Komplementarität von aussagepsychologischer und klinisch - Asanger
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Weiterbildung<br />
AUSSAGEPSYCHOLOGISCHE UND KLINISCH-PSYCHOLOGISCHE METHODIK<br />
geboten. Zum anderen kann die Glaubhaftigkeit<br />
eines behaupteten tätlichen Angriffs zusätzlich<br />
durch ein ausführliches Eruieren <strong>von</strong><br />
Pathodynamik, ggf. vorbestehenden psychischen<br />
Schädigungen <strong>und</strong> ausführlichem, biografischen<br />
Verlauf der Symptomatologie im<br />
Sinne der Methodenkonvergenz eine höhere<br />
Validität erlangen – ggf. auch mit dem Ergebnis,<br />
dass es sich um ein überwiegend nicht<br />
glaubhaftes Vorbringen als Folge <strong>von</strong> Simulation,<br />
Suggestion oder krankheitsbedingter<br />
Induktion handelt.<br />
Es zeigt sich, dass gerade im Bereich der<br />
OEG-Begutachtungen eine Verknüpfung <strong>von</strong><br />
<strong>aussagepsychologischer</strong> <strong>und</strong> <strong>klinisch</strong>-psychologischer<br />
Methodik nicht nur (zuweilen<br />
explizit) beauftragt wird, sondern methodologisch<br />
unumgänglich ist. Fachkompetenz<br />
<strong>und</strong> praktische Erfahrungen in beiden psychologischen<br />
Bereichen sind mithin für den<br />
Gutachter im OEG-Bereich obligatorisch.<br />
Zudem sei angemerkt, dass eine weit verbreitete<br />
Skepsis an dieser – sich als notwendig<br />
zeigenden – methodischen Kombination<br />
auch im Bereich <strong>von</strong> Begutachtungen<br />
in asyl- <strong>und</strong> ausländerrechtlichen Verfahren<br />
vorzufinden ist. Exemplarisch seien hier Leonhardt<br />
(2004) <strong>und</strong> Gierlichs (2010) genannt.<br />
Eine strikte Trennung <strong>von</strong> <strong>aussagepsychologischer</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>klinisch</strong>-psychologischer Untersuchung<br />
entspricht auch nicht den beauftragten<br />
Fragestellungen vieler asylrechtlicher<br />
Gutachten, in denen explizit u.a. nach einer<br />
etwaigen psychischen Erkrankung <strong>und</strong> nach<br />
der Glaubhaftigkeit der ggf. schädigenden<br />
Vorfälle gefragt wird.<br />
Ein gewisses multimethodales Vorgehen zur Erhöhung<br />
der Validität findet sich ferner auch bei<br />
Fabra (2008), der in sozialrechtlichen Begutachtungen<br />
einen psychischen Querschnittsbef<strong>und</strong><br />
fordert <strong>und</strong> damit im Sinne der Methodenkonvergenz<br />
u.a. in der Untersuchung beobachtbare<br />
psychopathologische Phänomene mit den<br />
berichteten Inhalten auf Kohärenz zu überprü-<br />
fen als notwendig postuliert. Aus erkenntnistheoretischer<br />
Sicht lassen sich keine sinnvollen<br />
Einwände gegen eine Methodenkonvergenz<br />
– auch <strong>von</strong> Aussagepsychologie <strong>und</strong> <strong>klinisch</strong>er<br />
Psychologie – ins Feld führen. Insbesondere in<br />
OEG-Begutachtungen ist ein solches Vorgehen<br />
erste Wahl, wenn denn die Glaubhaftigkeit eines<br />
OEG-relevanten tätlichen Angriffs zur Disposition<br />
steht.<br />
Theoretisch könnten solche Fälle auch in zwei<br />
getrennten Untersuchungen, einer aussagepsychologischen<br />
<strong>und</strong> einer <strong>klinisch</strong>-psychologischen<br />
Begutachtung, erfolgen. Dabei<br />
würden aber ggf. wichtige Zusammenhänge<br />
zwischen beiden Fachbereichen nicht in den<br />
Blick kommen, so dass die Untersuchung mit<br />
einem kombinierten methodischen Vorgehen<br />
im Sinne der Validität vorzuziehen ist – die<br />
nötige Fachkompetenz des Gutachters in beiden<br />
Bereichen vorausgesetzt. Hinzu kommt,<br />
dass mehrfache Untersuchungen bei mehreren<br />
Gutachtern zum einen für den Begutachteten<br />
eine in diesem Umfang vermeidbare<br />
größere Anstrengung bedeuten, zum anderen<br />
zu methodischen Fehlern führen können<br />
(bspw. Halo-Effekte, in gewisser Weise auch<br />
Primäreffekte, d.h. der Begutachtete ist angesichts<br />
der vorausgehenden aussagepsychologischen<br />
Untersuchung auf den ggf. schädigenden<br />
Vorfall sensibilisiert <strong>und</strong> fokussiert, so<br />
dass bei der <strong>klinisch</strong>-psychologischen Untersuchung<br />
die Beschwerdeschilderung einen<br />
übergroßen inhaltlichen <strong>und</strong> selbst attribuierten<br />
Zusammenhang zum ggf. schädigenden<br />
Ereignis aufweisen kann).<br />
Dominanz <strong>von</strong> Gerichtsvorgaben gegenüber<br />
entwicklungspsychologischen <strong>und</strong><br />
<strong>klinisch</strong> psychologischen Erkenntnissen<br />
Unabhängig <strong>von</strong> der Bewertung der Glaubhaftigkeit<br />
<strong>von</strong> Seiten des Auftraggebers oder<br />
des Gutachters ist es häufig nicht eindeutig,<br />
wie der Begriff des tätlichen Angriffs im konkreten<br />
Einzelfall gefüllt wird bzw. werden<br />
34 ZPPM Zeitschrift für Psychotraumatologie, Psychotherapiewissenschaft, Psychologische Medizin 10 JG. (2012) HEFT 3