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Bodenstein, J. - ercosplan

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Reduzierung der Bergsenkungen durch Einbringen von Spülversatz –<br />

Gebirgsmechanisch-bergschadenkundliche Aspekte der Anwendung des<br />

Spülversatzverfahrens im Kalibergbau<br />

Jörg <strong>Bodenstein</strong><br />

ERCOSPLAN Ingenieurgesellschaft Geotechnik und Bergbau mbH, Erfurt<br />

Wolfgang Schreiner<br />

Institut für Gebirgsmechanik GmbH, Leipzig<br />

Kurzfassung<br />

Das Spülversatzverfahren wurde im Kalibergbau langjährig erfolgreich angewendet, um<br />

einerseits die bei der Kaliverarbeitung anfallenden Rückstände untertägig zu entsorgen und<br />

andererseits die Abbauverfahren im Hinblick auf eine hohe Gewinnungsrate bei Erhalt der<br />

gebirgsmechanisch-bergschadenkundlichen Verträglichkeit zu optimieren.<br />

Der Vortrag verweist auf Thesen und Arbeitsergebnisse von FULDA, D. zum Spülversatz aus<br />

zahlreichen Untersuchungen im Zusammenhang mit der Kaligewinnung in den sechziger bis<br />

achtziger Jahren und zeigt anhand aktueller Ergebnisse, wie sich diese durch praktische<br />

Erfahrungen bestätigen lassen. Aufbauend darauf gibt er einen Überblick über die Anwendungsmöglichkeiten<br />

und Vorteile des Spülversatzverfahrens bei der Verwahrung stillgelegter<br />

Kalibergwerke.<br />

1. Wirkung des Spülversatzes bei der Gewinnung von Kalisalzen<br />

Das im deutschen Kalibergbau seit 1908 angewendete Spülversatzverfahren diente zunächst<br />

vorrangig der untertägigen Deponierung bergbaueigener Abfälle, speziell der Entsorgung des<br />

bei der Kaliverarbeitung anfallenden, hauptsächlich Steinsalz enthatenden Rückstandes. Mit<br />

der Weiterentwicklung der Abbauverfahren bediente man sich jedoch zunehmend auch der<br />

gebirgsmechanisch relevanten Eigenschaften des Spülversatzes. So war es möglich, durch das<br />

Verfüllen der Grubenhohlräume nach dem Abbau die gebirgsmechanisch wirksame Abbaumächtigkeit<br />

zu minimieren bzw. bei Erhöhung der Gewinnungsrate beizubehalten.<br />

Gegenüber dem zumeist händisch, später auch maschinell eingebrachten Trockenversatz ist<br />

beim Spülversatz eine Erhöhung der Einbringdichte von 1,5 bis 1,6 t/m³ auf 1,85 bis 2,0 t/m³<br />

sowie eine Erhöhung des Versatzeinbringens (Verfüllungsgrad) von 65 bis 75 % auf 80 bis<br />

95 % möglich. Dadurch konnte die Induzierung hoher Absenkungsraten verhindert werden.<br />

Prognostizierte Endsenkungen und bergschadenkundlich relevante Beanspruchungen der<br />

Tagesoberfläche wurden begrenzt.<br />

Ein weiterer, gebirgsmechanisch bedeutender Vorteil war der Einbau eines Massivs in die<br />

Grubenbaue. Dadurch ergab sich die Möglichkeit der sekundären Gewinnung der zwischen<br />

den verspülten Abbauen verbliebenen Kalisalzpfeiler (Pfeilerrückbau). So konnten die<br />

Flächenabbauverluste in den Baublöcken bis auf weniger als 20 % reduziert werden. Dies<br />

machte man sich vor allem zur Vermeidung eines Gebirgsschlagrisikos sowie zur Begrenzung<br />

großer Endsenkungen beim verlustarmen Abbau zunutze.<br />

1


2. Eigenschaften und Kennwerte des Versatzmaterials<br />

Die günstigen gebirgsmechanischen Eigenschaften des Spülversatzmassivs werden vor allem<br />

durch die Beschaffenheit der Ausgangsstoffe sowie durch die Art des Einbringens geprägt.<br />

Kalirückstände als klassisches Spülversatzmaterial besitzen aufgrund des hohen Steinsalzanteiles<br />

die Fähigkeit zur Rekristallisation, wodurch sich gebirgsähnliche Festigkeiten<br />

erzielen lassen. Die als Transportmedium verwendete Fabriklauge spielt dabei sowohl für das<br />

