Komplementarität von aussagepsychologischer und klinisch - Asanger
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Weiterbildung<br />
AUSSAGEPSYCHOLOGISCHE UND KLINISCH-PSYCHOLOGISCHE METHODIK<br />
tigt. Es ist gerade die Kombination aus amnestischen<br />
Lücken <strong>und</strong> hypermnestischen, d.h.<br />
im Gedächtnis überrepräsentierten, zuweilen<br />
fast perseverierend wiederholten Details, welche<br />
typisch für traumatische Erinnerungen<br />
ist. Die Forderung nach einer Schilderung <strong>von</strong><br />
hypermnestischen Details stellt mithin sogar<br />
gewissermaßen einen Mehrwert im Vergleich<br />
zu den „klassischen“ Qualitätsmerkmalen dar,<br />
welche sich eher an der allgemeinen (Gedächtnis-)Psychologie<br />
orientieren.<br />
Die „Modifikation“ des Kriteriums Konkretheit/Anschaulichkeit<br />
besteht somit in der<br />
genannten Kombination aus amnestischen<br />
Lücken <strong>und</strong> Hypermnesien <strong>und</strong> impliziert<br />
eine stärkere Berücksichtigung des Qualitätsmerkmals<br />
individuelle Durchzeichnung.<br />
Dabei sind Schilderungen <strong>von</strong> Affekten <strong>und</strong><br />
eigenen Kognitionen häufig weniger anschaulich<br />
als das Berichten visueller Wahrnehmungen.<br />
Beim ebenso in diesem Kontext zu nennenden<br />
Qualitätsmerkmal eigenpsychisches<br />
Erleben sind im Weiteren auch andere etwaige<br />
fallspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen<br />
wie ggf. das Fehlen einer eigentlich<br />
zentralen traumatypischen Erschütterung<br />
des Selbst- <strong>und</strong> Weltverständnisses, da das<br />
potenzielle Opfer ein gewisses berichtetes<br />
Verhalten mangels alternativer Kenntnis subjektiv<br />
als „normal“ angesehen haben könnte<br />
(bspw. bei einem länger anhaltenden sexuellen<br />
Missbrauch in der Kindheit).<br />
Die Berücksichtigung <strong>klinisch</strong>er Phänomene<br />
in der aussagepsychologischen Begutachtung<br />
kann somit eine höhere Validität<br />
erbringen, was durchaus im Sinne einer<br />
Methodenkonvergenz aufzufassen ist. Es<br />
ist mithin eher <strong>von</strong> einer ergänzenden Perspektive<br />
durch die <strong>klinisch</strong>e Psychologie denn<br />
<strong>von</strong> Modifikationen des aussagepsychologischen<br />
Kriterienkataloges zu sprechen. Die<br />
Untersuchung der Erlebnisnähe eines <strong>von</strong><br />
einem Zeugen berichteten, aus <strong>aussagepsychologischer</strong><br />
Sicht in Frage stehenden Sachverhaltes<br />
gewinnt durch die Verknüpfung<br />
<strong>von</strong> <strong>aussagepsychologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>klinisch</strong>er<br />
Herangehensweise an Validität.<br />
Ähnlichkeit vs. Differenz zwischen<br />
Ereignis- <strong>und</strong> Beschwerdeschilderung<br />
Die <strong>klinisch</strong>e Psychologie sollte somit auch<br />
im Bereich der Aussagequalität berücksichtigt<br />
werden, nicht nur bei der Erörterung der<br />
Aussagekompetenz als tendenzieller Makel.<br />
So lässt sich bspw. in Begutachtungen, in<br />
denen vom Auftraggeber aussagepsychologische<br />
<strong>und</strong> <strong>klinisch</strong>-psychologische Fragen<br />
gleichzeitig gestellt werden (Begutachtung<br />
etwaiger traumatisierter Flüchtlinge, OEG-<br />
Begutachtungen), oftmals erkennen, dass<br />
eine Ähnlichkeit zwischen zeitlich weiter<br />
zurückliegendem behaupteten ggf. belastenden<br />
Ereignis einerseits <strong>und</strong> affektiv stimmig<br />
geschilderten intrusionsähnlichen Zuständen<br />
andererseits bei gleichzeitiger gewisser<br />
Unterschiedlichkeit zwischen diesen beiden<br />
Bereichen (etwaiges Ereignis vs. Symptomebene)<br />
einen Hinweis auf den Erlebnisbezug<br />
gibt. Natürlich darf nicht <strong>von</strong> Symptomen per<br />
se auf ein etwaiges Stattgef<strong>und</strong>en-Haben eines<br />
ggf. belastenden Ereignisses geschlossen<br />
werden. Dennoch können authentisch<br />
berichtete Beschwerden wichtige Hinweise<br />
auf die Erlebnisf<strong>und</strong>ierung des ggf. in Frage<br />
stehenden Ereignisses liefern.<br />
Eine wissenschaftliche Validierung dieser<br />
Kombination (Ähnlichkeit in Kernelementen<br />
<strong>und</strong> gewisse Differenz in Details des Verarbeitungsprozesses)<br />
kann in der Forschung<br />
mitunter in solchen Fällen erfolgen, in denen<br />
das Ereigniskriterium objektiv feststeht <strong>und</strong><br />
der Begutachtete sein Erleben des Ereignisses<br />
<strong>und</strong> der Symptome schildert.<br />
Eine im aussagepsychologischen Prozess<br />
aufgestellte Alternativhypothese kann lauten,<br />
der Begutachtete simuliert sowohl das<br />
behauptete Ereignis als auch die geschilderten<br />
Symptome bzw. beides ist suggeriert.<br />
26 ZPPM Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaft, Psychologische Medizin 10 JG. (2012) HEFT 3