C. Die Klauselrichtlinie 93/13/EWG - EU Consumer Law Acquis
C. Die Klauselrichtlinie 93/13/EWG - EU Consumer Law Acquis
C. Die Klauselrichtlinie 93/13/EWG - EU Consumer Law Acquis
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Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Zusammenfassung<br />
1. Umsetzungsdefizite<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Martin Ebers<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Auch wenn die meisten Mitgliedstaaten darum bemüht waren, den Vorgaben der Richtlinie<br />
<strong>93</strong>/<strong>13</strong> und der Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu tragen, sind einige Umsetzungsmängel<br />
zu verzeichnen. Hervorzuheben sind insbesondere folgende:<br />
• Einige Mitgliedstaaten (insb. die TSCHECHISCHE REPUBLIK, LETTLAND, und die NIE-<br />
DERLANDE) sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln nur dann unwirksam sind, wenn<br />
sich der Verbraucher auf die Missbräuchlichkeit beruft. <strong>Die</strong>se Rechtsfolge widerspricht<br />
den Vorgaben des EuGH, der in Océano, 1 Cofidis 2 und Mostaza Claro 3 ausdrücklich<br />
hervorgehoben hat, dass die Gerichte die Möglichkeit haben müssen, die<br />
Missbräuchlichkeit einer Klausel von Amts wegen festzustellen. In anderen Mitgliedstaaten<br />
ist die Rechtslage unklar, so dass abzuwarten bleibt, ob die mitgliedstaatlichen<br />
Gerichte in diesen Ländern die nationalen Vorschriften im Einklang mit dem Europäischen<br />
Gemeinschaftsrecht auslegen werden. 4<br />
• Gemäß Art. 3 und Erwägungsgrund 15 sind die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, die<br />
Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln generell<br />
festzulegen. Obwohl sich diese Verpflichtung auch auf nicht im Einzelnen ausgehandelte<br />
Individualklauseln erstreckt, beziehen sich die Generalklauseln in ÖSTERREICH<br />
und in den NIEDERLANDEN nur auf Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Auch<br />
wenn in diesen Mitgliedstaaten andere rechtliche Instrumente zur Verfügung stehen,<br />
1<br />
EuGH, Urteil vom 27. Juni 2000, verb. Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./. Murciano<br />
Quintero), Slg. 2000, I-4941.<br />
2<br />
EuGH, Urteil vom 21. November 2002, Rs. C-473/00 (Cofidis ./. Fredout), Slg. 2002, I-10875.<br />
3<br />
EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006, Rs. C-168/05 (Elisa María Mostaza Claro ./. Centro Móvil Milenium SL),<br />
Slg. 2006, I-10421.<br />
4<br />
Siehe unten, Teil 2 C.IV.4.<br />
364
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
mit denen vorformulierte Individualklauseln kontrolliert werden können, wächst durch<br />
diese Umsetzungstechnik die Gefahr, dass die Vorgaben der Richtlinie missachtet<br />
werden.<br />
• Bei denjenigen Mitgliedstaaten, die lediglich einen Teil des Richtlinienanhangs umgesetzt<br />
haben, ist zweifelhaft, ob eine derartige Umsetzungstechnik den Anforderungen<br />
entspricht, die der EuGH in der Rs. C-478/99 aufgestellt hat, 5 denn in diesen Ländern<br />
besteht die Gefahr, dass der Verbraucher über seine Rechte im Unklaren gelassen<br />
wird. 6<br />
• Das in Art. 5 S. 1 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vorgesehene Transparenzgebot ist in der<br />
TSCHECHISCHEN REPUBLIK, in ESTLAND, GRIECHENLAND, UNGARN, LUXEMBURG und<br />
in der SLOWAKEI nicht ausdrücklich umgesetzt worden. Dementsprechend ist zweifelhaft,<br />
ob den Anforderungen der Richtlinie genügend Rechnung getragen wird. 7<br />
• <strong>Die</strong> vom EuGH in der Rs. C-70/03 8 aufgestellten Forderungen (bzgl. der Umsetzung<br />
von Art. 5 und Art. 6 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>) sind in SPANIEN bislang noch nicht umgesetzt<br />
worden, allerdings wird im spanischen Parlament derzeit ein entsprechender Gesetzesentwurf<br />
beraten. 9<br />
• In ESTLAND sind unklare, vorformulierte Klauseln zum Nachteil des Klauselverwenders<br />
auszulegen. <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> geht demgegenüber über die bloße Auslegung<br />
zu Lasten des Verwenders hinaus. Art. 5 S. 2 verlangt nicht nur eine für den Verbraucher<br />
günstige, sondern die „günstigste“ Auslegung. 10<br />
• Geht man davon aus, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 7(2) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> dazu<br />
verpflichtet sind, Verbraucherorganisationen ein Verbandsklagerecht gegenüber dem<br />
Klauselverwender einzuräumen, so ist in LITAUEN und MALTA ein Verstoß gegen die<br />
Richtlinie zu konstatieren, denn in beiden Ländern haben Verbraucherorganisationen<br />
nicht das Recht, direkt gegen den Klauselverwender zu klagen, sondern nur die Möglichkeit,<br />
gegen Maßnahmen der zuständigen Verbraucherschutzbehörde vorzugehen<br />
5<br />
EuGH, Urteil vom 7. Mai 2002, Rs. C-478/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
Schweden), Slg. 2002, I-4147.<br />
6<br />
Siehe unten, Teil 2 C.IV.3.b.<br />
7<br />
Siehe unten, Teil 2 C.V.1.b.<br />
8<br />
EuGH, Urteil vom 9. September 2004, Rs. C-70/03 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. König-<br />
reich Spanien), Slg. 2004, I-7999.<br />
9 Siehe unten, Teil 2 C.II.23.<br />
10 Siehe unten, Teil 2 C.V.2.b.<br />
365
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
oder vor Gericht eine Klage zu erheben, um die Verbraucherschutzbehörde zum Erlass<br />
einer Verfügung zu verpflichten. 11<br />
2. Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus<br />
a. Ausweitung des Anwendungsbereichs<br />
Viele Mitgliedstaaten haben den Anwendungsbereich der nationalen Vorschriften zur Kontrolle<br />
von Vertragsklauseln deutlich weiter gezogen als in der Richtlinie vorgeschrieben, beispielsweise<br />
durch<br />
• Ausweitung des Verbraucherbegriffs, 12<br />
• Kontrolle von Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvorschriften beruhen, <strong>13</strong><br />
• Kontrolle individuell ausgehandelter Klauseln. 14<br />
b. Ausübung von Optionen<br />
<strong>Die</strong> Mitgliedstaaten haben in unterschiedlichem Maße von den Optionen Gebrauch gemacht,<br />
die in der Richtlinie vorgesehen sind:<br />
• <strong>Die</strong> Ausgestaltung der abstrakten Klauselkontrolle ist nach der Richtlinie weitgehend<br />
den Mitgliedstaaten überlassen, Art. 7(2). <strong>Die</strong> Mitgliedstaaten haben unterschiedliche<br />
Verfahren zur Rechtsdurchsetzung eingeführt, die ihrem Schwerpunkt nach teils auf<br />
verwaltungsrechtlichen Maßnahmen, Verbandsklageverfahren oder strafrechtlichen<br />
Maßnahmen liegen. 15<br />
11 Siehe unten, Teil 2 C.VI.3.b.<br />
12 Siehe unten, Teil 2 C.III.1.b. und Teil 3 A.III.<br />
<strong>13</strong> Siehe unten, Teil 2 C.III.3.a.<br />
14 Siehe unten, Teil 2 C.III.3.b<br />
15 Siehe unten, Teil 2 C.VI.<br />
366
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
c. Gebrauch der Mindestharmonisierungsklausel<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> meisten Mitgliedstaaten haben von der in Art. 8 vorgesehenen Mindestharmonisierungsklausel<br />
Gebrauch gemacht, indem sie ein gegenüber der Richtlinie höheres Verbraucherschutzniveau<br />
aufrechterhalten oder eingeführt haben. Hierzu zählen insbesondere folgende<br />
Maßnahmen:<br />
• <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> beschränkt sich im Wesentlichen auf die Einführung einer sehr<br />
ausgeprägten Inhaltskontrolle und das Transparenzgebot. <strong>Die</strong> Frage, unter welchen<br />
Voraussetzungen Klauseln in den Vertrag einbezogen werden, wird demgegenüber<br />
von der Richtlinie (abgesehen vom 20. Erwägungsgrund, demzufolge der Verbraucher<br />
die Gelegenheit haben muss, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen) ausgeblendet.<br />
Eine Reihe von Mitgliedstaaten sieht demgegenüber eine Einbeziehungskontrolle<br />
vor, die unter Umständen einen für den Verbraucher günstigeren Schutz bewir-<br />
ken kann (beispielsweise, indem der Verwender dazu verpflichtet wird, die andere<br />
Vertragspartei auf das Klauselwerk hinzuweisen oder die Klauseln sogar zu überge-<br />
ben).<br />
• Art. 3(1):<br />
o Während nach der Richtlinie eine Klausel nur dann missbräuchlich ist, wenn<br />
sie ein Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten erzeugt und gegen<br />
das Gebot von Treu und Glauben verstößt, verweisen sieben Mitgliedstaa-<br />
ten allein auf das Kriterium „erhebliches Missverhältnis“, ohne zusätzlich das<br />
Gebot „Treu und Glauben“ zu erwähnen. <strong>Die</strong>s führt dazu, dass die Beweislast<br />
zugunsten des Verbrauchers tendenziell abgesenkt wird, da der Verbraucher<br />
nur noch ein erhebliches Missverhältnis und nicht (zusätzlich) einen Verstoß<br />
gegen Treu und Glauben beweisen muss. 16<br />
• Art. 3(3) i. V. m. dem Anhang:<br />
o Viele Mitgliedstaaten haben den Anhang Nr. 1 der Richtlinie als schwarze Liste<br />
umgesetzt und sehen dementsprechend ein gegenüber der Richtlinie höheres<br />
Verbraucherschutzniveau vor. Darüber hinaus enthalten die schwarzen Listen<br />
einiger Staaten (beispielsweise in BELGIEN, ESTLAND, MALTA, PORTUGAL und<br />
SPANIEN) mehr Klauselverbote als in der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vorgesehen. 17<br />
16 Siehe unten, Teil 2 C.IV.2.<br />
17 Siehe unten, Teil 2 C.IV.3.b.<br />
367
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
o Während Anhang Nr. 2 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> gewisse Ausnahmen für Klauseln<br />
vorsieht, die von Finanzdienstleistern verwendet werden, haben viele Mitgliedstaaten<br />
diese Ausnahmen nicht übernommen, so dass ein höheres Verbraucherschutzniveau<br />
gewährt wird. 18<br />
• Art. 4(1):<br />
o In einigen Mitgliedstaaten sind bei der Frage, ob eine Klausel missbräuchlich<br />
ist, nicht nur (entsprechend der Richtlinie) die Umstände bei Vertragsschluss,<br />
sondern auch noch die Umstände nach Vertragsschluss in Betracht zu ziehen. 19<br />
• Art. 4(2):<br />
o In vielen Mitgliedstaaten bezieht sich die Inhaltskontrolle auch auf den Hauptgegenstand<br />
des Vertrages und das Preis-Leistungs-Verhältnis. 20<br />
• Art. 6(1):<br />
o Ist eine Klausel missbräuchlich, so ist nach der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> grundsätzlich<br />
nur die betreffende Bedingung unwirksam, während der Vertrag als Ganzes<br />
aufrechterhalten bleibt. In einigen Mitgliedstaaten können demgegenüber die<br />
vertraglichen Rechte und Pflichten generell angepasst werden. In manchen<br />
Mitgliedstaaten können darüber hinaus Verwaltungsbehörden anordnen, dass<br />
Vertragsklauseln in den Vertrag aufgenommen werden, um ein erhebliches<br />
Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten zu verhindern. 21<br />
• Schließlich sehen einige Mitgliedstaaten (insb. POLEN, PORTUGAL und SPANIEN) ein<br />
AGB-Register vor, das darauf abzielt, den Verbraucherschutz zu verbessern, indem<br />
AGB und Urteile zu missbräuchlichen Klauseln hierin veröffentlicht werden; gleichzeitig<br />
entfaltet das Register gewisse Bindungswirkungen für Notare, Rechtspfleger<br />
und Richter. 22<br />
18 Siehe unten, Teil 2 C.IV.3.b.<br />
19 Siehe unten, Teil 2 C.IV.2.<br />
20 Siehe unten, Teil 2 C.IV.2.<br />
21 Siehe unten, Teil 2 C.IV.4.<br />
22 Siehe unten, Teil 2 C.II.19, 20 und 23.<br />
368
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
3. Inkohärenzen und Widersprüche<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie weist eine Reihe von Inkohärenzen und Widersprüchen auf, die im Rahmen<br />
einer Überarbeitung des <strong>Acquis</strong> beseitigt werden sollten:<br />
• <strong>Die</strong>s betrifft zunächst die Definition des Verbrauchers (insb. mit Blick auf Verträge<br />
mit gemischter Zwecksetzung).<br />
• Obwohl die Richtlinie grundsätzlich auf sämtliche Vertragstypen anwendbar ist, verwendet<br />
die Richtlinie die Begriffe „Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen“ sowie (in der englischen<br />
Sprachfassung) die Begriffe „seller/supplier“.<br />
• Der Wortlaut der Generalklausel (Art. 3) hat in einigen Sprachfassungen der RL <strong>93</strong>/<strong>13</strong><br />
zu Missverständnissen geführt. 23<br />
Mit Blick auf die Inhaltskontrolle (Art. 3) und die Rechtsfolgen im Individualprozess empfiehlt<br />
es sich, folgende Unstimmigkeiten zu beseitigen:<br />
• Das Verhältnis zwischen dem Gebot von „Treu und Glauben“ und dem Kriterium „erhebliches<br />
Missverhältnis“ bleibt unklar. Sind diese Kriterien kumulativ oder alternativ<br />
zu verstehen oder in dem Sinne, dass sämtliche Klauseln, die ein erhebliches Missver-<br />
hältnis hervorrufen, automatisch gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen?<br />
• Der Ausdruck „erhebliches“ Missverhältnis hat ebenfalls Auslegungsprobleme hervorgerufen,<br />
da offen bleibt, ob das Missverhältnis substantiell nach dem Klauselinhalt<br />
zu bewerten ist oder danach, wie das Missverhältnis nach außen hervortritt.<br />
• Nach der Richtlinie bleibt unklar, welche Rechtsnatur der Anhang hat. Erst die Entscheidung<br />
des EuGH in der Rs. C-478/99 hat insoweit Klärung gebracht. 24<br />
• Der Wortlaut des Art. 6(1) (Rechtsfolgen bei Missbräuchlichkeit einer Klausel) spiegelt<br />
nicht den gegenwärtigen Stand der EuGH-Rechtsprechung wider; vgl. die Entscheidungen<br />
C-240/98 bis C-24498 - Océano 25 ; C-473/00 - Cofidis 26 ; C-168/06 –<br />
Mostaza Claro. 27<br />
23<br />
Siehe unten, Teil 2 C.IV.2.<br />
24<br />
EuGH, Urteil vom 7. Mai 2002, Rs. C-478/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
Schweden), Slg. 2002, I-4147. Siehe unten, Teil 2 C.IV.3.a.<br />
25<br />
EuGH, Urteil vom 27. Juni 2000, verbundene Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./.<br />
Murciano Quintero), Slg. 2000, I-4941.<br />
26<br />
EuGH, Urteil vom 21. November 2002, Rs. C-473/00 (Cofidis ./. Fredout), Slg. 2002, I-10875.<br />
27<br />
EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006, Rs. C-168/05 (Elisa María Mostaza Claro ./. Centro Móvil Milenium<br />
SL), Slg. 2006, I-10421; siehe unten, Teil 2 C.IV.4.a.<br />
369
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Das in Art. 5 vorgesehene Transparenzgebot weist ebenfalls einige gravierende Schutzlücken<br />
und Widersprüche auf:<br />
• Das Transparenzgebot in Art. 5 S. 1 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> bezieht sich nur auf „schriftlich<br />
niedergelegte Klauseln“. <strong>Die</strong>se Formulierung wirft die Frage auf, ob auch mündlich<br />
geschlossene Verträge erfasst werden (siehe hierzu Erwägungsgrund 11 der Richtlinie).<br />
• <strong>Die</strong> Richtlinie regelt nicht ausdrücklich die Frage, ob der Unternehmer bei Verträgen,<br />
die üblicherweise schriftlich abgefasst werden, die Pflicht hat, dem Verbraucher die<br />
Vertragsbedingungen auszuhändigen oder zugänglich zu machen.<br />
• <strong>Die</strong> Richtlinie verzichtet (mit Ausnahme der contra proferentem Regelung) darauf, die<br />
Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot festzulegen. Dementsprechend<br />
bleibt unklar, ob die Einhaltung des Transparenzgebots als Einbeziehungsvoraussetzung<br />
zu verstehen ist, ob intransparente Klauseln der Missbrauskontrolle<br />
gem. Art. 3 unterfallen und/oder ob die Intransparenz per se zur Unwirksamkeit der<br />
betreffenden Klausel führt.<br />
Regelungsbedürftig erscheinen auch einige Fragen im Zusammenhang mit dem abstrakten<br />
Kontrollverfahren:<br />
• Aus dem Wortlaut des Art. 7(2) geht nicht eindeutig hervor, ob Verbraucherverbänden<br />
in jedem Fall ein Klagerecht eingeräumt werden muss.<br />
• <strong>Die</strong> Formulierung „Personen oder Organisationen“ verdeutlicht darüber hinaus nicht,<br />
ob auch eine einzige Person oder nicht organisierte Personengruppen Klagen gemäß<br />
Art. 7 erheben können.<br />
Schließlich ist der internationale Anwendungsbereich in Art. 6(2) unklar gefasst, da die Richtlinie<br />
nicht näher definiert, was unter einem „engen Zusammenhang mit dem Gebiet der Mitgliedstaaten“<br />
zu verstehen ist.<br />
370
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
4. Schutzlücken in der Klausel-Richtlinie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> rechtsvergleichende Studie zeigt einige Schutzlücken der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> auf. Hierzu<br />
gehören vor allem die folgenden:<br />
• Da die Rechtsfolgen, die bei Missbräuchlichkeit einer Klausel eintreten, von der<br />
Richtlinie nur rudimentär geregelt werden, besteht die Gefahr, dass die Richtlinienvorgaben<br />
in den Mitgliedstaaten nicht wirksam umgesetzt werden. <strong>Die</strong>s betrifft insbesondere<br />
diejenigen Mitgliedstaaten, in denen die Missbräuchlichkeit einer Klausel<br />
vom Gericht bzw. von Verwaltungsbehörden nicht von Amts wegen geprüft werden<br />
kann. In diesen Fällen besteht die Gefahr, dass der Verbraucher die Missbräuchlichkeit<br />
der Klausel nicht geltend macht (entweder aus Rechtsunkenntnis oder aus sonstigen<br />
Gründen, beispielsweise wegen der einzuhaltenden Fristen oder aufgrund der Ge-<br />
richtskosten) und von der Geltendmachung seiner Rechte abgehalten wird.<br />
• <strong>Die</strong> Richtlinie verzichtet (mit Ausnahme der contra proferentem Regelung) darauf, die<br />
Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot festzulegen. <strong>Die</strong>s führt<br />
zu erheblicher Rechtsunsicherheit und gefährdet darüber hinaus eine wirksame Umsetzung<br />
der Richtlinie.<br />
• Gerichtsentscheidungen, die in Verbandsprozessen ergehen, sind in den meisten Mitgliedstaaten<br />
nur für die jeweiligen Prozessparteien verbindlich. Darüber hinaus beschränkt<br />
sich die Rechtskraft grundsätzlich auf die streitgegenständlichen Klauseln.<br />
<strong>Die</strong>s wirkt sich insbesondere in denjenigen Mitgliedstaaten negativ aus, die nicht (zusätzlich)<br />
ein administratives Verfahren zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln ken-<br />
nen. Daher sollte erwogen werden, wie die problematischen Folgen der beschränkten<br />
Rechtskraft vermieden werden können.<br />
5. Mögliche Handelshemmnisse für den (grenzüberschreitenden) Verkehr<br />
Offensichtliche Handelshemmnisse bestehen vor allem in zweierlei Hinsicht mit Blick auf<br />
• die unterschiedlichen Maßstäbe bei der Inhaltskontrolle,<br />
• die unterschiedlichen Maßstäbe bei Anwendung des Transparenzgebots und die (nicht<br />
harmonisierten) Rechtsfolgen bei Intransparenz.<br />
371
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Rechtsprechung des EuGH hat insoweit nicht zu einer Harmonisierung beigetragen, denn<br />
der Gerichtshof hat es in der Rs. C-237/02 28 ausdrücklich abgelehnt, über die Missbräuchlichkeit<br />
einer Klausel in konkreten Fällen zu entscheiden. Unternehmer können daher keine Klauseln<br />
vorformulieren, die in sämtlichen Mitgliedstaaten wirksam sind; vielmehr müssen die<br />
Klauselwerke für jeden Mitgliedstaat gesondert konzipiert werden. Insoweit bestehen erhebliche<br />
Hindernisse für das Funktionieren des Binnenmarkts. Anbieter können vorformulierte<br />
Verträge nur unter erheblichen Transaktionskosten grenzüberschreitend anbieten.<br />
6. Zusammenfassung und Empfehlungen<br />
Um die Wertungswidersprüche und Inkohärenzen zu beseitigen, empfehlen sich folgende<br />
Maßnahmen:<br />
• Definition des Verbrauchers (insb. mit Blick auf Verträge mit gemischter Zwecksetzung).<br />
• Anstelle des in der englischen Sprachfassung verwendeten Begriffs „seller/supplier“<br />
sollte ein einheitlicher Begriff verwendet werden, der den Vertragspartner des<br />
Verbrauchers kennzeichnet. Denkbare Begriffe wären „business“ oder „professional“<br />
(Unternehmer).<br />
• Klarstellung, dass sich der Anwendungsbereich der Richtlinie auf sämtliche Vertragstypen<br />
erstreckt.<br />
• Klarstellung des Wortlauts von Art. 3(1) (Beseitigung der in einigen Sprachfassungen<br />
missglückten Formulierungen; Klarstellung, ob die Kriterien „Treu und Glauben“/<br />
„Missverhältnis“ kumulativ oder alternativ zu verstehen sind oder in dem Sinne, dass<br />
sämtliche Klauseln, die ein erhebliches Missverhältnis hervorrufen, automatisch gegen<br />
das Gebot von Treu und Glauben verstoßen; Definition des Begriffs „erhebliches<br />
Missverhältnis“).<br />
• Vorschriften zur Rechtsnatur des Richtlinienanhangs.<br />
28 EuGH, Urteil vom 1. April 2004, Rs. C-237/02 (Freiburger Kommunalbauten GmbH Baugesellschaft & Co.<br />
KG ./. Ludger Hofstetter und Ulrike Hofstetter), Slg. 2004, I-3403.<br />
372
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
• Bzgl. der Inhaltskontrolle sollte klargestellt werden, dass die Missbräuchlichkeit einer<br />
Klausel von Amts wegen festgestellt werden kann (entsprechend den Ausführungen<br />
des EuGH in Océano, Cofidis und Mostaza Claro). 29<br />
• Klarstellung, dass das Transparenzgebot auch auf mündlich geschlossene Verträge<br />
anwendbar ist.<br />
• <strong>Die</strong> Richtlinie sollte die Frage regeln, ob der Unternehmer bei üblicherweise in schriftlicher<br />
Form abgeschlossenen Verträgen die Pflicht hat, dem Verbraucher die Vertragsbedingungen<br />
auszuhändigen bzw. zugänglich zu machen. Darüber hinaus sollte<br />
überlegt werden, ob die Richtlinie (wie in den Richtlinienvorschlägen aus den Jahren<br />
1990 und 1992 vorgesehen) um ein Verbot „überraschender Klauseln” ergänzt werden<br />
sollte.<br />
• <strong>Die</strong> Rechtsfolgen bei Intransparenz einer Klausel sollten ausdrücklich geregelt werden.<br />
• Regelungsbedürftig erscheinen auch einige Fragen im Zusammenhang mit kollektiven<br />
Verfahren der Rechtsdurchsetzung: Klarstellung, dass Verbraucherverbänden in jedem<br />
Fall ein Klagerecht eingeräumt werden muss und ob auch eine einzelne Person oder<br />
nicht organisierte Personengruppen Klagen gemäß Art. 7 erheben kann. Darüber hinaus<br />
sollte überlegt werden, wie die negativen Folgen der beschränkten Rechtskraft<br />
vermieden werden können.<br />
• Ferner sollte der internationale Anwendungsbereich in Art. 6(2) klarer gefasst werden,<br />
indem näher definiert wird, was unter einem „engen Zusammenhang mit dem Gebiet<br />
der Mitgliedstaaten“ zu verstehen ist.<br />
Damit zumindest die offensichtlichsten Handelshemmnisse abgebaut werden, sollte schließ-<br />
lich überlegt werden, inwieweit die Mindestharmonisierungsklausel für bestimmte Fragen<br />
zugunsten einer Maximalharmonisierung zu streichen ist. Insoweit wäre es empfehlenswert,<br />
wenn zumindest einige der im Richtlinienanhang Nr. 1 genannten Klauseln nicht nur im<br />
Rahmen einer indikativen, illustrativen Liste aufgeführt, sondern in eine schwarze Liste übernommen<br />
werden.<br />
Ob über die genannten Maßnahmen hinaus eine weitere Harmonisierung, insbesondere mit<br />
Blick auf die Maßstäbe der Inhaltskontrolle möglich ist, bleibt dagegen fraglich. Eine voll-<br />
29 Vgl. Teil 2 C.IV.4.<br />
373
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
ständige Harmonisierung des Rechts missbräuchlicher Klauseln erscheint beim gegenwärtigen<br />
Stand der Rechtsentwicklung weder möglich noch wünschenswert, zieht man in Betracht,<br />
dass die Missbräuchlichkeit einer Klausel nur im Vergleich mit dem (größtenteils unharmonisierten)<br />
dispositiven Recht festgestellt werden kann und eine Maximalharmonisierung das in<br />
einigen Ländern äußerst hohe Verbraucherschutzniveau empfindlich zurückschrauben würde.<br />
374
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
I. Einführung: Sinn und Zweck der Kontrolle vorformulierter Klauseln<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
1. Rechtslage in den Mitgliedstaaten vor Umsetzung der Klausel-Richtlinie<br />
Fragt man nach dem Grund, warum vorformulierte Vertragsklauseln einer rechtlichen Kontrolle<br />
unterzogen werden müssen, so stößt man herkömmlicherweise auf zwei Erklärungsmus-<br />
ter. 30<br />
<strong>Die</strong> erste Theorie basiert auf dem Gedanken der Transaktionskosten: Verwendet eine Vertragspartei<br />
vorformulierte Vertragsbedingungen, so ist sie gewöhnlich besser über deren Inhalt<br />
informiert als die andere Vertragspartei. Indem der Klauselverwender Vertragsbedingungen<br />
einmal entwirft, ist er in der Lage, die hiermit verbundenen Kosten auf eine Vielzahl von<br />
Verträgen zu verteilen. Für seinen Vertragspartner (sei er Verbraucher oder Unternehmer)<br />
steht dagegen der Aufwand, der durch die Führung von Vertragsverhandlungen, durch die<br />
Beschaffung der dafür erforderlichen Informationen oder durch die Aufsuchung eines günstigeren<br />
Angebots entstünde, außer Verhältnis zu dem dadurch für ihn erreichbaren Vorteil. In-<br />
formationsasymmetrien und die ungleiche Verteilung von Transaktionskosten müssen dementsprechend<br />
durch eine richterliche Klauselkontrolle ausgeglichen werden.<br />
Eine Reihe von Rechtsordnungen, insbesondere das D<strong>EU</strong>TSCHE, das NIEDERLÄNDISCHE und<br />
das PORTUGIESISCHE Recht, beruhte bereits vor Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> auf diesem<br />
Modell. Kennzeichnend für diese Länder ist, dass grundsätzlich nur AGB einer Kontrolle un-<br />
terzogen werden, also Bedingungen, die für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert werden,<br />
nicht aber Individualklauseln. Denn eine ungleiche Verteilung der Transaktionskosten<br />
ergibt sich regelmäßig nur bei AGB, nicht aber bei Klauseln, die nur für einen einzigen Fall<br />
vorformuliert werden. Gleichzeitig gefährden AGB allerdings nicht nur Verbraucher, sondern<br />
generell jede Vertragspartei, der gegenüber solche Bedingungen verwendet werden. Der<br />
Schutz der Klauselkontrolle erstreckt sich daher in den erwähnten Ländern traditionell nicht<br />
nur auf B2C-Geschäfte, sondern auch auf B2B und P2P-Geschäfte.<br />
30<br />
Vgl. z.B. Kötz, Europäisches Vertragsrecht I, 211 ff.; Tenreiro/ Karsten, in: Schulte-Nölke/Schulze (Hrsg.),<br />
Europäische Rechtsangleichung, 225 ff.<br />
375
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Nach dem zweiten Modell (Missbrauchstheorie, Theorie der ungleichen Verhandlungsstärke)<br />
beruht die Kontrolle vorformulierter Klauseln demgegenüber auf dem Gedanken, dass missbräuchliche<br />
Klauseln in der Regel gegenüber einer schwächeren Vertragspartei verwendet<br />
werden. Hauptansatz der Klauselkontrolle ist nicht die Gefährlichkeit von AGB, sondern der<br />
Schutz einer bestimmten Personengruppe. Angesichts der wirtschaftlichen, sozialen, psychologischen<br />
und intellektuellen Übermacht des Unternehmers bleibe dem Kunden keine andere<br />
Möglichkeit, als sich den gestellten Klauseln zu unterwerfen. <strong>Die</strong> Gültigkeitskontrolle soll<br />
dementsprechend ein Ungleichgewicht der Verhandlungsstärke und des Wissensstands ausgleichen.<br />
<strong>Die</strong>ser Grundansatz lag bereits vor Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> einigen Ländern, namentlich<br />
FRANKREICH, BELGIEN und LUXEMBURG, zugrunde. Kennzeichnend für diese Länder ist,<br />
dass grundsätzlich nur die unterlegenen Verbraucher (und insbesondere im Falle FRANK-<br />
REICHS 31 auch Personen, die Verträge abschließen, die nicht in direktem Zusammenhang mit<br />
ihrer normalen Geschäftstätigkeit stehen) geschützt werden. Konsequenterweise erstreckt sich<br />
der Schutz nicht nur auf AGB, sondern auf sämtliche, also auch auf im Einzelnen ausgehandelte<br />
Klauseln.<br />
Darüber hinaus existierten in einer Reihe von Ländern Mischsysteme sowie das Modell der<br />
NORDISCHEN STAATEN, in denen anhand der Generalklausel (Vertragsgesetz, Art. 36) selbst in<br />
B2B-Verträgen individuell ausgehandelte Vertragsklauseln kontrolliert werden können.<br />
2. Modell der Klausel-Richtlinie<br />
<strong>Die</strong> ersten Entwürfe zur Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> folgten zunächst dem französischen System, indem<br />
die Regelungen persönlich auf Verbraucherverträge beschränkt waren und in sachlicher Hinsicht<br />
auch im Einzelnen ausgehandelte Klauseln der Missbräuchlichkeitskontrolle unterfielen.<br />
Ab dem gemeinsamen Standpunkt des Rates aus dem Jahre 1992 zeichnete sich dann allerdings<br />
ein Kompromiss zwischen dem deutschen und dem französischen Modell ab: Nach Art.<br />
3(1) und (2) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> fallen zwar – anders als in FRANKREICH – im einzelnen ausgehandelte<br />
Klauseln aus dem Anwendungsbereich heraus, es ist aber – anders als in D<strong>EU</strong>TSCH-<br />
LAND – nicht erforderlich, dass die Vertragsbedingungen für eine Vielzahl von Verträgen vor-<br />
31 Vgl. Teil 3 A.III.2.<br />
376
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
formuliert sind, so dass neben AGB auch für den einmaligen Gebrauch vorformulierte Einzelverträge<br />
und nicht im Einzelnen ausgehandelte Individualklauseln der Missbräuchlichkeitskontrolle<br />
der Richtlinie unterfallen. <strong>Die</strong>se Mischung der beiden Systeme tritt besonders deutlich<br />
im 9. Erwägungsgrund der Richtlinie hervor, denn einerseits wird dort – wie in FRANK-<br />
REICH – auf den Schutz vor einem Machtmissbrauch abgestellt, andererseits wird eine besonders<br />
große Gefahr für den Kunden – als Hinweis auf das D<strong>EU</strong>TSCHE Modell – besonders bei<br />
einseitig festgelegten Standardverträgen gesehen.<br />
Der EuGH stellt in seiner Rechtsprechung zur Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vor allem auf die Missbrauchstheorie<br />
ab. Nach Ansicht des Gerichtshofs 32 geht das durch die Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> eingeführte<br />
Schutzsystem davon aus, „dass der Verbraucher sich gegenüber dem Gewerbetreibenden in<br />
einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand<br />
besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen<br />
zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können.“<br />
3. Rechtslage in den Mitgliedstaaten nach Umsetzung der Klausel-Richtlinie<br />
<strong>Die</strong> meisten Mitgliedstaaten, die bereits vor Erlass der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> ein ausgeprägtes Sys-<br />
tem der Klauselkontrolle kannten, haben sich bei der Umsetzung darauf beschränkt, ihre Regelungen<br />
nur geringfügig unter Beibehaltung des alten Systems anzupassen. <strong>Die</strong>jenigen Mit-<br />
gliedstaaten, die vor Umsetzung der Richtlinie kein ausdifferenziertes System der Klauselkontrolle<br />
kannten, sind größtenteils dem Modell der Richtlinie gefolgt. <strong>Die</strong> im April 2004 der<br />
Europäischen Union beigetretenen zehn neuen Mitgliedstaaten haben sich weitestgehend einem<br />
der bestehenden Systeme angeschlossen.<br />
Das System der Missbräuchlichkeitskontrolle lässt sich in vier verschiedene Modelle zer-<br />
legen:<br />
• In den nordischen Staaten (DÄNEMARK, FINNLAND, SCHWEDEN) bezieht sich die In-<br />
haltskontrolle auf sämtliche Verträge (B2B, B2C, P2P), auch individuell ausgehandel-<br />
te Klauseln werden kontrolliert.<br />
32 EuGH, Urteil vom 27. Juni 2000, verb. Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./. Murciano<br />
Quintero), Slg. 2000, I-4941, Rn. 25. Vgl. darüber hinaus EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006, Rs. C-168/05<br />
(Elisa María Mostaza Claro ./. Centro Móvil Milenium SL), Slg. 2006, I-10421, Rn. 25.<br />
377
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
• In anderen Staaten, die herkömmlicherweise der „Transaktionskostentheorie“ folgen,<br />
bezieht sich die Inhaltskontrolle ebenfalls auf sämtliche Verträge (B2B, B2C, P2P), al-<br />
lerdings werden nach dem Grundmodell nur AGB kontrolliert. Eine Kontrolle von<br />
vorformulierten Klauseln in Individualverträgen erfolgt demgegenüber – im Einklang<br />
mit der Richtlinie – nur bei B2C-Verträgen. <strong>Die</strong>sem Modell folgen D<strong>EU</strong>TSCHLAND,<br />
PORTUGAL, ÖSTERREICH und die NIEDERLANDE. Auch die neuen Mitgliedstaaten UN-<br />
GARN, LITAUEN und SLOWENIEN haben dieses Modell übernommen. 33 In gewisser<br />
Weise zählt auch ESTLAND zu dieser Gruppe, denn auch nach dem estnischen Schuld-<br />
rechtsgesetz ist eine Kontrolle P2P-Verträgen möglich, allerdings mit dem Unter-<br />
schied, dass sich diese grundsätzlich (und nicht nur, wie bei den zuvor genannten Mit-<br />
gliedstaaten, bei B2C-Verträgen) auf „Vertragsbedingungen, die nicht im Einzelnen<br />
ausgehandelt wurden“, beziehen.<br />
• In die dritte Gruppe fallen sämtliche Mitgliedstaaten, die eine Inhaltskontrolle auf<br />
B2C-Verträge beschränken, dabei jedoch auch individuell ausgehandelte Klauseln ei-<br />
ner Kontrolle unterwerfen. Hierzu zählen FRANKREICH, BELGIEN und LUXEMBURG<br />
sowie die TSCHECHISCHE REPUBLIK, LETTLAND und MALTA.<br />
• Schließlich folgt eine Reihe von Mitgliedstaaten dem Konzept der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>,<br />
indem die Inhaltskontrolle auf B2C-Verträge beschränkt wird und nur Vertragsbedin-<br />
gungen, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurden, kontrolliert werden. Hierzu ge-<br />
hören das VEREINIGTE KÖNIGREICH, IRLAND, SPANIEN, GRIECHENLAND und (aller-<br />
dings mit einer „schwarzen Liste“ für bestimmte individuell ausgehandelte Klauseln)<br />
ITALIEN. Von den neuen Mitgliedstaaten haben BULGARIEN, ZYPERN, POLEN, RUMÄ-<br />
NIEN und die SLOWAKEI dieses Modell gewählt.<br />
33<br />