Bindeverhalten als auch für das primäre Sedimentationsverhalten des Versatzmaterials eine<br />

wesentliche Rolle. FULDA, D. postulierte in seinen wissenschaftlichen Arbeiten:<br />

Die einaxiale Druckfestigkeit des eingebrachten Spülversatzes ist im wesentlichen ein<br />

Resultat von chemischen Bindungsprozessen. Sie ist nicht die entscheidende Kennziffer für die<br />

Wirksamkeit des Versatzes, sondern sein Porenvolumen bzw. seine Kompressibilität.<br />

Es zeigt sich, daß es mit dem Spülversatzverfahren bei Einstellung stabiler Gemische mit<br />

definierten Eigenschaften der Ausgangsstoffe möglich ist, Hohlraumverfüllungen herzustellen,<br />

die nach relativ kurzer Zeit nicht nur hohe Druckfestigkeiten sondern auch geringe<br />

Permeabilitäten aufweisen.<br />

Im Einzelnen ergeben sich jedoch signifikante Unterschiede bezüglich der Kennwerte Dichte,<br />

Druckfestigkeit, Porosität und Permeabilität in Abhängigkeit von der jeweiligen Korngrößenverteilung<br />

und Homogenität des Spülversatzgemisches, was aus der Beprobung und labormäßigen<br />

Untersuchung alter Spülversatzkörper abgeleitet werden konnte (Abb. 1).<br />

Abb. 1: Bohrkerne aus Spülversatzmassiven des Südharzreviers<br />

3. Tragverhalten von Spülversatzpfeilern<br />

Im Ergebnis zahlreicher wissenschaftlicher Arbeiten leitete FULDA, D. in den sechziger<br />

Jahren ab:<br />

Durch das Spülversatzverfahren können aus dem Abprodukt Fabrikrückstand (oder anderen<br />

bergfremden Reststoffen) Tragelemente hergestellt werden, die in ihrem gebirgsmechanischen<br />

Verhalten (Tragfähigkeit, Deformierbarkeit) Hartsalzpfeilern entsprechen und analog<br />

dimensioniert werden können. Durch eine konvergenzbedingte Verdichtung nimmt ihre<br />

Tragfähigkeit im Zeitverlauf zu.<br />

Diese Erkenntnisse wurden in den Folgejahren im Südharz-Kalirevier vielfach genutzt, um<br />

durch den Rückbau der in Spülversatzfeldern verbliebenen Kalisalzpfeiler die Gewinnungsrate<br />

entscheidend zu erhöhen. Dabei erfolgte örtlich sowohl teilweiser (z. B. jeder zweite<br />

Pfeiler) als auch totaler Pfeilerrückbau. Die damit neu geschaffenen Abbaue wurden feldweise<br />

anschließend mit Spülversatz wieder verfüllt oder auch offen belassen.<br />

In Auswertung der fortlaufend durchgeführten Senkungsnivellements über alten Abbaufeldern<br />

des Südharz-Kalireviers läßt sich die o. a. These zum gebirgsmechanischen Verhalten von<br />

Spülversatzpfeilern bestätigen, wie Abb. 2 am Beispiel der Grube Sollstedt zeigt. Das<br />

Senkungsverhalten der Tagesoberfläche über Spülversatzfeldern mit Pfeilerrückbau zeigt<br />

signifikante Übereinstimmung mit der Senkungsentwicklung über Hartsalzbaufeldern mit<br />

Langkammerbau sowohl hinsichtlich der realisierten Senkungsraten als auch in Bezug auf die<br />

Gesamtsenkung.<br />

2


Abb. 2: Senkungsentwicklung der Tagesoberfläche über Spülversatzfeldern mit<br />

Pfeilerrückbau<br />

4. Senkungsentwicklung über Spülversatzfeldern<br />

Daß der Spülversatz sehr gut in der Lage ist, die Gesamtsenkung der Tagesoberfläche über<br />

Abbaufeldern des Kalibergbaus wirksam zu begrenzen, zeigt sich besonders deutlich am<br />

Beispiel der Grube Roßleben, wo er von 1916 bis 1985 großflächig betrieben wurde. Abb. 3<br />

verdeutlicht, daß die Senkungsgeschwindigkeit über den verspülten Baufeldern nach wenigen<br />

Jahrzehnten weitestgehend zur Ruhe gekommen ist.<br />

Abb. 3: Senkungsgeschwindigkeit der Tagesoberfläche im Einwirkungsbereich der Grube<br />

