SÄCHSISCHES ARCHIVBLATT - Archivwesen - Freistaat Sachsen
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Inneneinrichtung in einigen Fällen sogar<br />
besser ausgestattet.<br />
Die Insassen der Lager waren in allen<br />
nur erdenklichen Wirtschaftszweigen<br />
eingesetzt. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt<br />
stellte z. B. das Lager Aue im Erzgebirge<br />
1952/53 Haftarbeiter für eine Wolframitgrube<br />
in Zschorlau, für eine Eisengießerei<br />
in Lössnitz, für Ausschachtungsarbeiten<br />
der Bau-Union in Oberschlema<br />
sowie für die Vereinigten Holzstoff- und<br />
Papierfabriken in Niederschlema. Die<br />
Himmelmühler Gefangenen, übrigens<br />
das einzige bekannte Frauen-HAL der<br />
DDR, mussten von etwa 1954 bis 1963<br />
in Spinnereibetrieben in Wiesenbad,<br />
Gelenau und Venusberg ihre Arbeit verrichten.<br />
Das HAL Röcknitz im Bezirk<br />
Leipzig beherbergte Steinbrucharbeiter,<br />
die Schkeuditzer Gefangenen wurden<br />
beim Flughafenbau verwendet.<br />
Gerade für den Bergbau im heutigen<br />
<strong>Sachsen</strong> war die Arbeit der Strafgefangenen<br />
von großer Bedeutung. Die Lager<br />
Zwickau und Oelsnitz versorgten sächsische<br />
Steinkohlebetriebe bis in die sechziger<br />
Jahre hinein mit Arbeitskräften,<br />
und auch für die staatliche Braunkohleindustrie<br />
wurde der Einsatz von Strafgefangenen<br />
zunehmend unverzichtbar.<br />
Das Zwickauer Lager bestand bereits<br />
seit Anfang der fünfziger Jahre als<br />
Standkommando der Strafvollzugsanstalt<br />
Zwickau, bevor es 1955 als Haftarbeitslager<br />
Eigenständigkeit erlangte.<br />
Verträge mit dem „VEB Steinkohlenwerk<br />
Martin Hoop“ regelten die Anzahl<br />
sowie den Einsatz der Strafgefangenen<br />
als Untertagearbeiter. Meist forderte der<br />
Betrieb sogar mehr Häftlinge an, als der<br />
Strafvollzug bieten konnte. Im Arbeitseinsatz<br />
trafen sich die Interessen von<br />
Betrieb und Strafvollzug: Ersterer benötigte<br />
Arbeitskräfte, letzterer musste<br />
die Gefangenen zwecks ihrer „Umerziehung“<br />
volkswirtschaftlich sinnvoll beschäftigen.<br />
Gerade die Betriebe gingen<br />
dabei weitgehende finanzielle Verpflichtungen<br />
ein und subventionierten maßgeblich<br />
die entstehenden Haftarbeitslager.<br />
1955 stellte das Zwickauer Lager auf<br />
diese Weise bis zu 700 Arbeitskräfte, die<br />
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RISSE _______________________________________________________<br />
DES VEB BRAUNKOHLENWERKES BORNA MIT DARSTELLUNG DES HAFTLAGERS (AE-LAGER)<br />
BZW. _______________________________________________________<br />
DER STRAFVOLLZUGSEINRICHTUNG (STVE) BEI REGIS-BREITINGEN, 1972 UND 1979<br />
STA-F, _______________________________________________________<br />
40201 ZUSAMMENGEFASSTER BESTAND LAUSITZER UND MITTELDEUTSCHE<br />
BRAUNKOHLENINDUSTRIE, _______________________________________________________<br />
NR. 0001<br />
meist wie normale Bergleute unter Tage<br />
eingesetzt waren. 1959 wurde das HAL<br />
„Steinkohle“ Zwickau aufgelöst und<br />
die verbliebenen Gefangenen in das benachbarte<br />
Lager Oelsnitz verlegt. Dieses<br />
war während des Zweiten Weltkriegs<br />
ursprünglich ein Kriegsgefangenenlager<br />
gewesen, wurde dann Arbeitslager<br />
und letztlich ab 1951 ein ausgelagertes<br />
Standkommando der Strafvollzugsanstalt<br />
Hoheneck. So wurden die Baracken<br />
aus Kriegszeiten nach einigen<br />
zwischenzeitlichen Umbauten vom<br />
Strafvollzug der DDR weitergenutzt. Im<br />
Jahr 1959, nach der Aufnahme der<br />
Zwickauer Gefangenen, waren hier bis<br />
zu 1.100 Gefangene eingesperrt. Die<br />
Oelsnitzer Haftarbeiter fuhren in den<br />
Steinkohlenwerken „Deutschland“ und<br />
„Karl-Liebknecht“ in den Berg ein. Erst<br />
Ende 1964 kamen die Behörden im Zuge<br />
einer größeren Umstrukturierung der<br />
„Vollzugslandschaft“ zu dem Schluss,<br />
dass der Untertageeinsatz der Gefangenen<br />
kaum kontrollierbar und sicherheitsmäßig<br />
unbefriedigend sei. Zudem<br />
waren die Tauglichkeitsanforderungen<br />
des Bergbaus von Strafgefangenen nur<br />
selten erfüllbar, was bis dahin allerdings<br />
nur wenig interessiert hatte. Obwohl bis<br />
Mitte der sechziger Jahre die Strafgefangenen<br />
im sächsischen Steinkohlebergbau<br />
aufgrund der insgesamt schwierigen<br />
Arbeitskräftesituation kaum ersetzbar<br />
waren, wurde das Oelsnitzer Lager mit<br />
den verbliebenen 375 Gefangenen im<br />
Jahr 1965 geschlossen.<br />
Noch prekärer war die Lage im Braunkohlebergbau,<br />
dem wichtigsten Energielieferanten<br />
der DDR. Hier wurden sogar<br />
bis zum Ende der DDR in großer Zahl<br />
Strafgefangene eingesetzt. Zahlreiche<br />
dieser Haftarbeiter waren seit Anfang<br />
der sechziger Jahre in der Vollzugseinrichtung<br />
Regis inhaftiert. Ursprünglich<br />
angelegt als Arbeitserziehungskommando<br />
(AEK) für „Asoziale“ und<br />
„Arbeitsscheue“, fungierte das Regiser<br />
Lager von 1975 bis zum September 1990<br />
als „Strafvollzugseinrichtung“ für rund<br />
1.000 Häftlinge (s. Abbildungen). In<br />
Spitzenzeiten war die Anstalt sogar mit<br />
bis zu 2.000 Insassen belegt, die überwiegend<br />
in der Braunkohle schufteten.<br />
Die Arbeitsbedingungen für die Gefangenen<br />
waren im Bergbau äußerst<br />
hart. Ende der achtziger Jahre waren<br />
85 % der Strafgefangenen aus den<br />
Braunkohlekombinaten Bitterfeld, Regis<br />
und Borna bei der Instandhaltung der<br />
Gleisanlagen sowie zu Entwässerungsarbeiten<br />
und zum Bau von Anlagen und<br />
Gebäuden eingesetzt. Allerdings erhielten<br />
die Gefangenen die üblichen betrieb-<br />
<strong>SÄCHSISCHES</strong> <strong>ARCHIVBLATT</strong> Heft 1 / 2009<br />
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