Für SLOWENIEN ist allerdings zu beachten, dass bei B2C-Verträgen selbst im Einzelnen ausgehandelte Klauseln<br />
kontrolliert werden können.<br />
378
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
II. <strong>Die</strong> Entwicklung des AGB-Rechts in den Mitgliedstaaten<br />
1. Österreich (AT)<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Neben der im ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) seit jeher enthaltenen Sittenwidrigkeitsbestimmung<br />
(§ 879(1) ABGB) und den allgemeinen Vertragsschlussregeln sieht das<br />
ABGB seit 1979 besondere Bestimmungen zur Einbeziehung und Zulässigkeit von Vertragsklauseln<br />
vor: Nach § 864a ABGB werden ungewöhnliche, für die andere Vertragspartei<br />
nachteilige AGB nur dann Vertragsbestandteil, wenn der Verwender die andere Vertragspartei<br />
besonders auf sie hingewiesen hat.<br />
Gemäß § 879(3) ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsform-<br />
blättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen<br />
festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröb-<br />
lich benachteiligt. Während die Regeln des ABGB nicht nur für B2C-Geschäfte, sondern auch<br />
für B2B und P2P-Geschäfte gelten, enthält das (ebenfalls 1979 in Kraft getretene) Konsumen-<br />
tenschutzgesetz (KSchG) spezielle, nur für B2C-Verträge anwendbare Vorschriften zur Inhaltskontrolle<br />
von Klauseln.<br />
An dieser Gesetzeslage sind bis zum heutigen Tag lediglich Änderungen im Detail vorge-<br />
nommen worden. Durch das Anpassungsgesetz vom 1.1.1997 wurden die im KSchG bereits<br />
zuvor in § 6(1) und (2) vorhandenen Verbotslisten geringfügig erweitert. Darüber hinaus wur-<br />
de in § 6(3) KSchG der Verstoß gegen das Transparenzgebot erstmals als eigenständiger Unwirksamkeitsgrund<br />
anerkannt.<br />
2. Belgien (BE)<br />
Vor dem Jahre 1991 existierten keine besonderen Vorschriften zum Schutz vor missbräuchlichen<br />
Klauseln. Verbraucher konnten sich daher nur auf Prinzipien des allgemeinen Vertragsrechts<br />
berufen. Das Gesetz vom 14. Juli 1991 über Handelspraktiken, Verbraucherinformationen<br />
und Verbraucherschutz (Gesetz über Handelspraktiken, im Folgenden: GHP) schuf erstmals<br />
Regelungen für diesen Bereich. <strong>Die</strong> betreffenden Normen wurden mit Blick auf die be-<br />
379
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
vorstehende Verabschiedung der Richtlinie ausgestaltet und orientierten sich dementsprechend<br />
an den damaligen Entwürfen. <strong>Die</strong> Europäische Kommission beanstandete dennoch in<br />
einer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 8. März 1994, dass eine erhebliche Anzahl<br />
von Vorschriften des GHP 1991 nicht mit der Richtlinie zu vereinbaren sei. Als besonders<br />
problematisch wurde empfunden, dass das GHP nicht auf Freiberufler anwendbar ist. Der<br />
belgische Gesetzgeber entschied sich daher dafür, ein separates Gesetz zur Regelung missbräuchlicher<br />
Klauseln in Verträgen zwischen Verbrauchern und Freiberuflern zu erlassen<br />
(Gesetz über freie Berufe – GfB). 34 Auch das GHP wurde mehrfach angepasst (Gesetz vom 7.<br />
Dezember 1998 und Gesetz vom 25. Mai 1999), um den Richtlinienvorgaben Rechnung zu<br />
tragen. <strong>Die</strong> Reformen führten zu einer Ausweitung des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs<br />
und setzten auch die in Art. 5 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> enthaltene Auslegungsregel<br />
sowie das Transparenzgebot im GHP um. Durch diese Maßnahmen wurden zugleich die<br />
Rechtsfolgen bei Missbräuchlichkeit einer Klausel verändert. Während missbräuchliche Klau-<br />
seln nach früherer Rechtslage erst durch eine gerichtliche Entscheidung für unwirksam erklärt<br />
werden konnten, sind sie seit 1998 ex tunc nichtig.<br />
Das GHP geht über die Richtlinienanforderungen hinaus, da auch zwischen den Vertragspar-<br />
teien im Einzelnen ausgehandelte Klauseln erfasst werden. Nach dem für Freiberufler geltenden<br />
GfB werden demgegenüber nur Klauseln erfasst, die nicht im Einzelnen zwischen den<br />
Parteien ausgehandelt wurden. Von diesem Prinzip macht das GfB allerdings eine Ausnahme:<br />
Klauseln, die gegen die im Gesetzesanhang veröffentlichte schwarze Liste verstoßen, sind<br />
selbst dann verboten und nichtig, wenn sie individuell ausgehandelt wurden (Art. 7(4) GfB).<br />
Nach Art. 34 GHP ist der König befugt, durch Königliches Dekret die Verwendung von Klauseln<br />
für einen bestimmten Wirtschaftssektor oder für bestimmte Produkte oder <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
zu verordnen oder zu verbieten. Der König kann darüber hinaus die Verwendung von<br />
Musterverträgen verordnen. <strong>Die</strong> Kompetenzen des Königs sind allerdings in zweierlei Hinsicht<br />
beschränkt. Zum einen darf der König nur dann derartige Maßnahmen ergreifen, wenn<br />
sie notwendig sind, um zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten ein Gleichgewicht<br />
herzustellen oder der Lauterkeit des Handelsverkehrs zu genügen. Zum anderen muss der König<br />
zuvor die „Commission des clauses abusives“ sowie den „Conseil supérieur des Classes<br />
34 Gesetz vom 3. April 1997, ersetzt durch das Gesetz vom 2. August 2002 über irreführende und vergleichende<br />
Werbung, unfaire Vertragsklauseln und den Fernabsatz für freie Berufe – Gesetz über freie Berufe – GfB.<br />
380
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
moyennes“ (Hoge Raad voor de Middenstand) konsultieren. Bislang wurde nur einziges Königliches<br />
Dekret erlassen: das Königliche Dekret vom 9. Juli 2000 über wesentliche Angaben,<br />
Klauseln und Bedingungen in Auftragsformularen für neue Fahrzeuge. Ein weiteres Königliches<br />
Dekret zur Regelung von Klauseln in Grundstücksmaklerverträgen befindet sich in Vorbereitung.<br />
3. Bulgarien (BG)<br />
Vor der Umsetzung der Richtlinie fand das allgemeine Vertragsrecht Anwendung, hierbei<br />
insbesondere die Vorschriften über die Unwirksamkeit von Verträgen. Klauseln, die gegen ein<br />
gesetzliches Verbot oder Treu und Glauben verstießen, führten zu einer teilweisen oder vollständigen<br />
Nichtigkeit des Vertrages. Sehr oft führte dies zu ähnlichen Ergebnissen wie sie<br />
sich durch eine entsprechende Anwendung der Richtlinie ergeben hätten. In vielen Fällen war<br />
auch die Rückabwicklung des Vertrages möglich.<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde ursprünglich im Jahre 1999 durch das Verbraucherschutzgesetz<br />
umgesetzt, aber wurde später von dem neuen Verbraucherschutzgesetz vom Dezember 2005<br />
ersetzt, welches im Juni 2006 in Kraft trat. Art.143 ff. des neuen Verbraucherschutzgesetzes<br />
enthalten detaillierte Regelungen über unangemessene Klauseln in Verbraucherverträgen. Das<br />
Verbraucherschutzgesetz findet Anwendung in allen B2C-Verträgen. <strong>Die</strong> Generalklausel und<br />
sogar die Umkehrung der Annex findet auch Anwendung in den individuell ausgehandelten<br />
Klauseln (vgl. Art. 143). Dennoch, was die rechtlichen Konsequenzen betrifft, unterscheidet<br />
das bulgarische Recht zwischen individuell ausgehandelten und nicht individuell ausgehandelten<br />
Klauseln. Nach Art. 146 (1) des Verbraucherschutzgesetzes, der Art. 6 der Richtlinie<br />
<strong>93</strong>/<strong>13</strong> umsetzt, sind nicht individuell ausgehandelte Klauseln automatisch ungültig. Dagegen<br />
werden unangemessene, individuell ausgehandelte Klauseln nur von dem allgemeinen Vertragsrecht<br />
aufgehoben.<br />
4. Zypern (CY)<br />
Vor dem Jahre 1996 gab es in ZYPERN keine ausdrücklichen Bestimmungen zur Regelung von<br />
Allgemeinen Vertragsbedingungen. Stattdessen wurde zur Kontrolle auf die allgemeinen Ver-<br />
381
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
tragsschlussregeln des Allgemeinen Vertragsgesetzes, Kap. 149, die auf sämtliche Vertragsparteien<br />
Anwendung finden, zurückgegriffen. Nach dem Gesetz über den Verkauf von Waren<br />
aus dem Jahre 1994 35 sind darüber hinaus Klauseln unwirksam und nichtig, die die durch das<br />
Gesetz statuierten Pflichten des Verkäufers ausschließen. Im Jahre 1996 erließ das Parlament<br />
das Gesetz über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. 36 Das Gesetz wurde im<br />
Jahre 1999 angepasst, um die Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> umzusetzen. 37<br />
Das Gesetz findet auf sämtliche Klauseln Anwendung, die in einem Vertrag zwischen einem<br />
Verkäufer oder Lieferanten und einem Verbraucher geschlossen werden, vorausgesetzt, die<br />
Klausel ist nicht im Einzelnen ausgehandelt worden.<br />
5. Tschechische Republik (CZ)<br />
Vor Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> gab es im tschechoslowakischen Zivilgesetzbuch von<br />
1964 keine spezifischen Vorschriften, die auf den Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen<br />
Klauseln abzielten. Auch das Verbraucherschutzgesetz Nr. 634/1992, das im Dezember<br />
1992 vom Bundesrat der Tschechoslowakei verabschiedet und im Folgenden (nach der Teilung<br />
des Landes) von der TSCHECHISCHEN REPUBLIK und der SLOWAKEI (siehe unten, 21.)<br />
getrennt weiter fortentwickelt wurde, enthielt (und enthält) für die Tschechische Republik<br />
keine spezifischen Vorschriften zur Klauselkontrolle. Vielmehr normiert das Verbraucher-<br />
schutzgesetz Nr. 634/1992 nur spezielle Regelungen über besondere Pflichten, die ein Unternehmer<br />
gegenüber einem Verbraucher zu erfüllen hat, insbesondere Informationspflichten,<br />
das Verbot irreführender Werbung, Diskriminierungsverbote, besondere Pflichten für Warenund<br />
<strong>Die</strong>nstleistungsverträge sowie allgemeine Prinzipien, die die Zusammenarbeit mit und die<br />
Rechte von Verbraucherschutzorganisationen betreffen. <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde im Jahre<br />
2000 im CC durch das Gesetz Nr. 367/2000 umgesetzt. <strong>Die</strong> Tschechische Republik setzte die<br />
Richtlinie nahezu wörtlich in den Art. 52, 55, 56 CC um. <strong>Die</strong> betreffenden Vorschriften gelten<br />
nur im B2C-Verhältnis. Im Unterschied zur Richtlinie wird der Verbraucherbegriff (Art. 52(3)<br />
CC) im tschechischen Recht allerdings nicht auf natürliche Personen beschränkt. Darüber<br />
hinaus werden auch individuell ausgehandelte Klauseln erfasst. Missbräuchliche Klauseln<br />
35 Gesetz 10(I)/1994.<br />
36 Gesetz <strong>93</strong>(I)/1996.<br />
37 Gesetz 69(I)/1999.<br />
382
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
werden für wirksam gehalten, es sei denn, der Verbraucher beruft sich auf die Unwirksamkeit<br />
(Art. 55(2), 40a CC).<br />
6. Dänemark (DK)<br />
Das DÄNISCHE Verbraucherschutzrecht ist vergleichbar mit dem Recht anderer nordischer<br />
Staaten (FINNLAND und SCHWEDEN, vgl. 8. und 26). Ein Hauptmerkmal dieser Staaten ist die<br />
verbreitete Verwendung der Generalklausel, die in § 36 des Vertragsgesetzes niedergelegt ist.<br />
Nach dieser Vorschrift können selbst individuell ausgehandelte Vereinbarungen vollständig<br />
oder teilweise für unanwendbar erklärt werden, wenn die betreffende Vertragsklausel mit<br />
Blick auf den Vertragsinhalt, die Stellung der Vertragsparteien oder die Umstände vor und<br />
nach Vertragsschluss unbillig ist. Der Anwendungsbereich der Generalklausel erstreckt sich<br />
nicht nur auf B2C-Verträge, sondern auf sämtliche Verträge. Normalerweise müssen allerdings<br />
erhöhte Anforderungen erfüllt sein, damit eine Unbilligkeit in Nichtverbraucherverträ-<br />
gen angenommen wird. Eine weitere Besonderheit der skandinavischen Staaten besteht in der<br />
administrativen Kontrolle von Klauseln durch den Verbraucherombudsmann, der in Däne-<br />
mark die Aufgabe hat, die Einhaltung des dänischen Gesetzes über Handelspraktiken im Interesse<br />
der Verbraucher zu überwachen. <strong>Die</strong> in diesem Gesetz verankerte Generalklausel (§ 1,<br />
„lautere Handelspraktiken“) bezieht sich auch auf die Verwendung von Vertragsbedingungen<br />
in Verbraucherverträgen. <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde in Dänemark im Jahre 1994 umgesetzt,<br />
indem einige Änderungen im Vertragsgesetz vorgenommen wurden. Durch die Umsetzung<br />
wurden die Möglichkeiten des Richters erheblich erweitert, denn nach dem Gesetz ist es<br />
nunmehr möglich, eine Vereinbarung nicht nur ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären,<br />
sondern auch anzupassen. Neben der Anpassung der Generalklausel wurden im dänischen<br />
Vertragsgesetz spezielle Regelungen für Verbraucherverträge eingefügt (§§ 38a-38d). <strong>Die</strong><br />
Verbraucherdefinition entspricht weitestgehend der Richtlinie, allerdings werden nicht nur<br />
natürliche, sondern auch juristische Personen erfasst, soweit sie zu privaten Zwecken handeln.<br />
Bei Verbraucherverträgen ist die Generalklausel in § 36 Vertragsgesetz in zweierlei Hinsicht<br />
modifiziert anzuwenden. Zum einen dürfen bei ihrer Anwendung keine für den Verbraucher<br />
nachteiligen Umstände berücksichtigt werden, soweit dies zur Folge hat, dass die betreffende<br />
Klausel nicht angepasst oder ersetzt werden kann. Zum anderen besteht für den Fall, dass eine<br />
Klausel gegen die guten Handelspraktiken verstößt und ein erhebliches Missverhältnis der<br />
vertraglichen Rechte und Pflichten zum Nachteil des Verbrauchers verursacht, für den<br />
383
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Verbraucher die Möglichkeit, den restlichen Vertrag ohne richterliche Anpassung aufrechtzuerhalten,<br />
soweit dies möglich ist.<br />
7. Estland (EE)<br />
Vor Umsetzung der Richtlinie existierten im nationalen Recht keine besonderen Regeln zur<br />
Kontrolle missbräuchlicher Klauseln. Sämtliche das Verbraucherrecht betreffenden Fragen<br />
wurden durch das Zivilgesetzbuch der ESTNISCHEN sozialistischen Sowjetrepublik vom 12.<br />
Juni 1964 (in Kraft seit dem 1. Januar 1965) geregelt. Am 15. Dezember 19<strong>93</strong> erließ das Parlament<br />
das Verbraucherschutzgesetz, das am 1. Januar 1994 in Kraft trat. Das Verbraucherschutzgesetz<br />
enthielt allgemeine Regelungen bzgl. der Pflichten von Verkäufern (Art. 7 und<br />
8), jedoch existierten keine der Richtlinie vergleichbaren Normen. <strong>Die</strong> Richtlinie musste in<br />
das estnische Recht umgesetzt werden, als das Europa-Abkommen zur Gründung der Assoziation<br />
zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten und der estni-<br />
schen Republik am 1. Februar 1998 in Kraft trat. Der Gesetzgeber setzte die Richtlinie in den<br />
§§ 35-44 des Schuldrechtsgesetzes um; die betreffenden Normen enthalten Regelungen zur<br />
Nichteinbeziehung überraschender (ungewöhnlicher oder unverständlicher) Klauseln<br />
(§ 37(3)), zum Vorrang individuell ausgehandelter Klauseln gegenüber Vertragsklauseln<br />
(§ 38), eine „contra proferentem“ Auslegungsregel (§ 39(1)) sowie zu einander widersprechenden<br />
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 40). Der Anwendungsbereich der Regelungen<br />
geht über die Richtlinienvorgaben hinaus. Sämtliche Personen werden geschützt, nicht nur<br />
Verbraucher, sondern auch sämtliche zu einem privaten oder geschäftlichen Zweck handeln-<br />
den juristischen Personen. Spezielle Verbraucherschutzvorschriften sind in einer schwarzen<br />
Liste normiert (§ 42(3)), die insgesamt siebenunddreißig Klauseln umfasst. Wird eine gegen<br />
die schwarze Liste verstoßende Klausel in B2B-Verträgen verwendet, so wird die<br />
Missbräuchlichkeit dieser Klausel gesetzlich vermutet (§ 44).<br />
8. Finnland (FI)<br />
Das FINNISCHE System ist mit dem Recht anderer nordischer Staaten (DÄNEMARK und<br />
SCHWEDEN, siehe 6. und 26.) vergleichbar. Wie in den anderen skandinavischen Ländern stehen<br />
auch in Finnland die Generalklausel (§ 36 Vertragsgesetz) sowie eine administrative Kontrolle<br />
im Mittelpunkt. Letztere wird in Finnland durch den Verbraucherombudsmann und die<br />
384
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Verbraucherschutzbehörde auf der Grundlage des Gesetzes 1056/1998 über die Verbraucherschutzbehörde<br />
wahrgenommen. Im Unterschied zu den übrigen skandinavischen Ländern<br />
existiert in Finnland seit 1978 darüber hinaus ein Verbraucherschutzgesetz. <strong>Die</strong> in diesem<br />
Gesetz in Kapitel 3 verankerte Generalklausel ermächtigt das Gericht, in Verbraucherverträgen<br />
verwendete Vertragsklauseln anzupassen oder für unwirksam zu erklären, selbst wenn<br />
diese im Einzelnen ausgehandelt wurden. <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde im Jahre 1994 umgesetzt,<br />
indem das Verbraucherschutzgesetz in wenigen Punkten anpasst wurde. Im Unterschied<br />
zur Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> bezieht sich das Verbraucherschutzgesetz auch auf im Einzelnen ausgehandelte<br />
Klauseln. Darüber hinaus legt § 4:1 Verbraucherschutzgesetz (im Unterschied zu<br />
Art. 4(2) der Richtlinie) fest, dass auch das Preis-Leistungs-Verhältnis angepasst werden<br />
kann. Ende 1998 wurde durch ein weiteres Änderungsgesetz auch Art. 6(2) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong><br />
umgesetzt.<br />
9. Frankreich (FR)<br />
<strong>Die</strong> Kontrolle missbräuchlicher Klauseln wurde ursprünglich durch die Rechtsprechung ent-<br />
wickelt. Im Code civil existierten demgegenüber nur einige verstreute, unzusammenhängende<br />
Regelungen zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln. Durch das Gesetz Nr. 78-22 vom 10.<br />
Januar 1978 38 wurde erstmals der Versuch unternommen, dass Recht der missbräuchlichen<br />
Klauseln zusammenhängend zu regeln; die betreffenden Vorschriften wurden im Jahre 19<strong>93</strong><br />
in die Art. L-<strong>13</strong>2-1 ff. des neu geschaffenen Code de la Consommation überführt. Das Gesetz<br />
Nr. 78-22 zielte ursprünglich darauf ab, eine administrative Kontrolle durch die „Commission<br />
des clauses abusives“ zu ermöglichen. <strong>Die</strong> Kommission darf allerdings nur Empfehlungen<br />
aussprechen, aufgrund derer die Exekutive per Dekret bestimmte Klauseln verbieten kann.<br />
<strong>Die</strong>se Möglichkeit wurde allerdings in der Praxis kaum wahrgenommen, bislang wurden lediglich<br />
zwei Dekrete zum Verbot bestimmter Klauseln erlassen. 39 Vor diesem Hintergrund<br />
entschied der Kassationsgerichtshof im Jahre 1991, dass die Gerichte zur Kontrolle missbräuchlicher<br />
Vertragsklauseln berechtigt sind. 40 Neben der verwaltungsbehördlichen Kontrolle<br />
und der richterlichen Inhaltskontrolle im Individualrechtsstreit besteht seit 1988 darüber<br />
38<br />
Verbraucherschutz- und Informationsgesetz; sog. „loi Scrivener“.<br />
39<br />
Siehe Art. R. <strong>13</strong>2-1, <strong>13</strong>2-2 und <strong>13</strong>2-2-1 Code de la Consommation.<br />
40<br />
Arrêt du 14 mai 1991, Bulletin des arrêts de la Cass. civ. I, no. 153 und Receuil Dalloz Sirey 19<strong>93</strong>, jurisprudence,<br />
568.<br />
385
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
hinaus auch eine Verbandsklagebefugnis von Verbraucherverbänden (Art. L-421-1 ff. Code<br />
de la Consommation).<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde durch das Gesetz Nr. 95-96 vom 1. Februar 1995 umgesetzt, indem<br />
der Code de la Consommation geringfügig geändert wurde. <strong>Die</strong> in Art. L-<strong>13</strong>2-1 normierte<br />
Generalklausel legt Maßstäbe für die Kontrolle missbräuchlicher Klauseln fest, ohne dabei<br />
allerdings das in Art. 3(1) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vorgeschriebene Kriterium „Treu und Glauben“<br />
zu erwähnen. <strong>Die</strong> französischen Vorschriften betreffen zwar nur Klauseln, die in<br />
Verbraucherverträgen verwendet werden, dafür können allerdings im Unterschied zur Richtlinie<br />
auch im Einzelnen ausgehandelte Klauseln kontrolliert werden.<br />
10. Deutschland (DE)<br />
Der D<strong>EU</strong>TSCHE Gesetzgeber hatte bereits im Jahre 1977 die Verwendung missbräuchlicher<br />
Vertragsklauseln umfassend im Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
(AGBG) geregelt. Geschützt wurde (und wird) nicht der Verbraucher, sondern<br />
jede natürliche oder juristische Person, der gegenüber formularmäßige Klauseln verwendet<br />
werden. Somit werden grundsätzlich auch Verträge zwischen Privaten und der Handelsver-<br />
kehr erfasst. Der persönliche Anwendungsbereich ist insofern wesentlich weiter als derjenige<br />
der Richtlinie. Vor der Umsetzung der Richtlinie waren allerdings nur für eine Vielzahl von<br />
Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei einseitig gestellt hatte,<br />
einer Inhaltskontrolle zugänglich. Klauseln, die zur einmaligen Verwendung vorformuliert<br />
waren und solche, die auf Initiative beider Vertragsparteien oder eines Dritten (Notar, Vermittler<br />
etc.) eingebracht wurden, lagen außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs des<br />
AGBG. Als Maßstab für die Inhaltskontrolle dienen eine „graue“ Liste verdächtiger Klauseln<br />
in § 10 AGBG (jetzt: § 308 BGB) sowie eine schwarze Liste absolut unwirksamer Klauseln in<br />
§ 11 AGBG (jetzt: § 309 BGB). Klauseln, die in diesen Katalogen nicht aufgeführt werden,<br />
sind nach der Generalklausel (§ 9(1) AGBG, jetzt § 307(1) BGB) unwirksam, wenn sie „den<br />
Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen<br />
benachteiligen“.<br />
Bei Umsetzung der Richtlinie im Jahre 1996 entschied sich der Gesetzgeber für eine Minimallösung.<br />
Es wurde lediglich § 12 AGBG (internationaler Anwendungsbereich) modifiziert und<br />
386
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
mit § 24a AGBG (jetzt § 310(3) BGB) eine neue Vorschrift geschaffen, die für Verbraucherverträge<br />
den Anwendungsbereich erweitert und auch eine Kontrolle von Klauseln ermöglicht,<br />
die zur einmaligen Verwendung bestimmt sind oder auf Initiative beider Vertragsparteien<br />
oder eines Dritten (Notar, Vermittler) in den Vertrag eingeführt worden sind. Im Rahmen der<br />
Schuldrechtsreform hat der Gesetzgeber zum 1.1.2002 das AGBG aufgehoben und dessen<br />
materiellrechtliche Vorschriften mit geringfügigen, vorwiegend redaktionellen Änderungen<br />
ins BGB integriert (§§ 305-310 BGB). Um den Anforderungen des EuGH (C-144/99 41 ) zu<br />
genügen, ist dabei erstmals in § 307(1)(1) BGB klargestellt worden, dass intransparente Klauseln<br />
unwirksam sind.<br />
11. Griechenland (EL)<br />
<strong>Die</strong> griechische Rechtswissenschaft und Rechtsprechung begannen sich bereits in den 1970er<br />
Jahren intensiv mit der sich immer stärker verbreitenden Praxis der Verwendung Allgemeiner<br />
Geschäftsbedingungen zu beschäftigen. <strong>Die</strong>ser Schutz wurde abgestuft auf drei Kontrollebenen<br />
(Einbeziehungskontrolle, Auslegung der Vertragsklauseln, Inhaltskontrolle) gewährt. Im<br />
Jahre 1991 wurde ein umfassendes Verbraucherschutzgesetz erlassen, das erstmals ausdrücklich<br />
Regeln zum Schutz gegen missbräuchliche Vertragsklauseln enthielt, in seinem Anwen-<br />
dungsbereich aber auf Verbraucherträge (B2C) beschränkt war. Das Gesetz wurde im Jahre<br />
1994 aufgehoben und durch ein neues Verbraucherschutzgesetz ersetzt. <strong>Die</strong> Vorgaben der<br />
Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurden in Art. 2 dieses Gesetzes umgesetzt, weitere Änderungen folgten<br />
1999. Der Anwendungsbereich der griechischen Vorschriften erstreckt sich nach Art. 1(4)<br />
unabhängig vom Verwendungszweck auf alle natürlichen und juristischen Personen, die Letztempfänger<br />
von Waren oder <strong>Die</strong>nstleistungen sind; er geht damit weit über die Richtlinie hin-<br />
aus.<br />
12. Ungarn (HU)<br />
Im Sozialismus waren AGB praktisch irrelevant, erst Ende der sechziger Jahre traten vorformulierte<br />
Vertragsbedingungen in Erscheinung. <strong>Die</strong> Rechtsprechung entwickelte spezielle<br />
41<br />
EuGH, Urteil vom 10. Mai 2001, Rs. C-144/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
der Niederlande), Slg. 2001, I-3541.<br />
387
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Maßstäbe zur Einbeziehung von AGB, 42 spezifisch verbraucherrechtliche Vorschriften waren<br />
jedoch noch unbekannt. Durch das im Jahre 1978 in Kraft getretene Änderungsgesetz wurde<br />
das ungarische Zivilgesetzbuch (Gesetz IV von 1959 - Polgári Törvénykönyvről (Ptk.)) umfassend<br />
reformiert. Von da an bestimmte § 209 Ptk., dass von juristischen Personen verwendete,<br />
einseitig ausgestaltete allgemeine Vertragsbedingungen, welche einen unbegründeten<br />
Vorteil sicherten, anfechtbar waren. Anfechtungsberechtigt war die mit der Klausel konfrontierte<br />
„andere“ Vertragspartei (in diesem Fall wurde die Unwirksamkeit mit Wirkung inter<br />
partes erklärt) sowie bestimmte staatliche oder gesellschaftliche Organe (hier galt Unwirksamkeit<br />
erga omnes).<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde im Jahre 1997 im ungarischen Zivilgesetzbuch (Ptk.) im Teil<br />
„Schuldrecht“, Titel „Der Vertrag“, Kapitel XVIII umgesetzt. <strong>Die</strong> Vorschriften des Ptk. wurden<br />
in den letzten Jahren mehrfach geändert, um der Rechtsprechung des EuGH Rechnung zu<br />
tragen (C-240/98 to C-24498; 43 C-372/99; 44 C-473/00; 45 C-70/03 46 ). <strong>Die</strong> letzte Änderung erfolgte<br />
durch das am 1. März 2006 in Kraft getretene Gesetz III von 2006.<br />
Das Ptk. enthält allgemeine, für jedermann geltende Vorschriften zur Einbeziehung und Auslegung<br />
von AGB (§§ 205a ff. Ptk.). Eine Inhaltskontrolle ist ebenfalls im P2P-Verhältnis<br />
möglich, allerdings mit Abstufungen. Nach § 209(1) Ptk. (neue Fassung) ist eine allgemeine<br />
Vertragsbedingung missbräuchlich, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum<br />
Nachteil der anderen Partei ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis verursacht.<br />
Bei Verbraucherverträgen können darüber hinaus nicht im Einzelnen ausgehandelte Vertrags-<br />
klauseln kontrolliert werden; eine Kontrolle von Individualvereinbarungen ist dagegen seit<br />
dem 1.3.2006 nicht mehr möglich. <strong>Die</strong> Regelungen des Ptk. werden für B2C-Verträge durch<br />
eine schwarze und graue Liste in der Regierungsverordnung 18/1999 (II.5.) ergänzt. Der Gesetzgeber<br />
änderte durch das Gesetz III von 2006 die Rechtsfolgen bei Missbräuchlichkeit einer<br />
Klausel. § 209a(2) Ptk. legt nunmehr fest, dass missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen<br />
unwirksam sind und die Missbräuchlichkeit nur zum Vorteil des Verbrauchers gel-<br />
42 Siehe die 37. Stellungnahme des Wirtschaftskollegiums des Obersten Gerichtshofes.<br />
43 EuGH, Urteil vom 27. Juni 2000, verbundene Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./.<br />
Murciano Quintero), Slg. 2000, I-4941.<br />
44 EuGH, Urteil vom 24. Januar 2002, Rs. C-372/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Italieni-<br />
sche Republik), Slg. 2002, I-819.<br />
45 EuGH, Urteil vom 21. November 2002, Rs. C-473/00 (Cofidis ./. Fredout), Slg. 2002, I-10875.<br />
46 EuGH, Urteil vom 9. September 2004, Rs. C-70/03 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. König-<br />
reich Spanien), Slg. 2004, I-7999.<br />
388
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
tend gemacht werden kann. Der Anwendungsbereich der actio popularis ist seit dem 1.3.2006<br />
auf B2C-Verträge beschränkt worden.<br />
Weitere Änderungen sind durch die geplante „große“ Reform des Ptk zu erwarten, so soll<br />
unter anderem der Verbraucherbegriff auf natürliche Personen beschränkt werden und das<br />
Zusammentreffen von AGB (battle of forms) geregelt werden.<br />
<strong>13</strong>. Irland (IE)<br />
Vor Umsetzung existierten in IRLAND keine der Richtlinie vergleichbaren Regelungen zum<br />
Schutz vor missbräuchlichen Klauseln. <strong>Die</strong> „fairness“ einer Klausel wurde stattdessen durch<br />
eine Reihe anderer Rechtsinstitute kontrolliert, insbesondere über „duress“ und „undue influence“,<br />
„mistake“ und „misrepresentation“. Darüber hinaus wurden die für einen Händler<br />
bestehenden Möglichkeiten zur Haftungsfreizeichnung bei Kauf- und <strong>Die</strong>nstverträgen durch<br />
die Sales of Goods Acts (SoGA) aus den Jahren 18<strong>93</strong> und 1980 (für den Verkauf von Waren)<br />
und Teil IV des Sale of Goods and Supply of Services Act aus dem Jahre 1980 (für die Erbrin-<br />
gung von <strong>Die</strong>nstleistungen) eingeschränkt. Für den Verkauf von Waren legte das Gesetz aus<br />
dem Jahre 18<strong>93</strong> fest, dass in Verbraucherverträgen verwendete Haftungsfreizeichnungsklau-<br />
seln für einen „breach of the statutory implied terms” unwirksam sind (vgl. z.B. sec. 55 SoGA<br />
18<strong>93</strong>). Bei <strong>Die</strong>nstleistungen waren demgegenüber nur „faire und vernünftige“ (fair and rea-<br />
sonable) Haftungsfreizeichnungsklauseln wirksam, soweit der Verbraucher auf sie ausdrücklich<br />
hingewiesen wurde (sec. 40 SoGA 1980).<br />
Darüber hinaus ermächtigte der Sale of Goods and Supply of Services Act 1980 den Wirtschaftsminister<br />
dazu, im Verordnungswege auf die Verwendung von Standardvertragsklauseln<br />
einzuwirken; dies betraf vor allem die Aufnahme näherer Angaben in den Vertrag, Hinweispflichten<br />
gegenüber der Öffentlichkeit bzgl. der Verwendung von Standardvertragsklauseln<br />
sowie die Festlegung der Schriftgröße für gedruckte oder in Schriftform abzuschließende<br />
Verträge (sec. 51-54 des Gesetzes), allerdings wurde von dieser Möglichkeit niemals<br />
Gebrauch gemacht.<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie wurde im Jahre 1995 durch die „Rechtsverordnung über missbräuchliche Klauseln<br />
in Verbraucherverträgen“ umgesetzt. <strong>Die</strong> Regelungen orientieren sich ihrem Inhalt und<br />
ihrer Struktur nach (wie im VEREINIGTEN KÖNIGREICH) stark an der Richtlinie, der persönli-<br />
389
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
che Anwendungsbereich wurde auf B2C-Geschäfte beschränkt. <strong>Die</strong> Verordnung wurde im<br />
Jahre 2000 durch eine weitere Verordnung (SI No. 307 of 2000) novelliert, um die Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten<br />
für Verbraucherorganisationen zu stärken.<br />
14. Italien (IT)<br />
Im ITALIENISCHEN Recht existierten vor Umsetzung der Richtlinie keine gesonderten Regelungen<br />
zur Inhaltskontrolle missbräuchlicher Klauseln. Allerdings sah das italienische Zivilgesetzbuch<br />
bereits im Jahre 1942 einige allgemeine Regelungen zur Einbeziehung von Standardbedingungen<br />
(Art. <strong>13</strong>41(1), <strong>13</strong>42 CC) sowie Auslegungsregeln (siehe beispielsweise die<br />
contra proferentem-Regelung in Art. <strong>13</strong>70 CC) vor. Nach Art. <strong>13</strong>41(2) CC sind darüber hinaus<br />
bestimmte, im Voraus aufgestellte Klauseln unwirksam, wenn sie nicht im Einzelnen<br />
schriftlich angenommen wurden, so insbesondere Haftungsbeschränkungen. Spezielle Regelungen<br />
zur Inhaltskontrolle von Klauseln wurden dagegen erst im Jahre 1996 in den CC integ-<br />
riert: Der Gesetzgeber fügte in das Zivilgesetzbuch ein neues Kapitel ein, um die Richtlinie<br />
umzusetzen (ex Art. 1469bis – 1469sexies CC). Der Anwendungsbereich dieser Regelungen<br />
war auf Verbraucherverträge begrenzt. In der Folgezeit wurden die Regelungen mehrfach<br />
geändert. Im Jahre 1999 erweiterte der italienische Gesetzgeber auf Drängen der Europäi-<br />
schen Kommission den sachlichen Anwendungsbereich der Klauselkontrolle auf alle Vertragsarten<br />
(während zuvor lediglich Verträge erfasst waren, die die Überlassung von Gütern<br />
und die Erbringung von <strong>Die</strong>nstleistungen zum Gegenstand hatten). Eine weitere Änderung<br />
erfolgte im Jahre 2003 durch Art. 6 des Gesetzes Nr. 14/2003: Nachdem der EuGH in der<br />
Rechtssache C-372/99 47 klargestellt hatte, dass Art. 7(3) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> „die Einführung<br />
präventiver Verfahren verlangt, die einen Abschreckungszweck verfolgen und auch gegen<br />
Verhaltensweisen eingeleitet werden können, die in der bloßen Empfehlung der Verwendung<br />
missbräuchlicher Vertragsklauseln bestehen, ohne dass diese konkret in bestimmten Verträgen<br />
verwendet würden“, präzisierte der italienische Gesetzgeber die einschlägige Vorschrift<br />
(ex Art. 1469sexies CC) entsprechend diesen Vorgaben. Durch das am 22.7.2005 verabschiedete<br />
Verbrauchergesetzbuch, das am 23.10.2005 als Rechtsverordnung (decreto legislativo) in<br />
Kraft getreten ist, wurden die Klauselvorschriften des CC (ex Art. 1469bis – 1469sexies CC)<br />
in das Verbrauchergesetzbuch überführt. Dabei wurden die Rechtsfolgen bei Verwendung<br />
47<br />
EuGH, Urteil vom 24. Januar 2002, Rs. C-372/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Italienische<br />
Republik), Slg. 2002, I-819.<br />
390
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
missbräuchlicher Klauseln erheblich zugunsten des Verbrauchers verändert, indem in Art.<br />
36(3) das Konzept der relativen Nichtigkeit (nullità di protezione) eingefügt wurde: Der<br />
Verbraucher kann nunmehr am Vertrag festhalten, solange es ihm opportun erscheint, da nur<br />
er (oder das Gericht, welches seine Interessen zu berücksichtigen hat) die Nichtigkeit geltend<br />
