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BGH, Urteil vom 13. Dezember 1978, BGHSt 28, 224 – Taxi ...

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Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

<strong>BGH</strong>, <strong>Urteil</strong> <strong>vom</strong> <strong>13.</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>1978</strong>, <strong>BGH</strong>St <strong>28</strong>, <strong>224</strong> <strong>–</strong> <strong>Taxi</strong><br />

Sachverhalt: Gegen Zahlung eines Entgelts von 200 € fährt der <strong>Taxi</strong>fahrer<br />

Anton seinen Fahrgast Bruno von Berlin nach Leipzig. Während<br />

der Fahrt kommt ihm der Gedanke, Brunos Geldbörse zu entwenden.<br />

An einer Autobahntankstelle gelingt es ihm, unbemerkt Brunos<br />

Brieftasche mit einem Inhalt von 7.500 € und persönlichen Papieren<br />

aus dessen Jackentasche herauszuziehen und in seine eigene Hosentasche<br />

einzustecken. Sein Ziel ist es nun, Bruno so schnell wie<br />

möglich aus dem Wagen zu bekommen. Hierzu setzt Anton die Fahrt<br />

zunächst fort, verlässt die Autobahn aber bereits wieder an der nächsten<br />

Ausfahrt. Bruno, der sich hierüber sehr wundert, fragt ihn, was das<br />

denn solle. Anton fürchtet nun, dass Bruno den Verlust des Geldes<br />

bemerken und ihn zur Rede stellen könnte. Um dies zu verhindern,<br />

schlägt Anton „vorsorglich“ auf Bruno ein und würgt ihn. Schließlich<br />

stößt er ihn aus dem Wagen und fährt davon. Wie hat Anton sich<br />

strafbar gemacht?<br />

Thema: Abgrenzung Raub <strong>–</strong> Räuberischer Diebstahl<br />

Materialien: Arbeitsblätter BT Nr. 25, Examinatorium Nr. 45<br />

Anmerkungen: Kühl, JA 1979, 491; Schmidt, LM Nr. 2 zu § 252<br />

StGB 1975; Schnarr, JR 1979, 314; Seier, JuS 1979, 336<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Lösungsübersicht:<br />

A. Strafbarkeit wegen eines räuberischen Diebstahls, § 252 StGB<br />

I. Tatbestand<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache (+)<br />

b) Gewalt gegen eine Person (+)<br />

c) Nach Vollendung des Diebstahls<br />

Problem: Führt qualifizierte Nötigung zwischen Voll-<br />

und Beendigung der Wegnahme zu § 252 StGB oder §<br />

249 I StGB?<br />

<strong>–</strong> <strong>BGH</strong>: Zwischen Vollendung und Beendigung kann<br />

durch Gewaltanwendung Diebstahl noch zum Raub<br />

werden. Da aber auch Raub eine taugliche Vortat des<br />

§ 252 StGB darstellt, kann auch dieser gegeben sein.<br />

<strong>–</strong> h.M.: Gewalt nach Vollendung der Wegnahme kann<br />

nie zu § 249 StGB führen, es ist nur § 252 StGB zu<br />

prüfen<br />

<strong>–</strong> a.M.: Zwischen Vollendung und Beendigung kann<br />

durch Gewaltanwendung Diebstahl noch zum Raub<br />

werden (wie <strong>BGH</strong>). Dann kann aber nicht gleichzei-<br />

tig § 252 StGB vorliegen, dieser greift erst nach Beendigung<br />

der Vortat, setzt aber einen räumlichzeitlichen<br />

Zusammenhang voraus<br />

d) Auf frischer Tat betroffen (+)<br />

2. Subjektiver Tatbestand (+)<br />

a) Vorsatz bzgl. sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale<br />

sowie Zueignungsabsicht bzgl. der weggenommenen Sache<br />

(+)<br />

b) Beutesicherungsabsicht (+)<br />

II. Rechtswidrigkeit und Schuld (+)<br />

B. Strafbarkeit wegen Körperverletzung, § 223 I StGB (+)<br />

Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin / Strafrecht / Prof. Heinrich


Universitäts-Repetitorium der Humboldt-Universität zu Berlin<br />

Lösungsvorschlag:<br />

A. Strafbarkeit Antons wegen eines räuberischen Diebstahls, §<br />

252 StGB<br />

Anton könnte sich wegen eines räuberischen Diebstahls gemäß § 252<br />

StGB strafbar gemacht haben, in dem er Bruno die Brieftasche entwendete<br />

und dann, um ihn loszuwerden, auf ihn einschlug, ihn würgte<br />

und ihn aus dem Wagen stieß.<br />

I. Tatbestand<br />

Der Tatbestand des § 252 StGB müsste in objektiver und subjektiver<br />

Hinsicht erfüllt sein.<br />

1. Objektiver Tatbestand<br />

a) Wegnahme einer fremden beweglichen Sache<br />

Zunächst müsste die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache<br />

