Sportbiologie
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<strong>Sportbiologie</strong>
Begriffsbestimmungen<br />
Die <strong>Sportbiologie</strong> (SB) ist ganz allgemein<br />
die Lehre vom Menschen in Bezug auf den<br />
Sport (vgl. Albonico u.a. 1967, 11)<br />
§ die SB umfasst als interdisziplinäres Fachgebiet die Erkenntnisse der Anatomie, Physiologie,<br />
Genetik, Hygiene, Sportpädagogik, Trainings- u. Bewegungslehre, Biomechanik, Sportsoziologie<br />
u. –psychologie, Orthopädie sowie der psychophysischen Entwicklung und des Alterns<br />
§ die SB versucht den Einfluss von Bewegung u. körperl. Aktivität auf den menschl. Organismus<br />
darzustellen und Einflussfaktoren, die die körpel. Bzw. sportl. Leistungsfähigkeit ausmachen, in<br />
ihren Wirkungsmechanismen zu erklären<br />
§ im Gegensatz zur Sportmedizin befasst sich die SB jedoch nur peripher mit sportmedizinischen<br />
Messmethoden, obwohl sie deren Ergebnisse verwertet – sowie mit sportärztl.<br />
Untersuchungsmethoden u. therapeutischen Verfahrensweisen
Begriffsbestimmungen<br />
„Sport“<br />
§ Im sportwissenschaftl. Bereich ist aufgrund des großen Bedeutungsgehalts des<br />
Sportbegriffs in der Umgangssprache keine präzise Begriffsabstimmung möglich.<br />
§ Die Definition stützt sich weniger auf wissenschaftl. Dimensionsanalysen als auf den<br />
alltagstheoretischen Gebrauch sowie auf historisch gewachsene u. tradierte<br />
Einbindungen in soziale, ökonomische, politische u. rechtliche Gebilde, die zu<br />
ständigen Wandlungen des Begriffsverständnisses geführt haben.<br />
§ Merkmale des Sports sind motorische Aktivitäten u. soziale Interaktionen.<br />
Sporttheoretisch sind sportliche Handlungen „freigesetzte“ Handlungen, die den<br />
zweckhaften Bestimmungen der Alltags- u. Arbeitswelt enthoben sind, jedoch nicht<br />
ausschließlich den tradierten Nützlichkeitserwägungen unterliegen (Röthig 1992, 420f)<br />
§ Unter sportbiologisch-sportmedizinischem Aspekt erhält der Sport je nach<br />
Manifestationsform u. Aktionsform eine differenzierte inhaltliche Bedeutung.
Manifestationsformen,<br />
Aktionsformen u. Zielbereiche<br />
Manifestationsformen Freizeitsport, Breitensport, Gesundheitssport,<br />
Leistungssport, Hochleistungssport,<br />
Bewegungstherapie<br />
Aktionsformen Übung, Training, Wettkampf<br />
Zielbereiche<br />
§ Verbesserung der gesundheitlichen und/oder<br />
sportlichen Leistung durch Steigerung der<br />
Leistungsfähigkeit und der –bereitschaft<br />
§ Freude an der Bewegung<br />
§ Soziale Interaktion
Sportliche Manifestationsformen<br />
Freizeitsport als „Spaßsport“ u. „Freizeitspaß“, als „expressives Sportmodell“, als „alltagskultureller Sport“<br />
oder „soziokulturell orientiert“, auch für alters-, geschlechts- u.leistungsheterogene Gruppen möglich bei regel<br />
veränderten Übungs-, Spiel u. Bewegungsformen, unter persönlichen Leistungsansprüchen, mit hohem Grad<br />
der Selbstbestimmung, nicht vereinspflichtig, sondern auch angeboten von VHS, Kirchengruppen, Vereinigungen<br />
aller Art, kommerziellen Anbietern; unabhängig, selbständig (Dieckert in Röthig 1992, 170)<br />
Breitensport als traditionelles „wettkampfbezogenes Sportmodell“ mit Amateur-Charakter auf allen unteren<br />
Ebenen, vereinsgebunden (Dieckert in Röthig u.a. 1992, 170)<br />
Gesundheitssport beinhaltet die im Sinne eines Trainings konsequent durchgeführten Körperübungen, die<br />
