fahrzeug im öffentlichen<br />

Straßenverkehr geführt hat.<br />

Aus der Einordnung des § 315c StGB in den 28. Abschnitt des StGB<br />

„Gemeingefährliche Straftaten“ ergibt sich, dass hier nur der öffentliche<br />

Straßenverkehr gemeint sein kann. Öffentlich sind dabei alle dem<br />

allgemeinen Straßenverkehr gewidmeten Straßen, Wege und Plätze<br />

sowie solche Verkehrsflächen, die jedermann oder allgemein bestimmten<br />

Gruppen von Verkehrsteilnehmern dauernd oder vorübergehend<br />

<strong>zu</strong>r Benut<strong>zu</strong>ng offen stehen. Anton befand sich mit dem PKW auf einer<br />

dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmeten Straße. Diese ist<br />

dem Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs <strong>zu</strong><strong>zu</strong>ordnen.<br />

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2. Führen eines Fahrzeugs<br />

Der PKW ist ferner ein Fortbewegungsmittel und damit ein Fahrzeug<br />

im Sinne dieser Norm. Anton hat den PKW in Bewegung gesetzt und<br />

fuhr mit ihm den ganzen Weg bis <strong>zu</strong> sich nach Hause. Folglich ist hier<br />

das Führen eines Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr <strong>zu</strong> bejahen.<br />

3. Fahruntüchtigkeit<br />

Weiterhin müsste Anton infolge eines der in § 315c I StGB aufgezählten<br />

Mängel fahruntüchtig gewesen sein. Aufgrund seiner Alkoholisierung<br />

kommt der Fall der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit in Betracht,<br />

§ 315c I Nr. 1a Alt. 1 StGB.<br />

Anton hatte infolge des Genusses alkoholischer Getränke einen BAK-<br />

Wert von 1,3 Promille. Damit hatte er bereits die Grenze <strong>zu</strong>r absoluten<br />

Fahruntüchtigkeit (1,1 Promille) überschritten. Regelmäßig wirkt sich<br />

die absolute Fahruntüchtigkeit dahingehend aus, dass diese den Nachweis<br />

von konkreten Ausfallerscheinungen des Täters entbehrlich macht,<br />

da mit ihr die unwiderlegliche Vermutung der Fahruntüchtigkeit verbunden<br />

ist.<br />

4. Konkrete Gefährdung<br />

Durch seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit müsste Anton Leib<br />

oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem<br />

Wert gefährdet haben. Eine solche konkrete Gefährdung liegt<br />

vor, wenn es lediglich noch vom Zufall abhing, ob ein Unfall passiert<br />

oder nicht, wobei das gefährdete Tatobjekt in eine kritische Verkehrssituation<br />

gebracht werden muss – es muss ein sog. „Beinahe-Unfall“<br />

gegeben sein.<br />

Anton kam aufgrund seiner viel <strong>zu</strong> hohen Fahrgeschwindigkeit von der<br />

Fahrbahn ab und fuhr in einen Graben. Hierdurch wurden sowohl seine<br />

Gesundheit – möglicherweise sogar sein Leben – als auch die Unbe-<br />

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schadetheit des Autos gefährdet. Dass ihm bzw. dem Fahrzeug nichts<br />

passiert ist, war reiner Zufall. Ein Beinahe-Unfall ist also <strong>zu</strong> bejahen.<br />

5. Taugliches Gefährdungsobjekt<br />

Fraglich ist jedoch, ob durch diesen Beinahe-Unfall ein geeignetes Tatobjekt<br />

konkret gefährdet wurde. Anton war der einzige Insasse des<br />

PKW. Aufgrund des Wortlauts „eines anderen Menschen“ scheidet er<br />

selbst als Gefährdungsopfer aus.<br />

Als Tatobjekt kommt jedoch Brunos PKW in Betracht. Diesem müsste<br />

durch den Beinahe-Unfall ein Schaden gedroht haben, dessen <strong>zu</strong> beziffernde<br />

Summe einen bedeutenden Wert darstellt. Die Grenze für die<br />

Bejahung eines bedeutenden Wertes liegt derzeit, je nach Ansicht, bei<br />

ca. 750 bis 1.000 € und dürfte im Falle einer Beschädigung von Brunos<br />

PKW überschritten sein. Eine fremde Sache von bedeutendem Wert lag<br />

also vor.<br />

Problematisch ist allerdings, dass das von Anton gesteuerte Fahrzeug<br />

(Brunos PKW), hier <strong>zu</strong>gleich Tatmittel und Gefährdungsobjekt war. Ob<br />

als Tatmittel verwendete Fahrzeuge auch unter den Schutz des § 315c<br />

StGB fallen, ist umstritten. Dafür spricht, dass der Eigentumsschutz bei<br />

der Straßenverkehrsgefährdung eine große Rolle spielt, denn der Schutz<br />

der Allgemeinheit verwirklicht sich nur im Schutz der Rechtsgüter des<br />

Einzelnen. Für eine Einbeziehung des Tatmittelfahrzeugs spricht ferner<br />

der Vergleich mit § 315a StGB. Dieser erfasst bei gleicher Ausgestaltung<br />

des Tatbestands auch das Fahrzeug selbst als Schutzobjekt. Dagegen<br />

ist jedoch ein<strong>zu</strong>wenden, dass § 315c StGB <strong>zu</strong> den „gemeingefährlichen<br />