machen kann und keine Verjährung droht.<br />
15. Lettland (LV)<br />
Am 28. Oktober 1992 trat in LETTLAND das erste Gesetz mit verbraucherschützendem Charakter<br />
in Kraft: Das Gesetz zum Schutz der Verbraucherrechte. <strong>Die</strong>ses Gesetz sah allerdings<br />
keine speziellen Vorschriften zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln vor. Mit Inkrafttreten<br />
eines neuen Verbraucherschutzgesetzes entwickelte sich jedoch das Verbraucherrecht in den<br />
Jahren 1992 bis 1999 in zusehendem Maße. Das Gesetz zum Schutz der Verbraucherrechte<br />
wurde im Jahre 1999 geändert, um die Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> umzusetzen. <strong>Die</strong> betreffenden Vor-<br />
schriften gelten nur für B2C-Verträge, allerdings verwendet der lettische Gesetzgeber einen<br />
gegenüber der Richtlinie erweiterten Verbraucherbegriff, da als Verbraucher sämtliche Perso-<br />
nen geschützt werden, die Verträge zu einem Zweck abschließen, die nicht in einem direkten<br />
Zusammenhang mit der geschäftlichen Tätigkeit stehen, Art. 1(3). Art. 5(1) schreibt vor, dass<br />
die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossenen Verträge gleiche<br />
Rechte für beide Vertragsparteien vorsehen müssen. Gemäß Art. 5(2) verstoßen Vertragsbe-<br />
dingungen (selbst wenn sie im Einzelnen ausgehandelt wurden) gegen dieses Prinzip, wenn<br />
der Verbraucher durch sie in eine ungünstige Lage versetzt wird, und diese Klauseln dem Ge-<br />
bot von Treu und Glauben widersprechen. Art. 6(3) übernimmt demgegenüber den Wortlaut<br />
des Art. 3(1) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> und gestaltet insgesamt zwölf Klauseln des Richtlinienanhangs<br />
als schwarze Liste aus. Ein wesentliches Merkmal des lettischen Verbraucherrechts besteht in<br />
der administrativen Kontrolle vertraglicher Klauseln durch das Zentrum für Verbraucherschutz,<br />
dessen Befugnisse in Art. 25 Gesetz zum Schutz der Verbraucherrechte näher festgelegt<br />
werden.<br />
16. Litauen (LT)<br />
Der Verbraucherschutz ist ein relativ neues Rechtsgebiet in der Republik LITAUEN. Vor der<br />
Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurden verbraucherrechtliche Fragen über die allgemeinen<br />
391
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Regeln des (aus sowjetischen Zeiten stammenden) Zivilgesetzbuchs vom 7. Juli 1964 behandelt.<br />
Seit 1994 existiert in Litauen ein Verbraucherschutzgesetz, allerdings kannte das litauische<br />
Recht keine der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vergleichbaren Regelungen. Im Jahre 2000 ersetzte der<br />
Gesetzgeber das Zivilgesetzbuch aus dem Jahre 1964 durch ein neues Zivilgesetzbuch (in<br />
Kraft seit dem 1. Juli 2001), das sich stark an den Unidroit-Prinzipien und den Grundregeln<br />
des Europäischen Vertragsrechts orientiert. Parallel hierzu wurde das Verbraucherschutzgesetz<br />
mit Wirkung zum 1.1.2001 geändert. Sowohl das Zivilgesetzbuch als auch das Verbraucherschutzgesetz<br />
dienen der Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>. Im Unterschied zum Verbraucherschutzgesetz<br />
enthält das Zivilgesetzbuch allgemeine Regelungen für Standardverträge,<br />
die auf sämtliche Verträge Anwendung finden. Gem. Art. 6.185(2) CC sind die von einer Partei<br />
vorformulierten Standardklauseln nur dann wirksam, wenn die andere Vertragspartei die<br />
Möglichkeit hatte, von diesen Bedingungen Kenntnis zu nehmen. Darüber hinaus enthält das<br />
Zivilgesetzbuch spezielle Regelungen für überraschende Klauseln (Art. 6.186(1) und (2) CC),<br />
zum Problem widersprechender Vertragsbedingungen (Art. 6.187 CC) sowie zur Auslegung<br />
von Standardbedingungen (Art. 1<strong>93</strong>(4) CC). Art. 6.186(3) CC sieht darüber hinaus vor, dass<br />
jede Vertragspartei, der gegenüber Standardbedingungen verwendet werden, ein Vertragsauflösungsrecht<br />
oder Vertragsänderungsrecht hat, soweit die betreffende Vertragsbedingung<br />
(selbst wenn kein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften vorliegt) Rechte der anderen Vertragspartei<br />
und die Möglichkeiten, die normalerweise bei vergleichbaren Verträgen gewährt<br />
werden, ausschließt, ferner, wenn die zivilrechtliche Haftung des Klauselverwenders ausgeschlossen<br />
oder einschränkt wird, oder einen Inhalt aufweist, der gegen den Grundsatz der ver-<br />
traglichen Gleichheit oder gegen die Grundsätze der Vernünftigkeit, Treu und Glauben und<br />
Gerechtigkeit verstößt. <strong>Die</strong>se Regelungen werden durch spezielle Normen zur Kontrolle von<br />
nicht im Einzelnen ausgehandelten Bedingungen in Verbraucherverträgen ergänzt (Art. 6.188<br />
CC). <strong>Die</strong> Regelungen des Verbraucherschutzgesetzes stimmen mit diesen Regelungen fast<br />
wörtlich überein. <strong>Die</strong> Gerichte wenden derzeit beide Rechtsakte parallel an.<br />
17. Luxemburg (LU)<br />
Bereits das Verbraucherschutzgesetz vom 25. August 1983 enthielt umfangreiche Regelungen<br />
zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln. Das Gesetz enthielt – der Richtlinie strukturell vergleichbar<br />
– eine Generalklausel, in der die Kriterien zur Beurteilung der Missbräuchlichkeit<br />
festgelegt wurden, sowie eine nicht abschließende schwarze Liste missbräuchlicher Klauseln.<br />
392
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung der Richtlinie durch das Gesetz vom 26. März 1997 48 führte daher nur zu wenigen<br />
Änderungen im nationalen Recht, indem vier Klauseln der schwarzen Liste hinzugefügt<br />
wurden. Parallel hierzu wurden in Art. 1<strong>13</strong>5-1 CC Vorschriften zur Abgrenzung von Individualvereinbarungen<br />
und vorformulierten Klauseln aufgenommen und eine Regelung zur Einbeziehung<br />
von AGB geschaffen: Nach Art. 1<strong>13</strong>5-1 CC sind AGB gegenüber einer anderen<br />
Partei nicht bindend, sofern diese Partei nicht die Möglichkeit hatte, sich bei Unterzeichnung<br />
mit den Bedingungen vertraut zu machen, oder wenn sie nach den gegebenen Umständen so<br />
behandelt werden muss, als habe sie sie angenommen. Während die im Verbraucherschutzgesetz<br />
vorgesehene Inhaltskontrolle nur im B2C-Verhältnis Anwendung findet, gelten die Einbeziehungsregelungen<br />
des Art. 1<strong>13</strong>5-1 CC gegenüber jedermann.<br />
18. Malta (MT)<br />
Vor Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> existierten keine Regelungen zur Kontrolle missbräuch-<br />
licher Klauseln in Verbraucherverträgen. In der Praxis wendeten die MALTESISCHEN Gerichte<br />
die allgemeinen Regelungen des Zivilgesetzbuchs an, um die von Unternehmen verwendeten<br />
missbräuchlichen Klauseln zu kontrollieren, insbesondere mit Blick auf Freizeichnungsklauseln.<br />
Im Jahre 1994 erließ der Gesetzgeber das Gesetz zu Verbraucherfragen. Das Gesetz führte<br />
unter anderem dazu, dass die Position des Direktors der Verbraucherschutzbehörde geschaffen<br />
und dieses Amt mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet wurde. Darüber hinaus<br />
wurden der Rat für Verbraucherfragen und ein spezielles für Verbraucherfragen zuständiges<br />
Gericht eingerichtet sowie die Rechtsstellung der Verbraucherverbände geregelt. <strong>Die</strong> Richtli-<br />
nie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde im Jahre 2000 umgesetzt, indem das bereits im Jahre 1994 erlassene Gesetz<br />
zu Verbraucherfragen 49 ergänzt wurde. Durch die Novellierung wurden insbesondere die Befugnisse<br />
des Direktors der Verbraucherschutzbehörde neu geregelt. Art. 94 des Gesetzes bestimmt<br />
nunmehr, dass der Direktor auf eigene Initiative oder auf Anfrage einer berechtigten<br />
Person die Beseitigung oder die Änderung einer in einem Verbrauchervertrag verwendeten<br />
missbräuchlichen Klausel verlangen kann. <strong>Die</strong> maltesische Verbraucherschutzgesetzgebung<br />
geht insoweit über die europäischen Mindestanforderungen hinaus, als nach maltesischem<br />
48 Gesetz vom 26. März 1997 (Memorial A Nr. 30 vom 29. April 1997).<br />
49 Art. 44-47 in Teil VI („Unlautere Handelspraktiken“) und Art. 94-101 in Teil IX („Verfügungen“).<br />
3<strong>93</strong>
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Recht auch individuell ausgehandelte Klauseln kontrolliert werden können. Kennzeichnend<br />
für das maltesische System sind die weitreichenden Befugnisse des Direktors des Verbraucherschutzamtes.<br />
Verstößt ein Unternehmer nach Ansicht des Direktors gegen das Gesetz zu<br />
Verbraucherfragen, so kann der Direktor ein Strafverfahren vor dem Magistratsgericht (Strafgerichtsbarkeit)<br />
einleiten. Stellt das Gericht fest, dass der Unternehmer gegen das Gesetz zu<br />
Verbraucherfragen verstoßen hat, so kann das Gericht eine Geldbuße in Höhe von maximal<br />
Lm 2000 (4658 Euro) verhängen.<br />
19. Niederlande (NL)<br />
Vor dem Jahre 1992 enthielt das NIEDERLÄNDISCHE Burgerlijk Wetboek keine speziellen Regelungen<br />
zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln. Vorformulierte Klauseln in Verbraucher-<br />
verträgen wurden vielmehr von den Gerichten anhand allgemeiner Maßstäbe kontrolliert. Allgemeine<br />
Vertragsbedingungen, mit denen die Haftung eines Verkäufers oder eines Anbieters<br />
von <strong>Die</strong>nstleistungen ausgeschlossen oder eingeschränkt wurde, wurden für unwirksam erachtet,<br />
soweit sie gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstießen. 50 Intransparente<br />
Vertragsbedingungen wurden zum Vorteil des Verbrauchers ausgelegt. <strong>Die</strong> Gerichte rekurrierten<br />
darüber hinaus auf den Grundsatz von Treu und Glauben, um Lücken zu füllen und<br />
unzulässige Klauseln für nichtig zu erklären.<br />
Das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene neue niederländische Burgerlijk Wetboek enthält<br />
spezielle Vorschriften zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln (Art. 6:231 – 6:247 BW). <strong>Die</strong><br />
betreffenden Vorschriften orientieren sich an dem deutschen Gesetz zur Regelung missbräuchlicher<br />
Klauseln. 51 Der persönliche Anwendungsbereich der Vorschriften erstreckt sich<br />
auch auf den B2B-Verkehr, jedoch können sich Vertragsparteien, die mehr als 50 Arbeitnehmer<br />
beschäftigen und Handelsgesellschaften, die der Rechnungslegungspflicht unterliegen,<br />
weder auf die Einbeziehungskontrolle noch auf die Generalklausel der Inhaltskontrolle berufen<br />
(Art. 6:235 BW). <strong>Die</strong> schwarze und graue Liste (Art. 6:235, 6:236 BW) beziehen sich<br />
demgegenüber nur auf Verbraucherverträge. Nachdem der EuGH (Rs. C-144/99 52 ) beanstandet<br />
hatte, dass die Niederlande das Transparenzgebot der Richtlinie nicht explizit umgesetzt<br />
50<br />
Art. <strong>13</strong>73 in Verbindung mit Art. <strong>13</strong>71 BW a. F.<br />
51<br />
D<strong>EU</strong>TSCHES Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG), siehe oben<br />
Teil 2 C.II.9.<br />
52<br />
EuGH, Urteil vom 10. Mai 2001, Rs. C-144/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
der Niederlande), Slg.2001, I-3541.<br />
394
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
hatten, änderte der Gesetzgeber Art. 6:231, 6:238 BW und stellte außerdem klar, dass bei<br />
Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel stets die für den Verbraucher günstigste Auslegung<br />
gilt. Eine weitere Novellierung erfolgte im Jahre 2004. Da die niederländischen Vorschriften<br />
zur Klauselkontrolle im Unterschied zur Richtlinie nur bei schriftlich abgefassten<br />
Verträgen Anwendung fanden, wurde das Wort „schriftlich“ im Jahre 2004 gestrichen. 53<br />
20. Polen (PL)<br />
Das polnische Schuldrecht enthielt bereits im Jahre 1<strong>93</strong>3 mit den Art. 71, 72 spezielle Vorschriften<br />
zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln. Obwohl dem polnischen Zivilrecht somit<br />
das Konzept der Klauselkontrolle vertraut war, war der Umfang des Verbraucherschutzes im<br />
Vergleich zur Richtlinie sehr unterschiedlich ausgestaltet, insbesondere vor 1990. Ab dem<br />
Jahre 1990 wurden im Zivilgesetzbuch vermehrt Verbraucherschutzinstrumente eingeführt.<br />
Gemäß Art. 384 CC konnte der Ministerrat durch eine Verordnung Bedingungen für den Abschluss<br />
und die Ausführung von Verbraucherverträgen festlegen (normative ‘Vertragsformblätter’),<br />
soweit dies zum Schutze der Interessen der Verbraucher gerechtfertigt war. Der Mi-<br />
nisterrat erließ allerdings nur eine einzige Verordnung, die einen beschränkten Anwendungsbereich<br />
aufwies (Verordnung vom 30. April 1995 betreffend den Abschluss und die Ausfüh-<br />
rung von Kaufverträgen über bewegliche Sachen mit Verbrauchern). Art. 385.2 CC (in der<br />
Fassung des am 28. Juli 1990 geänderten Zivilgesetzbuchs) sah vor, dass Vertragsklauseln,<br />
Vertragsformblätter oder Regelungen, die in erheblicher und ungerechtfertigter Weise den<br />
Verwender bevorzugten, von der anderen Vertragspartei (Unternehmer ausgenommen) vor<br />
Gericht für unwirksam inter partes erklärt werden konnten. <strong>Die</strong> Möglichkeit einer abstrakten<br />
Klauselkontrolle war demgegenüber nicht vorgesehen.<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie wurde am 2. März 2000 durch das Gesetz zum Schutz von Verbraucherrechten<br />
und zur Haftung für ein unsicheres Produkt umgesetzt, indem die Art. 384-385.4 des polnischen<br />
Zivilgesetzbuchs aus dem Jahre 1964 angepasst wurden. <strong>Die</strong> neuen Regelungen differenzieren<br />
zwischen P2P, B2B und B2C-Verträgen. Eine Einbeziehungskontrolle findet nach<br />
Art. 384 CC grundsätzlich nicht nur im B2C-Verhältnis statt, für Verbrauchergeschäfte gelten<br />
jedoch strengere Einbeziehungsvorschriften. <strong>Die</strong> in Art. 485 CC nach dem Vorbild des Art.<br />
2:209 PECL gestaltete battle of forms-Regelung bezieht sich dagegen nur auf B2B-Verträge.<br />
53 Durch das Gesetz vom <strong>13</strong>. Mai 2004, Stb. 2004, 210.<br />
395
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Inhaltskontrolle vorformulierter Klauseln ist auf B2C-Geschäfte beschränkt. Der<br />
Verbraucherbegriff weicht von der Richtlinie ab, da als Verbraucher auch diejenigen Personen<br />
betrachtet werden, die einen Vertrag zu einem Zweck abschließen, der nicht direkt mit<br />
ihrer geschäftlichen Tätigkeit in Verbindung steht.<br />
Seit der Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> enthält das polnische Recht in den Art. 479 36 ff. Zivilverfahrensgesetzbuch<br />
auch erstmals Regelungen zur abstrakten Klauselkontrolle im Verbandsklageverfahren.<br />
Legitimiert sind nicht nur Verbraucherverbände, lokale Verbraucherombudsmänner<br />
sowie der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz,<br />
sondern jeder, der nach dem Angebot des Verwenders den Vertrag hätte abschließen können.<br />
Verbietet das zuständige Verbrauchergericht in Warschau die Verwendung einer bestimmten<br />
Vertragsklausel, so wird die Entscheidung im Wirtschafts- und Gerichtsanzeiger veröffentlicht<br />
und in ein Register beim Präsidenten des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucher-<br />
schutz eingetragen. Sobald das Urteil im Register veröffentlicht hat, ist es für alle rechtsverbindlich.<br />
Das Register ist der Öffentlichkeit zugänglich, derzeit enthält das Register über 1000<br />
Klauseln.<br />
21 Portugal (PT)<br />
Der portugiesische Gesetzgeber schuf bereits im Jahre 1985 Vorschriften zum Schutz gegen<br />
AGB durch das Dekret Nr. 446/85 vom 25. Oktober 1985. <strong>Die</strong> Regelungen orientierten sich<br />
stark am deutschen AGB-Gesetz aus dem Jahre 1976 und waren dementsprechend auch auf<br />
Verträge zwischen Unternehmern (B2B) und Privaten (P2P) anwendbar. Sie erfassten ihrem<br />
sachlichen Anwendungsbereich nach nur AGB, die für eine Vielzahl von Verträgen formuliert<br />
waren. <strong>Die</strong> Inhaltskontrolle erfolgte (und erfolgt weiterhin) anhand der Generalklausel des<br />
Art. 15 (Treu und Glauben). Daneben enthält das Gesetz in Art. 18 ff. sowie in Art. 21.ff. vier<br />
verschiedene Kataloge mit Klauselverboten, wobei die ersten beiden (schwarze und graue<br />
Liste) allgemein gültig sind, während die anderen beiden (ebenfalls eine schwarze und eine<br />
graue Liste) nur auf Verbraucherverträge anwendbar sind.<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde durch das Dekret Nr. 220/95 vom 31. August 1995 umgesetzt,<br />
indem lediglich geringfügige Änderungen vorgenommen wurden, mit denen vor allem die<br />
Verbotslisten korrigiert und einige verfahrensrechtliche Vorschriften ergänzt wurden. Im Zu-<br />
396
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
ge der Umsetzung schuf der Gesetzgeber ein Register, in dem sämtliche Urteile eingetragen<br />
werden, die die Verwendung von Klauseln untersagen oder diese für unwirksam erklären.<br />
Gleichzeitig wurde der sachliche Anwendungsbereich durch Aufhebung des alten Art. 3(1) lit.<br />
(c) auch auf solche Klauseln erstreckt, die von Personen des öffentlichen Rechts auferlegt<br />
oder genehmigt wurden. Vorformulierte Einzelverträge können dagegen erst seit dem Jahre<br />
1999 (aufgrund des Dekrets Nr. 249/99 vom 7. Juli 1999) kontrolliert werden.<br />
22. Rumänien (RO)<br />
Vor dem Jahr 2000 existierten in Rumänien keine ausdrücklichen Vorschriften über die Überprüfung<br />
Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Stattdessen waren die Vorschriften des allgemeinen<br />
Vertragsrechts anwendbar; vor der Umsetzung der Richtlinie gab es in Rumänien keinen<br />
mit dem der Richtlinie vergleichbaren Schutz. Im Jahr 2000 wurde vom rumänischen<br />
Parlament das Gesetz Nr. 1<strong>93</strong>/2000 über missbräuchliche Vertragsklauseln in Verträgen zwischen<br />
Verkäufern und Verbrauchern verabschiedet. <strong>Die</strong>ses Gesetz ist auf jede Klausel in einem<br />
Vertrag zwischen einem Verkäufer und einem Verbraucher anwendbar, in dem die Klausel<br />
nicht individuell ausgehandelt wurde.<br />
23. Slowakei (SK)<br />
Vor Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> waren weder im tschechoslowakischen Zivilgesetzbuch<br />
aus dem Jahre 1964 noch im Verbraucherschutzgesetz von 1992 spezifische Vorschriften zum<br />
Schutz der Verbraucher vor missbräuchlichen Klauseln vorgesehen (siehe oben, unter 4.). <strong>Die</strong><br />
staatlichen Kontrollbefugnisse im Bereich des Verbraucherschutzes wurden durch das Gesetz<br />
Nr. 274/19<strong>93</strong> Coll. geregelt. Das Gesetz legte die Kompetenzen der einzelnen Behörden auf<br />
dem Gebiet des Verbraucherschutzes fest (Wirtschaftsministerium und andere Ministerien,<br />
sonstige Behörden der staatlichen Verwaltung, Gewerbeaufsichtsämter, Kreis- und Bezirksverwaltung,<br />
Stadtverwaltung).<br />
Der SLOWAKISCHE Gesetzgeber setzte im Jahre 2004 die Richtlinie um, indem die betreffenden<br />
Richtlinienvorschriften nahezu wortgleich in das Zivilgesetzbuch überführt wurden. 54<br />
<strong>Die</strong>se Regelungen werden durch das (ebenfalls im Jahre 2004 geänderte) Verbraucherschutz-<br />
54<br />
Gesetzesänderung Nr. 150/2004 fünfter Abschnitt: Verbraucherverträge: Art. 52-54, Datum des Inkrafttretens<br />
1. April 2004.<br />
397
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
gesetz ergänzt. 55 Im Zuge dieser Novellierung wurde der Begriff des Verbrauchervertrages in<br />
Art. 23a konkretisiert, gleichzeitig wurden allgemeine Regelungen geschaffen, mit denen die<br />
staatlichen Kontroll- und Marktüberwachungsbefugnisse sowie die Rechte von Verbraucherorganisationen<br />
näher bestimmt werden. Der Anwendungsbereich der slowakischen Vorschriften<br />
geht über die Richtlinie hinaus, da auch juristische Personen unter den Verbraucherbegriff<br />
fallen können, vorausgesetzt sie handeln zu einem Zweck, der außerhalb ihrer geschäftlichen,<br />
gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt. Charakteristisch für das slowakische Recht ist<br />
die Zusammenarbeit zwischen Regierung und NGOs bzgl. Verbraucherschutz und Verbraucherpolitik.<br />
Nach dem slowakischen Recht haben Verbraucherorganisationen das Recht, mit<br />
staatlichen Behörden zusammenzuarbeiten, um gemeinsam die Grundsätze der Verbraucherpolitik<br />
festzulegen sowie zu überwachen und die Effektivität staatlicher Institutionen zu<br />
verbessern. Ihre Vertreter haben einen Sitz im Verbraucherpolitischen Beirat (der Vizepräsident<br />
ist zugleich Vertreter des slowakischen Verbraucherverbandes).<br />
24. Slowenien (SL)<br />
Bevor die Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> umgesetzt wurde, enthielt das SLOWENISCHE Schuldrechtsgesetz<br />
aus dem Jahre 1978 (ersetzt im Jahre 2002 durch ein neues Gesetz) zwei Normen zur Rege-<br />
lung des AGB-Rechts. Keine von ihnen enthielt eine genauere Beschreibung oder Definition,<br />
was unter einer missbräuchlichen Klausel zu verstehen ist. Art. 143 sah vor, dass Allgemeine<br />
Geschäftsbedingungen, die im Widerspruch zum Zweck des geschlossenen Vertrages stehen<br />
oder gegen die anerkannten Handelsbräuche verstoßen, auch dann nichtig sind, wenn die<br />
betreffende Klausel durch eine zuständige Behörde genehmigt worden war. Eine AGB-<br />
Klausel konnte darüber hinaus dann durch das Gericht für nichtig erklärt werden, soweit diese<br />
Klausel die Einspruchs- und Berufungsrechte, die vertraglichen Rechte oder Ausschlussfristen<br />
zum Nachteil der anderen Partei veränderte, oder soweit die Klausel ansonsten als ungerecht<br />
oder zu belastend betrachtet wurde.<br />
Der slowenische Gesetzgeber setzte die Richtlinie im Februar 1998 um, indem die Art. 22-24<br />
des Verbraucherschutzgesetzes angepasst wurden. <strong>Die</strong> neuen Vorschriften traten am 28. März<br />
1998 in Kraft. Das slowenische Recht sieht einen gegenüber der Richtlinie höheren Schutzstandard<br />
vor, da auch im Einzelnen ausgehandelte Klauseln für missbräuchlich erklärt und<br />
55 Letzte Änderung 616/2004, Datum des Inkrafttretens: 25. November 2004.<br />
398
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
somit für unwirksam erklärt werden können. Klauseln, die in sonstigen Verträgen (B2B oder<br />
P2P) verwendet werden, unterliegen der Kontrolle gem. § 121 Schuldrechtsgesetz. § 121 dieses<br />
Gesetzes sieht vor, dass AGB, die im Widerspruch zum Vertragszweck oder zu den anerkannten<br />
Handelsbräuchen stehen, nichtig sind.<br />
25. Spanien (ES)<br />
Das SPANISCHE Recht kannte zwar lange Zeit kein eigenständiges Gesetz zur Regelung vorformulierter<br />
Klauseln, allerdings existierte bereits im Jahre 1980 eine konzise Regelung, die<br />
in gewisser Weise mit dem Schutzregime der Richtlinie vergleichbar ist: Art. 3 des Versicherungsvertragsgesetzes<br />
Nr. 50/1980 enthält eine Regelung zu Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
und missbräuchlichen Klauseln in Versicherungsverträgen. Hiervon abgesehen, wurde<br />
mit dem Verbraucherschutzgesetz Nr. 26/1984 vom 19. Juli 1984 eine allgemeine, umfassende<br />
Regelung zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen geschaffen.<br />
Art. 10 des Gesetzes Nr. 26/1984 enthielt (in missverständlicher Weise die Begriffe „Standardvertragsbedingung“<br />
und „missbräuchliche Klausel“ vermengend) eine Definition zum<br />
Begriff der vorformulierten Klauseln sowie formale Einbeziehungsvoraussetzungen, eine generelle<br />
Regelung zur Billigkeit vertraglicher Klauseln sowie eine aus zwölf Abschnitten be-<br />
stehende Liste verbotener Klauseln, die Auslegungsregel contra stipulatorem, eine Regelung<br />
zum Vorrang spezieller Klauseln gegenüber allgemeinen Klauseln sowie eine Rechtsfolgen-<br />
regelung zur Nichtigkeit. <strong>Die</strong> Regelungen orientierten sich an rechtsvergleichenden Erkenntnissen,<br />
insbesondere am D<strong>EU</strong>TSCHEN AGB-Recht. 56<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wurde im Jahre 1998 umgesetzt, indem das Gesetz Nr. 7/1998 vom <strong>13</strong>.<br />
April über allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen erlassen wurde und die Liste unzulässiger<br />
Klauseln im Verbraucherschutzgesetz Nr. 26/1984 vom 19. Juli 1984 durch weitere<br />
29 Klauselverbote ergänzt wurde. Beide Gesetze unterscheiden sich in ihrem persönlichen<br />
Anwendungsbereich und ihrem Inhalt. Das Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen in<br />
Verträgen bezieht sich generell auf AGB, seine Vorschriften finden sowohl für B2C als auch<br />
für B2C-Verträge Anwendung. Seinem Inhalt nach regelt dieses Gesetz allerdings nur die<br />
Einbeziehung und Auslegung von AGB, nicht aber eine Inhaltskontrolle. Das Verbraucher-<br />
56<br />
D<strong>EU</strong>TSCHES Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG) von 1976, siehe<br />
oben I.9.<br />
399
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
schutzgesetz enthält demgegenüber (für Verbraucherverträge) Vorschriften zur Inhaltskontrolle.<br />
Kennzeichnend für das spanische System ist vor allem die präventive Kontrolle missbräuchlicher<br />
Klauseln auf der Grundlage des spanischen AGB-Registers. In dieses Register werden<br />
sämtliche Klauseln eingetragen, die in letztinstanzlichen Gerichtsentscheidungen für missbräuchlich<br />
erklärt worden sind. Notare und Grundbuchämter sowie Handelsregisterämter<br />
müssen das Register beachten und dürfen Verträge, die derartige Klauseln enthalten, nicht<br />
genehmigen. Auf der Grundlage des öffentlich zugänglichen Registers kann jedermann die<br />
Missbräuchlichkeit dieser Klauseln gerichtlich geltend machen.<br />
<strong>Die</strong> vom EuGH in der Rs. C-70/03 57 aufgestellten Vorgaben (betreffend die Umsetzung von<br />
Art. 5 und Art. 6 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>) sind bislang noch nicht in spanisches Recht umgesetzt<br />
worden, allerdings wird gegenwärtig ein Gesetzesentwurf im spanischen Parlament beraten,<br />
der nicht nur die falsche Umsetzung korrigieren will, sondern zugleich weitere Fragen in die-<br />
sem Zusammenhang regeln möchte (z.B. missbräuchliche Handelspraktiken bei <strong>Die</strong>nstleistungsverträgen,<br />
missbräuchliche Klauseln bzgl. der Voraussetzungen der Vertragsbeendi-<br />
gung).<br />
26. Schweden (SE)<br />
SCHWEDEN erließ im Jahre 1971 das Gesetz über Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen.<br />
<strong>Die</strong>ses Gesetz enthielt vor allem marktverhaltenssteuernde Regelungen, die den Verbraucherombudsmann<br />
dazu ermächtigen, Vertragsklauseln mit unternehmerischen Verbänden zu ver-<br />
handeln und per Verfügung die Verwendung missbräuchlicher Klauseln und Bedingungen zu<br />
verbieten. Auf diese Weise konnten Maßnahmen getroffen werden, um die Verwendung gewisser<br />
für missbräuchlich erachteter Vertragsklauseln zu verhindern. <strong>Die</strong> entsprechenden Fälle<br />
werden vor dem Verbraucherombudsmann, der schwedischen Verbraucheragentur und vor<br />
dem Marktgerichtshof verhandelt, der als einziges, letztinstanzliches Gericht ohne Berufungsmöglichkeit<br />
zuständig ist. Seit 1976 können darüber hinaus – wie in den sonstigen skandinavischen<br />
Ländern auch (DÄNEMARK und FINNLAND, vgl. 6. und 8.). – sämtliche Vertrags-<br />
57<br />
EuGH, Urteil vom 9. September 2004, Rs. C-70/03 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
Spanien), Slg. 2004, I-7999.<br />
400
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
klauseln (in B2C, B2B und P2P-Verträgen) gem. § 36 Vertragsgesetz auf ihren Inhalt überprüft<br />
werden. Mit dem Beitritt Schwedens zur <strong>EU</strong> wurde das Gesetz über Vertragsklauseln in<br />
Verbraucherverträgen am 15. Dezember 1994 durch ein neues Gesetz ersetzt (1994:1512).<br />
<strong>Die</strong>ses Gesetz bezieht sich seinem Anwendungsbereich nach allein auf B2C-Verträge. In<br />
sachlicher Hinsicht enthält das Gesetz nicht nur Marktverhaltensrecht, sondern auch zivilrechtliche<br />
Regelungen, die im Wesentlichen auf § 36 des Vertragsgesetzes verweisen. Dabei<br />
ist die Generalklausel in § 36 Vertragsgesetz allerdings in zweierlei Hinsicht modifiziert anzuwenden.<br />
Zum einen dürfen nach Vertragsschluss eingetretene Umstände nur zum Vorteil<br />
des Verbrauchers berücksichtigt werden (Art. 11(2) des Gesetzes 1994:1512). Zum anderen<br />
werden die Möglichkeiten einer gerichtlichen Anpassung missbräuchlicher Klauseln beschränkt;<br />
handelt es sich um eine im Einzelnen nicht ausgehandelte missbräuchliche Klausel,<br />
so kann der Verbraucher verlangen, dass der restliche Vertrag unverändert aufrechterhalten<br />
bleibt, so dass das Gericht die verbleibenden Klauseln nicht ändern darf.<br />
27. Vereinigtes Königreich (UK)<br />
Bereits vor Inkrafttreten gesetzgeberischer Regelungen wurde von der Rechtsprechung eine<br />
Reihe von Schutzmechanismen zur Kontrolle von Standardverträgen entwickelt. Nach der<br />
Rechtsprechung werden Standardvertragsklauseln nur dann Bestandteil des Vertrages, wenn<br />
der Klauselverwender der anderen Vertragspartei eine angemessene Kenntnisnahmemöglichkeit<br />
gewährt (reasonable notice test 58 ). Daneben spielte auch die Auslegung von Verträgen<br />
nach der contra proferentem-Regelung eine Rolle, in begrenztem Umfang war sogar eine In-<br />
haltskontrolle möglich. Eine erste Regelung erfolgte im Jahre 1977 mit dem Unfair Contract<br />
Terms Act 1977 (UCTA). Der UCTA beschränkt sich seinem Anwendungsbereich nach nicht<br />
auf Verbraucherverträge; vielmehr findet er auch auf B2B-Verträge Anwendung sowie – in<br />
begrenztem Maße – auf P2P-Verträge. In sachlicher Hinsicht werden allerdings nur sehr wenige<br />
Klauselarten erfasst, denn die Kontrolle bezieht sich vorrangig auf Freizeichnungsklauseln,<br />
mit denen eine Partei ihre Haftung für negligence oder breach of contract ausschließen<br />
oder beschränken will oder aber versucht, das Vertragsprogramm im Widerspruch zu den berechtigten<br />
Erwartungen umzugestalten. Der UCTA blieb von der Umsetzung der Richtlinie<br />
unberührt und ist weiterhin in Kraft.<br />
58<br />
Parker v. South Eastern Railway Co Ltd. [1877] 2 CPD 416; Thornton v. Shoe Lane Parking Ltd [1971] 2 QB<br />
163.<br />
401
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie wurde im Jahre 1994 ursprünglich durch eine Rechtsverordnung, die Unfair<br />
Terms in <strong>Consumer</strong> Contracts Regulations (UTCCR) umgesetzt, indem die Regelungen der<br />
Richtlinie nahezu wörtlich übernommen wurden. Seit der Umsetzung der Richtlinie wurde die<br />
Verwendung missbräuchlicher Klauseln vor allem durch das Office of Fair Trading reguliert.<br />
Eine Klagebefugnis für Verbraucherverbände wurde demgegenüber (im Widerspruch zu<br />
Art. 7 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>) im VEREINIGTEN KÖNIGREICH nicht eingeführt, da ein solches<br />
Klagerecht mit der privity of contract-Doktrin für unvereinbar gehalten wurde. <strong>Die</strong> Queen’s<br />
Bench Division des High Court legte dem EuGH daher im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens<br />
die Frage vor, ob die Richtlinie einzelnen Personen oder Organisationen mit berechtigtem<br />
Interesse zum Schutze der Verbraucher eine Klagebefugnis vor Gerichten oder der<br />
zuständigen Behörde einräume, um klären zu können, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich<br />
ist. <strong>Die</strong> Klage wurde jedoch wieder zurückgezogen, nachdem es zu einem Regierungswechsel<br />
gekommen war und die neue Regierung durch den UTCCR 1999 Verbraucherverbänden eine<br />
Klagebefugnis und dem klagenden Verbraucherverband das Recht zur Prozessführung eingeräumt<br />
hatte.<br />
Aus dem Nebeneinander von UCTA 1977 und UTCCR 1999 ergibt sich eine äußerst unübersichtliche<br />
Rechtslage, da beide Rechtsakte einander überlagernde, inkonsistente Regelungen<br />
enthalten, eine unterschiedliche Terminologie und unterschiedliche Konzepte verwenden, die<br />
zwar zu ähnlichen, jedoch nicht identischen Rechtsfolgen führen. <strong>Die</strong> <strong>Law</strong> Commission und<br />
die Scottish <strong>Law</strong> Commission haben daher im Februar 2005 einen Vorentwurf für ein Gesetz<br />
zur Regelung missbräuchlicher Klauseln veröffentlicht und in ihrem Abschlussbericht vorge-<br />
schlagen, die im UCTA 1977 und UTCCR enthaltenen Vorschriften zur Regelung missbräuchlicher<br />
Klauseln klarzustellen und zu vereinheitlichen. 59 Der Abschlussbericht empfiehlt<br />
zudem einen verbesserten Schutz für kleine Unternehmen und schlägt insoweit vor, dass derartige<br />
Unternehmen künftig das Recht haben sollten, sämtliche Vertragsklauseln einer Inhaltskontrolle<br />
zu unterwerfen, soweit die betreffenden Klauseln nicht durch individuelle Verhandlungen<br />
abgeändert wurden oder das Preis-Leistungs-Verhältnis betroffen ist.<br />
59 Siehe den Abschlussbericht der <strong>Law</strong> Commission und der Scottish <strong>Law</strong> Commission on unfair terms in contracts,<br />
LAW COM No. 292/SCOT LAW COM No. 199.<br />
402
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
III. Anwendungsbereich<br />
1. Verbraucher, Gewerbetreibender, Öffentliche <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
a. B2C, B2B und P2P-Verträge<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> ist nur auf Klauseln in Verträgen anwendbar, die zwischen einem Gewerbetreibenden<br />