durch Anton vorliegen. Brunos Brieftasche war für Anton eine fremde<br />

Sache. Indem er diese aus Brunos Jackentasche zog und in die eigene<br />

Hosentasche einsteckte, brach er dessen Gewahrsam und begründete<br />

neuen eigenen Gewahrsam durch Schaffung einer sog. Gewahrsamsenklave.<br />

Demnach lag ein vollendeter Diebstahl Antons und somit<br />

eine Vortat i.S.d. § 252 StGB vor.<br />

b) Gewalt gegen eine Person<br />

Als Gewalt gilt jede Kraftentfaltung die einen physisch wirkenden<br />

Zwang hervorruft, welcher geleisteten oder erwarteten Widerstand<br />

brechen soll. Indem Anton den Bruno schlug, ihn würgte und aus dem<br />

Auto stieß, setzte er Gewalt gegen eine Person ein.<br />

c) Nach Vollendung des Diebstahls<br />

Regelmäßig muss die Wegnahme bereits vollendet sein, wenn es zum<br />

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Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels kommt, denn anderenfalls<br />

stünde eine Strafbarkeit wegen Raubs gemäß § 249 I StGB im Raum.<br />

Fraglich und umstritten ist darüber hinaus jedoch, ob die Wegnahme<br />

nicht auch schon ihren vollständigen materiellen Abschluss gefunden<br />

haben, also beendet sein muss. Die Wegnahme der Brieftasche durch<br />

Anton war vorliegend noch nicht beendet, sondern lediglich vollendet,<br />

so dass sich konkret die Frage stellt, ob die Gewaltanwendung in Verbindung<br />

mit der noch unbeendeten Wegnahme (noch) einen Raub oder<br />

(bereits) einen räuberischen Diebstahl darstellt.<br />

Nach einer Ansicht ist auch bei einer lediglich vollendeten Wegnahme<br />

ein räuberischer Diebstahl durch anschließende Anwendung eines<br />

qualifizieren Nötigungsmittels möglich, denn die Frage, ob ein Diebstahl<br />

zwischen Vollendung und Beendigung noch zum Raub qualifiziert<br />

werden könne, habe mit der Frage, ob die Gewalt zur Wegnahme<br />

oder zur Beutesicherung eingesetzt wird nichts zu tun und sei folglich<br />

strikt von dieser zu trennen. Folglich wäre auch im vorliegenden Fall<br />

bereits in der vollendeten Wegnahme der Brieftasche eine taugliche<br />

Vortat zu sehen, so dass eine Strafbarkeit nach § 252 StGB (weiterhin)<br />

in Betracht käme.<br />

Eine andere Ansicht hingegen lehnt dies ab und bejaht § 252 StGB nur<br />

dann, wenn die Vortat ihrerseits bereits beendet ist. Dies wird damit<br />

begründet, dass, wenn Diebstahl und Raub jeweils in der Beendigungsphase<br />

noch qualifiziert werden können, auch eine bis zur<br />

Vollendung als Diebstahl zu bewertende Tat zum Raub werden muss,<br />

sobald der Täter Nötigungsmittel zur Gewahrsamssicherung einsetze.<br />

Somit wäre vorliegend ein Raub zu bejahen, ein räuberischer Diebstahl<br />

hingegen mangels Vortat abzulehnen.<br />

Da beide Ansichten vorliegend zu abweichenden Ergebnissen kommen,<br />

ist der Streit zu entscheiden. Eindeutig gegen die letztgenannte<br />

Ansicht spricht, dass diese zwar rein dogmatisch begründbar ist, darüber<br />

hinaus jedoch jeglichen Bezug zur Praxis bzw. zur Lebensrealität<br />

vermissen lässt. Es scheint durchaus verfehlt, jede Gewaltanwendung,<br />

die einer vollendeten Wegnahme folgt per se als Handlung zur Ermöglichung<br />

der Wegnahme auszulegen und damit in solch einem Fall<br />

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grundsätzlich von einem Raub auszugehen. Diese Ansicht verkennt,<br />

dass gerade in der Phase, in der der Täter seine bereits erlangte und an<br />

sich gebrachte Beute sichern will, die Motivation einer Gewaltanwendung<br />

bzw. Bedrohung keineswegs mehr der Ermöglichung der Wegnahme<br />

dient, sondern eben der Erhaltung des Erlangten. Dies aber<br />

stellt den typischen Fall einer Beutesicherungsabsicht, wie sie § 252<br />

StGB, nicht aber § 249 I StGB verlangt, dar. Im Ergebnis gelingt es<br />

der zuletzt genannten Ansicht also nicht, überzeugend darzulegen,<br />

warum Gewalt mit der bloßen Absicht, die Beute zu sichern, nicht<br />

auch schon vor der Beendigung der Wegnahme ausgeübt werden<br />

kann. Schließlich besteht in solch einem Fall auch <strong>vom</strong> Strafrahmen<br />

her keine Notwendigkeit, § 249 I StGB zur Anwendung zu bringen,<br />

denn der Strafrahmen des § 252 StGB ist dem des § 249 I StGB<br />

gleichgestellt.<br />

Im Ergebnis ist daher von einer tauglichen Vortat in Form eines vollendeten<br />