Straftaten“ zählt. Geschütztes Rechtsgut ist daher die allgemeine<br />

Sicherheit des Straßenverkehrs. Der Schutz des Einzelnen ist nur Nebenwirkung<br />

oder Reflex und ein <strong>zu</strong>sätzlicher Eigentumsschutz ist nicht<br />

gewollt. Es ist ferner anerkannt, dass eine Beeinträchtigung der Sicherheit<br />

des Straßenverkehrs dann ausscheidet, wenn der Täter nur sich<br />

selbst und sein eigenes Fahrzeug gefährdet. Vom Schutzzweck aus betrachtet,<br />

kann aber der Fall, dass der Täter ein ihm nicht gehörendes<br />

Fahrzeug verwendet, nicht anders <strong>zu</strong> beurteilen sein. Im heutigen Straßenverkehr<br />

ist das Fahren geleaster oder gemieteter, also fremder Fahr-<br />

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zeuge besonders häufig. Die Strafbarkeit hinge also häufig vom Zufall<br />

ab. Im Ergebnis ist daher der Ansicht <strong>zu</strong><strong>zu</strong>stimmen, nach der das als<br />

Tatmittel eingesetzte Fahrzeug als Gefährdungsobjekt ausscheidet.<br />

Demnach ist der von Anton geführte PKW des Bruno kein taugliches<br />

Tatobjekt.<br />

Der objektive Tatbestand ist folglich nicht erfüllt.<br />

II. Ergebnis<br />

Anton hat sich mithin nicht wegen einer Gefährdung des Straßenverkehrs<br />

gemäß § 315c I Nr. 1a StGB strafbar gemacht.<br />

C. Strafbarkeit Antons wegen Trunkenheit im Verkehr, § 316 I<br />

StGB<br />

Anton könnte sich aber wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 I<br />

StGB strafbar gemacht haben, indem er alkoholisiert Auto fuhr.<br />

I. Objektiver Tatbestand<br />

Wie bereits festgestellt, führte Anton mit Brunos PKW ein Fahrzeug<br />

im öffentlichen Straßenverkehr und war dabei infolge des Genusses<br />

alkoholischer Getränke absolut fahruntüchtig. Der objektive Tatbestand<br />

ist mithin erfüllt.<br />

II. Subjektiver Tatbestand<br />

In subjektiver Hinsicht ist Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale<br />

erforderlich. Zwar hatte Anton den Vorsatz, ein Fahrzeug<br />

im öffentlichen Straßenverkehr <strong>zu</strong> führen. Er hielt sich allerdings<br />

durchaus noch für fahrtüchtig. Damit fehlte ihm der Vorsatz bezüglich<br />

seiner eigenen Fahruntüchtigkeit.<br />

III. Ergebnis<br />

Anton hat sich nicht wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr gemäß<br />

§ 316 I StGB strafbar gemacht.<br />

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D. Strafbarkeit Antons wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr,<br />

§ 316 II StGB<br />

Anton könnte sich durch das Autofahren in alkoholisiertem Zustand<br />

aber wegen einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 II<br />

StGB strafbar gemacht haben.<br />

I. Tatbestand<br />

Anton führte ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr und war<br />

dabei infolge des Genusses alkoholischer Getränke absolut fahruntüchtig.<br />

Anton müsste ferner seine objektive Sorgfaltspflicht im Hinblick auf<br />

das Erkennen der eigenen Fahruntüchtigkeit verletzt haben. Es ist <strong>zu</strong><br />

prüfen, ob ein umsichtig denkender Mensch die Fahruntüchtigkeit<br />

vorhergesehen und daher eine Fahrt vermieden hätte. Anton hatte in<br />

der Kneipe erheblich „einen über den Durst“ getrunken. In dieser körperlichen<br />

Verfassung hätte ein vernünftig denkender Mensch eine Autofahrt<br />

nicht mehr angetreten. Folglich hat Anton objektiv seine Sorgfaltspflicht<br />

verletzt.<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Auch handelte Anton rechtswidrig und schuldhaft. Insbesondere war<br />

das Fahren trotz Fahruntüchtigkeit für Anton auch subjektiv vorhersehbar<br />

und vermeidbar.<br />

III. Ergebnis<br />

Anton hat sich durch das alkoholisierte Fahren wegen einer fahrlässigen<br />

Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 II StGB strafbar gemacht.<br />

E. Gesamtergebnis<br />

Durch das Aufbrechen und das anschließende Wegfahren mit Brunos<br />

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PKW hat Anton sich wegen eines schweren Diebstahls, §§ 242 I, 243<br />

I 2 Nr. 1, 2 StGB, in Tateinheit, § 52 StGB, mit einer fahrlässigen<br />

Trunkenheit im Verkehr, § 316 II StGB, strafbar gemacht.<br />

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