und einem Verbraucher abgeschlossen werden (B2C). Sämtliche Mitgliedstaaten<br />
haben im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie spezielle B2C-Regelungen zur Kontrolle<br />
vorformulierter Klauseln geschaffen.<br />
Daneben ist in einer Reihe von Mitgliedstaaten auf unterschiedlichen Ebenen aber auch eine<br />
Kontrolle von B2B und P2P-Verträgen möglich.<br />
In den NORDISCHEN STAATEN (DÄNEMARK, FINNLAND, SCHWEDEN) ermöglicht die in Art. 36<br />
Vertragsgesetz geregelte Generalklausel seit jeher eine Inhaltskontrolle von missbräuchlichen<br />
Klauseln (auch wenn diese Klauseln im Einzelnen ausgehandelt wurden) in sämtlichen Vertragsverhältnissen,<br />
also auch bei B2B und P2P-Verträgen. Dabei ist allerdings zu beachten,<br />
dass nach Art. 36 Vertragsgesetz bei der Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel<br />
nicht nur der Vertragsinhalt und die Umstände vor und nach Vertragsschluss, sondern auch<br />
die Verhandlungsstärke der Parteien zu berücksichtigen sind. Eine Klausel in B2B-Verträgen<br />
kann dementsprechend nur unter strengeren Voraussetzungen für missbräuchlich erklärt werden.<br />
In D<strong>EU</strong>TSCHLAND, PORTUGAL und ESTLAND sowie in ÖSTERREICH, UNGARN, LITAUEN, in den<br />
NIEDERLANDEN und in SLOWENIEN existieren Generalklauseln zur Inhaltskontrolle vorformulierter<br />
Vertragsbedingungen, die sich nicht nur auf B2C-Verträge, sondern auch auf B2B und<br />
P2P-Verträge beziehen. D<strong>EU</strong>TSCHLAND, PORTUGAL und ESTLAND weisen dabei die Besonderheit<br />
auf, dass bei der Kontrolle von B2B-Verträgen zusätzlich eine graue bzw. schwarze Liste<br />
zu berücksichtigen ist:<br />
403
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
• <strong>Die</strong> D<strong>EU</strong>TSCHEN Vorschriften zur AGB-Kontrolle (§§ 305 ff. BGB) schützen grundsätzlich<br />
jede Vertragspartei, der gegenüber AGB verwendet werden. Soweit AGB gegenüber<br />
einem Unternehmer verwendet werden, finden zwar bestimmte Vorschriften –<br />
insbesondere die auf B2C-Verträge anwendbare graue Liste (§ 308 BGB) und schwarze<br />
Liste (§ 309 BGB) – keine direkte Anwendung (§ 310(1) BGB). Jedoch muss der<br />
Richter auch bei B2B-Verträgen prüfen, ob eine Klausel, die gemäß §§ 308, 309 BGB<br />
im Verkehr mit Verbrauchern unzulässig ist, im konkreten Fall auf Grund einer „Parallelwertung<br />
in der Unternehmersphäre“ auch im unternehmerischen Bereich als unwirksam<br />
anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entfaltet<br />
insbesondere die schwarze Liste (§ 309 BGB) eine Indizwirkung dafür, dass die<br />
betreffende Regelung im kaufmännischen Verkehr zu einer unangemessenen Benachteiligung<br />
des Vertragspartners führt.<br />
• Das PORTUGIESISCHE Recht kennt neben einer P2P geltenden Generalklausel (Art. 15<br />
Dekret Nr. 446/85) eine schwarze und eine graue Liste, die auf sämtliche Vertragsverhältnisse<br />
anwendbar ist (Art. 18, 19 Dekret Nr. 446/85).<br />
• In ESTLAND ist die Generalklausel für vorformulierte Klauseln (§ 42 Schuldrechtsgesetz)<br />
ebenfalls auf B2C und P2P-Verträge anwendbar. <strong>Die</strong> für B2C-Verträge geltende<br />
schwarze Liste (§ 42(3) Schuldrechtsgesetz) ist gem. § 44 bei B2B-Verträgen als<br />
graue Liste zu berücksichtigen. 60<br />
Im VEREINIGTEN KÖNIGREICH ist ebenfalls eine Kontrolle von allgemeinen Vertragsbedingungen<br />
in B2B und P2P-Verträgen möglich, da der UCTA 1977 auch auf Verträge zwischen<br />
Unternehmern anwendbar ist und auch Regelungen für bestimmte „private“ Verträge über den<br />
Kauf von beweglichen Sachen enthält, wenn keine der beiden Vertragsparteien ein Unter-<br />
nehmer ist. Der Schwerpunkt der Klauselkontrolle liegt im UCTA dabei allerdings auf Haftungsfreizeichnungs-<br />
und Haftungsbeschränkungsklauseln.<br />
Keine speziellen Generalklauseln zur Inhaltskontrolle vorformulierter Klauseln existieren<br />
dagegen in BELGIEN, BULGARIEN, ZYPERN, in der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, FRANKREICH,<br />
60 Siehe § 44 Schuldrechtsgesetz: „ Wenn eine vorformulierte Vertragsbedingung im Sinne von § 42(3) dieses<br />
Gesetzes in einem Vertrag verwendet wird, bei dem die andere Vertragspartei diesen Vertrag aus Zwecken ihrer<br />
unternehmerischen oder beruflichen Tätigkeit schließt, gilt die Vermutung, dass diese Vertragsbedingung missbräuchlich<br />
ist.<br />
404
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
GRIECHENLAND, IRLAND, ITALIEN, LETTLAND, LUXEMBURG, MALTA, POLEN, SLOWAKEI und<br />
SPANIEN.<br />
Zu berücksichtigen ist allerdings, dass in einigen dieser Mitgliedstaaten indirekt eine Inhaltskontrolle<br />
möglich ist: Viele Mitgliedstaaten sehen Regelungen zur Einbeziehung und Auslegung<br />
von vorformulierten Klauseln vor, die allgemein für sämtliche Vertragsparteien gelten. 61<br />
Häufig findet dabei im Rahmen der Einbeziehungs- und Auslegungskontrolle eine verdeckte<br />
Inhaltskontrolle statt, indem nicht nur formale Aspekte geprüft werden, sondern zugleich inhaltliche,<br />
wertende Gesichtspunkte berücksichtigt werden. So hängt beispielsweise in einer<br />
Reihe von Ländern die Einbeziehung von AGB nicht nur davon ab, ob die andere Vertragspartei<br />
formal gesehen von den Vertragsklauseln Kenntnis nehmen konnte (zu denken ist beispielsweise<br />
an eine Hinweispflicht des Verwenders, dass Vertragsbedingungen verwendet<br />
werden; Pflicht des Verwenders, dem Vertragspartner die Möglichkeit zu eröffnen, von den<br />
Klauseln Kenntnis zu nehmen; Pflicht des Verwenders, die Vertragsbedingungen zu übergeben;<br />
Pflicht des Verwenders, die Vertragsbedingungen lesbar zu gestalten). Vielmehr werden<br />
in einer Reihe von Mitgliedstaaten zugleich wertende Gesichtspunkte berücksichtigt. Billigkeitsgesichtspunkte<br />
können dazu führen, dass bei nachteiligen, ungewöhnlichen oder überra-<br />
schenden Klauseln erhöhte Anforderungen an die Einbeziehung in den Vertrag gestellt werden<br />
oder eine besonders restriktive Auslegung durchgeführt wird.<br />
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass in vielen Mitgliedstaaten (beispielsweise in BELGIEN<br />
oder SPANIEN 62 ) allgemeine Korrekturinstrumente zur Verfügung stehen, mit denen ein extremes<br />
Missverhältnis zwischen den Hauptleistungspflichten auch in B2B-Verträgen korri-<br />
giert werden kann, etwa auf der Grundlage der laesio enormis, des Wuchertatbestands oder<br />
des Maßstabs „öffentliche Ordnung/gute Sitten“. So hat beispielsweise der Kassationsgerichtshof<br />
in FRANKREICH vereinzelt (über die cause-Doktrin, Art. 1<strong>13</strong>1 Code civil) die Kontrolle<br />
von Klauseln zwischen zwei Unternehmern zugelassen, obwohl die französischen Vorschriften<br />
zur Inhaltskontrolle grundsätzlich auf Verbraucherverträge beschränkt sind. 63<br />
61 Siehe oben, Teil 2 C.II.1.-25.<br />
62 SPANISCHE Gerichte kontrollieren Klauseln sehr häufig indirekt, indem sie die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts<br />
anwenden, insbesondere das Recht der Willensmängel (Irrtum, Täuschung, etc.). Darüber hinaus<br />
steht in den Zivilrechtsordnungen Navarras und Kataloniens die laesio enormis zur Verfügung (nicht jedoch<br />
nach dem spanischen CC).<br />
63 Cass. civ. 22. Oktober 1996 D. 1997, 121 Société Banchereau v. Société Chronopost. In späteren Entscheidungen<br />
hat die Cour de Cassation allerdings die in Chronopost entwickelten Grundsätze wiederum einge-<br />
405
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
b. Definition des Verbrauchers 64<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Art. 2 lit. b der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> definiert den Verbraucher als eine natürliche Person, die zu<br />
einem Zweck handelt, der nicht ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet<br />
werden kann. <strong>Die</strong> Mitgliedstaaten sind dieser Definition nur zum Teil gefolgt. In einer Reihe<br />
von Mitgliedstaaten sind von der Richtlinie abweichende Verbraucherbegriffe zu finden. So<br />
werden beispielsweise in SPANIEN, GRIECHENLAND und UNGARN sämtliche „Letztempfänger“<br />
als Verbraucher geschützt. <strong>Die</strong>ses Konzept ist in vielen Fällen weiter als der von der Richtlinie<br />
etablierte Verbraucherbegriff, da auch atypische Rechtsgeschäfte erfasst werden, die nicht<br />
auf eine Weiterveräußerung gerichtet sind. In FRANKREICH, POLEN und LETTLAND werden<br />
Unternehmer, die einen Vertrag außerhalb ihres gewöhnlichen Geschäftsfeldes abschließen,<br />
ebenfalls als „Verbraucher“ bzw. „non-professionnels“ geschützt. 65 In ÖSTERREICH, BELGIEN,<br />
der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, DÄNEMARK, FRANKREICH, GRIECHENLAND, UNGARN, SLO-<br />
WAKEI und (umstritten) SPANIEN werden darüber hinaus auch juristische Personen geschützt,<br />
wenn sie zu einem privaten Zweck handeln bzw. (in GRIECHENLAND, UNGARN und SPANIEN)<br />
wenn es sich bei ihnen um einen Letztempfänger handelt. In UNGARN wird allerdings derzeit<br />
geplant, den Verbraucherbegriff auf natürliche Personen zu beschränken. In PORTUGAL ist<br />
demgegenüber ungeklärt, ob juristische Personen ebenfalls unter den Verbraucherbegriff fal-<br />
len, ein Gesetzesentwurf zu einem neuen Verbrauchergesetz sieht aber jedenfalls vor, dass<br />
juristische Personen in gewissen Sachlagen ebenfalls von den verbraucherschützenden Vorschriften<br />
profitieren sollen. Das RUMÄNISCHE Recht schützt in Vereinigungen zusammengeschlossene<br />
Gruppen natürlicher Personen 66 .<br />
In MALTA besteht nach dem Gesetz zu Verbraucherfragen sogar die Möglichkeit, dass der für<br />
Verbraucherangelegenheiten verantwortliche Minister jede (natürliche oder juristische) Person<br />
nach Konsultation des Rates für Verbraucherfragen zum „Verbraucher“ erklärt. Darüber<br />
hinaus erstreckt sich der Verbraucherbegriff in Malta auch auf Personen, die nicht direkt Er-<br />
schränkt, siehe Chambre mixte 22. April 2005, pourvoi n° 02-18326 und 03-14112; Chambre commerciale 21.<br />
Februar 2006, pourvoi n° 04-20<strong>13</strong>9.<br />
64<br />
Vgl. hierzu ausführlich Teil 3 A. der Studie.<br />
65<br />
Zur Situation im VEREINIGTEN KÖNIGREICH siehe ausführlich Teil 3 A.III.2.<br />
66<br />
Art. 2(1) Gesetz Nr. 1<strong>93</strong> vom 6. November 2000 über missbräuchliche Vertragsklauseln in Verträgen zwischen<br />
Verkäufern und Verbrauchern.<br />
406
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
werber oder Begünstigte sind, unabhängig davon, ob die betreffende Person mit dem Vertragspartner<br />
des Unternehmers in häuslicher Gemeinschaft lebt, soweit sie nur durch ihn ausdrücklich<br />
oder stillschweigend ermächtigt wurde und die vom Unternehmer erlangte Ware<br />
oder <strong>Die</strong>nstleistung verbraucht, gebraucht oder auf sonstige Weise einen Vorteil durch sie<br />
erlangt hat.<br />
c. Definition des Gewerbetreibenden 67<br />
Nach Art. 2 lit. c ist unter einem Gewerbetreibenden (im Folgenden: Unternehmer) eine natürliche<br />
oder juristische Person zu verstehen, „die bei Verträgen, die unter diese Richtlinie fallen,<br />
im Rahmen ihrer gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, auch wenn diese dem öffentlich-rechtlichen<br />
Bereich zuzurechnen ist.“ Der Unternehmerbegriff in Artikel 2 lit c Richtlinie<br />
<strong>93</strong>/<strong>13</strong> ist europäisch-autonom und weit auszulegen. <strong>Die</strong> Richtlinie ist dahingehend zu<br />
verstehen, dass der Begriff „Gewerbetreibender“ sämtliche im Rahmen ihres Gewerbes oder<br />
Berufs handelnden natürlichen oder juristischen Personen einschließlich Landwirte und Frei-<br />
berufler erfasst.<br />
<strong>Die</strong> meisten Mitgliedstaaten haben die Begriffe „Gewerbetreibender“ bzw. (in der englischen<br />
Sprachfassung) „seller“ und „supplier“ im Einklang mit der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> umgesetzt. In<br />
einigen Mitgliedstaaten finden sich dagegen keine ausdrücklichen Definitionen, so vor allem<br />
in FRANKREICH, LUXEMBURG und POLEN. In BELGIEN besteht die Besonderheit, dass für Verträge<br />
zwischen Verbrauchern und Freiberuflern gesonderte Regelungen erlassen wurden. Der<br />
belgische Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, insoweit nicht den Anwendungsbereich des<br />
GHP auszuweiten, sondern stattdessen ein separates Gesetz zur Regelung missbräuchlicher<br />
Klauseln in Verträgen zwischen Verbrauchern und Freiberuflern zu erlassen.<br />
In MALTA besteht nach dem Gesetz zu Verbraucherfragen die Möglichkeit, dass der für<br />
Verbraucherangelegenheiten verantwortliche Minister jede Person nach Konsultation des Rates<br />
für Verbraucherfragen zum „Unternehmer“ erklärt.<br />
67 Vgl. hierzu ausführlich Teil 3 B. der Studie.<br />
407
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
d. Öffentliche <strong>Die</strong>nstleistungen<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Detaillierte Informationen zur Frage, inwieweit öffentliche <strong>Die</strong>nstleistungen einer Klauselkontrolle<br />
in den fünfzehn „alten“ Mitgliedstaaten unterliegen, finden sich in der Studie “Application<br />
de la Directive <strong>93</strong>/<strong>13</strong> aux prestations de service public, Rapport de synthèse” von<br />
Harriet Hall und Claire Tixador. 68<br />
2. Ausschluss bestimmter Verträge<br />
a. Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien-, Arbeits- und Gesellschaftsrechts<br />
Nach dem 10. Erwägungsgrund sind insbesondere Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem<br />
Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts von der Richtlinie ausgenommen, weil es<br />
sich dabei in der Regel nicht um Verbraucherverträge handelt. Für erb- oder familienrechtliche<br />
Verträge und Arbeitsverträge ist das unproblematisch, da kaum ein Fall vorstellbar ist, in<br />
dem ein derartiger Vertrag gleichzeitig Verbrauchervertrag ist. Ob die Mitgliedstaaten Gesellschaftsverträge<br />
von der Klauselkontrolle ausnehmen können, ist demgegenüber fraglich, denn<br />
nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte 69 sollen die im 10. Erwägungsgrund genannten<br />
Ausnahmen nur greifen, wenn kein Verbrauchervertrag vorliegt. Bei Gesellschafts-<br />
verträgen über den Erwerb gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen als Vermögensanlage ohne<br />
unternehmerische Funktion kann demgegenüber ein Verbrauchervertrag vorliegen.<br />
Arbeitsverträge sowie Verträge auf dem Gebiet des Erb-, Familien- und Gesellschaftsrechts<br />
werden vor allem in ZYPERN und IRLAND ausdrücklich vom Anwendungsbereich der nationalen<br />
Vorschriften ausgenommen. <strong>Die</strong> NIEDERLÄNDISCHEN Vorschriften beziehen sich nicht auf<br />
Arbeitsverträge, in ESTLAND werden gesellschaftsrechtliche Verträge ausgeklammert. Seit der<br />
Schuldrechtsmodernisierung werden Arbeitsverträge in D<strong>EU</strong>TSCHLAND grundsätzlich einer<br />
AGB-Kontrolle unterstellt (§ 310(4) BGB). Gesellschaftsverträge werden demgegenüber ausgenommen,<br />
allerdings unterliegen diese Verträge nach der Rechtsprechung des BGH ohnehin<br />
einer auf §§ 242, 315 BGB gestützten Inhaltskontrolle. Im VEREINIGTEN KÖNIGREICH wurden<br />
im UTCC 1994 in Schedule I a)-d) Verträge auf dem Gebiet des Familien-, Erb-, Arbeits- und<br />
68 Online abrufbar unter http://europa.eu.int/comm/consumers/cons_int/safe_shop/unf_cont_terms/uct02_fr.pdf.<br />
69 Vgl. den Gemeinsamen Standpunkt des Rates vom 22. September 1992.<br />
408
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Gesellschaftsrecht ausdrücklich vom sachlichen Anwendungsbereich ausgenommen; seit<br />
1999 existiert diese Einschränkung dagegen nicht mehr.<br />
b. Immobilienverträge<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie ist grundsätzlich auf sämtliche Vertragstypen anwendbar. Teilweise findet sich<br />
im Schrifttum allerdings die Auffassung, dass Immobilienverträge nicht erfasst seien, da die<br />
Richtlinie ihrem 5. Erwägungsgrund nach nur auf „Waren und <strong>Die</strong>nstleistungen“ ziele. <strong>Die</strong>s<br />
werde auch durch die englische Sprachfassung des Art. 4(1) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> bestätigt, denn<br />
der dort verwendete Begriff „goods“ umfasse nur bewegliche Gegenstände. Dass dieser Argumentation<br />
nicht gefolgt werden kann, zeigt indessen bereits der französische Text, der mit<br />
dem Merkmal „biens“ keine Beschränkung auf bewegliche Sachen enthält.<br />
Dementsprechend hat im VEREINIGTEN KÖNIGREICH der Court of Appeal (Civil Division) in<br />
der Rechtssache Khatun & Others v Newham LBC 70 zu Recht hervorgehoben, dass sowohl die<br />
Richtlinie als auch der englische Umsetzungsakt auf Grundstückskaufverträge anwendbar<br />
sind. Das Gericht führte zur Begründung an, dass ein Ausschluss von Immobilienverträgen<br />
gegen den Sinn und Zweck der Richtlinie verstieße. Da die Richtlinie ein hohes Schutzniveau<br />
bezwecke, gebe es keine Rechtfertigung dafür, derartige Verträge vom Anwendungsbereich<br />
auszunehmen. Zwar unterscheide das englische Common <strong>Law</strong> zwischen real und personal<br />
property, andererseits sei aber zu bedenken, dass die Richtlinie nach anderen Sprachfassungen<br />
sowohl auf bewegliche als auch unbewegliche Sachen Anwendung finde. Darüber hinaus deuteten<br />
der Richtlinientext und ihre Entstehungsgeschichte darauf hin, dass die Verfasser der<br />
Richtlinie ersichtlich keine Unterscheidung zwischen Grundstückskaufverträgen und sonstigen<br />
Transaktionen getroffen hätten und auch ansonsten davon ausgegangen seien, dass die<br />
Richtlinie in beiden Situationen anwendbar ist. Anderenfalls hätte die Richtlinie dies deutlich<br />
zum Ausdruck gebracht. – Ähnliche Argumente sind auch in IRLAND vorgetragen worden.<br />
Zwar gibt es in IRLAND bislang keine einschlägige Gerichtsentscheidung, jedoch ist zu vermuten,<br />
dass irische Gerichte im Zweifel die Entscheidung Khatun & Others v Newham LBC heranziehen<br />
würden.<br />
Das RUMÄNISCHE Gesetz 1<strong>93</strong>/2000 nimmt auf „Sachen“ Bezug, ohne diese ihrer Natur nach<br />
(z. B. beweglich und unbeweglich) zu unterscheiden. Nach den allgemeinen Auslegungs-<br />
70 CA Urteil vom 24. Februar 2004 - Khatun & Others v Newham LBC [2004] EWCA Civ 55.<br />
409
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
grundsätzen soll bei Auslegung eines Begriffs nicht differenziert werden, wenn der Gesetzgeber<br />
an dieser Stelle nicht ebenfalls differenziert hat. Es ließe sich daher argumentieren, dass<br />
das rumänische AGB-Recht auf die Veräußerung sowohl beweglicher als auch unbeweglicher<br />
Sachen Anwendung findet.<br />
Das BELGISCHE Recht erfasste ursprünglich keine Immobilienverträge, erst das Gesetz vom 7.<br />
Dezember 1998 hat klargestellt, dass derartige Verträge erfasst werden.<br />
3. Ausschluss bestimmter Vertragsklauseln<br />
a. Vertragsklauseln, die auf zwingenden Rechtsvorschriften beruhen<br />
Nach Art. 1(2) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> unterliegen Vertragsklauseln, die auf bindenden Rechtsvor-<br />
schriften oder auf Bestimmungen oder Grundsätzen internationaler Übereinkommen beruhen,<br />
bei denen die Mitgliedstaaten oder die Gemeinschaft - insbesondere im Verkehrsbereich -<br />
Vertragsparteien sind, nicht den Bestimmungen der Richtlinie. Ungefähr die Hälfte der Mitgliedstaaten<br />
hat diesen Ausschluss ausdrücklich übernommen: BELGIEN (im Gesetz zur Rege-<br />
lung missbräuchlicher Klauseln in Verträgen zwischen Verbrauchern und Freiberuflern), ZY-<br />
PERN, die TSCHECHISCHE REPUBLIK, D<strong>EU</strong>TSCHLAND, ESTLAND, UNGARN, IRLAND, ITALIEN,<br />
LETTLAND, PORTUGAL, RUMÄNIEN, SLOWAKEI, SPANIEN (im Gesetz Nr. 7/1998 vom <strong>13</strong>. April<br />
über allgemeine Geschäftsbedingungen) und das VEREINIGTE KÖNIGREICH. Das SLOWAKISCHE<br />
Recht schließt solche Rechtsvorschriften aus, auf deren Grundlage gesetzliche Verfügungen<br />
ergehen. In D<strong>EU</strong>TSCHLAND sind gem. § 307(3) BGB ausschließlich solche Klauseln einer Inhaltskontrolle<br />
(nach der Generalklausel oder aufgrund der schwarzen oder grauen Liste) zugänglich,<br />
die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten.<br />
Klauseln, die zwingende Rechtsvorschriften wiedergeben, unterliegen jedoch einer Einbeziehungs-<br />
und Transparenzkontrolle.<br />
<strong>Die</strong> verbleibenden Mitgliedstaaten haben sich demgegenüber dafür entschieden, Art. 1(2)<br />
Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> nicht umzusetzen. Hierzu zählen ÖSTERREICH, BELGIEN (im Gesetz vom 14.<br />
Juli 1991 zu Handelspraktiken, Verbraucherinformationen und Verbraucherschutz), BULGA-<br />
410
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
RIEN, DÄNEMARK, FINNLAND, FRANKREICH, GRIECHENLAND, LITAUEN, LUXEMBURG, MALTA,<br />
die NIEDERLANDE, POLEN, SLOWENIEN und SCHWEDEN. In einigen dieser Länder ist gleichwohl<br />
in der Rechtsprechung bzw. im Schrifttum anerkannt, dass auf zwingenden Vorschriften<br />
beruhende Klauseln keiner Kontrolle unterliegen, so beispielsweise in den NORDISCHEN<br />
STAATEN (DÄNEMARK, FINNLAND, SCHWEDEN) sowie in ÖSTERREICH, GRIECHENLAND und<br />
LITAUEN. In FRANKREICH sind Klauseln in Verträgen mit Unternehmen der öffentlichen Hand<br />
wie z.B. Gas-, Öl- und Stromverträge, Telefonverträge sowie Verträge des öffentlichen<br />
Transports oder über die Erbringung sonstiger <strong>Die</strong>nstleistungen kontrollfähig. Umstritten ist<br />
allerdings, ob diese zum Kompetenzbereich der Verwaltungsgerichte (so die Rechtsprechung<br />
des Kassationsgerichtshofs) oder der ordentlichen Gerichte (Literaturmeinung) gehören.<br />
b. Im Einzelnen ausgehandelte Klauseln<br />
Art. 3 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> schließt sämtliche Klauseln vom Anwendungsbereich aus, die im Ein-<br />
zelnen vom Verbraucher ausgehandelt werden. 15 Mitgliedstaaten haben diese Ausnahme<br />
übernommen: ÖSTERREICH, ZYPERN, ESTLAND, GRIECHENLAND, D<strong>EU</strong>TSCHLAND, UNGARN,<br />
IRLAND, ITALIEN, LITAUEN, die NIEDERLANDE, POLEN, PORTUGAL, RUMÄNIEN, die SLOWAKEI,<br />
SPANIEN und das VEREINIGTE KÖNIGREICH.<br />
<strong>Die</strong> Rechtsordnungen der verbleibenden 10 Mitgliedstaaten erlauben demgegenüber ihren<br />
Gerichten bzw. Verwaltungsbehörden eine Kontrolle individuell ausgehandelter Klauseln.<br />
<strong>Die</strong>s ist der Fall in den nordischen Staaten (DÄNEMARK, FINNLAND, SCHWEDEN) sowie in<br />
FRANKREICH, LUXEMBURG, BELGIEN (GHP), der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, LETTLAND,<br />
MALTA und Slowenien. Das BELGISCHE GFB schlägt demgegenüber einen Mittelweg ein: <strong>Die</strong><br />
im Richtlinienanhang aufgeführten missbräuchlichen Klauseln sind relativ nichtig, selbst<br />
wenn sie im Einzelnen ausgehandelt wurden (Art. 7(4) GfB). <strong>Die</strong> in Art. 3 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong><br />
(Art. 7(2) GfB) verankerte Generalklausel umfasst demgegenüber sonstige Vertragsklauseln.In<br />
Bulgarien findet die Generalklauselm und sogar die schwarze Liste des Art. 143 Anwenung<br />
für alle Vertragsklauseln.Allerdings, was die rechtlichen Konsequenzen betrifft, unterscheidet<br />
das bulgarische Recht zwischen individuell ausgehandelten und nicht individuell<br />
ausgehandelten Klauseln: Nach Art. 146 (1) des Verbraucherschutzgesetzes, der Art. 6 der<br />
Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> umsetzt, sind nicht individuell ausgehandelte Klauseln automatisch ungültig.<br />
411
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Dagegen werden unzulässig individuell ausgehandelte Klauseln nur von dem allgemeinen<br />
Vertragsrecht aufgehoben.<br />
Behauptet ein Gewerbetreibender, dass eine Standardvertragsklausel im Einzelnen ausgehandelt<br />
wurde, so trifft ihn gem. Art. 3(2)(3) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> die Beweislast. <strong>Die</strong>se Vorschrift<br />
wurde von nahezu sämtlichen Mitgliedstaaten richtliniengetreu umgesetzt. In<br />
D<strong>EU</strong>TSCHLAND werden zwar im Einzelnen ausgehandelte Vertragsklauseln vom Anwendungsbereich<br />
der Klauselkontrolle ausgeschlossen, allerdings wird dieser Ausschluss relativiert<br />
durch eine enge Auslegung dieses Begriffs. Denn nach Ansicht des BGH ist eine Vertragsklausel<br />
nur dann als im Einzelnen ausgehandelt anzusehen, wenn der Verwender die andere<br />
Vertragspartei über den Inhalt und die Tragweite der Vereinbarung belehrt hat oder sonst<br />
wie erkennbar geworden ist, dass der andere deren Sinn wirklich erfasst hat. 71<br />
Obwohl in 10 Mitgliedstaaten eine Kontrolle individuell ausgehandelter Klauseln möglich ist,<br />
haben sich lediglich FRANKREICH und SLOWENIEN dafür entschieden, Art. 3(2)(3) der Richtlinie<br />
<strong>93</strong>/<strong>13</strong> nicht umzusetzen. Hieraus könnte geschlossen werden, dass in den verbleibenden<br />
Mitgliedstaaten, die eine Kontrolle individuell ausgehandelter Klauseln gestatten (BELGIEN,<br />
TSCHECHISCHE REPUBLIK, DÄNEMARK, FINNLAND, LUXEMBURG, Lettland, MALTA und<br />
SCHWEDEN) bei der Inhaltskontrolle hinsichtlich der anzusetzenden Maßstäbe zwischen Standardvertragsklauseln<br />
und individuell ausgehandelten Klauseln unterschieden wird. Jedenfalls<br />
in BELGIEN kann dies jedoch nicht nachgewiesen werden.<br />
71 BGH, Urteil vom 19. Mai 2005, NJW 2005, 2543.<br />
412
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
IV. Inhaltskontrolle gemäß Art. 3 Klausel-Richtlinie<br />
1. Konzept der Richtlinie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Als praktisch wichtigste Vorschrift der gesamten Richtlinie definiert die Generalklausel in<br />
Art. 3(1) den Maßstab der Inhaltskontrolle.<br />
Eine Vertragsklausel, die nicht im einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich<br />
anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des<br />
Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen<br />
Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.<br />
<strong>Die</strong> Generalklausel setzt ihrem Wortlaut nach zunächst ein „Missverhältnis der vertraglichen<br />
Rechte und Pflichten“ voraus. Abzustellen ist dabei nicht auf die Hauptleistungspflichten,<br />
denn diese sind nach Art. 4(2) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> kontrollfrei. Vielmehr kann es nur auf die<br />
sonstigen Rechte und Pflichten ankommen, die sich aus dem Vertrag ergeben. Ein Missver-<br />
hältnis kann vor allem dann vorliegen, wenn die Vertragspositionen im Hinblick auf ein und<br />
dieselbe Frage unterschiedlich im Vertrag ausgestaltet sind. Im Einzelnen kann die Frage,<br />
wann ein Missverhältnis vorliegt, allerdings nicht losgelöst von dem sonstigen Gesetzesumfeld<br />
beurteilt werden. Vielmehr ist die sich aus dem Vertrag und dem Klauselwerk ergebende<br />
Rechtsposition des Verbrauchers mit derjenigen zu vergleichen, die bestünde, wenn die beanstandete<br />
Klausel nicht in den Vertrag aufgenommen worden wäre. Dementsprechend muss<br />
eine Klausel stets in ihrem gesetzlichen Kontext beurteilt werden, der sich aus dem jeweiligen<br />
mitgliedstaatlichen Recht ergibt. Ein Missverhältnis besteht nur dann „zum Nachteil des<br />
Verbrauchers“, wenn das dispositive Gesetzesrecht für den Verbraucher günstiger ist als die<br />
fragliche Klausel. Nach dem Grundsatz minima non curat praetor muss dieses Missverhältnis<br />
darüber hinaus erheblich sein.<br />
Neben diesen Kriterien verlangt die Richtlinie weiterhin, dass das Missverhältnis gegen das<br />
Gebot von Treu und Glauben verstößt. Wie sich das Gebot von Treu und Glauben zu dem<br />
Kriterium „Missverhältnis“ verhält, ist nach wie vor ungeklärt. Der Wortlaut der Richtlinie<br />
deutet darauf hin, dass eine Klausel nur dann missbräuchlich ist, wenn sie ein Missverhältnis<br />
4<strong>13</strong>
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
verursacht und dieses Missverhältnis außerdem gegen Treu und Glauben verstößt. Folgt man<br />
dieser Lesart, so kann eine Klausel ein Missverhältnis verursachen, ohne dass dieses zugleich<br />
gegen Treu und Glauben verstößt. Andere gehen demgegenüber davon aus, dass eine Klausel,<br />
die ein erhebliches Missverhältnis hervorruft, automatisch gegen das Gebot von Treu und<br />
Glauben verstößt. 72 Denkbar wäre schließlich, die Kriterien „erhebliches Missverhältnis” und<br />
„Treu und Glauben” alternativ zu verstehen in dem Sinne, dass beide Kriterien unabhängig<br />
voneinander sind, so dass eine Klausel missbräuchlich ist, wenn sie zu einem erheblichen<br />
Missverhältnis führt oder gegen Treu und Glauben verstößt. Angesichts dieser vielgestaltigen<br />
Auslegungsmöglichkeiten kann es nicht verwundern, dass die Mitgliedstaaten ihre Generalklauseln<br />
ganz unterschiedlich ausgestaltet haben. 73<br />
Nach Art. 4(1) ist die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel im Individualverfahren unter<br />
Berücksichtigung (1) der Art und Güter oder <strong>Die</strong>nstleistungen, die Gegenstand des Vertrages<br />
sind, (2) aller den Vertragsschluss begleitenden Umstände sowie (3) aller anderen Klauseln<br />
desselben Vertrages oder eines anderen Vertrages, von dem die Klausel abhängt, zum Zeitpunkt<br />
des Vertragsschlusses zu beurteilen. Eine gewisse Indizwirkung bei der Beurteilung der<br />
Missbräuchlichkeit einer Klausel entfaltet darüber hinaus der Anhang der Richtlinie. 74<br />
2. Ausgestaltung der Generalklausel in den Mitgliedstaaten<br />
<strong>Die</strong> Mitgliedstaaten sind nach Art. 3 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> in Verbindung mit Erwägungsgrund<br />
15 dazu verpflichtet, die Kriterien für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit generell festzulegen.<br />
Sämtliche Mitgliedstaaten sehen derartige Generalklauseln zur Kontrolle von Klauseln<br />
vor. Obwohl sich diese Verpflichtung auch auf nicht im Einzelnen ausgehandelte Individualklauseln<br />
und -verträge erstreckt, beziehen sich die Generalklauseln in ÖSTERREICH und in den<br />
NIEDERLANDEN nur auf Allgemeine Geschäftsbedingungen. Auch wenn in diesen Mitgliedstaaten<br />
andere rechtliche Instrumente zur Verfügung stehen, mit denen vorformulierte Individualklauseln<br />
kontrolliert werden können, wächst durch diese Umsetzungstechnik die Gefahr,<br />
dass die Vorgaben der Richtlinie missachtet werden.<br />
72 Vgl. Tenreiro, ERPL 1995, 273, 279.<br />
73 Siehe unten, Teil 2 C.IV.2.<br />
74 Zur Rechtsnatur des Anhangs und seiner Umsetzung in den Mitgliedstaaten siehe unten, Teil 2 C.IV.3.<br />
414
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Eine genaue Übernahme des Wortlauts des Art. 3(1) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> ist allerdings nur in<br />
acht Mitgliedstaaten erfolgt, nämlich in ZYPERN, der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, in UNGARN,<br />
IRLAND, ITALIEN, RUMÄNIEN SPANIEN und im VEREINIGTEN KÖNIGREICH. <strong>Die</strong> wörtliche Umsetzung<br />
hat vor allem in ITALIEN dazu geführt, dass sich die in der italienischen Richtlinienfassung<br />
zu findende Formulierung „malgrado la buona fede“ auch im italienischen Verbraucherschutzgesetz<br />
(Codice del Consumo) wieder findet. <strong>Die</strong>se Formulierung beruht jedoch<br />
offensichtlich auf einem Übersetzungsfehler, denn die Formulierung „malgrado il requisito<br />
della buona fede” bedeutet nicht „entgegen dem Gebot von Treu und Glauben“, sondern<br />
„trotz Treu und Glauben“.<br />
<strong>Die</strong> anderen Mitgliedstaaten haben die in der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> genannten Kriterien demgegenüber<br />
nicht wörtlich übernommen, sondern entweder an den im jeweiligen nationalen Recht<br />
bekannten Generalklauseln festgehalten oder von der Richtlinie abweichende, teils auch zu-<br />
sätzliche Prinzipien für die Klauselkontrolle aufgestellt:<br />
• In ÖSTERREICH wird das Gebot von Treu und Glauben nicht erwähnt, stattdessen wird<br />
in § 879 ABGB darauf abgestellt, ob die betreffende Bestimmung unter Berücksichtigung<br />
aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.<br />
• Das BELGISCHE Recht nimmt auf das Gebot von Treu und Glauben nur indirekt Bezug.<br />
Kennzeichnend für das belgische Recht zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln ist<br />
das Bestehen zweier Generalklauseln, die leicht voneinander abweichen. Gem. Art.<br />
31(1) GHP ist eine Klausel oder Bedingung missbräuchlich, soweit sie ein „offensichtliches“<br />
Missverhältnis (déséquilibre manifeste) 75 der vertraglichen Rechte und Pflich-<br />
ten verursacht. Im Unterschied hierzu versteht das auf Freiberufler anwendbare Art.<br />
7(2) GfB unter einer missbräuchlichen Vertragsbedingung eine Klausel oder Bedingung,<br />
die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde und die ein „erhebliches“ Missverhältnis<br />
(déséquilibre significatif) zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten<br />
zum Nachteil des Verbrauchers verursacht. In der belgischen Rechtsprechungspraxis<br />
hat sich dieser Unterschied („manifeste“ versus „significatif“) jedoch bislang nicht<br />
ausgewirkt.<br />
75 Der Ausdruck “manifeste“ kann dahingehend gedeutet werden, dass der Richter nur eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten<br />