Roßleben im Jahr 1994<br />

Im Rahmen des Abschlußgutachtens für die im Jahr 1991 stillgelegte Grube Roßleben wurde<br />

eine gebirgsmechanische Modellierung vorgenommen. Die darauf aufbauende Senkungsprognose<br />

weist für einen Zeitraum von 1.000 Jahren eine signifikante flächendeckende<br />

Begrenzung der Endsenkung auf etwa 1,0 m über den verspülten Feldesteilen aus (Abb. 4).<br />

Damit verbunden ist eine wirksame Verhinderung bergschadenkundlich relevanter Auswirkungen,<br />

welche sich aus senkungsbedingten Schieflagen und Zerrungen oder Pressungen<br />

ergeben können.<br />

Abb. 4: Prognose der Gesamtsenkung der Tagesoberfläche im Einwirkungsbereich der<br />

Grube Roßleben im Jahr 2994.<br />

5. Möglichkeiten der Anwendung des Spülversatzverfahrens bei der<br />

Verwahrung stillgelegter Kalibergwerke<br />

5.1 Verfahrenstechnische Vorteile und mögliche Anwendungsfälle<br />

Ausgehend von den in den vorangegangenen Abschnitten hervorgehobenen Merkmalen des<br />

klassischen Spülversatzes lassen sich vor allem für die Verwahrung stillgelegter Kali- und<br />

Steinsalzbergwerke Anwendungsmöglichkeiten, für die gerade das Spülversatzverfahren<br />

hinsichtlich der erreichbaren Wirkungen prädestiniert ist. Dabei gilt es jedoch zu beachten,<br />

daß die ursprünglich verwendeten Ausgangsmaterialien nicht mehr oder nur noch sehr<br />

begrenzt zur Verfügung stehen. Die Suche nach alternativen Ausgangsstoffen bietet gleichzeitig<br />

die Möglichkeit der Verfahrensoptimierung und –anpassung an die konkret gestellten<br />

Anforderungen.<br />

Vorrangig wird das Spülversatzverfahren dort anzuwenden sein, wo eine Verfüllung nicht<br />

mehr zugänglicher oder nur mit wirtschaftlich unvertretbarem Aufwand zugänglich zu<br />

machender Abbaubereiche erforderlich und gleichzeitig eine Verwertung bergbaufremder<br />

Abfälle möglich ist.<br />

Bei optimierter Verfahrenstechnologie ist von folgenden erreichbaren Wirkmechanismen<br />

auszugehen:<br />

3


Das Verfüllen großflächig offen belassener Baufelder führt zu einer zeitlichen und<br />

größenmäßigen Begrenzung erwarteter Restsenkungen an der Tagesoberfläche.<br />

Durch eine gebirgsmechanisch und hydraulisch wirksame Parzellierung des Grubengebäudes<br />

kann ein großflächiger Baufeldkollaps verhindert oder die Zirkulation von<br />

Standlaugen maßgeblich behindert werden.<br />

Aufgrund der Versatzwirkung kommt es zur Behinderung der standzeitbedingten Entfestigung<br />

sowie zur langfristigen Wiederverfestigung der Tragelemente, was vor allem zur<br />

Dämpfung der dynamischen Reaktivität sprödbruchgefährdeter Tragelemente und somit<br />

zur maßgeblichen Begrenzung möglicher seismischer Emissionen führt.<br />

Die Bedeutung des letztgenannten Effektes für die Beherrschung carnallititischer Baufelder<br />

wurde durch FULDA, D. in den 80er Jahren erkannt, indem er postulierte:<br />

Gegenüber Pfeilern aus Carnallitit ist die Tragfähigkeit deutlich höher. Es besteht keine<br />

Sprödbruchgefahr.<br />

Insgesamt ist es durch gezielte Anwendung eines nachträglichen Spülversatzes möglich, einen<br />

entscheidenden Beitrag zur Gewährleistung der Langzeitsicherheit eines stillgelegten Bergwerkes<br />

sowie zur Beseitigung kritischer Gefährdungspotentiale infolge langfristig anhaltender<br />

großer Absenkung der Tagesoberfläche oder der standzeitbedingten Auslösung von<br />

Gebirgsschlägen zu leisten.<br />

5.2 Geeignete Versatzmaterialien und erwartete Versatzwirkungen<br />

Die Verwertung von geeigneten bergbaufremden Abfällen als Versatz unter Anwendung des<br />