bewusst auf die Festigung der Gesundheit ausgerichtet sind (Strauzenberg in Röthig 1983, 150)<br />
Leistungssport meint den mit dem Ziel der Erreichung einer persönlichen Höchstleistung betriebenen<br />
Sport (Haag in Röthig 1992, 282)<br />
Hochleistungssport – Synonyma: Höchstleistungs- bzw. Spitzensport – ist der auf regionaler, nationaler u.<br />
internationaler Ebene betriebene Wettkampfsport mit dem Ziel der absoluten Höchstleistung. Hauptkriterien<br />
sind Rekorde u. internationale Erfolge (Groher in Röthig 1992, 418)<br />
Bewegungstherapie ist der Sammelbegriff für motorische Programme, bei denen versucht wird, durch aktive<br />
muskuläre Beanspruchung, Erkrankungen, Defizite, Fehlverhalten oder psychosoziale Störungen zu behandeln<br />
(Hahn in Röthig 1992, 89)
Sportliche Aktionsformen<br />
Sportbiologisch-sportmedizinisch wird Übung als die systematische<br />
Wiederholung gezielter Bewegungsabläufe zum Zwecke der Leistungssteigerung<br />
durch verbesserte Koordination definiert (vgl. Hollmann u.<br />
Hettinger 2000, 119)<br />
Aus sportbiologisch-sportmedizinischer Sicht ist Training die systema- systematische<br />
Wiederholung gezielter überschwelliger Muskelspannungen mit<br />
morphologischen und funktionellen Anpassungserscheinungen zum<br />
Zwecke der Leistungssteigerung (vgl. Hollmann u. Hettinger 2000,117)<br />
Aus sportbiologisch-sportmedizinischer Sicht stellen sportliche Aktionen mit<br />
Wettkampfcharakter muskuläre Beanspruchungen im Grenzbereich der physischen<br />
Leistungsfähigkeit dar (Weineck 2004, 16)
Zielbereiche des Sports<br />
Die Leistungsfähigkeit – Synonyma: Leistungsvermögen, -kapazität; Potential –<br />
eines Sportlers ist durch die maximal (unter Ausschöpfung aller Reserven) zu<br />
realisierende Leistung in bestimmten Sportarten/-disziplinen zu kennzeichnen.<br />
Inwieweit durch eine wirklich realisierte Leistung die Leistungsmöglichkeiten<br />
ausgeschöpft werden, hängt sehr stark von der Leistungsbereitschaft des Sportlers ab<br />
(vgl. Röthig u.a. 1992, 278)<br />
Die Leistungsbereitschaft bezeichnet die psychischen Faktoren, die neben der<br />
Leistungsfähigkeit die Leistungen in Training u. Wettkampf beeinflussen können.<br />
Dabei hängt es vom Anspruchsniveau u. von der subjektiven Leistungswertung ab,<br />
wie stark die Leistungsbereitschaft in der aktuellen Situation wirksam ist (Röthig<br />
u.a. 1992, 277)
Persönlichkeitseigenschaften<br />
(intellektuelle<br />
Fähigkeiten, moralische u.<br />
psychische Eigenschaften<br />
Faktoren der sportlichen<br />
Leistungsfähigkeit<br />
Konditionelle u. koordinative<br />
physische Leistungsfaktoren<br />
(Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit,<br />
Beweglichkeit, Koordination)<br />
Sportliche<br />
Leistungsfähigkeit<br />
Konstitutionelle u. gesundheitliche<br />
Faktoren<br />
Technisch-taktische<br />
Fähigkeiten u. Fertigkeiten<br />
Weineck 2004, 17
(aus Grosser u. Zimmermann 1981, 115))
Zielbereiche des Sports<br />
Fitness bezeichnet allgemein die Leistungstauglichkeit des Menschen sowie dessen aktuelle<br />
Eignung für beabsichtigte Handlungen (Röthig 1992, 165)<br />
Unter sportbiologischem Aspekt kann Fitness als der Zustand einer überdurchschnittlichen<br />
psychophysischen Leistungsfähigkeit in gesundheitlicher u. sportlicher<br />
Hinsicht verstanden werden.<br />