hat und nur überprüfen darf, ob der Vertrag dem Gebot von Treu und Glauben entspricht.<br />
415
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
• In Bulgarien enthält Art. 143 Verbraucherschutzgesetz eine Generalklausel, die zwar<br />
keine wortgetreue Umsetzung von Art. 3(1) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> darstllt, jedoch einen<br />
sehr ähnliche Wortlaut hat. <strong>Die</strong>se Generalklausel erfasst grundsätzlich sowohl vorformulierte<br />
als auch individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen, differenziert aber<br />
bei den Rechtsfolgen einer unangemessenen Benachteiligung. Gemäß Art.146(1)<br />
Verbraucherschutzgesetz sind ausschließlich vorformulierte Vertragsbedingungen<br />
nichtig.<br />
• Kennzeichnend für das DÄNISCHE Recht ist der Rückgriff auf Generalklauseln. <strong>Die</strong> im<br />
vorliegenden Zusammenhang wichtigste Generalklausel befindet sich in §§ 38c(1), 36<br />
in der konsolidierten Fassung des Vertragsgesetzes Nr. 781/1996. <strong>Die</strong> Generalklausel<br />
nimmt auf die Kriterien „erhebliches Missverhältnis“ sowie „stridende mod hæderlig<br />
forretningsskik“ (übersetzt „Verstoß gegen die anständigen Marktgepflogenheiten“)<br />
Bezug. Der Begriff der Richtlinie („god tro“) wird demgegenüber nicht im dänischen<br />
Recht verwendet, denn nach dänischer Rechtsterminologie ist eine Person in „god<br />
tro“, wenn sie einen bestimmten Umstand weder kannte noch hätte kennen können.<br />
Vor diesem Hintergrund geht das dänische Schrifttum größtenteils davon aus, dass die<br />
in § 38c(1) gewählte Terminologie auf adäquatere Weise das Gebot von Treu und<br />
Glauben reflektiert. Um den Richtlinienvorgaben zu entsprechen, fügte der Gesetzgeber<br />
darüber hinaus eine Spezialbestimmung (§ 38c(2)) ein, die ausdrücklich festlegt,<br />
dass nach Vertragsschluss eintretende Umstände nicht zum Nachteil des Verbrauchers<br />
berücksichtigt werden dürfen. Im Unterschied zur Richtlinie (§ 4(2)) können nach dä-<br />
nischem Recht auch das Preis-Leistungs-Verhältnis und sonstige Hauptleistungspflichten<br />
kontrolliert werden. Derart umfassende Kontrollmöglichkeiten führen – obwohl<br />
das dänische Recht nicht ausdrücklich auf das Gebot von Treu und Glauben Bezug<br />
nimmt – letztlich zu einem gegenüber der Richtlinie höheren Schutzniveau.<br />
• In ESTLAND ist eine Vertragsbedingung gem. § 42(1) des Schuldrechtsgesetzes unwirksam,<br />
wenn sie der anderen Vertragspartei einen widerrechtlichen Schaden zufügt,<br />
insbesondere wenn sie ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und<br />
Pflichten zum Nachteil der anderen Partei verursacht oder gegen die guten Sitten verstößt.<br />
Darüber hinaus wird nach § 42(2) das Vorliegen eines widerrechtlichen Schadens<br />
vermutet, wenn die Vertragsbedingung gegen grundlegende Rechtsprinzipien<br />
verstößt oder die vertraglichen Rechte und Pflichten zum Nachteil der anderen Partei<br />
in einer Weise ausgestaltet, die sich nicht mit der Natur des Vertrages vereinbaren<br />
416
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
lässt, so dass der Vertragszweck gefährdet wird. Durch die Verwendung des Ausdrucks<br />
„gute Sitten“ anstelle von „Treu und Glauben“ und die sprachliche Besonderheit<br />
des Verweises auf den widerrechtlich verursachten Schaden unterscheidet sich das<br />
estnische Regelungskonzept von allen anderen. Ein weiteres charakteristisches Merkmal<br />
stellt die Tatsache dar, dass ein widerrechtlicher Schaden entweder auf einem erheblichen<br />
Missverhältnis oder einem Verstoß gegen die guten Sitten beruhen kann.<br />
<strong>Die</strong>s bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass die hierdurch erzielten Ergebnisse<br />
von den von der Richtlinie vorgegebenen Zielen abweichen.<br />
• In FINNLAND legt § 3:1 des Verbraucherschutzgesetzes fest, dass ein Unternehmer, der<br />
zum Verbrauch bestimmte Waren oder <strong>Die</strong>nstleistungen anbietet, keine Vertragsbedingung<br />
verwenden darf, die unter Berücksichtigung des Preises der betreffenden Ware<br />
oder <strong>Die</strong>nstleistung und unter Einbeziehung anderer relevanter Umstände aus der<br />
Sicht der Verbraucher missbräuchlich ist. Auf das Gebot von Treu und Glauben wird<br />
demgegenüber nicht bei Beurteilung der Missbräuchlichkeit Bezug genommen, obwohl<br />
das finnische Allgemeine Vertragsrecht dieses Prinzip kennt. Im Unterschied zur<br />
Richtlinie bezieht sich die Inhaltskontrolle auch auf die Hauptleistungspflichten und<br />
die Angemessenheit des Preises.<br />
• In FRANKREICH sind gem. Art. L <strong>13</strong>2-1(1) Code de la Consommation in Verbraucherverträgen<br />
verwendete Klauseln missbräuchlich, die zum Gegenstand oder zur Folge<br />
haben, dass zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen<br />
den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien verursacht wird („un déséquilibre<br />
significatif entre les droits et obligations des parties au contrat“). Das Konzept von<br />
Treu und Glauben ist in Frankreich zwar als allgemeiner Auslegungsgrundsatz im<br />
Vertragsrecht (Art. 1<strong>13</strong>4 Abs. 3 Code Civil) bekannt, spielt jedoch im Bereich der<br />
Klauselkontrolle keine Rolle. Es wurde bewusst nicht aufgegriffen, da man der Ansicht<br />
war, dass ein Gewerbetreibender, der auf ein erhebliches Ungleichgewicht hinwirke,<br />
ohnehin gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoße. Darüber hinaus wurde<br />
die Begrifflichkeit der Richtlinie (bonne foi) vom französischen Gesetzgeber auch<br />
deswegen nicht übernommen, weil die Terminologie (wie in der italienischen Sprachfassung,<br />
siehe oben) als missverständlich angesehen wurde.<br />
• Das D<strong>EU</strong>TSCHE Recht stellt in § 307 BGB maßgeblich auf den Grundsatz von Treu und<br />
Glauben ab. Das „erhebliche Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten“<br />
wird demgegenüber nicht genannt. Nach der Generalklausel (§ 307 BGB) sind AGB<br />
417
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
unwirksam, wenn sie „den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von<br />
Treu und Glauben unangemessen benachteiligen“. Für eine solche Benachteiligung<br />
enthält § 307(2) BGB Vermutungsbeispiele (Unvereinbarkeit mit dem Grundgedanken<br />
einer dispositiven Rechtsnorm, Gefährdung des Vertragszweckes).<br />
• In GRIECHENLAND bestimmt Art. 2(6)(1) Verbraucherschutzgesetz, dass allgemeine<br />
Geschäftsbedingungen, die zu einer übermäßigen Störung des Gleichgewichts der vertraglichen<br />
Rechte und Pflichten zum Nachteil des Verbrauchers führen, nicht verwendet<br />
werden dürfen und unwirksam sind. Das Konzept von Treu und Glauben wurde<br />
nicht aufgegriffen. Auffällig ist darüber hinaus, dass die Generalklausel nicht nur der<br />
Inhaltskontrolle dient, sondern gleichzeitig ein lauterkeitsrechtliches Verbot der Verwendung<br />
missbräuchlicher Klauseln normiert. Eine weitere Besonderheit besteht darin,<br />
dass durch die Nichtumsetzung des Art. 4(2) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> auch der Hauptgegenstand<br />
des Vertrags und das Preis-Leistungs-Verhältnis der Inhaltskontrolle unterliegen.<br />
• In LETTLAND legt Art. 6(1)(3) des Gesetzes zum Schutz der Verbraucherrechte fest,<br />
dass ein Hersteller, Verkäufer oder <strong>Die</strong>nstleistungsanbieter keine Vertragsklauseln<br />
verwenden darf, die gegen das Prinzip der „Vertragsgleichheit“ verstoßen. Darüber<br />
hinaus legt Abs. 3 fest, dass eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt<br />
wurde, unwirksam ist, wenn sie zum Nachteil des Verbrauchers entgegen dem Gebot<br />
von Treu und Glauben ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und<br />
Pflichten verursacht. LETTLAND kombiniert somit das Gebot von Treu und Glauben<br />
mit dem (neu eingeführten) Prinzip der Vertragsgleichheit. Auch der Anwendungsbereich<br />
der Inhaltskontrolle ist im Vergleich zur Richtlinie weiter, da auch die Hauptleis-<br />
tungspflichten und das Preis-Leistungsverhältnis auf ihre Angemessenheit hin überprüft<br />
werden können (Lettland hat Art. 4(2) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> nicht umgesetzt).<br />
• In LITAUEN enthält Art. 6.188(2) CC (unter der Überschrift „Besondere Voraussetzungen<br />
für Verbraucherverträge“) lediglich eine kurze Definition der Missbräuchlichkeit:<br />
„Nicht im Einzelnen ausgehandelte Verbrauchervertragsbedingungen sind missbräuchlich,<br />
wenn sie ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und<br />
Pflichten zum Nachteile der Rechte und Interessen der Verbraucher verursachen.“ Auf<br />
das Gebot von Treu und Glauben wird nicht verwiesen, allerdings wird die zitierte<br />
Norm durch eine umfangreiche (dem Anhang der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wörtlich entsprechende)<br />
schwarze Liste verbotener Klauseln ergänzt. Darüber hinaus sieht Art. 11(2)<br />
418
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
des litauischen Verbraucherschutzgesetzes vor, dass sonstige Klauseln (die nicht in der<br />
schwarzen Liste aufgeführt werden) ebenfalls als missbräuchlich angesehen werden<br />
können, wenn sie gegen das Gebot des “good will” verstoßen und zwischen dem Verkäufer<br />
bzw. <strong>Die</strong>nstleistungsanbieter und dem Verbraucher ein Ungleichgewicht der<br />
gegenseitigen Rechte und Pflichten verursachen.<br />
• Art. 1 des LUXEMBURGISCHEN Verbraucherschutzgesetzes sieht eine Definition vor,<br />
die ihrem Inhalt nach dem französischen Recht (s.o.) sehr ähnelt. <strong>Die</strong> Vorschrift bezieht<br />
sich nur auf das Kriterium „Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten<br />
zum Nachteil des Verbrauchers“ (déséquilibre des droits et obligations au préjudice<br />
du consommateur). Im Unterschied zu Frankreich und vielen anderen Mitgliedstaaten<br />
können ferner auch die Hauptleistungspflichten und das Preis-Leistungsverhältnis<br />
Gegenstand der Inhaltskontrolle sein, denn Luxemburg hat sich dafür entschieden, Art.<br />
4(2) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> nicht umzusetzen.<br />
• MALTA hat ein einzigartiges System zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln geschaffen.<br />
<strong>Die</strong> Art. 44-45 des Gesetzes zu Verbraucherfragen kombinieren zwei verschiedene<br />
Konzepte: Zum einen verweisen die Vorschriften auf das „erhebliche Missverhältnis<br />
der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zum Nachteil des<br />
Verbrauchers“ (Art. 45(1)(a)), der Wortlaut der Richtlinie wird somit wiedergegeben.<br />
Zum anderen hat der Gesetzgeber das Gebot von Treu und Glauben übernommen, Art.<br />
45(1)(d). Darüber hinaus kann eine Klausel auch dann für missbräuchlich erklärt werden,<br />
wenn durch diese Klausel „die Vertragserfüllung in unangemessener Weise für<br />
den Verbraucher nachteilig ist“ (Art. 45(1)(b)) oder dazu führt, dass “die geschuldete<br />
Vertragserfüllung in erheblicher Weise von den berechtigten Erwartungen des<br />
Verbrauchers abweicht” (Art. 45(1)(c)). All diese Kriterien sind alternativ zu verstehen,<br />
es reicht somit für die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Klausel aus,<br />
wenn nur eines der genannten Kriterien erfüllt ist.<br />
• Nach Art. 6-233(a) des NIEDERLÄNDISCHEN BW ist eine Standardvertragsklausel anfechtbar,<br />
wenn sie für die andere Vertragspartei „in unbilliger Weise nachteilig” (onredelijk<br />
bezwarend) ist. Neben der Möglichkeit, eine bestimmte missbräuchliche<br />
Klauseln anzufechten, kann die andere Vertragspartei auch geltend machen, dass die<br />
Vertragsklausel – trotz Wirksamkeit – nicht berücksichtigt wird, wenn die Anwendung<br />
der Klausel aufgrund der gegebenen Umstände gegen die Prinzipien der Billigkeit und<br />
Gerechtigkeit verstößt. Auf das Gebot von Treu und Glauben, das Kriterium “erhebli-<br />
419
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
ches Missverhältnis“ oder andere vergleichbare Konzepte wird demgegenüber nicht<br />
Bezug genommen.<br />
• In POLEN ist eine Vertragsklausel gem. Art. 385/1(1), S. 1 CC für den Verbraucher<br />
unverbindlich, wenn sie die Rechte oder Pflichten des Verbrauchers entgegen dem<br />
Gebot von Treu und Glauben ausgestaltet und die Interessen des Verbrauchers in auffälliger<br />
(deutlicher, unverhältnismäßiger) Weise (rażąco) verletzt werden (sog. „verbotene<br />
Vertragsklausel“). Hervorzuheben ist, dass das Gebot von „Treu und Glauben”<br />
in das Zivilgesetzbuch eingeführt wurde, um Schritt für Schritt eine andere Generalklausel<br />
zu ersetzen, nämlich das Prinzip der sozialen Kooperation, ein Prinzip, auf das<br />
bereits zu sozialistischen Zeiten zurückgegriffen wurde und das nach wie vor existiert.<br />
• In PORTUGAL verweist die Generalklausel in Art. 9(2) Verbraucherschutzgesetz auf<br />
die Kriterien „erhebliches Missverhältnis“ (desequilíbrio nas prestações gravemente)<br />
und Treu und Glauben (atentatório da boa fé). Eine andere Formulierung, die sich ebenfalls<br />
an die Richtlinie anlehnt, verwendet Art. 9(2)(b): erhebliches Missverhältnis<br />
zum Nachteil des Verbrauchers (significativo desequilíbrio em detrimento do consu-<br />
midor).<br />
• In der SLOWAKEI schreibt Art. 53(1) CC vor, dass ein Verbrauchervertrag keine Klauseln<br />
enthalten darf, die zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches Missverhältnis<br />
der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursachen (inakzeptable<br />
Vertragsklausel). Nach Art. 54 CC dürfen Klauseln in einem Verbrauchervertrag nicht<br />
zum Nachteil des Verbrauchers von den Vorschriften des Zivilgesetzbuchs abweichen.<br />
Der Verbraucher kann auf die gesetzlich festgelegten Rechte nicht verzichten (da diese<br />
Vorschriften zwingend sind). Nach der Generalklausel in Art. 39 CC soll eine Vereinbarung<br />
unwirksam sein, wenn ihr Inhalt oder Zweck im Widerspruch zum Gesetz<br />
steht, dieses umgeht oder sittenwidrig ist. Ingesamt entspricht das slowakische Regelungskonzept<br />
weitgehend der Richtlinie, wenngleich der Grundsatz von Treu und<br />
Glauben nicht erwähnt wird.<br />
• In SLOWENIEN ist eine Vertragsklausel gemäß der Generalklausel (Art. 24(1) Verbraucherschutzgesetz)<br />
missbräuchlich, wenn (1) die Klausel zum Nachteil des Verbrauchers<br />
ein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner<br />
verursacht, oder (2) die Klausel die Vertragserfüllung ohne berechtigten<br />
Grund für den Verbraucher nachteilig ausgestaltet, oder (3) die Vertragserfüllung von<br />
den berechtigten Erwartungen des Verbrauchers abweicht, oder (4) gegen das Prinzip<br />
420
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
der Fairness und Treu und Glauben verstößt. Das slowenische Recht kombiniert somit<br />
die von der Richtlinie vorgesehenen Kriterien („erhebliches Missverhältnis“, „zum<br />
Nachteil des Verbrauchers“, „Treu und Glauben“) mit einem allgemeinen Fairnessgebot.<br />
Im Unterschied zur Richtlinie (Art. 4(2)) können nach slowenischem Recht darüber<br />
hinaus der Hauptgegenstand des Vertrages sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis<br />
auf ihre Angemessenheit kontrolliert werden.<br />
• Das SCHWEDISCHE Recht definiert nicht in präziser Weise, wann eine Klausel missbräuchlich<br />
ist. Art. 11 des Gesetzes zu Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen<br />
(1994:1512) verweist auf Art. 36 Vertragsgesetz, eine Vorschrift, die seit 1976 unverändert<br />
in Kraft ist. In § 36(1) S. 1 Vertragsgesetz heißt es sehr allgemein: „Vertragsbedingungen<br />
können abgeändert werden oder unbeachtet bleiben, wenn die Bedingung<br />
im Hinblick auf den Vertragsinhalt, die Umstände beim Zustandekommen des Vertrages,<br />
später eingetretene Verhältnisse oder die übrigen Umstände unbillig ist”. Treu<br />
und Glauben, das Vorliegen eines Missverhältnisses oder sonstige Konzepte spielen<br />
dagegen für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer Klausel keine Rolle. Nach<br />
Vertragsschluss eingetretene Umstände können nur dann berücksichtigt werden, wenn<br />
dies nicht für den Verbraucher nachteilig ist (Art. 11(2) des Gesetzes zu Vertragsklauseln<br />
in Verbraucherverträgen). Das Verbraucherschutzniveau ist damit in Schweden<br />
sehr viel höher als das von der Richtlinie vorgesehene, nicht zuletzt auch deswegen,<br />
weil auch die Angemessenheit des Preis-Leistungsverhältnisses und die Hauptleistungspflichten<br />
kontrolliert und ggf. von den Gerichten angepasst werden können.<br />
<strong>Die</strong> vorangegangene Übersicht verdeutlicht, dass die Generalklausel in den Mitgliedstaaten<br />
ganz unterschiedlich ausgestaltet wurde. Das Erfordernis von „Treu und Glauben“ wird nur in<br />
insgesamt 15 Mitgliedstaaten explizit erwähnt, nämlich in BULGARIEN, ZYPERN, der TSCHE-<br />
CHISCHEN REPUBLIK, D<strong>EU</strong>TSCHLAND, UNGARN, IRLAND, ITALIEN, LETTLAND, MALTA, POLEN,<br />
PORTUGAL, RUMÄNIEN, SLOWENIEN, SPANIEN und im VEREINIGTEN KÖNIGREICH.<br />
Folgende Länder beziehen sich in der Generalklausel direkt auf das Kriterium „erhebliches<br />
Missverhältnis“: BELGIEN, BULGARIEN, ZYPERN, DÄNEMARK, ESTLAND, GRIECHENLAND,<br />
FRANKREICH, UNGARN, IRLAND, ITALIEN, LITAUEN, LUXEMBURG, MALTA, POLEN, PORTUGAL,<br />
RUMÄNIEN, SLOWAKEI, SLOWENIEN, GRIECHENLAND, SPANIEN, und das VEREINIGTE KÖNIG-<br />
REICH. Davon erwähnen allerdings sieben Länder nicht zusätzlich (jedenfalls nicht ausdrück-<br />
421
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
lich 76 ) das Gebot von „Treu und Glauben“: BELGIEN, DÄNEMARK, FRANKREICH, GRIECHEN-<br />
LAND, LITAUEN, LUXEMBURG und die SLOWAKEI. <strong>Die</strong>s führt dazu, dass in den erwähnten Ländern<br />
die Beweislast zugunsten des Verbrauchers abgesenkt wird, da der Verbraucher nur ein<br />
erhebliches Missverhältnis und nicht einen Verstoß gegen Treu und Glauben beweisen muss.<br />
Unterschiedlich wird in den Mitgliedstaaten auch die Frage behandelt, ob Hauptleistungspflichten<br />
einer Inhaltskontrolle unterzogen werden können. In ÖSTERREICH, DÄNEMARK,<br />
GRIECHENLAND, LETTLAND, LUXEMBURG, RUMÄNIEN, SLOWENIEN, SPANIEN und SCHWEDEN<br />
ist Art. 4(2) (1. Alternative) nicht umgesetzt worden, so dass eine Kontrolle der Hauptleistungspflichten<br />
und des Preis-Leistungsverhältnisses grundsätzlich möglich ist. In manchen<br />
Mitgliedstaaten (wie beispielsweise in GRIECHENLAND und SPANIEN), hat dieses Schweigen<br />
des Gesetzgebers allerdings eine erhebliche Rechtsunsicherheit hervorgerufen; im Schrifttum<br />
und in der Rechtsprechung werden daher unterschiedliche Lösungsmodelle vorgeschlagen,<br />
jeweils mit anderen Ergebnissen. 77<br />
3. Umsetzung des Anhangs der Klausel-Richtlinie in den Mitgliedstaaten<br />
a. Rechtsnatur des Anhangs<br />
Nach Art. 3(3) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> enthält der Anhang „eine als Hinweis dienende und nicht<br />
erschöpfende Liste der Klauseln, die für missbräuchlich erklärt werden können.“ Eine gegen<br />
den Anhang verstoßende Klausel ist insofern nicht zwangsläufig als „missbräuchlich“ anzusehen.<br />
Der Anhang enthält also mit anderen Worten – anders als noch die Vorentwürfe zur<br />
Klausel-Richtlinie 78 – keine so genannte „schwarze Liste“ stets (per se) unverbindlicher Klauseln.<br />
Der Annex hat vielmehr – wie der EuGH in der Rs. C-478/99 hervorgehoben hat 79 –<br />
einen „Hinweis- und Beispielcharakter“. <strong>Die</strong> Liste liefert somit, wie Generalanwalt Geelhoed<br />
76<br />
Das litauische Verbraucherschutzgesetz verwendet beispielsweise stattdessen den Ausdruck „good will”.<br />
77<br />
Rechtsvergleichend Cámara Lapuente, El control.<br />
78<br />
Siehe KOM (1990), 322 endg. und KOM (1992), 66 endg.<br />
79<br />
EuGH, Urteil vom 7. Mai 2002, Rs. C-478/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
Schweden), Slg. 2002, I-4147, Rn. 22.<br />
422
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
in seinen Schlussanträgen betont 80 – „gerichtlichen und anderen zuständigen Instanzen, Verbänden<br />
sowie einzelnen Verbrauchern und Gewerbetreibenden einen Anhaltspunkt für die<br />
Auslegung des Begriffes „missbräuchliche Klausel“. Ihnen wird auf diese Weise durch die<br />
Konkretisierung der Generalklausel des Artikels 3 Absatz 1 als des wichtigsten Maßstabs für<br />
die Beurteilung der Missbräuchlichkeit einer vertraglichen Klausel mehr Sicherheit geboten.“<br />
Insoweit wird üblicherweise davon gesprochen, dass der Anhang der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> nur eine<br />
„graue Liste“ enthält.<br />
b. Umsetzung des Anhangs in den Mitgliedstaaten<br />
<strong>Die</strong> folgende Tabelle gibt Auskunft darüber, ob die in Nr. 1 lit. a-q des Richtlinienanhangs zu<br />
findenden Vorschriften (1) als schwarze Liste umgesetzt worden sind, so dass hiergegen ver-<br />
stoßenden Klauseln stets als missbräuchlich anzusehen sind, (2) als graue Liste, so dass Klauseln<br />
für missbräuchlich erklärt werden können, oder (3) ob die betreffenden Vorschriften des<br />
Anhangs überhaupt nicht umgesetzt worden sind. 81<br />
<strong>Die</strong> nachstehende Tabelle kann dabei – dies sei einschränkend vorausgeschickt – allein das<br />
geschriebene Recht wiedergeben, nicht jedoch die im Einzelnen weit verzweigte, schwer zu<br />
erfassende Rechtsprechung. Es kann daher im Einzelfall durchaus sein, dass „graue Listen“<br />
durch die Rechtsprechung eines Mitgliedslands „schwarze Liste“ geworden sind. Soweit mög-<br />
lich, wird in Fußnoten jedoch zumindest auf die in der Datenbank wiedergegebenen Urteile<br />
verwiesen.<br />
In den Ländern ÖSTERREICH, BELGIEN, BULGARIEN, der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, ESTLAND,<br />
GRIECHENLAND, LETTLAND, LITAUEN, LUXEMBURG, MALTA, RUMÄNIEN, SLOWENIEN 82 und<br />
SPANIEN werden die Klauseln des Anhangs – sofern sie umgesetzt wurden - immer als missbräuchlich<br />
betrachtet (schwarze Liste). In MALTA kann der für Verbraucherangelegenheiten<br />
80<br />
In Rn. 29.<br />
81<br />
Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Verbraucher sich auf die Unverbindlichkeit der Klausel berufen<br />
muss, vgl. hierzu Teil 2 C.IV.4.b.<br />
82<br />
Der Wortlaut des slowenischen Verbraucherschutzgesetzes („Vertragsklauseln werden als missbräuchlich<br />
anerkannt“) deutet auf eine schwarze Liste hin, allerdings wird diese Interpretation bislang weder durch das<br />
Schrifttum noch durch die Rechtsprechung bestätigt.<br />
423
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
zuständige Minister nach Konsultation des Rates für Verbraucherfragen Klauseln gleich welcher<br />
Art zur schwarzen Liste hinzufügen, ersetzen oder widerrufen. D<strong>EU</strong>TSCHLAND, UNGARN,<br />
ITALIEN, die NIEDERLANDE und PORTUGAL haben demgegenüber teils schwarze teils graue<br />
Listen gewählt. In einigen Ländern enthält die schwarze Liste wesentlich mehr Klauselverbote<br />
als in der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vorgeschrieben, so insbesondere in BELGIEN, 83 ESTLAND, MAL-<br />
TA, PORTUGAL und SPANIEN.<br />
In ZYPERN, FRANKREICH, IRLAND, POLEN, der SLOWAKEI und dem VEREINIGTEN KÖNIGREICH<br />
gibt es demgegenüber nur graue Listen. In besonderen Fällen kann allerdings auch hier sonstige<br />
Gesetzgebung (wie beispielsweise im Falle des VEREINIGTEN KÖNIGREICHS durch den<br />
UCTA 1977) dazu führen, dass bestimmte Klauseln stets als missbräuchlich zu betrachten<br />
sind. Demgegenüber ist der Anhang in FRANKREICH nur als ein „schwaches Grau” ausgestaltet<br />
worden, denn die Liste ist nicht für den Richter verbindlich. Vielmehr haben die im An-<br />
hang aufgeführten Klauseln nur eine hinweisende Funktion, da gem. Art. L <strong>13</strong>2-1(3), S. 2<br />
Code de la Consommation der Verbraucher in einem Rechtsstreit nicht davon entlastet wird,<br />
die Missbräuchlichkeit der Klausel zu beweisen. Der Richter muss daher von Fall zu Fall entscheiden,<br />
ob eine Klausel im Einzelfall missbräuchlich ist.<br />
In DÄNEMARK, FINNLAND und SCHWEDEN wurde der Anhang der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> überhaupt<br />
nicht umgesetzt, allerdings wurde der Anhang zur Richtlinie zumindest in den Gesetzgebungsmaterialien<br />
zur Umsetzung der Richtlinie wiedergegeben und nach herkömmlicher<br />
Rechtstradition in den nordischen Staaten bilden diese vorbereitenden Materialien eine wichtige<br />
Auslegungshilfe. Der EuGH hat diese Gesetzgebungstechnik in der Rs. C-478/99 aus-<br />
drücklich gebilligt. 84 Problematisch ist die Nichtumsetzung des Richtlinienanhangs hingegen<br />
in Ländern, in denen einzelne Teile des Anhangs nicht ausdrücklich umgesetzt worden sind.<br />
Hier besteht die Gefahr, dass der Verbraucher über die Funktion und den Inhalt des Richtlinienumfangs<br />
irregeführt wird.<br />
83<br />
Vgl. Art. 32 GHP. Das GfB führt demgegenüber nur die in Anhang Nr. 1 der Richtlinie aufgeführten Klauseln<br />
als schwarze Klauseln auf.<br />
84<br />
EuGH, Urteil vom 7. Mai 2002, Rs. C-478/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
Schweden), Slg. 2002, I-4147.<br />
424
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
1. Tabelle: Umsetzung des Anhangs Nr. 1 lit. a-q der Klausel-Richtlinie<br />
Artikel<br />
Richtlinie<br />
der Klausel-<br />
Anhang Nr. 1a<br />
Haftungsbeschränkung für<br />
Tod oder Körperschäden<br />
Anhang Nr. 1b<br />
Freizeichnung für Pflichtverletzung<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Schwarze Klauseln Graue Klauseln Keine Umsetzung<br />
AT 85 , BE, BG, CZ EE, DE 86 ,<br />
EL, HU, IT 87 , LV, LT, LU,<br />
PT 88 , RO, ES 89 , SL, UK 90<br />
AT <strong>93</strong> , BE 94 , BG, CZ, EE,<br />
EL 95 ; DE 96 , IT 97 , LV, LT,<br />
LU, MT 98 , NL 99 , RO 100 , ES,<br />
CY, FR, IE, NL, PL 91 , SK DK, FI, SE, MT 92<br />
CY, FR 102 , HU 103 , IE 104 , NL,<br />
PL, SK<br />
DK, FI, PT, SE<br />
85 Vgl. OGH, 22. Februar 2001, 6 Ob 160/00y; OGH, 19. November 2002, 4 Ob 179/02f; OGH, 7 Oktober 2003,<br />
4 Ob <strong>13</strong>0/03a; OGH, 25 April 1995, 4 Ob 522/95.<br />
86 Im Unterschied zur Richtlinie verlangen die deutschen Vorschriften (§§ 309 Nr. 7a, 276(3) BGB) ein schuld-<br />
haftes Verhalten des Klauselverwenders.<br />
87 <strong>Die</strong> italienische „black letter rule” bezieht sich auch auf im Einzelnen ausgehandelte Klauseln.<br />
88 Vgl. Rechtssache STJ, 6. Mai 19<strong>93</strong>, P. 83348.<br />
89 Im Unterschied zur Richtlinie erwähnt die spanische Regelung „Schäden, Tod oder Verletzungen“ des<br />
Verbrauchers („por los daños o por la muerte o lesiones“), ohne dabei (wie die Richtlinie) einen Körperschaden<br />
zu verlangen; dementsprechend werden nach spanischem Recht sowohl Nichtvermögensschäden bzw. immaterielle<br />
Schäden („daño moral“) als auch Vermögensschäden erfasst.<br />
90 Während die der Umsetzung der Klausel-Richtlinie dienende Unfair Terms in <strong>Consumer</strong> Contracts Regulation<br />
1999 (UTCCR) nur auf Verbraucherverträge anwendbar ist, bezieht sich der Unfair Contract Terms Act (UCTA)<br />
1977 auch auf B2B-Verträge und in diesem Rahmen auch auf die Kontrolle von Haftungsfreizeichnungsklauseln.<br />
Nach § 2(1) des UCTA 1977 ist eine Klausel unwirksam, wenn sie die Haftung für Fahrlässigkeit bei Tod<br />
oder Körperschäden einschränkt. Darüber hinaus darf nach §§ 10 und 23 UCTA 1977 die sich nach dem Hauptvertrag<br />
ergebende Haftung nicht durch einen zweiten Vertrag eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. <strong>Die</strong><br />
UTCCR 1999 enthält dementsprechend eine graue, der Richtlinie entsprechende Liste, während nach dem UC-<br />
TA jegliche Haftungsfreizeichnung für Tod oder Körperschäden im Sinne einer schwarzen Klausel ausgeschlossen<br />
wird und somit automatisch unwirksam ist.<br />
91 In Art. 385.3, 1. Spiegelstrich CC wird nicht ausdrücklich auf den Tod des Verbrauchers Bezug genommen.<br />
92 Keine direkte Umsetzung. <strong>Die</strong> in Art. 44 aufgelisteten Klauseln sind allerdings nicht abschließend, außerdem<br />
enthält die Vorschrift auch Klauseln, die nicht im Anhang der Richtlinie aufgeführt sind.<br />
<strong>93</strong> OGH, 6. September 2001, 2 Ob 198/01h; OGH, 22. Februar 2001, 6 Ob 160/00y; OGH, 19. November 2002, 4<br />
Ob 179/02f; OGH, 7. Oktober 2003, 4 Ob <strong>13</strong>0/03a; OGH, 25. April 1995, 4 Ob 522/95.<br />
94 Im GHP und GfB wird das Verbot der Freizeichnung für Pflichtverletzungen detaillierter als in der Richtlinie<br />
geregelt.<br />
95 <strong>Die</strong> Klausel wird durch zahlreiche Regelungen des Verbraucherschutzgesetzes umgesetzt (Art. 2 des Statute<br />
Nr. 2251-1994).<br />
96 Teilweise umgesetzt in §§ 309 Nr. 7, 309 Nr. 8, 307(2), 475 BGB; vgl. OLG Saarbrücken, 29. August 2001, 1<br />
U 321/01.<br />
97 <strong>Die</strong> italienische „black letter rule” bezieht sich auch auf im Einzelnen ausgehandelte Klauseln.<br />
98 Vgl. Qorti Civili Prim’ Awla (MT), <strong>13</strong>. November 1995, Silvana wife of Raymond Camillerivs. Alfred Pisani<br />
noe et; Qorti tal-Kummerc, 22. November 1985, Carmelo Grima noe vs Carmel Vella Brincat noe.<br />
99 Sowohl als schwarze Klausel (Art. 6:236 c-d BW) als auch als graue Klausel (Art. 6:237 lit. (f) BW) umge-<br />
setzt.<br />
100 Anhang lit. h und lit. o des Gesetzes Nr. 1<strong>93</strong> vom 6. November 2000 über missbräuchliche Vertragsklauseln<br />
in Verträgen zwischen Verkäufern und Ver-brauchern.<br />
101 Nach § 3(2) lit. (b) UCTA 1977 darf das Vertragsprogramm nicht in Widerspruch zu den berechtigten Erwartungen<br />
der anderen Vertragspartei umgestaltet werden. Es handelt sich dementsprechend um eine schwarze<br />
Klausel; vgl. die obigen Ausführungen.<br />
425
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Anhang Nr. 1c<br />
Bedingung, deren Eintritt<br />
vom Willen des Gewerbetreibenden<br />
abhängt<br />
Anhang Nr. 1d<br />
Möglichkeit des Gewerbetreibenden,<br />
bereits vom<br />
Verbraucher gezahlte Beträge<br />
einzubehalten, wenn<br />
dieser darauf verzichtet, den<br />
Vertrag abzuschließen oder<br />
zu erfüllen, ohne dass für<br />
den Verbraucher ein Anspruch<br />
auf Entschädigung<br />
in entsprechender Höhe<br />
seitens des Gewerbetreibenden<br />
vorgesehen wird,<br />
wenn dieser selbst es unterlässt<br />
Anhang Nr. 1e<br />
Unverhältnismäßig hohe<br />
SL, UK 101<br />
AT 105 , BE, BG, CZ EE, LT,<br />
LU, MT, ES, SL 106<br />
AT, BE, BG, CZ, EE, DE 109 ,<br />
LV, LT, LU, MT, RO, ES<br />
AT, BE 110 , BG, CZ, EE, EL,<br />
DE, LV, LT, MT, RO, ES,<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
CY 107 , FR, DE, HU, IE, IT,<br />
NL, PL, SK, UK<br />
CY, FR, DE, HU, IE, IT, NL,<br />
PL, SK, UK<br />
CY, FR, HU, IE, IT 111 , NL,<br />
PL, PT 112 , SK, UK<br />
426<br />
DK, EL, FI, LV, PT,<br />
RO 108 , SE<br />
DK, EL, FI, PT, SL, SE<br />
DK, FI, LU, SE<br />
102<br />
Lange vor Umsetzung der Richtlinie wurden vom Conseil d’État zwei Dekrete erlassen, in denen die Verwendung<br />
bestimmter Klauseln verboten wurde; einige Abschnitte dieser Dekrete sind immer noch in Kraft.<br />
Gem. Art. 2 des Dekrets 78-464 vom 24. März 1978 ist jede in einem Kaufvertrag verwendete Klausel unwirksam,<br />
durch die die Rechte des Käufers bei Nichterfüllung eingeschränkt werden.<br />
103<br />
Klauseln, durch die die gesetzlichen Verbraucherrechte ausgeschlossen oder beschränkt werden, sind regelmäßig<br />
als missbräuchlich zu betrachten (Art. 2 lit. (h) des Rechtsverordnung 18/1999, II.5.). Das Recht des<br />
Verbrauchers zur Aufrechnung kann niemals ausgeschlossen werden (Art. 1 (1) lit. (f) Rechtsverordnung<br />
18/1999, II.5).<br />
104<br />
Vgl. HC, 20. Dezember 2001, Sp. 229 Applicant - The Director of <strong>Consumer</strong> Affairs.<br />
105<br />
Vgl. OGH, 26. Januar 1994, 9 ObA 361/<strong>93</strong>.<br />
106<br />
Ungenaue Umsetzung: Vertragsklauseln sind missbräuchlich, wenn sie dem Verkäufer das Recht einräumen,<br />
einseitig wesentliche Bestimmungen des Vertrages zu ändern.<br />
107<br />
<strong>Die</strong> nationale Bestimmung bezieht sich nicht (wie in der Richtlinie vorgeschrieben) darauf, dass der<br />
„Verbraucher eine verbindliche Verpflichtung eingeht”, sondern auf den Ausschluss der Rechte des Verbrauchers,<br />
den Vertrag zu kündigen.<br />
108<br />
<strong>Die</strong>se Bestimmung wurde nicht umgesetzt, da nach rumänischem Recht die Vereinbarung einer Bedingung,<br />
deren Eintritt nur vom Willen des Schuldners abhängig ist, unzulässig ist. Eine solche Klausel ware nichtig.<br />
109<br />
Sowohl als schwarze Klausel (§ 309 Nr. 5 BGB) als auch als graue Klausel (§ 308 Nr. 7 BGB) umgesetzt.<br />
110<br />
Nach Art. 1231 CC hat das Gericht die Möglichkeit, den Entschädigungsbetrag zu reduzieren. <strong>Die</strong> Vorschriften<br />
des GHP zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln sind gegenüber den Vorschriften des Zivilgesetzbuchs als<br />
lex specialis zu betrachten, vgl. Hof van Beroep Gent, 3. März 2004, Algemeen ziekenhuis Sint-Lucas v.z.w. / I.<br />
Bruynooghe; Hof van Beroep Gent, 8. Oktober 2003, Immostad b.v.b.a. / Van Ammel G.; Hof van Beroep Gent,<br />
4. März 2003, Algemeen Ziekenhuis St-Lucas VZW / R. Jonckheere.<br />
111<br />
Vgl. Tribunale Ivrea, Urteil vom 11. Juli 2005.<br />
112<br />
Siehe STJ, 6. Oktober 1998, 855/98.
