22.10.2012 Aufrufe

Komplementarität von aussagepsychologischer und klinisch - Asanger

Komplementarität von aussagepsychologischer und klinisch - Asanger

Komplementarität von aussagepsychologischer und klinisch - Asanger

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Zertifiziert <strong>von</strong> der Nordrheinischen Akademie für ärztliche Fort- <strong>und</strong><br />

Weiterbildung<br />

AUSSAGEPSYCHOLOGISCHE UND KLINISCH-PSYCHOLOGISCHE METHODIK<br />

werden könne, dann könne die Möglichkeit<br />

einer erlebnisfernen Aussage logischerweise<br />

nicht mehr zurückgewiesen werden. Das<br />

in diesem Kontext geforderte Ausmaß an<br />

Wahrscheinlichkeit ist mithin ein durchaus<br />

differentes. Hier wird die wissenschaftlich<br />

begründete Haltung vertreten, dass der Primat<br />

der Gnoseologie zu gelten hat, so dass<br />

die Erklärungshypothese am Ende des diagnostischen<br />

Prozesses Bestand haben sollte,<br />

welche den höchsten Erklärungswert <strong>und</strong><br />

damit die höchste Validität hat – unabhängig<br />

<strong>von</strong> einem konkreten Wahrscheinlichkeitsausmaß.<br />

Ein solches kann dann wiederum<br />

in der juristisch-psychologischen Interaktion<br />

besprechbar gemacht werden, sollte aber<br />

nicht methodenleitend sein.<br />

Im Unterschied zu aussagepsychologischen<br />

Gutachten im Strafrecht geht es bei Begutachtungen,<br />

welche sich im Bereich des Opferentschädigungsgesetztes<br />

(OEG) verorten, zu<br />

einem erheblichen Teil um eine <strong>klinisch</strong>-psychologische<br />

<strong>und</strong> sozialrechtliche Fragestellung.<br />

So ist in der Regel zu prüfen, ob es zu<br />

einem tätlichen Angriff gegen das potenzielle<br />

Opfer gekommen ist <strong>und</strong> ob dieser ggf. in den<br />

Bereich des OEG fällt. Im Weiteren ist jedoch<br />

zu untersuchen, ob eine (psychische) Ges<strong>und</strong>heitsstörung<br />

festgestellt werden kann <strong>und</strong> ob<br />

sich ein etwaiger kausaler Zusammenhang<br />

zwischen dieser evtl. Ges<strong>und</strong>heitsstörung<br />

<strong>und</strong> dem tätlichen Angriff aufweisen lässt.<br />

Diese beiden Aspekte – psychische Ges<strong>und</strong>heitsstörung<br />

sowie Kausalitätsbewertung –<br />

fallen in den originären Fachbereich eines <strong>klinisch</strong>-psychologischen<br />

Gutachters.<br />

Nicht selten entfällt eine aussagepsychologische<br />

Untersuchung in einer OEG-Begutachtung,<br />

da der tätliche, OEG-relevante Angriff<br />

entweder objektiv feststeht oder vom Auftraggeber<br />

als stattgef<strong>und</strong>en vorausgesetzt wird,<br />

so dass nur eine Auseinandersetzung mit den<br />

beiden anderen Aspekten – Ges<strong>und</strong>heitsprüfung<br />

<strong>und</strong> Kausalität – erfolgen muss. Dennoch<br />

sind in einigen Fällen aussagepsychologische<br />

Erörterungen eines ggf. schädigenden OEGrelevanten<br />

Ereignisses <strong>von</strong>nöten. Spezielle<br />

Qualitätsmerkmale für den OEG-Bereich existieren<br />

nicht. Methodisch ist letztlich das gleiche<br />

Vorgehen wie auch in anderen aussagepsychologischen<br />

Fragestellungen indiziert.<br />

Allerdings herrscht nach langjährigen Erfahrungen<br />

des Verfassers dieses Beitrages im<br />

Bereich der OEG-Begutachtungen bei den<br />

Auftraggebern ein Dissenz darüber, ob explizit<br />

<strong>von</strong> einer Nullhypothese auszugehen<br />

ist oder nicht. Während dies <strong>von</strong> Verfahrensbeteiligten<br />

zuweilen gefordert wird, ist<br />

es in der Gutachtenpraxis im Bereich des<br />

OEG eher Usus, nicht wie im Strafrecht üblich<br />

<strong>von</strong> einer Nullhypothese auszugehen.<br />

Einige Auftraggeber weisen innerhalb des<br />

Verfahren auch explizit darauf hin, dass im<br />

OEG-Bereich nicht <strong>von</strong> einer Nullhypothese<br />

auszugehen ist. Implizit lässt sich diese<br />

Einschätzung zum einen damit begründen,<br />

dass im Unterschied zum Strafrecht eine<br />

juristisch-methodische Unschuldsvermutung<br />

im Prinzip im OEG-Bereich keine Relevanz<br />

hat, da ein potenzieller Täter durch ein OEG-<br />

Verfahren nicht verurteilt werden kann. Würden<br />

im OEG-Bereich die gleichen „harten“<br />

aussagepsychologischen Maßstäbe gelten<br />

wie im Strafrecht, so wäre es zumindest methodisch<br />

nicht abwegig zu argumentieren,<br />

dass eine aussagepsychologisch f<strong>und</strong>ierte<br />

Erschütterung der Nullhypothese im OEG-<br />

Verfahren auch strafrechtliche Implikationen<br />

hätte, was nicht der Fall ist. Auf der anderen<br />

Seite führt ein Freispruch des Beschuldigten<br />

in einem strafrechtlichen Verfahren nicht per<br />

se dazu, dass ein OEG-Antrag keinen Erfolg<br />

haben könnte. Dies impliziert, dass die Maßstäbe<br />

in OEG-Verfahren bzgl. der aussagepsychologischen<br />

Anforderungen offenbar andere<br />

sind als in strafrechtlichen Verfahren.<br />

Es gibt jedoch auch eine Begründung, welche<br />

explizit aus dem OEG selbst heraus oftmals<br />

einen anderen Maßstab als im Strafrecht nahelegt,<br />

<strong>und</strong> zwar hinsichtlich des Ausmaßes<br />

32 ZPPM Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaft, Psychologische Medizin 10 JG. (2012) HEFT 3

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!