Gesundheit als Gegensatz zur Krankheit („klassischer“ Gesundheitsbegriff) mit dem Problem der<br />
fließenden Übergänge zwischen Gesundheit u. Krankheit<br />
Gesundheit als Ideal:“Ein Zustand des umfassenden körperlichen, geistigen u. sozialen<br />
Wohlbefindens und nicht lediglich Freisein von Krankheit u. Schwäche“ (WHO)<br />
Gesundheit als skalierbare Größe besserer oder schlechterer Funktionstüchtigkeit der<br />
Organsysteme<br />
Gesundheit als „Normalzustand“, wie er aufgrund statistischer Verfahren zu ermitteln ist, mit<br />
dem Problem, dass sowohl unschädliche Abweichungen als negative Krankheitsbilder<br />
verharmlost werden
Zielbereiche des Sports<br />
Gesundheit ist kein Besitz, sondern eine stete seelisch-körperliche Aufgabe (Reindell u. Rosskamm)<br />
Gesundheit ist eine individuell psychophsysische Leistung in der Lebenswirklichkeit (Francke)<br />
Gesundheit ist ein provisorischer Zustand, der nichts Gutes verspricht (Bamm)<br />
Gesundheit ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Gesundheit (Schopenhauer)<br />
Krankheit lässt sich als gestörte Gesundheit definieren
Anpassung als Grundvoraussetzung<br />
sportlichen Trainings<br />
In der Biologie wird grundsätzlich unter Anpassung eine organische u.<br />
funktionelle Umstellung des Organismus auf innere u. äußere Anforderungen<br />
verstanden; Anpassung ist die organismische Widerspiegelung, die innere<br />
Aneigung von Anforderungen. Sie erfolgt gesetzmäßig und ist auf die bessere<br />
Bewältigung der sie induzierenden Belastungen ausgerichtet. Sie verkörpert den<br />
inneren Zustand einer verbesserten Betriebsfähigkeit und ist auf allen<br />
hierarchischen Ebenen des Körpers existent. Anpassung u. –fähigkeit gehören<br />
zur Evolution und sind ein wichtiges Kennzeichen des Lebens. Anpassungen<br />
sind reversibel und müssen ständig neu erworben werden (Israel 1983, 141)
§ Die Anpassung ist das universalste<br />
und wichtigste Gesetz des Lebens<br />
§ Die organische Form bestimmt die<br />
Funktion. Die Funktion ihrerseits<br />
entwickelt, formt u. spezialisiert das<br />
Organ<br />
§ Biologische Anpassungen –<br />
Adaptationen – treten als funktionelle<br />
u. strukturelle Veränderungen in<br />
nahezu allen Systemen auf<br />
§ unter biologischen Adaptationen im<br />
Sport werden Veränderungen von<br />
Organen u. Funktionssystemen<br />
verstanden, die sich unter der<br />
Einwirkung psychophysischer bzw.<br />
sportlicher Aktivitäten einstellen
§ Die individuell unterschiedliche<br />
Reizverarbeitung bei quantitativ u.<br />
qualitativ gleichwertigen Übungen bzw.<br />
Trainingsbelastungen nennt man<br />
Anpassungsfähigkeit oder<br />
Adaptabilität. Sie ist auf die<br />
Wechselwirkung Organismus/Umwelt<br />
unter dem Gesichtspunkt der<br />
Erbanlagen und ihrer Entfaltung<br />
(Genexpression) zurückzuführen<br />
(Gürtler 1982, 35)<br />
§ Im Sportbereich wird Adaptabilität als<br />
Trainierbarkeit bezeichnet<br />
§ Im Sportbereich wird aufgrund der<br />
vielfältigen Einflussfaktoren selbst bei<br />
härtestem Training nur selten der<br />
Genotypus vollständig in den<br />
Phänotypus umgesetzt
Phasen erhöhter Adaptabilität – sie liegen für koordinative u. konditionelle<br />
Leistungsfaktoren zu einem unterschiedlichen Zeitpunkt vor – werden als<br />
sensitive Phasen bezeichnet.<br />
Der Grenzbereich dieser sensitiven Phasen, also der Bereich, in dem eine<br />