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Entschädigungsbeträge SL<br />
Anhang Nr. 1f<br />
Recht des Gewerbetreibenden,<br />
den Vertrag nach freiem<br />
Ermessen zu kündigen<br />
und Beträge im Falle der<br />
Kündigung einzubehalten,<br />
die für von ihm noch nicht<br />
erbrachte Leistungen gezahlt<br />
wurden<br />
Anhang Nr. 1g<br />
Kündigung eines unbefristeten<br />
Vertrages ohne angemessene<br />
Frist<br />
Anhang Nr. 1h<br />
Automatische Verlängerung<br />
eines befristeten Vertrages<br />
AT 1<strong>13</strong> , BE 114 , BG, CZ, EE,<br />
EL, DE 115 , HU, LV, LT, LU,<br />
RO, ES, SL 116<br />
AT, BE (GfB), BG, CZ, EE,<br />
EL, HU, LV, LT, RO 118 , ES,<br />
SL<br />
AT 120 , BE 121 , BG, CZ, EE,<br />
EL 122 , DE 123 , LV, LT, LU,<br />
NL, RO, ES, SL<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
CY, FR, DE, IE, IT, NL,<br />
PL 117 , PT, SK, UK<br />
CY, FR, IE, IT, NL, PL,<br />
PT 119 , SK, UK<br />
CY, FR, HU, IE, IT, PL, PT,<br />
SK, UK<br />
DK, FI, MT, SE<br />
427<br />
BE (GHP), DK, FI, DE,<br />
LU, MT, SE<br />
DK, FI, MT, SE<br />
Anhang Nr. 1i AT, BE, CZ, EE, EL 124 , DE, CY, FR, IE, NL, PL 127 , PT, DK, FI, SE<br />
1<strong>13</strong> Siehe OGH, 20. November 2002, 5 Ob 266/02g.<br />
114 Hervorzuheben ist, dass die im GHP vorgeschriebene schwarze Liste Klauseln verbietet, die dem Verkäufer<br />
das Recht einräumen, vom Verbraucher gezahlte Beträge einzubehalten, wenn sich der Verbraucher dazu entschließt,<br />
den Vertrag nicht abzuschließen; die Vorschrift enthält demgegenüber nicht (wie die Klausel-<br />
Richtlinie) den Zusatz „wenn das gleiche Recht nicht auch dem Verbraucher eingeräumt wird (...)“. <strong>Die</strong> nach der<br />
Richtlinie vorausgesetzte Asymmetrie bei Kündigungsklauseln wurde somit nicht vom GHP übernommen.<br />
115 Sowohl als schwarze Klausel (§ 309 Nr. 5 BGB) als auch als graue Klausel (§ 308 Nr. 3 BGB) umgesetzt.<br />
116 Unklar umgesetzt: Vertragsklauseln sind missbräuchlich, wenn der Verkäufer den Vertrag einseitig jederzeit<br />
aufheben kann.<br />
117 Nicht wortwörtlich umgesetzt: Das Zivilgesetzbuch (Spiegelstrich 14) bezieht sich vielmehr auf Klauseln, die<br />
das Recht des Verbrauchers ausschließen, den Vertrag aufzulösen oder zu widerrufen. Spiegelstrich <strong>13</strong> bezieht<br />
sich auf Vertragsauflösungsrechte, die beiden Vertragsparteien zustehen.<br />
118 Anhang lit. t des Gesetzes Nr. 1<strong>93</strong> vom 6. November 2000 über missbräuchliche Vertragsklauseln in Verträgen<br />
zwischen Verkäufern und Verbrauchern: „… die es dem Verkäufer ermöglichen, einen Vertrag mit unbefristeter<br />
Laufzeit ohne vorherige Ankündigung zu beenden. Ausgenommen ist die Kündigung aus einem berechtigten<br />
Grund, der vom Verbraucher zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages anerkannt wurde“ .<br />
119 Vgl. STJ, 23. November 1999, 99A796.<br />
120 Vgl. OGH, 25. August 1998, 1 Ob 176/98h.<br />
121 Vgl. Hof van Beroep Gent, 3. März 2004 Algemeen ziekenhuis Sint-Lucas v.z.w. / I. Bruynooghe.<br />
122 Griechenland klassifiziert sämtliche Klauseln als missbräuchlich, die eine unverhältnismäßig lange Vertragsverlängerung<br />
oder Vertragserneuerung zur Folge haben, wenn der Verbraucher den Vertrag nicht vor einem<br />
näher spezifizierten Termin gekündigt hat (Art. 2(7) lit. (d) des Gesetzes Nr. 2251/1994 zum Verbraucherschutz).<br />
123 Der in der Richtlinie verwendete Ausdruck „ungebührlich weit entferntes Datum” ist vom deutschen Gesetzgeber<br />
wie folgt konkretisiert worden: „längere Kündigungsfrist als drei Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen<br />
oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer“.<br />
124 Das Erfordernis, dass der Verbraucher vor Vertragsschluss von den Klauseln tatsächlich Kenntnis nehmen<br />
konnte, wird im griechischen Recht als eine Einbeziehungsvoraussetzung begriffen.
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Unwiderrufliche Bindung<br />
des Verbrauchers an Klauseln,<br />
von denen er nicht<br />
tatsächlich Kenntnis nehmen<br />
konnte<br />
Anhang Nr. 1j<br />
Einseitige Klauseländerung<br />
Anhang Nr. 1k<br />
Einseitige Leistungsänderung<br />
Anhang Nr. 1l<br />
Einseitige Preisfestsetzung<br />
oder –erhöhung<br />
HU 125 , IT, 126 LV, LT, LU,<br />
MT, RO, ES, SL<br />
AT, BE, BG, CZ, EE, EL 128 ,<br />
LV, LT, LU 129 , MT, RO, ES,<br />
SL<br />
AT <strong>13</strong>2 , BE <strong>13</strong>3 , BG, CZ, EE,<br />
EL <strong>13</strong>4 , LV, LT, LU, MT, PT,<br />
RO, SL<br />
AT <strong>13</strong>7 , BE <strong>13</strong>8 , BG, CZ, EE,<br />
DE, EL <strong>13</strong>9 , LV, LT, LU, MT,<br />
NL, RO, ES, SL<br />
SK, UK<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
CY, FR <strong>13</strong>0 , HU, IE, IT, NL,<br />
PL, PT, SK, UK<br />
CY, FR, DE, HU, IE, IT, NL,<br />
PL <strong>13</strong>5 , SK, UK<br />
CY, FR, IE, HU, IT, PL, PT,<br />
SK, UK<br />
DK, FI, DE <strong>13</strong>1 , SE<br />
DK, FI, ES <strong>13</strong>6 , SE<br />
DK, FI, SE<br />
Anhang Nr. 1m AT, BE, BG, CZ, EE, EL 140 , CY, FR, IE, IT, PL 142 , SK, DK, FI, DE 143 , LV, SE<br />
125 Vgl. Art. 205/B CC: „Standardvertragsbedingungen werden nur dann in den Vertrag einbezogen, wenn sie<br />
der anderen Vertragspartei zur Durchsicht gegeben werden und die Vertragsbedingungen ausdrücklich oder<br />
konkludent akzeptiert worden sind.“<br />
126 <strong>Die</strong> italienische „black letter rule” bezieht sich auch auf im Einzelnen ausgehandelte Klauseln.<br />
127 Das polnische Zivilgesetzbuch bezieht sich nur auf in den Vertrag einbezogene Klauseln, nicht jedoch auf die<br />
„unwiderlegbare“ Zustimmung des Verbrauchers zu Klauseln.<br />
128 Vgl. A.P., 16. Februar 2001, A.P. 296/2001; A.P. 1219/2001; A.P., 4. Mai 2001, A.P. 1030/2001.<br />
129 Vgl. CA Luxembourg, 27. Februar 1996.<br />
<strong>13</strong>0 Gem. Art. 3 des Dekrets 78-464 vom 24. März 1978 (erlassen durch den Conseil d’État) ist eine Vertragsklausel<br />
in einem Kaufvertrag, Mietvertrag, <strong>Die</strong>nstvertrag oder Werkvertrag unwirksam, wenn sich durch sie der<br />
Verkäufer/<strong>Die</strong>nstleistungsanbieter einseitig das Recht zur Änderung der Vertragsbedingungen vorbehält.<br />
<strong>13</strong>1 Erfasst durch die Generalklausel in § 307(2), S. 1 BGB.<br />
<strong>13</strong>2 Siehe OGH, 17. April 2002, 7 Ob 287/01h.<br />
<strong>13</strong>3 Das GHP verbietet eine Klausel zur einseitigen Leistungsänderung lediglich dann, wenn die betreffenden<br />
Leistungen aus der Sicht des Verbrauchers wesentlich sind (bzw. – unter besonderen Umständen für den beabsichtigten<br />
Gebrauch wesentlich sind). Das GfB enthält demgegenüber keine solche Beschränkung.<br />
<strong>13</strong>4 Keine direkte Umsetzung. Nach dem Prinzip der Privatautonomie (Art. 361 CC) bedarf jedoch jede Vertragsänderung<br />
einer neuen Vereinbarung beider Parteien. Vgl. ferner A.P., 4. Mai 2001, A.P. 1030/2001.<br />
<strong>13</strong>5 Im Unterschied zur Richtlinie werden nach dem polnischen Zivilgesetzbuch nur „wesentliche“ Merkmale des<br />
zu liefernden Erzeugnisses oder der zu erbringenden <strong>Die</strong>nstleistung erfasst.<br />
<strong>13</strong>6 <strong>Die</strong> Vorschrift wurde zwar nicht umgesetzt, könnte jedoch über den weiten Wortlaut der Ergänzungsbestimmung<br />
Nr. 1 des Gesetzes Nr. 26/1984 vom 19. Juli 1984 zum Schutz von Verbrauchern, Abschnitt I, Klauselverbot<br />
2 erfasst werden (dort werden die Klauselverbote Nr. 1g, 1j und Nr. 1m der Richtlinie umgesetzt).<br />
<strong>13</strong>7 Vgl. OGH, 17. November 2004, 7 Ob 207/04y; OGH, 24. Juni 2003, 4 Ob 73/03v; OGH, 17. Dezember 2002,<br />
4 Ob 265/02b; OGH, 20. November 2002, 5 Ob 266/02g; OGH, 22. März 2001, 4 Ob 28/01y.<br />
<strong>13</strong>8 Nach dem GHP ist eine Klausel missbräuchlich, wenn die einseitige Preisfestsetzung allein vom Willen des<br />
Verkäufers abhängt. <strong>Die</strong> Richtlinie (Anhang Nr. 1l) enthält eine solche Einschränkung demgegenüber nicht.<br />
<strong>13</strong>9 In Griechenland werden sämtliche Klauseln für missbräuchlich erachtet, die ohne triftigen Grund die Gegenleistung<br />
offen lassen, ohne dass die Leistung nach im Vertrag festgelegten (für den Verbraucher billigen) Kriterien<br />
bestimmt werden kann. Missbräuchlich ist eine Klausel ferner dann, wenn sie Vertragslösungsrechte des<br />
Verbrauchers im Falle einer unverhältnismäßigen Preiserhöhung beschränkt (Art. 2(7) lit. k und r des Gesetzes<br />
Nr. 2251/1994).<br />
140 Lediglich die erste Alternative wurde umgesetzt.<br />
141 Vgl. CA Kummercjali, 22. Januar 1992, Mario Bezzinavs Albert Mizzi et noe.<br />
428
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Recht des Gewerbetreibenden<br />
zu bestimmen, ob die<br />
Ware oder <strong>Die</strong>nstleistung<br />
den Vertragsbestimmungen<br />
entspricht; einseitiges Recht<br />
zur Auslegung einer Vertragsklausel<br />
Anhang Nr. 1n<br />
Einschränkung des Gewerbetreibenden,<br />
an Erklärungen<br />
seines Vertreters gebunden<br />
zu werden<br />
Anhang Nr. 1o<br />
Verpflichtung des Verbrauchers<br />
zur Erfüllung seiner<br />
Pflichten, obwohl der Gewerbetreibende<br />
seine<br />
Pflichten nicht erfüllt<br />
Anhang Nr. 1p<br />
Möglichkeit des Gewerbetreibenden<br />
zur Abtretung<br />
des Vertrags ohne Zustimmung<br />
des Verbrauchers<br />
HU, LT, LU, MT 141 , NL, PT,<br />
RO, ES, SL<br />
AT 144 , BE, BG, EE, CZ,<br />
DE 145 , EL, HU, LV, LT, LU,<br />
MT, ES, SL<br />
AT 146 , BE, BG, CZ, EE, EL,<br />
HU, LT, LU, MT, NL, PT,<br />
RO, ES, SL<br />
AT 147 , BE, BG, CZ, EE, DE,<br />
EL, HU, LV, LT, LU, MT,<br />
NL, PT 148 , RO, ES 149 , SL 150<br />
UK<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
CY, FR, IE, IT, NL, PL, PT,<br />
SK, UK<br />
CY, FR, DE, IE, IT, PL, SK,<br />
UK<br />
CY, FR, IE, IT 151 , PL 152 , SK,<br />
UK<br />
DK, FI, RO, SE<br />
DK, FI, LV, SE<br />
DK, FI, SE<br />
Anhang Nr. 1q AT 153 , BE 154 , BG, CZ, EE, CY, FR, IE, IT 156 , PL 157 , SK, DK, FI, SE<br />
142 Vgl. Sąd Antymonopolowy (PL), 30. September 2002, T XVII Amc 47/01 Präsident des Amtes für Wettbewerbs-<br />
und Verbraucherschutz – Powszechna Kasa.<br />
143 Anhang Nr. 1m wurde zwar nicht wörtlich umgesetzt, jedoch kann auf § 307(2), Nr. 1 BGB zurückgegriffen<br />
werden.<br />
144 Vgl. OGH, 28. April 1999, 3 Ob 246/98t.<br />
145 Keine wörtliche Umsetzung, jedoch kann auf die Generalklausel und auf Spezialregelungen im Handels- und<br />
Versicherungsrecht zurückgegriffen werden (§ 307(2) Nr. 1 in Verbindung mit § 164(1) BGB, § 56 HGB, §§ 43-<br />
47 VVG.<br />
146 Vgl. OGH, 23. Februar 1999, 1 Ob 58/98f.<br />
147 Vgl. OGH, 28. April 1999, 3 Ob 246/98t; OGH, 4. November 1997, 10 Ob 367/97m.<br />
148 Vgl. STJ, 6. Mai 19<strong>93</strong>, P. 83348.<br />
149 Nach spanischem Recht ist eine Klausel missbräuchlich, wenn sie eine „Haftungsbefreiung für die Abtretung<br />
des Vertrages an einen Dritten“ vorsieht. Demzufolge wird eine bloße Abtretung (“cesión”) als solche nicht als<br />
missbräuchlich betrachtet. Vielmehr greift das Klauselverbot erst dann, wenn sie die Haftung für eine Abtretung<br />
einschränkt.<br />
150 Das Klauselverbot bezieht sich auf die Möglichkeit der Abtretung des Vertrages an einen Dritten, dessen<br />
Name nicht ausdrücklich im Vertrag genannt wird. Das Erfordernis „ohne Zustimmung des Verbrauchers“ wird<br />
demgegenüber im slowenischen Verbraucherschutzgesetz nicht genannt.<br />
151 Vgl. Tribunale Rome, Urteil vom 18. Juni 1998, Movimento Federativo Democratico v. A.B.I. e altri.<br />
152 <strong>Die</strong> in der Klausel-Richtlinie erwähnte „Verringerung der Sicherheiten für den Verbraucher” wurde nicht<br />
übernommen.<br />
153 Vgl. OGH, 27. Mai 2003, 1 Ob 244/02t.<br />
429
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Ausschluss oder Einschränkung<br />
der Rechte des<br />
Verbrauchers, Rechtsbehelfe<br />
bei Gericht einzulegen;<br />
Einschränkung der dem<br />
Verbraucher zur Verfügung<br />
stehenden Beweismittel<br />
oder Auferlegung der Beweislast<br />
DE, EL 155 , HU, LV, LT, LU,<br />
MT, NL, PT, RO, ES, SL<br />
2. Tabelle: Umsetzung des Anhangs Nr. 2 lit. a-d der Klausel-Richtlinie<br />
UK<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Anhang Nr. 2 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> sieht einige Ausnahmen für Klauseln vor, die in Finanzdienstleistungsverträgen<br />
verwendet werden. <strong>Die</strong> nachfolgende Übersicht gibt Auskunft darüber,<br />
ob ein Mitgliedstaat ausdrücklich von diesen Ausnahmen Gebrauch gemacht hat oder<br />
ein gegenüber der Richtlinie höheres Schutzniveau vorsieht, indem Anhang Nr. 2 nicht umgesetzt<br />
wurde.<br />
Artikel der Klausel-Richtlinie Umgesetzt Keine Umsetzung<br />
Anhang Nr. 2a<br />
BE (GfB), BG, CY, CZ, EE, ES, AT, BE (GHP),<br />
Ausnahme von Nr. 1g für Finanz- FR, IE, IT, SK, UK<br />
dienstleister<br />
158 DK, FI, DE,<br />
EL 159 , HU, LV, LT, LU, MT, NL,<br />
PL, PT, RO, SL, SE<br />
Anhang Nr. 2b S. 1 BE, BG 160 , CY, CZ, EE, ES, FR, AT, DK, FI, DE, EL 161 , HU, LV,<br />
154 Nur teilweise umgesetzt, denn das GHP verbietet keine Schiedsgerichtsklauseln. Darüber hinaus wird nur<br />
eine Beschränkung der zur Verfügung stehenden Beweismittel erwähnt, nicht aber eine Erschwerung der Beweislast<br />
erwähnt.<br />
155 Vgl. A.P. 1219/2001.<br />
156 Vgl. Cass., 29. September 2004, n. 19591/2004 Credito Emiliano S.p.A. v. Pugliese Vincenzo; Cass., 20.<br />
August 2004, no. 16336/2004 Soc. Tegola Canadese v. Concato Lida; Cass., 21. Juni 2004, 11487 Vitali v. Assitalia<br />
S.p.a.; Cass., 28. November 2003, no. 18290/2003 Gianmarco Achille v. Autoberardi s.r.l.; Cass., 1. Oktober<br />
2003, 14669 Abrescia v. Consultur S.r.l.; Cass., 9. Dezember 2002, 17475 C. Larato v. Axa Assicurazioni<br />
S.p.a. und Isvap.<br />
157 <strong>Die</strong> Einschränkung der dem Verbraucher zur Verfügung stehenden Beweismittel und die Auferlegung der<br />
Beweislast werden nicht erwähnt.<br />
158 Das GHP enthält hierzu keine besonderen Regeln, allerdings können die allgemeinen Regeln des Zivilgesetzes<br />
zur Vertragslösung bei Nichterfüllung angewendet werden. Nach Auffassung der Gerichte können Klauseln,<br />
die ein sofortiges Kündigungsrecht vorsehen, je nach den Umständen des Einzelfalls zulässig sein. Jedoch ist<br />
nach Art. 32, Nr. 22 GHP eine Vertragsauflösung wegen Einführung des Euro unzulässig.<br />
159 <strong>Die</strong> griechischen Gerichte haben es aus Verbraucherschutzgründen abgelehnt, diese Ausnahmeregelung anzuwenden<br />
(siehe Polimeles Protodikeio Athinon 1208/98).<br />
160 Der Erbringer von Finanzdienstleistungen hat den Verbraucher binnen 7 Tagen zu unterrichten, vgl. Art. 144<br />
(2)(1) Verbraucherschutzgesetz.<br />
161 <strong>Die</strong> griechischen Gerichte haben es aus Verbraucherschutzgründen abgelehnt, die Ausnahmeregelung des<br />
Anhangs Nr. 2b anzuwenden (siehe Efeteio Athinon 6291/2000). Vgl. ferner A.P. 1219/2001.<br />
430
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
Ausnahme von Nr. 1j für Finanzdienstleister<br />
Anhang Nr. 2b, S. 2<br />
Ausnahme von Nr. 1j, wenn dem<br />
Verbraucher ein Kündigungsrecht<br />
gewährt wird<br />
Anhang Nr. 2c<br />
Ausnahme von Nr. 1g, Nr. 1j und<br />
Nr. 1l bei kursabhängigen Leistungen<br />
Anhang Nr. 2d<br />
Ausnahme von Nr. 1l für Preisindexierungsklauseln<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
IE, IT, PT, SK, UK LT, LU, MT, NL, PL, RO, SL, SE<br />
BE 162 , BG 163 , CY, CZ, EE, ES,<br />
FR, IE, IT, PT, SK 164 , SL, UK<br />
BE, 166 BG, CY 167 , CZ, ES, FR,<br />
IE, IT, LT, PT, SK, UK<br />
AT, BE, BG, CY, CZ, ES, FR,<br />
IE, IT, PT, SK, UK<br />
431<br />
AT, DK, FI, DE, EL 165 , HU, LV,<br />
LT, LU, MT, NL, PL, RO, SE<br />
AT, DK, EE, FI, DE, EL, HU, LV,<br />
LU, MT, NL, PL, RO, SL, SE<br />
DK, EE, FI, DE, EL, HU, LV, LT,<br />
LU, MT, NL, PL, RO, SL, SE<br />
162<br />
<strong>Die</strong> im GHP vorgesehene Ausnahmeregelung bezieht sich auf Finanzdienstleistungverträge, bei denen der<br />
Preis einseitig durch den Anbieter geändert wird.<br />
163<br />
Der Erbringer von Finanzdienstleistungen hat den Verbraucher binnen dreier Tage zu unterrichten, vgl. Art.<br />
144(2)(2) Verbraucherschutzgesetz.<br />
164<br />
<strong>Die</strong> Gründe für eine einseitige Bedingungsänderung müssen im Vertrag genannt werden.<br />
165<br />
<strong>Die</strong> griechischen Gerichte haben es aus Verbraucherschutzgründen abgelehnt, die Ausnahmeregelung des<br />
Anhangs Nr. 2b anzuwenden (vgl. Efeteio Athinon 6291/2000).<br />
166<br />
Vollständig umgesetzt im GfB, jedoch nur teilweise umgesetzt im GHP, da dieses Gesetz keine Verträge zum<br />
Kauf oder Verkauf von Fremdwährungen ausschließt.<br />
167<br />
<strong>Die</strong> betreffende Regelung erwähnt nicht die Wörter „Finanzpapiere“, „Börsenindex“ und „Kursschwankungen<br />
auf dem Kapitalmarkt“.