Spülversatzverfahrens ist inzwischen durch zahlreiche labortechnische Untersuchungen als<br />

auch durch in-situ-Ergebnisse belegt. Vor allem in der Grube Bleicherode der NDH Entsorgungsbetreibergesellschaft<br />

mbH wird das Verfahren seit 1992 mit Erfolg praktiziert und<br />

weiterentwickelt. Das Deformationsverhalten des verfestigten Versatzkörpers wurde an<br />

Bohrkernen untersucht und läßt auf außerordentlich günstige gebirgsmechanische Eigenschaften<br />

schließen (Abb. 5).<br />

Abb. 5: Druckversuch an einem Bohrkern aus Spülversatz mit bergfremden Abfällen<br />

Das nach der Stillegung für die Grube Bleicherode ausgewiesene Gefährdungspotential ging<br />

vor allem von dem großflächig gebauten Ostfeld mit carnallititisch ausgebildeten Tragelementen<br />

aus. Die gebirgsmechanische Modellierung wies eine bergschadenkundlich<br />

unverträgliche Endsenkung von bis zu 3,0 m sowie einen mittel- bis langfristig möglichen<br />

Gebirgsschlag mit einer Lokalmagnitude zwischen 3,7 und 4,5 und einer plötzlichen Absenkung<br />

der Tagesoberfläche um 0,1 bis 0,4 m aus.<br />

Für den Versatz des Baufeldes konnte unter Ansatz des Spülversatzverfahrens im Modell eine<br />

maßgeblich verringerte Restsenkung ermittelt werden. Die Magnitude eines möglichen<br />

seismischen Ereignisses bleibt geringer als 2,0 und somit deutlich unterhalb der möglichen<br />

seismischen Anregung. Der maximal zu erwartende Senkungssprung verringert sich auf<br />

weniger als 5 mm.<br />

4


5.3 Vermeidung von Gebirgsschlägen in der Nachbetriebsphase<br />

Aufgrund der hohen Löslichkeit des Carnallitit war die Anwendung des Spülversatzverfahrens<br />

in carnallititischen Baufeldern lange Zeit umstritten. Durch Beobachtungen in situ<br />

und durch die Auswertung vergleichender Laboruntersuchungen gelangte FULDA, D. in den<br />

80er Jahren zu der Auffassung:<br />

Bei Einhaltung eines MgCl2-Gehaltes der Spüllaugen von > 220 g/l und Sättigung an NaCl<br />

und KCl bleibt beim Verspülen von Carnallititabbauen die Zersetzung des anstehenden<br />

Carnallitit auf den unmittelbaren Stoßbereich beschränkt. Der Pfeiler selbst bleibt von der<br />

Lauge isoliert (Sylvinitisierungssaum). Es tritt keine lösungs- oder feuchtebedingte Beeinträchtigung<br />

der Pfeilerstandsicherheit ein.<br />

In der Grube Bleicherode wird der Spülversatz mit bergbaufremden Abfällen seit 1992 großtechnisch<br />

betrieben. Mit der nachweislichen Reduzierung der Senkungsraten sowie der<br />

Begrenzung der seismischen Aktivität auf Ereignisse mit Magnituden < 2 läßt sich der<br />

gewünschte und erwartete Verwahrungserfolg bereits heute belegen.<br />

Eine weitere Anwendungsmöglichkeit des Spülversatzverfahrens besteht bei der Sicherung<br />

und Verwahrung großer Einzelhohlräume, wie sie z. B. beim Carnallitit-Kuppenabbau<br />

entstehen. Am Modell konnte nachgewiesen werden, daß durch die Verfüllung die Reaktivität<br />

des Hohlraumes entscheidend reduziert wird. Die bei dynamischer Anregung induzierte<br />

Lokalmagnitude, welche bei offenem Kuppenhohlraum kettenreaktionsartig zu einem<br />

Gebirgsschlag führt, kann durch den Spülversatz auf einen Wert begrenzt werden, der<br />

unterhalb der Anregungsschwelle liegt (Abb. 6).<br />

Abb. 6: Reaktivität des offenen und des verfüllten Kuppenhohlraumes bei dynamischer<br />

Anregung<br />

Zusammenfassend kann durch praktische Erfahrungen und durch Simulation am gebirgsmechanischen<br />

Modell bestätigt werden, was FULDA, D. im Jahr 1989 allgemein postulierte:<br />

Durch Spülversatz können Gebirgsschläge in carnallitischen Abbaufeldern vermieden<br />

werden.<br />

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