Diebstahls der Brieftasche durch Anton auszugehen.<br />

d) Auf frischer Tat betroffen<br />

Zudem müsste der von Anton begangene Diebstahl noch eine „frische<br />

Tat“ i.S.d. § 252 StGB gewesen sein. Dafür bedarf es regelmäßig eines<br />

engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zwischen der<br />

Vortat und dem Einsatz des Personengewalt bzw. der Drohung. Konkret<br />

setzt dies voraus, dass sich der Täter noch in unmittelbarer Nähe<br />

des Tatorts befindet und alsbald dort angetroffen wird. Vorliegend<br />

befanden sich Anton und Bruno unmittelbar nach dem Diebstahl (weiterhin)<br />

zusammen in dem <strong>Taxi</strong>, also am Tatort. Auch war Anton lediglich<br />

das kurze Stück auf der Autobahn, zwischen Parkplatz und Ausfahrt,<br />

gefahren, so dass hier auch nur eine sehr geringe Zeitspanne<br />

vorlag. Folglich war der Diebstahl der Brieftasche noch eine frische<br />

Tat i.S.v. § 252 StGB.<br />

Zudem müsste Anton betroffen worden sein. Dies setzt voraus, dass<br />

der Täter von einer anderen Person entweder sinnlich wahrgenommen<br />

wird oder auf sonstige Weise mit einer anderen Person räumlich zusammentrifft.<br />

Da Bruno neben ihm im Auto saß und es nur eine Frage<br />

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der Zeit war, bis er das Verschwinden der Brieftasche bemerken würde,<br />

ist das Betroffensein Antons i.S.e. räumlichen Zusammentreffens<br />

mit Bruno zu bejahen.<br />

Der objektive Tatbestand des § 252 StGB liegt damit vor.<br />

2. Subjektiver Tatbestand<br />

a) Vorsatz bzgl. sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale sowie<br />

Zueignungsabsicht bzgl. der weggenommenen Sache<br />

Anton handelte wissentlich und willentlich bezüglich der Erfüllung<br />

sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale des § 242 I StGB, mithin<br />

vorsätzlich. Auch hatte er die für den Diebstahl als Vortat erforderliche<br />

Zueignungsabsicht.<br />

b) Beutesicherungsabsicht<br />

Zudem muss die Gewaltanwendung seitens Anton gerade dazu eingesetzt<br />

worden sein, sich im Besitz der Brieftasche zu erhalten. Erforderlich<br />

ist hierzu Absicht i.S.e. zielgerichteten Wollens. Hieraus folgt<br />

also, dass der Täter grundsätzlich (noch/schon) im Besitz der gestohlenen<br />

Sache sein muss sowie dass die Sicherungsabsicht dessen zentrale<br />

Motivation sein muss und der Fluchtgedanke gerade nicht im<br />

Vordergrund stehen bzw. überwiegen darf.<br />

Anton fürchtet, dass Bruno den Verlust der Brieftasche bemerken und<br />

ihn zur Rede stellen sowie deren Herausgabe verlangen könnte. Um<br />

dem dadurch drohenden Beuteverlust vorzubeugen, schlug er auf Bruno<br />

ein und stieß ihn danach aus dem Auto. Im Ergebnis handelte Anton<br />

damit in der Absicht, sich die erlangte Beute zu erhalten.<br />

Somit ist auch der subjektive Tatbestand des § 252 StGB von Anton<br />

verwirklicht worden.<br />

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II. Rechtswidrigkeit und Schuld<br />

Anton handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.<br />

III. Ergebnis<br />

Anton hat sich wegen eines räuberischen Diebstahls gemäß § 252<br />

StGB strafbar gemacht.<br />

B. Strafbarkeit Antons wegen Körperverletzung, § 223 I StGB<br />

Indem Anton den Bruno schlug, würgte und aus dem Auto stieß,<br />

könnte er sich zudem auch wegen einer Körperverletzung nach § 223 I<br />

StGB strafbar gemacht haben.<br />

Die Handlungen Antons waren jedenfalls üble und unangemessene<br />

Behandlungen, die das körperliche Wohlbefinden Brunos nicht nur<br />

unerheblich beeinträchtigt haben. Zudem ist lebensnah davon auszugehen,<br />

dass durch sie auch Verletzungen und somit ein pathologischer<br />

Zustand hervorgerufen wurden. Auch handelte Anton hierbei vorsätzlich,<br />

rechtswidrig und schuldhaft.<br />

Anton hat sich demnach auch wegen einer Körperverletzung zum<br />

Nachteil Brunos gemäß § 223 I StGB strafbar gemacht.<br />

C. Gesamtergebnis<br />

Aus Klarstellungsgründen stehen die Körperverletzung und der räuberische<br />

Diebstahl in Tateinheit. Anton hat sich demnach gemäß §§ 223<br />

I; 252; 52 StGB strafbar gemacht.<br />

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