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
4. Rechtsfolgen bei Missbräuchlichkeit einer Klausel<br />
a. Konzept der Klausel-Richtlinie<br />
Art. 6(1) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>:<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein<br />
Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich<br />
sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften<br />
fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben<br />
Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen<br />
kann.<br />
Art. 6(1) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> schreibt für den Fall der Missbräuchlichkeit einer Klausel als<br />
Rechtsfolge die Unverbindlichkeit der einzelnen Bestimmung bei Aufrechterhaltung des Vertrages<br />
im Übrigen vor.<br />
aa. Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln<br />
Der offene Wortlaut der Richtlinie lässt nicht genau erkennen, wie die Mitgliedstaaten die<br />
Unverbindlichkeit missbräuchlicher Klauseln auszugestalten haben. Grundsätzlich sind meh-<br />
rere Möglichkeiten denkbar, beispielsweise:<br />
• <strong>Die</strong> nationalen Gesetzgeber können die starre Unwirksamkeit oder Nichtigkeit einer<br />
missbräuchlichen Klausel von Amts wegen (ex officio) anordnen bzw. regeln, dass die<br />
Vertragsbedingung als nicht geschrieben gilt (Fiktion der Nichtexistenz) und keine<br />
Rechtsfolgen entfaltet.<br />
• In einigen Mitgliedstaaten existiert allerdings auch das flexiblere Konzept der relativen<br />
Nichtigkeit. Hier bleibt die missbräuchliche Klausel zunächst wirksam, so lange<br />
es dem Vertragspartner des Verwenders (d.h. in der Regel dem Verbraucher) passt,<br />
nur er kann einseitig die Unwirksamkeit bzw. Nichtigkeit geltend machen.<br />
432
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
• In wiederum anderen Mitgliedstaaten ist demgegenüber vorgesehen, dass die Nichtigkeit<br />
einer Klausel nur zum Vorteil des Verbrauchers geltend gemacht werden kann<br />
und die Gerichte das Recht haben, die Nichtigkeit von Amts wegen zu erklären (so<br />
genannte „Schutznichtigkeit“ – „nullità di protezione”).<br />
Der EuGH hat sich erstmals im Fall Océano 168 mit den Rechtsfolgen der Missbräuchlichkeit<br />
beschäftigt. In der Sache ging es um die prozessuale Frage der Überprüfbarkeit einer für den<br />
Verbraucher nachteiligen Gerichtsstandsvereinbarung. In dieser Entscheidung hat der EuGH<br />
festgestellt:<br />
„Nach alledem erfordert der Schutz, den die Richtlinie den Verbrauchern gewährt, daß<br />
das nationale Gericht von Amts wegen prüfen kann, ob eine Klausel des ihm vorgelegten<br />
Vertrages missbräuchlich ist, wenn es die Zulässigkeit einer bei den nationalen Gerichten<br />
eingereichten Klage prüft.“<br />
Im Fall Cofidis 169 hat der EuGH die Prüfungskompetenz weiter ausgedehnt und ausgeführt,<br />
„dass der den Verbrauchern durch die Richtlinie gewährte Schutz einer innerstaatlichen Regelung<br />
entgegensteht, die es dem nationalen Gericht im Rahmen einer von einem Gewerbetrei-<br />
benden gegen einen Verbraucher erhobenen Klage, die auf einen von ihnen geschlossenen<br />
Vertrag gestützt wird, verwehrt, nach Ablauf einer Ausschlussfrist von Amts wegen oder auf<br />
eine vom Verbraucher erhobene Einrede hin die Missbräuchlichkeit einer in diesem Vertrag<br />
enthaltenen Klausel festzustellen.“ Im Unterschied zum Fall Océano bezogen sich die Aus-<br />
führungen des EuGH dabei nicht nur auf die Frage, ob das angerufene Gericht seine Zuständigkeit<br />
von Amts wegen prüfen kann, sondern allgemein auf die Nichtigkeit von Klauseln. Es<br />
ist daher davon auszugehen, dass nach Ansicht des EuGH eine Prüfung der Missbräuchlichkeit<br />
einer Klausel generell (und nicht nur für den Sonderfall von Gerichtsstandsklauseln) von<br />
Amts wegen möglich sein muss.<br />
In Mostaza Claro 170 stellte der Gerichtshof darüber hinaus klar, dass es sich bei Art. 6(1)<br />
168<br />
EuGH, Urteil vom 27. Juni 2000, verbundene Rs. C-240/98 bis C-244/98 (Océano Grupo Editorial SA ./.<br />
Murciano Quintero), Slg. 2000, I-4941, Rn. 29.<br />
169<br />
EuGH, Urteil vom 21. November 2002, Rs. C-473/00 (Cofidis ./. Fredout), Slg. 2002, I-10875.<br />
170<br />
EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006, Rs. C-168/05 (Elisa María Mostaza Claro ./. Centro Móvil Milenium<br />
SL), Slg. 2006, I-10421, Rn. 36.<br />
433
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
„um eine zwingende Vorschrift [handelt], die wegen der Unterlegenheit einer der Vertragsparteien<br />
darauf zielt, die formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der<br />
Vertragsparteien als solcher durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so<br />
deren Gleichheit wiederherzustellen.“<br />
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, so ergibt sich, dass das Konzept der absoluten Nichtigkeit<br />
den Anforderungen des EuGH entspricht. <strong>Die</strong> in einigen Mitgliedstaaten vorgesehene<br />
relative Nichtigkeit dürfte demgegenüber nicht mit Océano, Cofidis und Mostaza Claro zu<br />
vereinbaren sein. Das Konzept der Schutznichtigkeit dürfte demgegenüber mit der EuGH-<br />
Rechtsprechung zu vereinbaren sein, vorausgesetzt, dass der Verbraucher auch dann geschützt<br />
wird, wenn er es versäumt, die Missbräuchlichkeit der Klausel geltend zu machen; sei es, dass<br />
er seine Rechte nicht kennt, sei es, dass er in anderer Weise von der Geltendmachung abgehalten<br />
wird.<br />
<strong>Die</strong> Rechtssachen Océano, Cofidis und Mostaza Claro werfen darüber hinaus die Frage auf,<br />
ob nationale Gerichte dazu verpflichtet sind, auf eigene Initiative hin Beweise zu erheben. <strong>Die</strong><br />
deutsche und die französische Fassung der Gerichtsurteile verwenden die Ausdrücke „Befug-<br />
nis von Amts wegen zu prüfen, ob die Klausel missbräuchlich ist” und „pouvoir du juge<br />
d’examiner d’office le caractère abusif d’une telle clause”. Beide Sprachfassungen legen na-<br />
he, dass das Gericht nicht nur auf eigene Initiative hin die Missbräuchlichkeit einer Klausel<br />
prüfen können muss, sondern außerdem auf der Grundlage der beigebrachten Tatsachen von<br />
Amts wegen Beweis zu erheben hat. Im Unterschied hierzu ist die englische Sprachfassung<br />
(„to determine of its own motion”) sehr viel neutraler formuliert und scheint nicht auf eine<br />
Ermittlung von Amts wegen hinzudeuten. Demzufolge bleibt unklar, ob Art. 6 der Richtlinie<br />
<strong>93</strong>/<strong>13</strong> in Verbindung mit dem Grundsatz des effet utile zugleich die nationalen Regelungen<br />
zur Beweislast verändert. 171<br />
171 <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> enthält nur bzgl. der Frage, ob eine Klausel im Einzelnen ausgehandelt wurde, eine Beweislastregel,<br />
vgl. Art. 3(2), S. 3. Sonstige Beweislastfragen werden demgegenüber nicht ausdrücklich geregelt.<br />
Vgl. Bruder, ERPL 2007, 205.<br />
434
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
bb. Rechtsfolgen für die Vertragsklausel und den gesamten Vertrag<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Möglichkeit der sog. geltungserhaltenden Reduktion, d.h. einer Aufrechterhaltung der<br />
missbräuchlichen Klausel mit einem gerade noch zulässigen Inhalt, wird in der Richtlinie<br />
nicht erwähnt. Gegen die Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion spricht, dass die<br />
missbräuchliche Klausel dadurch, anders als in Erwägungsgrund Nr. 21 und in Art. 6(1) der<br />
Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> vorgesehen, nicht „unverbindlich“, sondern lediglich „teilverbindlich“ würde.<br />
Zudem würde eine solche Möglichkeit das Risiko der Verwendung missbräuchlicher<br />
Klauseln aus Sicht des Unternehmers minimieren und damit dem Verbraucherschutz zuwiderlaufen.<br />
Abschließend geklärt ist die Frage der Zulässigkeit der geltungserhaltenden Reduktion<br />
jedoch nach wie vor nicht.<br />
Der Gesamtvertrag bleibt nach der Richtlinie für beide Parteien bindend, sofern er nach seinem<br />
Zweck und seiner Rechtsnatur ohne die missbräuchliche Klausel bestehen kann. <strong>Die</strong><br />
Unwirksamkeit bleibt somit in der Regel auf die unangemessene Bestimmung beschränkt. Im<br />
Fall Ynos 172 wurde dem EuGH von einem ungarischen Gericht die Frage vorgelegt, inwieweit<br />
dabei die hypothetische Überlegung, ob der Unternehmer/Verwender den Vertrag auch ohne<br />
die entsprechende Klausel geschlossen hätte, Berücksichtigung finden kann. Da sich der zu-<br />
gehörige Sachverhalt jedoch vor dem Beitritt Ungarns zur Europäischen Union abgespielt<br />
hatte, erklärte sich der EuGH für unzuständig, ohne inhaltlich Stellung zu beziehen. Nach<br />
dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Richtlinie ist allerdings davon auszugehen, dass<br />
der Vertrag selbst dann wirksam bleibt, wenn der Unternehmer den Vertrag ohne die unwirk-<br />
same Klausel nicht geschlossen hätte.<br />
b. Umsetzung in den Mitgliedstaaten<br />
172 EuGH, Urteil vom 10. Januar 2006, Rs. C-302/04 (Ynos Kft ./. János Varga), Slg. 2006, I-00371.<br />
435
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
aa. Absolute Nichtigkeit der Vertragsklausel<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Viele Mitgliedstaaten haben sich bei der Umsetzung des Art. 6(1) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> für das<br />
Konzept der absoluten Nichtigkeit entschieden. In BULGARIEN 173 , ESTLAND, D<strong>EU</strong>TSCHLAND,<br />
IRLAND, PORTUGAL, RUMÄNIEN, der SLOWAKEI, SLOWENIEN und SPANIEN ist eine als miss-<br />
bräuchlich betrachtete Klausel automatisch unwirksam und nichtig. In MALTA, FRANKREICH<br />
und LUXEMBURG werden missbräuchliche Klauseln als nicht existent bzw. „non-écrite“ betrachtet.<br />
Abgesehen von dem Gesetzeswortlaut und der Statuierung einer Rechtsfiktion lassen<br />
sich jedoch keine signifikanten praktischen Unterschiede zwischen dem Konzept der Nichtigkeit<br />
und dem der Nichtexistenz ausmachen.<br />
bb. Relative Nichtigkeit<br />
Das zuvor erwähnte Konzept der relativen Nichtigkeit findet sich demgegenüber (in unterschiedlicher<br />
Ausgestaltung) in der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, LETTLAND und in den NIEDER-<br />
LANDEN. In der TSCHECHISCHEN REPUBLIK ist eine missbräuchliche Klausel nach Art. 55 CC<br />
nur relativ unwirksam, d.h. erst dann, wenn sich der Verbraucher auf ihre Unwirksamkeit beruft.<br />
Nach dem LETTISCHEN Gesetz zum Schutz der Verbraucherrechte (§ 6(8)) werden missbräuchliche<br />
Klauseln, die in einem Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem<br />
Verbraucher verwendet werden, erst dann für unwirksam erklärt, wenn sich der Verbraucher<br />
auf die Missbräuchlichkeit der Klausel beruft Dementsprechend muss der Verbraucher die<br />
Initiative ergreifen und eine Klage vor Gericht erheben (oder eine Beschwerde beim Zentrum<br />
für Verbraucherschutz einreichen), bevor die betreffende Klausel für missbräuchlich und un-<br />
wirksam erklärt wird. Auch in den NIEDERLANDEN ordnet Art. 6:233 BW an, dass eine missbräuchliche<br />
Klausel lediglich vernichtbar (vernietigbaar) ist. <strong>Die</strong>ses Konzept verstößt, wie<br />
zuvor erläutert, gegen das Gemeinschaftsrecht.<br />
173 In Bulgarien ist die Generalklausel und sogar die Umstellung der Annex auch auf individuell ausgehandelte<br />
Klauseln anwendbar.Dennoch, was die rechtlichen Konsequenzen betrifft, unterscheidet das bulgarische Recht<br />
zwischen individuell und nicht individuell ausgehandelten Klauseln: Nach Art. 146 (1) des Verbraucherschutzgesetzes,<br />
der Art. 6 (1) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> umsetzt, sind nicht individuell ausgehandelte Klauseln automatisch<br />
ungültig.Dagegen werden unzulässig individuell ausgehandelte Klauseln nur von dem allgemeinem Vertragsrecht<br />
aufgehoben.<br />
436
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
cc. Unklare Rechtslage<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
In vielen Mitgliedstaaten ist derzeit ungeklärt, ob die entsprechenden nationalen Vorschriften<br />
im Sinne einer relativen Nichtigkeit interpretiert werden können. In ÖSTERREICH ist zwar anerkannt,<br />
dass die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts grundsätzlich von Amts wegen<br />
wahrzunehmen ist. <strong>Die</strong> Missbräuchlichkeit von sonstigen (materiellrechtlichen) Klauseln wird<br />
dagegen grundsätzlich nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede des Verbrauchers geprüft.<br />
Unklar ist allerdings, ob die Grundsätze auch noch nach der Rechtssache Cofidis Gültigkeit<br />
beanspruchen können. In BELGIEN waren bis zum Jahre 1998 (vor der Novelle am<br />
07.12.1998) die in der schwarzen Liste in Art. 32 GHP aufgeführten Klauseln verboten und<br />
nichtig, während Vertragsbedingungen, die gegen die Generalklausel (Art. 31 GHP) verstießen,<br />
lediglich für unwirksam durch den Richter erklärt werden konnten, was darauf hindeutete,<br />
dass die Nichtigkeit im Ermessen des Richters stand. Seit 1998 ist die Nichtigkeit demgegenüber<br />
in beiden Fällen zwingend. Über das im GHP vorgeschriebene Konzept der Nichtig-<br />
keit besteht gleichwohl Streit. In einem Fall, der die Verletzung der Generalklausel (Art. 31<br />
GHP a.F.) betraf, führte der Cour d’Appel (CA) Mons 174 aus, dass das Gericht angesichts der<br />
vorgeschriebenen relativen Nichtigkeit nicht befugt sei, die Missbräuchlichkeit der Klausel<br />
von Amts wegen zu überprüfen. Der CA Ghent 175 vertrat demgegenüber in seinem Urteil vom<br />
3. März 2003 die Auffassung, dass zwar die meisten Vorschriften zur Kontrolle missbräuchlicher<br />
Klauseln nur private Interesse beträfen und dementsprechend nur durch relative Nichtig-<br />
keit sanktioniert würden, dennoch aber einige Vorschriften zum Schutze der öffentlichen<br />
Ordnung dienten, so dass als Rechtsfolge auch die absolute Nichtigkeit in Betracht käme. Im<br />
Schrifttum wird demgegenüber teilweise vertreten, dass das Konzept der absoluten Nichtigkeit<br />
stets angewendet werden müsse.<br />
In ZYPERN wurde der Wortlaut der Richtlinie originalgetreu im nationalen Recht wiedergegeben,<br />
missbräuchliche Klauseln sind somit für den Verbraucher „unverbindlich“. In POLEN<br />
schreibt Art. 385.1(1) CC vor, dass verbotene Vertragsklauseln für den Verbraucher unverbindlich<br />
sind; eine absolute Nichtigkeit wird demgegenüber nicht ausdrücklich vorgeschrieben.<br />
Dementsprechend bleibt in beiden Ländern unklar, ob die betreffenden nationalen Vorschriften<br />
im Sinne des Konzepts der relativen Nichtigkeit ausgelegt werden können.<br />
174<br />
CA Mons, Urteil vom 29. März 1999, Journal des Tribunaux 1999, 604.<br />
175<br />
Hof van Beroep Gent, Urteil vom 3. März 2003, Algemeen Ziekenhuis St-Lucas VZW/R. Jonckheere,<br />
Tijdschrift voor Gentse rechtspraak 2003, 162.<br />
437
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Nach Art. 2(8) des GRIECHISCHEN Verbraucherschutzgesetzes (Gesetz Nr. 2251/1994) kann<br />
sich der Unternehmer nicht auf die Nichtigkeit des gesamten Vertrages berufen, mit der Begründung,<br />
dass eine oder mehrere allgemeine Bedingungen wegen Missbräuchlichkeit nichtig<br />
sind. Aus dieser Vorschrift leitet ein Teil der griechischen Lehre ab, dass missbräuchliche<br />
Bedingungen relativ nichtig sind. Andere wiederum vertreten die Auffassung, dass die betreffenden<br />
griechischen Vorschriften zum Schutze der öffentlichen Ordnung dienen, deren Übertretung<br />
vom Gericht von Amts wegen geprüft wird, ohne dass der Verbraucher dies vorbringen<br />
muss. In UNGARN wurden die Rechtsfolgen bei Missbräuchlichkeit einer Klausel im Jahre<br />
2006 geändert, dabei bleibt allerdings weiterhin unklar, inwieweit der Verbraucher die Wirksamkeit<br />
der betreffenden Klausel beeinflussen kann. Art. 209a(2) CC legt nunmehr fest, dass<br />
missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen unwirksam sind. Auf der anderen Seite<br />
schreibt Art. 209a(2) jedoch vor, dass die Missbräuchlichkeit nur zum Vorteil des Verbrau-<br />
chers geltend gemacht werden kann. In ITALIEN wurden die Rechtsfolgen bei Missbräuchlichkeit<br />
einer Klausel durch das neue Verbrauchergesetzbuch geändert, indem das Konzept der<br />
relativen Schutznichtigkeit (nullità di protezione) in Art. 36(3) eingeführt wurde. Hiernach<br />
soll die Nichtigkeit einer Klausel grundsätzlich nur zum Vorteil des Verbrauchers eintreten,<br />
wobei das Gericht die Nichtigkeit von Amts wegen feststellen kann (Art. 36(3): „La nullità<br />
opera soltanto a vantaggio del consumatore e può essere rilevata d’ufficio dal giudice“). Un-<br />
klar bleibt nach derzeitiger Rechtslage daher in UNGARN und ITALIEN, ob das Gericht die<br />
Nichtigkeit auch dann feststellen kann, wenn der Verbraucher ausdrücklich an der Klausel<br />
festhalten will.<br />
Wie zuvor erläutert, dürfte das Konzept der Schutznichtigkeit mit der EuGH-Rechtsprechung<br />
zu vereinbaren sein, vorausgesetzt, dass der Verbraucher auch dann geschützt wird, wenn er<br />
es versäumt, die Missbräuchlichkeit der Klausel geltend zu machen (entweder, weil er über<br />
seine Rechte im Unklaren ist oder davon abgehalten wird, seine Rechte geltend zu machen).<br />
Océano, Cofidis und Mostaza Claro schließen es mit anderen Worten nicht aus, dass der<br />
Verbraucher selbst entscheiden kann, ob die Nichtigkeit der missbräuchlichen Klausel seinen<br />
Interessen entspricht.<br />
438
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
dd. Abänderung, Ergänzung und Anpassung von Klauseln und Verträgen<br />
Dem nordischen Recht in den Staaten DÄNEMARK, FINNLAND und SCHWEDEN liegt demgegenüber<br />
traditioneller Weise ein flexiblerer, auf Generalklauseln basierender Ansatz zugrunde.<br />
Gerichte können missbräuchliche Klauseln nicht nur für unwirksam erklären, sondern sind<br />
darüber hinaus berechtigt, die betreffenden Vertragsklauseln oder den gesamten Vertrag unter<br />
Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände vor und nach Vertragsschluss abzuändern,<br />
zu ergänzen und anzupassen. Auch wenn es das Konzept der relativen Nichtigkeit nicht im<br />
strengen Sinne gibt, erlaubt der den Gerichten eingeräumte Ermessensspielraum eine im Interesse<br />
der Verbraucher liegende Entscheidung zu fällen. In DÄNEMARK wurden bei Umsetzung<br />
der Richtlinie spezielle Vorschriften eingeführt, die dem Verbraucher einen Anspruch auf<br />
Aufrechterhaltung des Vertrages ohne Vertragsanpassung einräumen, sofern dies möglich<br />
ist. 176 In ähnlicher Weise haben Verbraucher auch in PORTUGAL das Recht zu entscheiden,<br />
dass der Vertrag aufrechterhalten bleibt. In LITAUEN haben Verbraucher das Recht, vor Ge-<br />
richt die Unwirksamkeit oder die Anpassung missbräuchlicher Klauseln zu fordern. 177 In<br />
MALTA kann der Direktor des Verbraucherschutzamtes entweder auf eigene Initiative hin oder<br />
auf Anfrage einer berechtigten Einrichtung eine Verfügung gegen jedweden Klauselverwender<br />
erlassen und verlangen, dass diese Person eine Vertragsklausel, die der Direktor für miss-<br />
bräuchlich hält, streicht oder ändert. Der Direktor kann darüber hinaus verlangen, dass bestimmte<br />
Vertragsklauseln in einem Verbrauchervertrag aufgenommen werden, wenn dies seiner<br />
Ansicht nach „zur besseren Information der Verbraucher notwendig ist oder hierdurch ein<br />
erhebliches Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien zum<br />
Nachteil des Verbrauchers verhindert werden kann“ (Art. 94(1) lit. (a) des Gesetzes zu<br />
Verbraucherfragen).<br />
ee. Problem der geltungserhaltenden Reduktion<br />
<strong>Die</strong> Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Klausel in einen wirksamen und einen<br />
missbräuchlichen, unwirksamen Teil gespalten werden darf, insbesondere, ob eine geltungserhaltende<br />
Reduktion zulässig ist, wird nur in einigen Mitgliedstaaten ausdrücklich geregelt.<br />
In der SLOWAKEI sieht das Zivilgesetzbuch eine teilweise Nichtigkeit des Vertrages vor, vor-<br />
176 Vgl. Art. 38c(1) in Verbindung mit der Generalklausel Art. 36(1) Vertragsgesetz.<br />
177 Siehe Art. 12(2)(2) litauisches Verbraucherschutzgesetz.<br />
439
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
ausgesetzt es ist möglich, die betreffende Vertragsklausel in einen wirksamen und unwirksamen<br />
Vertrag aufzuspalten, damit der wirksame Teil aufrechterhalten werden kann. Kann eine<br />
Vertragsklausel in verschiedene, voneinander unabhängige Teile aufgespalten werden und ist<br />
nur eine von ihnen unwirksam, so ist der andere Klauselteil nach § 39(2) S. 2 des ESTNISCHEN<br />
Schuldrechtsgesetzes als wirksam zu betrachten. In den NIEDERLANDEN kann eine missbräuchliche<br />
unwirksame (vernichtbare) Klausel gem. Art. 3:42 BW durch eine neue Klausel<br />
ersetzt werden, die die Vertragsparteien vereinbart hätten. In ÖSTERREICH und im VEREINIG-<br />
TEN KÖNIGREICH wird die Berechtigung einer derartigen geltungserhaltenden Reduktion demgegenüber<br />
kontrovers diskutiert, während in D<strong>EU</strong>TSCHLAND nach ständiger Rechtsprechung 178<br />
und überwiegender Auffassung des Schrifttums eine geltungserhaltende Reduktion grundsätzlich<br />
unzulässig ist, da Unternehmer anderenfalls dazu ermutigt würden, missbräuchliche<br />
Klauseln in ihre AGB aufzunehmen. Eine gleiche Argumentation findet sich auch in GRIE-<br />
CHENLAND.<br />
ff. Rechtsfolgen für den Vertrag im Ganzen<br />
Was die Rechtsfolgen für den Vertrag im Ganzen anbelangt, so folgen nahezu alle Mitgliedstaaten<br />
den Vorschriften der Richtlinie. Der Vertrag wird somit grundsätzlich aufrechterhal-<br />
ten, wenn er ohne die missbräuchliche Klausel weiterhin bestehen kann. Kleinere Unterschiede<br />
ergeben sich bzgl. der verwendeten Gesetzgebungstechnik. Einige Mitgliedstaaten erzielen<br />
das von Richtlinie vorgegebene Ergebnis durch die Anwendung des allgemeinen Vertragsrechts,<br />
während andere Staaten spezifische Vorschriften in den betreffenden Gesetzen oder<br />
Kapiteln zur Kontrolle missbräuchlicher Klauseln eingefügt haben. Da das FINNISCHE und<br />
SCHWEDISCHE Recht, wie erwähnt, auf einem sehr flexiblen Konzept basieren, haben diese<br />
Staaten die sich bei Missbräuchlichkeit einer Klausel für den Vertrag ergebenden Rechtsfolgen<br />
nicht ausdrücklich geregelt. Nach ESTNISCHEM Recht sind die verbleibenden Vertragsbestandteile<br />
solange wirksam, bis der Klauselverwender beweist, dass die andere Vertragspartei<br />
den Vertrag ohne die weggefallene Klausel nicht abgeschlossen hätte. <strong>Die</strong> gleiche hypothetische<br />
Überlegung ist auch in SLOWENIEN zu finden.In Rumänien kann der Verbraucher fordern,<br />
dass der Vertrag abgeschlossen ist und er kann auf Schadensersatz klagen, falls der<br />
Vertrag nach dem Beseitigen der für unzulässig erachteten Klauseln nicht mehr seine Auswirkungen<br />
erzeugen kann (Art. 7 des Rechts 1<strong>93</strong>/2000).<br />
178 BGHZ 114, 342; BGHZ 120, 122 und NJW 2000, 1110.<br />
440
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
c. Schadenskompensation und „punitive damages“<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Richtlinie verzichtet darauf, weitere individuelle Rechtsfolgen und Sanktionen für den<br />
Fall der Missbräuchlichkeit einer Klausel vorzuschreiben; dies gilt insbesondere für Schadensersatzansprüche,<br />
Geldbußen und Kriminalstrafen. In einer Reihe von Mitgliedstaaten<br />
kann die andere Vertragspartei dennoch aufgrund des Gebrauchs der Mindestharmonisierungsklausel<br />
aus Art. 8 der RL <strong>93</strong>/<strong>13</strong> durch den jeweiligen Mitgliedstaat bei der Verwendung<br />
missbräuchlicher Klauseln Schadensersatz vom Verwender verlangen. In BULGARIEN, BEL-<br />
GIEN, der TSCHECHISCHEN REPUBLIK, ESTLAND, UNGARN, D<strong>EU</strong>TSCHLAND, ITALIEN, LETT-<br />
LAND, LITAUEN, MALTA, PORTUGAL, RUMÄNIEN, SLOWAKEI, SLOWENIEN, SPANIEN und dem<br />
VEREINIGTEN KÖNIGREICH kann Schadensersatz nach allgemeinem Zivilrecht bzw. Vertragsrecht<br />
gewährt werden (beispielsweise über das Konzept der Pflichtverletzung/Nichterfüllung,<br />
das allgemeine außervertragliche Haftungsrecht oder ähnliche Konzepte). Punitive damages<br />
können demgegenüber nach dem Zivilrecht sämtlicher Mitgliedstaaten nicht gefordert werden,<br />
allerdings bleibt zu beachten, dass ein derartiger Strafschadensersatz in einigen Mitglied-<br />
staaten gegebenenfalls nach (nicht zum Gegenstand dieser Studie gehörenden) lauterkeitsrechtlichen<br />
Vorschriften gewährt werden könnte.<br />
441
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
V. Das Transparenzgebot gemäß Art. 5<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Das in Art. 5 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> verankerte Transparenzgebot bildet – neben der in Art. 3 vorgesehenen<br />
Inhaltskontrolle – die zweite tragende Säule der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>. Das Transparenzgebot<br />
ist wesentlicher Teil des europäischen Informationsmodells und steht in engem Zusammenhang<br />
mit den sonstigen im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen verbraucherschützenden<br />
Informationspflichten. 179<br />
1. Klare und verständliche Ausgestaltung von Vertragsklauseln<br />
a. Vorgaben der Klausel-Richtlinie<br />
Nach Art. 5 S. 1 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> müssen Klauseln stets „klar und verständlich“ abgefasst<br />
sein. Erwägungsgrund 20 stellt ergänzend hierzu klar, dass der Verbraucher tatsächlich die<br />
Möglichkeit haben muss, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen.<br />
<strong>Die</strong> Kriterien der „Klarheit“ und „Verständlichkeit“ ergänzen einander und lassen sich nur<br />
schwer voneinander abgrenzen. Vertragsbedingungen sind „klar“ formuliert, wenn keine<br />
Mehrdeutigkeiten, Missverständnisse und Zweifel über den Inhalt der Klausel entstehen. Eine<br />
Vertragsklausel ist „verständlich“, wenn der Verbraucher den Sinngehalt der betreffenden<br />
Regelungen verstehen kann.<br />
<strong>Die</strong> Gebote der „Klarheit und Verständlichkeit“ umfassen nach allgemeiner Auffassung sowohl<br />
formale als auch inhaltliche Kriterien: In formaler Hinsicht muss der Verwender durch<br />
die äußere Gestaltung seiner Vertragsbedingungen sicherstellen, dass der Verbraucher die<br />
vertragswesentlichen Rechte und Pflichten erfassen kann. Zweifel an der Klarheit und Verständlichkeit<br />
bestehen namentlich dann, wenn die Klauseln unübersichtlich aufgebaut sind,<br />
keine Gliederung erkennen lassen (beispielsweise häufige Querverweise), ein schwer lesbares<br />
179 Siehe hierzu Teil 3 D. sowie Grundmann/Kerber/Weatherill, Party Autonomy and Information;<br />
Schulze/Ebers/Grigoleit, Information Requirements and Formation of Contract in the <strong>Acquis</strong> communautaire;<br />
Howells/Janssen/Schulze, Information Rights and Obligations.<br />
442
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Schriftbild oder einen gegenüber der Bedeutung des Rechtsgeschäfts unangemessenen Umfang<br />
aufweisen. Zum anderen müssen die Klauseln auch in sprachlich-inhaltlicher Hinsicht<br />
klar und verständlich formuliert werden. Insoweit sind Fachbegriffe, verschachtelte, lange<br />
Satzstrukturen oder unpräzise, lückenhafte Aussagen soweit wie möglich zu vermeiden. Teilweise<br />
wird aus dem Transparenzgebot darüber hinaus abgeleitet, dass Vertragsklauseln in<br />
einer für den Verbraucher verständlichen (Landes-)Sprache abgefasst werden müssen.<br />
b. Umsetzung des Art. 5 S. 1 in den Mitgliedstaaten<br />
<strong>Die</strong> Mehrzahl der Mitgliedstaaten, einschließlich der jüngsten Mitgliedstaaten Bulgarien und<br />
Rumänien, hat Art. 5 S. 1 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> wörtlich übernommen. Nachdem der EuGH in<br />
seinem Urteil C-144/99 180 klargestellt hatte, dass das Transparenzgebot derart bestimmt und<br />
klar umgesetzt werden muss, „dass die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen<br />
ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten<br />
geltend zu machen“ und dass auch „eine etwa bestehende nationale Rechtsprechung, die in-<br />
nerstaatliche Rechtsvorschriften in einem Sinn auslegt, der als den Anforderungen einer<br />
Richtlinie entsprechend angesehen wird, nicht die Klarheit und Bestimmtheit aufweist, die<br />
notwendig ist, um dem Erfordernis der Rechtssicherheit zu genügen“, wurde das Transparenzgebot<br />
auch in den NIEDERLANDEN und in D<strong>EU</strong>TSCHLAND ausdrücklich verankert.<br />
Nicht ausdrücklich umgesetzt wurde Art. 5 S. 1 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> demgegenüber in der<br />
TSCHECHISCHEN REPUBLIK, in ESTLAND, GRIECHENLAND, UNGARN, LUXEMBURG und in der<br />
SLOWAKEI. Zwar enthalten die genannten Staaten Regelungen zur Einbeziehung und Ausle-<br />
gung vorformulierter Klauseln, in deren Rahmen auch die Frage eine Rolle spielt, ob die<br />
Klausel klar und verständlich formuliert worden ist. Ob hierdurch den Anforderungen des<br />
EuGH genügend Rechnung getragen wird, ist jedoch zweifelhaft, denn immerhin besteht die<br />
Gefahr, dass Verbraucher und Verbraucherorganisationen aufgrund dieser Vorschriften nicht<br />
wissen, dass sie intransparente Klauseln angreifen können.<br />
180 EuGH, Urteil vom 10. Mai 2001, Rs. C-144/99 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
der Niederlande), Slg. 2001, I-3541, Rn. 17; EuGH, Urteil vom 7. Mai 2002, Rs. C-478/99 (Kommission<br />
der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich Schweden), Slg. 2002, I-4147, Rn. 18 und EuGH, Urteil vom 9.<br />
September 2004, Rs. C-70/03 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich Spanien), Slg.<br />
2004, I-7999, Rn. 15.<br />
443
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Transparenzgebots bereitet vor allem die in Art. 5<br />
S. 1 Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> zu findende Einschränkung, dass das Transparenzgebot nur dann gilt,<br />
wenn „alle dem Verbraucher in Verträgen unterbreiteten Klauseln oder einige dieser Klauseln<br />
schriftlich niedergelegt“ sind. <strong>Die</strong>se Formulierung steht in Widerspruch zu den Erwägungsgründen<br />
der Richtlinie: Abgesehen davon, dass der 20. Erwägungsgrund eine derartige Einschränkung<br />
nicht enthält, wird im 11. Erwägungsgrund ausdrücklich hervorgehoben, dass der<br />
Verbraucher bei mündlichen und bei schriftlichen Verträgen den gleichen Schutz genießen<br />
muss. <strong>Die</strong> inkohärente Ausgestaltung hat insbesondere in denjenigen Ländern Probleme hervorgerufen,<br />
die – wie beispielsweise BELGIEN – diese Einschränkung übernommen haben.<br />
c. Auslegung des Transparenzgebots in den Mitgliedstaaten<br />
<strong>Die</strong> Frage, ob eine Klausel klar und verständlich ist, beurteilt sich maßgeblich danach, welcher<br />
Verständnishorizont zugrunde zu legen ist. <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> enthält diesbezüglich<br />
keine weiteren Vorgaben. Unklar ist, ob und inwieweit das vom EuGH 181 in seiner Rechtspre-<br />
chung zu den Grundfreiheiten und zur Auslegung lauterkeitsrechtlicher Richtlinien aufgestellte<br />
Leitbild des durchschnittlichen informierten, aufmerksamen und verständigen Durch-<br />
schnittsverbrauchers auch im Rahmen der Klauselkontrolle zugrunde zu legen ist.<br />
Insoweit kann es nicht verwundern, dass die Verbraucherleitbilder (deren Ausgestaltung im<br />
Rahmen dieser Studie nicht im Einzelnen dargelegt werden kann) in den einzelnen Mitglied-<br />
staaten erheblich voneinander abweichen.<br />
Deutliche Unterschiede in der Praxis zeigen sich vor allem bei der Frage, inwieweit juristische<br />
Fachtermini in Klauselwerken zulässig sind. In GROßBRITANNIEN zeichnet sich die Tendenz<br />
ab, dass Klauseln stets in einer für den Laien verständlichen Alltagssprache formuliert<br />
werden müssen. So legt der vom Office of Fair Trading erstellte Unfair Terms in <strong>Consumer</strong><br />
Contracts - guidance fest, dass Ausdrücke wie beispielsweise „indemnity” stets zu vermeiden<br />
seien, da „such references can have onerous implications of which consumers are likely to be<br />
unaware“. 182 Stattdessen werden Formulierungen bevorzugt wie beispielsweise „pay dama-<br />
181 Vgl. hierzu Erwägungsgrund (18) der Richtlinie 2005/29.<br />
182 Vgl. 19.5 und 19.7 des guidance, abrufbar unter http://www.oft.gov.uk/Business/Legal/UTCC/guidance.htm.<br />
444
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
ges“. In D<strong>EU</strong>TSCHLAND ist die Rechtsprechung demgegenüber vom Grundsatz her großzügiger,<br />
betont doch der BGH in mehreren Urteilen, dass die Verpflichtung des Klauselverwenders,<br />
den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, nur im Rahmen des tatsächlich<br />
Möglichen bestehe. Treten bei der Klauselabfassung erhebliche Schwierigkeiten auf, verschiedene<br />
rechtliche und tatsächliche Umstände und die vorhandenen Kombinationsmöglichkeiten<br />
zu erfassen, so gilt hinsichtlich der Klauselkontrolle kein allzu strenger Maßstab. 183<br />
Unsicherheiten bei der Anwendung des Transparenzgebots bereitet schließlich die Frage, inwieweit<br />
bei der Transparenzkontrolle die konkreten Umstände des Vertragsschlusses zu berücksichtigen<br />
sind. <strong>Die</strong>s betrifft nicht nur das generelle Problem, ob über- oder unterdurchschnittliche<br />
Kenntnisse des einzelnen Verbrauchers zu berücksichtigen sind, sondern auch die<br />
Frage, ob intransparente Klauseln durch individuelle Hinweise „geheilt“ werden können. In<br />
D<strong>EU</strong>TSCHLAND geht die Rechtsprechung davon aus, dass eine objektiv vorliegende Intransparenz<br />
im Einzelfall beseitigt werden kann, wenn der Klauselverwender den Kunden (unter Um-<br />
ständen auch nur mündlich) informiert. 184 Ob diese Auslegung indessen mit der Richtlinie<br />
vereinbar ist, erscheint fraglich, denn die Richtlinie bezweckt nicht nur eine individuelle<br />
Transparenz, sondern auch die Gewährleistung des Binnenmarkts durch Vergleichbarkeit der<br />
Vertragskonditionen von in- und ausländischen Anbietern (Markttransparenz). Klauselwerke<br />
müssen daher grundsätzlich aus sich selbst verständlich sein und nicht erst durch individuelle<br />
Hinweise des Verwenders bei Vertragsschluss.<br />
2. Rechtsfolgen bei Intransparenz<br />
a. Vorgaben der Klausel-Richtlinie<br />
Der Wortlaut der Richtlinie lässt nicht erkennen, welche Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen<br />
das Transparenzgebot im Individualverfahren eintreten sollen. Als einzige ausdrückliche<br />
Rechtsfolge für die Nichterfüllung der Transparenzanforderungen normiert die Richtlinie<br />
<strong>93</strong>/<strong>13</strong> in Art. 5 S. 2 eine Auslegungsregel. <strong>Die</strong>se Auslegungsregel gilt hingegen nur für unkla-<br />
183 BGH NJW 1998, 3114 ff.<br />
184 BGH WM 1997, 518 mit weiteren Nachweisen.<br />
445
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
re Klauseln, die der Auslegung zugänglich sind. Nicht geregelt ist hingegen, welche Rechtsfolgen<br />
bei klaren, aber unverständlichen Klauseln eintreten (zu denken ist etwa an den Fall,<br />
dass eine Klausel aufgrund ihrer Fachterminologie oder der verwendeten Vertragssprache für<br />