optimale Merkmalsausprägung gerade noch möglich ist, wird allgemein als<br />
kritische Phase bezeichnet
Chronologie der Anpassung an<br />
sportliches Training<br />
1. Störung der Homöostase<br />
2. Gegenregulation mit Erweiterung der<br />
Funktionsamplitude<br />
3. Formierung neuer Strukturen<br />
4. Erweiterung des Stabilitätsbereichs des sich<br />
anpassenden Systems<br />
5. Reversibilität (Umkehrbarkeit) der<br />
Anpassungsprozesse bei Übungsdefiziten
Arten der Anpassung<br />
§ Unter anatomischem u. physiologischem Aspekt unterscheidet man morphologische<br />
(Körper- u. Muskelmasse, das Herzvolumen, die Kapillarisierung, Körperbau) u.<br />
funktionelle (Energie- u. Gasstoffwechsel, das Herzzeitvolumen etc.)<br />
Anpassungsphänomene<br />
§ Unter dem Aspekt der belastungsphysiologischen Umsetzung spricht man von<br />
biopositiven u. bionegativen (Mal-) Adaptationen<br />
§ Unter dem zeitlichen Aspekt lassen sich schnell u. langsam adaptierende Systeme<br />
unterscheiden (Muskulatur; Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder)
Unterschiedlicher zeitlicher Verlauf der Wiederherstellungs- u.<br />
Adaptationsvorgänge am Muskelsystem (a), am Binde- u. Stützsystem (b)<br />
und nach unvollständiger Wiederherstellung (c) (aus Weineck 2004, 25)
Arten der Anpassung<br />
§ Unter anatomischem u. physiologischem Aspekt unterscheidet man morphologische<br />
(Körper- u. Muskelmasse, das Herzvolumen, die Kapillarisierung, Körperbau) u.<br />
funktionelle (Energie- u. Gasstoffwechsel, das Herzzeitvolumen etc.)<br />
Anpassungsphänomene<br />
§ Unter dem Aspekt der belastungsphysiologischen Umsetzung spricht man von<br />
biopositiven u. bionegativen (Mal-) Adaptationen<br />
§ Unter dem zeitlichen Aspekt lassen sich schnell u. langsam adaptierende Systeme<br />
unterscheiden (Muskulatur; Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder)<br />
§ Unter dem Aspekt der Spezifität der Anpassungserscheinungen werden spezifische u.<br />
unspezifische (Kreuzadaptation) Adaptationen unterschieden (Ausdauertraining u.<br />
Immunsystem)<br />
§ Unter dem Aspekt der tätigkeits- u. fähigkeitsspezifischen Anpassung unterscheidet<br />
man spezielle und allgemeine Adaptationen (Training lokaler Muskelgruppen,<br />
allgemeine Grundlagenausdauer)<br />
§ Unter dem Aspekt der Adaptationsfolge – Anpassung, Anpassungsverlust, neuerliche<br />
Anpassung – unterscheidet man Adaptation, Deadaptation (Detraining - aktiv) u.<br />
Readaptation
Faktoren, welche die<br />
Adaptationsprozesse beeinflussen<br />
!<br />
!<br />
!<br />
(Weineck 2004, 26)
Grenzbereiche menschlicher Anpassung<br />
an ein sportliches Hochleistungstraining<br />
§ Die allgemeine aerobe dynamische Ausdauer – ausgedrückt durch die maximale<br />
Sauerstoffaufnahme – ist um etwa 40% zu steigern<br />
§ Die lokale aerobe dynamische Ausdauer ist um mehrere 100 bis mehrere 1000<br />
Prozent zu steigern. Sie stellt die am besten trainierbare konditionelle<br />
Leistungskomponente des Menschen dar.<br />
§ Die Kraft (Maximalkraft) ist um etwa 40% im Vergleich zum Ausgangsniveau zu<br />
steigern.<br />
§ Die Schnelligkeit weist die stärkste genetische Determination aller physischen<br />
Leistungsfaktoren auf und ist nur um 15-20% zu steigern<br />
§ Die koordinativen Fähigkeiten gehören – rechtzeitig geschult – zu den am besten<br />
trainierbaren Hauptbeanspruchungsformen