den Verbraucher nicht verständlich ist).<br />
<strong>Die</strong> Ansichten bezüglich der Rechtsfolgen bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot<br />
gehen dementsprechend weit auseinander. Teils wird davon ausgegangen, dass die Mitgliedstaaten<br />
frei über die Ausgestaltung der Rechtsfolgen entscheiden können. Andere wiederum<br />
sehen in dem Transparenzgebot unter Berufung auf Erwägungsgrund 20 eine Einbeziehungsvoraussetzung.<br />
Schließlich wird vertreten, dass intransparente Klauseln am Maßstab des Art.<br />
3 zu prüfen sind. Folgt man der zuletzt genannten Auffassung, so ist weiterhin fraglich, ob die<br />
Intransparenz per se zu einer Missbräuchlichkeit bzw. Unverbindlichkeit der Klausel nach<br />
Art. 3(1) in Verbindung mit Art. 6(1) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> führt oder ob zusätzlich erforderlich ist,<br />
dass die Klausel inhaltlich nachteilig ist, also entgegen dem Gebot von Treu und Glauben ein<br />
erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten verursacht.<br />
Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Cofidis 185 hat insoweit keine Klärung gebracht. In<br />
dem zugrunde liegenden Fall ging es um ein Kreditangebot, das auf der Vorderseite mit großen<br />
Schriftzeichen mit der Angabe „Kostenloser Antrag auf Geldreserve“ versehen war, während<br />
die Angaben zum vertraglich vereinbarten Zinssatz in kleinen Schriftzeichen auf der<br />
Rückseite abgedruckt waren. Das Tribunal d’instance Vienne war der Auffassung, dass diese<br />
Angaben nur unzureichend lesbar seien und dazu geeignet seien, den Verbraucher irrezuführen.<br />
Daher seien die finanziellen Klauseln als missbräuchlich anzusehen. Der EuGH führte in<br />
seinem Urteil demgegenüber folgendes aus: 186<br />
„<strong>Die</strong>se Klauseln fallen jedoch nur dann in den Anwendungsbereich der Richtlinie,<br />
wenn sie die Tatbestandsmerkmale des Artikels 3(1) der Richtlinie erfüllen, d.h. nicht<br />
im Einzelnen ausgehandelt worden sind und entgegen dem Gebot von Treu und Glauben<br />
zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis<br />
der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursachen. Ob-<br />
185 EuGH, Urteil vom 21. November 2002, Rs. C-473/00 (Cofidis ./. Fredout), Slg. 2002, I-10875.<br />
186 EuGH, Urteil vom 21. November 2002, Rs. C-473/00 (Cofidis ./. Fredout), Slg. 2002, I-10875, Rn. 23.<br />
446
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
wohl das vorlegende Gericht zum letztgenannten Punkt keine Ausführungen gemacht<br />
hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Voraussetzung erfüllt ist.“<br />
Der EuGH äußert sich indessen in seinem Urteil nur zur Zulässigkeit der Klage und nicht zu<br />
der grundsätzlichen Frage, welche Rechtsfolgen bei bloßer Intransparenz eintreten.<br />
b. Umsetzung der contra proferentem-Regelung in den Mitgliedstaaten<br />
<strong>Die</strong> in Art. 5 S. 2 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> niedergelegte Auslegungsregel, nach der bei Zweifeln<br />
über die Bedeutung einer Klausel stets die für den Verbraucher günstigste Auslegung gilt,<br />
wurde von sämtlichen Mitgliedstaaten, einschließlich Bulgarien und Rumänien, umgesetzt.<br />
Problematisch erscheint die Umsetzung der Richtlinienvorgaben allerdings in ESTLAND. Nach<br />
§ 39(1), S. 1 des Schuldrechtsgesetzes ist eine Standardvertragsklausel in Zweifelsfällen zu<br />
Lasten des Verwenders auszulegen. <strong>Die</strong> Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> geht aber über die bloße Auslegung<br />
zu Lasten des Verwenders hinaus, indem sie nicht nur eine für den Verbraucher günstige Auslegung<br />
fordert, sondern die „günstigste” Auslegung.<br />
In ÖSTERREICH sind unklare Vertragsbedingungen gemäß § 6(3) Konsumentenschutzgesetz<br />
unwirksam. <strong>Die</strong>se Regelung hat zu einer gewissen Verwirrung geführt, da manche Autoren<br />
davon ausgehen, dass intransparente Klauseln allein nach dieser Regelung zu beurteilen sind,<br />
so dass sich der Verbraucher nicht mehr auf die contra proferentem-Auslegungsregel in<br />
§ 915, 2. Fall ABGB berufen könne. <strong>Die</strong> überwiegende Ansicht geht demgegenüber davon<br />
aus, dass sich der Verbraucher auch im Falle bloßer Intransparenz auf eine für ihn günstige<br />
Auslegung berufen kann.<br />
<strong>Die</strong> contra proferentem-Regelung gilt nach Art. 5 S. 3 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> nur für den Individualprozess,<br />
nicht aber für kollektive Verfahren. Hierdurch soll verhindert werden, dass sich<br />
Unternehmer gegenüber einer Untersagungs- oder Unterlassungsverfügung auf die contra<br />
proferentem-Regelung berufen und behaupten, dass die betreffende Klausel nicht missbräuchlich<br />
sei, da sie zugunsten des Verbrauchers interpretiert werden könne. SPANIEN hat Art. 5<br />
447
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
S. 3 der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> bislang noch nicht umgesetzt, ist jedoch nach dem EuGH-Urteil in<br />
der Rs. C-70/03 hierzu verpflichtet. 187<br />
c. Weitere Rechtsfolgen nach mitgliedstaatlichem Recht<br />
aa. Nichteinbeziehung intransparenter Klauseln<br />
In vielen Mitgliedstaaten kann die Transparenz einer Klausel nur im Rahmen einer Einbeziehungskontrolle<br />
überprüft werden. <strong>Die</strong> Einbeziehungskontrolle basiert auf dem Gedanken, dass<br />
eine Vertragsklausel grundsätzlich nur durch rechtsgeschäftliche Zustimmung Vertragsbestandteil<br />
werden kann. Sinn und Zweck der Einbeziehungskontrolle ist es, Mindestvoraussetzungen<br />
für eine gültige rechtsgeschäftliche Erklärung aufzustellen. Meistens werden bei einer<br />
Einbeziehungskontrolle dementsprechend nur formale Transparenzanforderungen nach einem<br />
„Grobraster“ gestellt, indem darauf abgestellt wird, ob der Verbraucher von den Vertragsklau-<br />
seln im Großen und Ganzen Kenntnis nehmen bzw. mit dem Klauselinhalt rechnen konnte. In<br />
der Regel werden nur besonders eindeutige Fälle der Intransparenz sanktioniert, also wenn ein<br />
Mindestmaß an Verständlichkeit, Bestimmtheit oder Lesbarkeit nicht gegeben ist.<br />
bb. Kontrolle der Intransparenz im Rahmen der Inhaltskontrolle<br />
Eine Transparenzkontrolle im Rahmen der Inhaltskontrolle findet demgegenüber nur in sehr<br />
wenigen Mitgliedstaaten statt: Neben der bereits erwähnten Regelung in ÖSTERREICH (siehe<br />
oben) sieht vor allem das D<strong>EU</strong>TSCHE Recht seit der Schuldrechtsmodernisierung in § 307(1),<br />
S. 2 BGB vor, dass sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass<br />
die Bestimmung nicht „klar und verständlich“ ist. Hierdurch sollte klargestellt werden, dass<br />
im Rahmen der Inhaltskontrolle intransparente Klauseln per se, ohne Hinzutreten einer inhaltlich<br />
unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners, als unwirksam zu betrachten<br />
sind. Als Rechtfolge eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot kommen damit nicht nur<br />
die verbraucherfreundliche Auslegung und die Nichteinbeziehung in den Vertrag, sondern<br />
auch eine Unwirksamkeit der Klausel im Rahmen der Inhaltskontrolle in Betracht. Der BGH<br />
187 EuGH, Urteil vom 9. September 2004, Rs. C-70/03 (Kommission der Europäischen Gemeinschaften ./. Königreich<br />
Spanien), Slg. 2004, I-7999, Rn. 16-22; vgl. Teil 2 C.II.23.<br />
448
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
hat hierzu klargestellt, dass eine wegen Intransparenz für unwirksam erklärte Klausel nach<br />
§ 307(1) BGB (Art. 6(1) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong>) nicht durch eine inhaltsgleiche Klausel ersetzt<br />
werden darf. 188 Da die Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> keinerlei Regelung darüber enthalte, wie unverbindliche<br />
Klauseln zu ersetzen sind, sei – so der BGH – vielmehr nach nationalem Recht im Wege<br />
der richterlichen ergänzenden Vertragsauslegung darüber zu entscheiden, wie eine Vertragslücke<br />
geschlossen werden kann, wenn der ersatzlose Wegfall der unwirksamen Klausel nicht<br />
zu sachgerechten Lösungen führe. Erleidet der Kunde durch sein Vertrauen auf seine Gebundenheit<br />
an die unwirksame Klausel einen finanziellen Nachteil, besteht nach der deutschen<br />
Rechtsprechung zudem die Möglichkeit eines Schadensersatzanspruchs unter dem Gesichtspunkt<br />
der Verletzung vorvertraglichen Pflichten (culpa in contrahendo).<br />
cc. Unklare Rechtslage<br />
Ungeklärt ist die Rechtslage dagegen in ITALIEN. Während einige Autoren davon ausgehen,<br />
dass intransparente Klauseln per se nichtig sind, sind andere der Auffassung, dass sich eine<br />
Verletzung des Transparenzgebotes am Maßstab des Art. 36(2) lit. c des Verbrauchergesetz-<br />
buches (Bindung des Verbrauchers an Klauseln, von denen er vor Vertragsabschluss nicht<br />
tatsächlich Kenntnis nehmen konnte) messen lassen muss.<br />
In LETTLAND werden die Rechtsfolgen zwar nicht im Gesetz zum Schutz der Verbraucherrechte<br />
geregelt, jedoch können die allgemeinen Regelungen des Zivilrechts, insbesondere<br />
§ 1506 Schuldrechtsgesetz angewendet werden, demzufolge absolut dubiose, unverständliche<br />
und widersprüchliche Klauseln überhaupt nicht ausgelegt werden können, sondern für unwirksam<br />
und nichtig angesehen werden.<br />
In MALTA existieren ebenfalls keine ausdrücklichen Regelungen bzgl. der Rechtsfolgen<br />
intransparenter Klauseln im Individualprozess. Nach allgemeinem Zivilrecht gilt jedoch, dass<br />
ein Vertrag von der anderen Partei aufgelöst werden kann, wenn die Intransparenz einem Betrug<br />
oder einer Täuschung entspricht. Darüber hinaus kann der Direktor des Verbraucherschutzamtes<br />
gemäß der ihm durch Art. 94 des Gesetzes zu Verbraucherfragen verliehenen<br />
Kompetenzen eine Verfügung erlassen, wenn er zu dem Schluss kommt, dass die verwendete<br />
Vertragsbedingung missbräuchlich ist und Art. 47 verletzt, demzufolge schriftlich abgefasste<br />
188 BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005, IV ZR 162/03.<br />
449
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Klauseln in einem Verbrauchervertrag stets in klarer und verständlicher Sprache so abgefasst<br />
werden müssen, dass der am Vertrag beteiligte Verbraucher sie verstehen kann.<br />
Für den Fall der Nichtbeachtung des Transparenzgebotes ist in dem RUMÄNISCHEN Gesetz<br />
1<strong>93</strong>/2000 in Art. 1 (2) vorgesehen, dass bei Zweifeln über die Bedeutung einer Klausel diese<br />
im Zweifel zugunsten des Verbrauchers auszulegen ist. Darüber hinaus berechtigt Art. 14<br />
dieses Gesetzes Verbraucher, die durch die Verletzung der Vorgaben des Gesetzes (einschließlich<br />
des Transparenzgebotes) Nachteile erlitten haben, zur Klage nach den Bestimmungen<br />
des Zivilgesetzbuches und der Zivilprozessordnung. Es scheint daher, als habe der<br />
rumänische Gesetzgeber keine spezialgesetzlichen Schadensersatzansprüche wegen Verstoßes<br />
gegen das Transparenzgebot schaffen wollen. Es bleibt den Gerichten überlassen, das Transparenzgebot<br />
und die Sanktionen seiner Verletzung durchzusetzen.<br />
In SPANIEN sind die Rechtsfolgen vor allem deswegen ungeklärt, weil das Transparenzgebot<br />
in zwei unterschiedlichen Gesetzen umgesetzt wurde. In Art. 10(1)(a) des Gesetzes Nr.<br />
26/1984 vom 19. Juli 1984 zum Schutz von Verbrauchern wird das Transparenzgebot nur<br />
ganz allgemein erwähnt, ohne dass die Rechtsfolgen näher spezifiziert werden. In Art. 5(5)<br />
des Gesetzes Nr. 7/1998 vom <strong>13</strong>. April über allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen<br />
werden die Rechtsfolgen bei Intransparenz demgegenüber positiv in zwei Artikeln geregelt.<br />
<strong>Die</strong>se Regelungstechnik wurde im Schrifttum scharf kritisiert, da die betreffenden Rechtsfolgen<br />
einander teilweise widersprechen: Während nach Art. 7(2) unleserliche, mehrdeutige,<br />
undurchsichtige und unverständliche Standardvertragsbedingungen als nicht in den Vertrag<br />
einbezogen gelten, sind Standardvertragsbedingungen gem. Art. 8 unwirksam und nichtig,<br />
wenn sie jedwede Regelung des Gesetzes (das Transparenzgebot eingeschlossen) verletzen.<br />
Beide Gesetze können parallel zur Anwendung kommen, wenn eine Klausel in einem<br />
Verbrauchervertrag zugleich eine Allgemeine Geschäftsbedingung ist. <strong>Die</strong> Rechtsprechung,<br />
die einen pragmatischen, jedoch keinen klarstellenden Ansatz verfolgt, tendiert demgegenüber<br />
dazu, sämtliche der genannten Normen anzuwenden, um ein für die Verbraucher günstiges<br />
Ergebnis zu erzielen, häufig, indem die in Streit stehende Klausel für nichtig erklärt wird.<br />
Im VEREINIGTEN KÖNIGREICH ist ungeklärt, ob eine Klausel prinzipiell bzw. allein deshalb als<br />
missbräuchlich angesehen werden kann, weil sie intransparent ist. <strong>Die</strong> <strong>Law</strong> Commission und<br />
die Scottish <strong>Law</strong> Commission schlagen in ihrem Abschlussbericht “unfair terms” vor, dass es<br />
450
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
grundsätzlich möglich sein soll, eine Vertragsklausel allein wegen ihrer Intransparenz für<br />
missbräuchlich zu erklären. 189<br />
3. Schlussfolgerungen<br />
<strong>Die</strong> Vorgaben der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> sind bezüglich des Transparenzgebots zwar in den meisten<br />
den Mitgliedstaaten umgesetzt worden (Ausnahmen: TSCHECHISCHE REPUBLIK, ESTLAND,<br />
GRIECHENLAND, UNGARN, LUXEMBURG und SLOWAKEI). Es darf jedoch bezweifelt werden,<br />
dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot hinreichend wirksam und effektiv sanktioniert<br />
wird. Da die Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> hierzu keine ausdrücklichen Vorgaben enthält, hat die überwiegende<br />
Mehrzahl der Mitgliedstaaten davon abgesehen, die Rechtsfolgen bei einem Verstoß<br />
gegen das Transparenzgebot im Individualprozess zu sanktionieren. Bei einer Novellierung<br />
der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> sollte der Gemeinschaftsgesetzgeber die Rechtsfolgen klar festlegen.<br />
189 Vgl. den Abschlussbericht der <strong>Law</strong> Commission und der Scottish <strong>Law</strong> Commission on unfair terms in contracts,<br />
LAW COM No. 292/SCOT LAW COM No. 199, paras. 3098-3102.<br />
451
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
VI. Kollektive Rechtsdurchsetzung gemäß Art. 7 der Klausel-Richtlinie<br />
1. Überblick<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Nach Art. 7(1) der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> müssen die Mitgliedstaaten für angemessene und wirksame<br />
Mittel sorgen, um der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende zu setzen. Welche<br />
Mittel die Mitgliedstaaten einsetzen müssen, wird nach der Klausel-Richtlinie weitgehend den<br />
Mitgliedstaaten überlassen. Das Gemeinschaftsrecht möchte den gewachsenen Systemen, die<br />
sich in den Mitgliedstaaten bereits vor Inkrafttreten der Klausel-Richtlinie herausgebildet hatten,<br />
ausreichend Rechnung tragen. Art. 7(2) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> bestimmt daher nur ganz allgemein,<br />
dass die Mittel auch Rechtsvorschriften einschließen müssen,<br />
„wonach Personen oder Organisationen, die nach dem innerstaatlichen Recht ein berechtigtes<br />
Interesse am Schutz der Verbraucher haben, im Einklang mit den einzel-<br />
staatlichen Rechtsvorschriften die Gerichte oder die zuständigen Verwaltungsbehörden<br />
anrufen können, damit diese darüber entscheiden, ob Vertragsklauseln, die im Hin-<br />
blick auf eine allgemeine Verwendung abgefasst wurden, missbräuchlich sind, und<br />
angemessene und wirksame Mittel anwenden, um der Verwendung solcher Klauseln<br />
ein Ende zu setzen.“<br />
Ergänzt wird diese Regelung durch die Richtlinie 98/27 (siehe insbesondere Anhang Nr. 7 der<br />
Richtlinie). 190<br />
Sämtliche Mitgliedstaaten sehen gerichtliche, überindividuelle Kontrollverfahren vor, mit<br />
denen die Verwendung und Empfehlung missbräuchlicher Klauseln im Rechtsverkehr unterbunden<br />
werden soll. In einer Reihe von Mitgliedstaaten liegt der Schwerpunkt auf einem administrativen<br />
Verfahren (siehe 2.), in nahezu allen Mitgliedstaaten besteht darüber hinaus die<br />
Möglichkeit, gerichtlich mit einer Verbandsklage gegen missbräuchliche Klauseln vorzugehen<br />
(3.).<br />
190 Zur Umsetzung dieser Richtlinie siehe den rechtsvergleichenden Bericht in dieser Studie, Teil 2 G.<br />
452
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Einige Mitgliedstaaten, wie beispielsweise FRANKREICH und die SLOWAKEI, sehen darüber<br />
hinaus strafrechtliche Verfahren zur Unterbindung missbräuchlicher Klauseln vor. Soweit<br />
ersichtlich, spielen derartige Verfahren jedoch in der Praxis eine untergeordnete Rolle, so dass<br />
sie keiner näheren Untersuchung bedürfen. Verstößt ein Unternehmer in MALTA gegen eine<br />
Verfügung des Direktors des Verbraucherschutzamtes, so stellt die Zuwiderhandlung ein<br />
strafbares Verhalten dar. Problematisch an einer derartigen Sanktion ist indessen, dass strafrechtliche<br />
Prozesse in der Regel sehr zeitaufwändig sind und darüber hinaus den Nachteil<br />
aufweisen, dass die Beweislastregeln strafprozessualen Grundsätzen folgen, so dass ein zweifelsfreier<br />
Beweis erbracht werden muss. In Malta wird daher darüber nachgedacht, das strafrechtliche<br />
Verfahren durch das effektivere System der Verwaltungsstrafen zu ersetzen.<br />
Neben den genannten Kontrollmechanismen besteht in vielen Mitgliedstaaten bei bestimmten<br />
Vertragsarten, insbesondere bei Finanzdienstleistungsverträgen im Banken- und Versicherungssektor<br />
sowie beim Handel an der Börse die Möglichkeit einer spezifischen Kontrolle<br />
durch öffentlich-rechtliche Aufsichtsbehörden. <strong>Die</strong> Verwendung oder Empfehlung missbräuchlicher<br />
Klauseln kann darüber hinaus für besondere Fallgestaltungen durch kartellrecht-<br />
liche Maßnahmen reguliert werden. Da derartige Kontrollmechanismen nur spezielle Fragestellungen<br />
betreffen, werden die diesbezüglichen Besonderheiten im Folgenden ebenfalls<br />
nicht näher behandelt.<br />
2. Administrative Kontrolle missbräuchlicher Vertragsbedingungen<br />
a. Zur Rolle der Verwaltungsbehörden in den Mitgliedstaaten<br />
Viele Mitgliedstaaten basieren auf einem administrativen System der Klauselkontrolle. Charakteristisch<br />
für diese Systeme ist die dominierende Stellung öffentlicher Stellen, die für den<br />
Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher zuständig sind. Solche Ämter bestehen insbesondere<br />
in den nordischen Ländern (DÄNEMARK, FINNLAND, SCHWEDEN) mit dem Verbraucherombudsmann,<br />
in BULGARIEN in Form der Verbraucherschutzkommission sowie in Form<br />
von Behörden, die für die Zulassung gewerblicher Tätigkeiten zuständig sind, Kommissionen<br />
453
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern und regionalen<br />
Kommissionen, in ZYPERN mit dem Direktor des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz,<br />
in ESTLAND mit dem Verbraucherschutzamt, in UNGARN mit der Oberaufsicht für<br />
Verbraucherschutz, in IRLAND mit dem Director of <strong>Consumer</strong> Affairs, 191 in LETTLAND mit<br />
dem Zentrum zum Schutz der Verbraucherrechte, in LITAUEN mit dem nationalen Verbraucherschutzamt,<br />
in MALTA mit dem Direktor des Verbraucherschutzamtes, in POLEN mit dem<br />
Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, in RUMÄNIEN mit dem Amt<br />
für Verbraucherschutz, in der SLOWAKEI mit dem slowakischen Gewerbeaufsichtsamt sowie<br />
im VEREINIGTEN KÖNIGREICH mit dem Director of the Office of Fair Trading.<br />
Administrative Elemente finden sich darüber hinaus in weiteren Ländern, die zwar keine ausdifferenzierten<br />
Kontrollbefugnisse staatlicher Behörden kennen, diesen Stellen jedoch zumindest<br />
die Möglichkeit einräumen, eine Unterlassungsklage vor Gericht zu erheben, so bei-<br />
spielsweise BELGIEN (Wirtschaftsminister), PORTUGAL (Staatsanwalt) und SPANIEN (Instituto<br />
Nacional del Consumo sowie die jeweiligen Ämter und Verwaltungseinheiten der Autonomen<br />
Regionen; Staatsanwaltschaft bzw. Generalstaatsanwalt).<br />
In BELGIEN ist der König befugt, durch königliches Dekret die Verwendung von Klauseln für<br />
einen bestimmten Wirtschaftssektor oder bestimmte Produkte oder <strong>Die</strong>nstleistungen zu ver-<br />
ordnen oder zu verbieten. 192 In FRANKREICH kann die „Commission des clauses abusives”<br />
Empfehlungen aussprechen, aufgrund derer die Exekutive per Dekret bestimmte Klauseln<br />
verbieten kann. <strong>Die</strong> Empfehlungen der Kommission sind somit nicht rechtsverbindlich. 1<strong>93</strong> In<br />
ITALIEN werden Organisationen zum Schutze der Verbraucher und Nutzer durch den „Con-<br />
siglio Nazionale dei Consumatori e degli Utenti – CNCU”) überregional vertreten. Der<br />
CNCU ist dem Ministero dello Sviluppo Economico angegliedert. Seine Hauptaufgaben bestehen<br />
vor allem in der Abgabe von Stellungnahmen, insbesondere – auf Anfrage – zu Vorentwürfen<br />
von Gesetzen, die von der Regierung oder Mitgliedern des Parlaments eingebracht<br />
werden, sowie – allgemein – zu Gesetzesentwürfen, die die Rechte und Interessen der<br />
Verbraucher und Nutzer betreffen. Neben der beratenden Funktion gegenüber dem Parlament<br />
(in Anhörungen) und der Regierung (in beratenden Sitzungen) nimmt der CNCU darüber hin-<br />
191<br />
Am 24. August 2006 wurde ein neuer Gesetzesentwurf, der <strong>Consumer</strong> Protection (National <strong>Consumer</strong> Agency)<br />
Bill, eingebracht, der unter anderem vorsieht, dass das Office of Director of <strong>Consumer</strong> Affairs durch eine<br />
neue Verwaltungsbehörde ersetzt wird, nämlich die National <strong>Consumer</strong> Agency.<br />
192<br />
Vgl. Teil 2 C.II.2.<br />
1<strong>93</strong><br />
Vgl. Teil 2 C.II.8.<br />
454
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
aus an anderen regulären Beratungen anderer Behörden teil, beispielsweise indem der Consiglio<br />
als Unterzeichner von Memoranden auftritt oder in sonstigen Anhörungen. In POLEN,<br />
PORTUGAL und SPANIEN wurde ein AGB-Register eingerichtet, in dem sämtliche Klauseln<br />
geführt werden, die (durch letztinstanzliche Gerichtsentscheidung) für missbräuchlich erklärt<br />
worden sind. Das Register hat bindende Wirkung für Verwaltungsbehörden, insbesondere für<br />
Registerbeamte.<br />
b. Informationsrechte der Verwaltungsbehörden<br />
<strong>Die</strong> verwaltungsrechtlichen Kontrollbefugnisse sind in den Mitgliedstaaten unterschiedlich<br />
stark ausgeprägt. In vielen Mitgliedstaaten gehen die Kompetenzen der genannten Behörden<br />
weit über die Befugnis hinaus, vor Gericht eine Klage zu erheben. Den Behörden wird viel-<br />
mehr durch spezielle Rechtsvorschriften generell die Aufgabe zugewiesen, Verbraucherbeschwerden<br />
nachzugehen bzw. auf eigene Initiative zu untersuchen, ob verwendete oder emp-<br />
fohlene Klauseln missbräuchlich sind. Hiermit korrespondiert in vielen Mitgliedstaaten das<br />
Recht der Verwaltungsbehörden, von Unternehmern relevante Dokumente und Informationen<br />
einzufordern.<br />
c. Verhandlungen und Richtlinien<br />
Auf dieser Grundlage nehmen viele Verwaltungsbehörden die Aufgabe wahr, im Verhand-<br />
lungswege auf angemessene Vertragsbedingungen hinzuwirken. Charakteristisch ist dieses<br />
Verfahren vor allem in DÄNEMARK, FINNLAND und SCHWEDEN sowie im VEREINIGTEN KÖ-<br />
NIGREICH UND IN BULGARIEN: In den NORDISCHEN STAATEN muss der Verbraucherombudsmann<br />
zunächst durch Verhandlungen sicherstellen, dass sich Unternehmer an die anständigen<br />
Marktgepflogenheiten halten. Eine Möglichkeit, über die der Verbraucherombudsmann auf<br />
die Unternehmer einwirken kann, besteht in der Veröffentlichung von Leitfäden, die auf der<br />
Grundlage von Verhandlungen mit den relevanten Unternehmen und Verbraucherorganisationen<br />
für spezifische Bereiche ausgearbeitet werden. Im VEREINIGTEN KÖNIGREICH werden gewöhnlicherweise<br />
sämtliche Beschwerden über missbräuchliche Klauseln auf dem Verhandlungswege<br />
gelöst. Insbesondere das Office of Fair Trading ist in der Vergangenheit stets besonders<br />
aktiv gewesen und hat erfolgreich dafür gesorgt, dass Unternehmer ihre Vertragsbedingungen<br />
ändern. Das Office of Fair Trading publiziert regelmäßig ein „Unfair Contract<br />
455
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Terms” Bulletin, in dem Details dieser ausgehandelten Klauseln veröffentlicht werden. 194 In<br />
Bulgarien sagt Art. 148 des Verbraucherschutzgesetzes aus, dass die Verbraucherschutzkommission<br />
(i) Leitlinien oder Empfehlungen bezüglich besonderen unzulässigen Vertragsklauseln,<br />
die in Verträgen eingeschlossen sind,die in besonderen Branchen oder Bereichen der<br />
Wirtschaft genutzt werden, ausarbeiten soll, (ii) den Gebrauch von bestimmten vertraglichen<br />
Klauseln, die in bestimmten Branchen oder Bereichen genutzt werden, vorschlagen soll und<br />
(iii) die Verhandlungen mit Repräsentanten der Handelsverbände bezüglich der Ausarbeitung<br />
von für bestimmte Branchen oder Bereiche geeignete Standardverträgen, , führen soll.<br />
In BELGIEN hat der Gesetzgeber im Jahre 19<strong>93</strong> eine spezielle Kommission zur Bekämpfung<br />
missbräuchlicher Klauseln geschaffen. <strong>Die</strong> Kommission ist ein beratendes Organ, das nicht<br />
nur Empfehlungen bzgl. der in B2C-Verträgen verwendeten Klauseln aussprechen kann, son-<br />
dern auch die Kompetenz hat, bei entsprechender Anfrage den Wirtschaftsminister zu beraten<br />
und ihm gegenüber Empfehlungen auszusprechen. <strong>Die</strong> von der Kommission zu unterschiedli-<br />
chen Bereichen getätigten Empfehlungen sind regelmäßig von den Ministern befolgt worden.<br />
<strong>Die</strong> Empfehlungen der Kommission können im Internet eingesehen werden. 195 <strong>Die</strong> Kommis-<br />
sion kann auf eigene Initiative handeln oder auf Anfrage des zuständigen Ministers, einer<br />
Verbraucherorganisation oder auf Anfrage von Unternehmensverbänden.<br />
d. Recht der Verwaltungsbehörden zum Erlass von Verfügungen<br />
In einigen Mitgliedstaaten gehen die Kompetenzen der Verwaltungsbehörden besonders weit.<br />
Sie umfassen nicht nur die Befugnis, vor Gericht eine Klage zu erheben, sondern auch das<br />
Recht, Verfügungen zu erlassen.<br />
In DÄNEMARK hat der Verbraucherombudsmann das Recht, bei einem eindeutigen Verstoß<br />
gegen das Gesetz über Handelspraktiken Verfügungen zu erlassen, soweit die Zuwiderhandlung<br />
nicht im Verhandlungswege beseitigt werden kann. Der betroffene Unternehmer kann<br />
von dem Verbraucherombudsmann verlangen, dass die Verfügung vor Gericht verhandelt<br />
wird. Verstößt der Unternehmer gegen eine Verfügung des Ombudsmanns bzw. des Gerichts,<br />
194<br />
Vgl. http://www.oft.gov.uk/News/Publications/Leaflet+Ordering.htm.<br />
195<br />
Vgl. http://mineco.fgov.be.<br />
456
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
so kann diese Zuwiderhandlung durch eine Geldbuße oder eine bis zu viermonatige Gefängnisstrafe<br />
geahndet werden. In SCHWEDEN kann der Ombudsmann bei Scheitern von Verhandlungen<br />
in Fällen geringerer Bedeutung ebenfalls eine Verbotsverfügung erlassen. Unterbleibt<br />
eine Unterwerfung oder handelt es sich um einen bedeutenden Fall, so kann der Ombudsmann<br />
ein Unterlassungsverfahren vor dem Marktgerichtshof einleiten. Ähnlich hierzu hat in FINN-<br />
LAND der Verbraucherombudsmann die Möglichkeit, eine Unterlassungsverfügung bei unbedeutenden<br />
Fällen zu erlassen. <strong>Die</strong> Verfügung wird gültig, wenn der Adressat nicht innerhalb<br />
von acht Tagen widerspricht. Der Ombudsmann kann darüber hinaus eine Geldbuße verhängen,<br />
aber letztlich entscheidet der Marktgerichtshof, ob diese vom Unternehmer zu zahlen ist.<br />
In ESTLAND können die mit dem Verbraucherschutz betrauten staatlichen Behörden ebenfalls<br />
eine Verfügung erlassen und verlangen, dass Verstöße eingestellt werden und – soweit möglich<br />
– die Folgen des rechtswidrigen Handelns rückgängig gemacht werden; in der Verfügung<br />
muss zugleich ein Bußgeld für den Fall der Zuwiderhandlung angedroht werden; der Unternehmer<br />
kann die Verfügung zwar anfechten, jedoch hat dies keine Suspensivwirkung, es sei<br />
denn, das Gericht entscheidet anders. Das Bußgeld darf maximal 10 000 Kronen betragen.<br />
Nach BULGARISCHEM Recht kann der bzw. die Vorsitzende der Verbraucherschutzkommis-<br />
sion individuelle Verwaltungsakte und Strafbefehle sowie wirksame Verwaltungsmaßnahmen<br />
erlassen. Ebenso kann er Beamte ermächtigen Strafbefehle auszustellen. Darüber hinaus erar-<br />
beitet die Kommission Leitlinien und Empfehlungen bezüglich bestimmter unangemessener<br />
Vertragsklauseln 196 .<br />
In UNGARN kann die Oberaufsicht für Verbraucherschutz auf der Grundlage des Verbraucher-<br />
schutzgesetzes die Beseitigung des rechtswidrigen Zustands anordnen und die weitere Fortsetzung<br />
des Verhaltens verbieten sowie ein Bußgeld (Verbraucherschutzstrafe) auferlegen.<br />
Stellt das Verhalten des Klauselverwenders zugleich ein unlauteres Marktverhalten dar, so<br />
kann auch das Wettbewerbsamt die Verwendung der AGB verbieten und ein Bußgeld verhängen.<br />
In LETTLAND kann das Zentrum zum Schutz der Verbraucherrechte von einem Unternehmer<br />
verlangen, Vertragsentwürfe zu ändern. Darüber hinaus kann das Zentrum die Verwendung<br />
missbräuchlicher oder intransparenter Vertragsklauseln sowohl in Vertragsentwürfen als auch<br />
196 Art. 164(3) lit. 4 Verbraucherschutzgesetz.<br />
457
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
in bereits abgeschlossenen Verträgen verbieten. <strong>Die</strong> vom Zentrum zum Schutz der Verbraucherrechte<br />
aufgestellten Verfügungen sind für den Unternehmer rechtsverbindlich. Verstößt<br />
ein Unternehmer gegen die individuellen Rechte eines Verbrauchers oder gegen die kollektiven<br />
Verbraucherinteressen (Interessen der Verbraucherverbände), und besteht die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass dieser Verstoß zu einem Personen- oder Vermögensschaden führt, so<br />
kann das Zentrum zum Schutz der Verbraucherrechte (1) eine Unterlassungsverfügung erlassen<br />
und vom Unternehmer verlangen, innerhalb einer gesetzten Frist bestimmte Maßnahmen<br />
zur Wiedergutmachung zu ergreifen und (2) die Entscheidung ganz oder teilweise im Veröffentlichungsanzeiger<br />
der lettischen Regierung publizieren.<br />
In MALTA hat der für Verbraucherfragen zuständige Direktor die Möglichkeit, entweder auf<br />
eigene Initiative oder auf Anfrage einer berechtigten Einrichtung eine Verfügung zu erlassen,<br />
die darauf abzielt (1) die in Verbraucherverträgen verwendeten, vom Direktor für missbräuch-<br />
lich erachteten Klauseln zu entfernen oder zu ändern, (2) neue Vertragsbedingungen aufzunehmen,<br />
die der Direktor für notwendig erachtet, damit die Verbraucher besser informiert<br />
werden oder damit ein erhebliches Missverhältnis zwischen den Rechten und Pflichten verhindert<br />
wird, (3) von einer bestimmten Person die Einhaltung bereits erlassener Verfügungen<br />
zu verlangen. Der betroffene Unternehmer kann eine gegen ihn erlassene Verfügung vor dem<br />
Magistratsgericht (Zivilgerichtsbarkeit) anfechten. Missachtet der Unternehmer eine Verfügung,<br />
so ist diese Zuwiderhandlung strafbar. 197<br />
In POLEN hat der Präsident des Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz ebenfalls das<br />
Recht, eine Unterlassungsverfügung zu erlassen, die bei Zuwiderhandlung mit einer Geldbuße<br />
durchgesetzt werden kann. Voraussetzung für eine derartige Verfügung ist jedoch, dass nicht<br />
nur das Interesse einzelner Verbraucher, sondern das Gesamtinteresse der Verbraucher betroffen<br />
ist.<br />
In der SLOWAKEI haben Verbraucher das Recht, eine Beschwerde beim Gewerbeaufsichtsamt<br />
einzureichen. Das slowakische Gewerbeaufsichtsamt ist eine staatliche Behörde, die dem<br />
slowakischen Wirtschaftsministerium untergeordnet ist. Das Aufsichtsamt kann zwar Bußgelder<br />
verhängen, hat jedoch kein Recht, in die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien einzugreifen.<br />
Allein das zuständige Gericht hat eine solche Befugnis.<br />
197 Siehe oben, Teil 2 C.VI.1.<br />
458
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
3. Gerichtliche Kontrolle missbräuchlicher Klauseln<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Auch das gerichtliche Verfahren zur Unterbindung missbräuchlicher Klauseln ist in den Mitgliedstaaten<br />
unterschiedlich ausgestaltet worden.<br />
a. Klagearten in den Mitgliedstaaten<br />
Als Mindeststandard sehen nahezu sämtliche Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Unterlassungsklage<br />
vor gegen Personen, die missbräuchliche Klauseln verwenden oder empfehlen. In<br />
aller Regel kann in dringenden Fällen darüber hinaus vor Gericht ein Antrag auf einstweilige<br />
Verfügung gestellt werden.<br />
<strong>Die</strong> Unterlassungsklage ist grundsätzlich darauf gerichtet, dass der Unternehmer die Zuwider-<br />
handlung einstellt und weitere Zuwiderhandlungen zukünftig unterlässt. <strong>Die</strong> meisten Mitgliedstaaten<br />
sehen vor, dass gerichtliche Entscheidungen ganz oder teilweise veröffentlicht<br />
werden, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln ein Ende gesetzt werden kann.<br />
Neben der Unterlassungsklage sehen einige Mitgliedstaaten auch Schadensersatzklagen vor:<br />
In FRANKREICH haben Verbraucherorganisationen einen Anspruch auf kollektiven Schadensersatz,<br />
wenn eine Handlung des AGB-Verwenders zu einem Schaden des kollektiven<br />
Verbraucherinteresses geführt hat (Art. L. 422 ff. Code de la Consommation). Auch in GRIE-<br />
CHENLAND können Verbraucherverbände auf Schadensersatz klagen. <strong>Die</strong> Höhe des Betrages<br />
wird vom Gericht festgelegt, nach dem es die konkreten Umstände und insbesondere die Intensität<br />
des rechtswidrigen Verhaltens, die Größe des verklagten Unternehmens, seinen Jahresumsatz<br />
und die Notwendigkeit einer allgemeinen oder besonderen Prävention in seine Beurteilung<br />
mit einbezogen hat. <strong>Die</strong>ser Betrag wird für gemeinnützige (Verbraucherschutz-<br />
)Zwecke zur Verfügung gestellt. In BULGARIEN können Verbraucherverbände Klage auf<br />
Schadensersatz wegen der Verletzung kollektiver Verbraucherinteressen erheben. Das den<br />
Schadensersatz zusprechende Gericht bestimmt die Höhe des Schadensersatzes nach richterlichem<br />
Ermessen. Haben zumindest zwei Verbraucher individuelle Schäden erlitten, können<br />
die Verbraucherverbände darüber hinaus auch in ihrem Namen Schadensersatz einklagen,<br />
wenn ihnen von den Verbrauchern hierzu ein schriftliches Mandat erteilt wurde. Reicht in<br />
459
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
UNGARN die Verbraucherschutzbehörde gemäß Art. 39 des Verbraucherschutzgesetzes eine<br />
actio popularis ein, so ist der Rechtsverletzer verpflichtet, den Anspruch des geschädigten<br />
Verbrauchers dem Urteil entsprechend zu begleichen; dies berührt jedoch nicht das Recht des<br />
Verbrauchers, gegenüber dem Rechtsverletzer seinen Anspruch nach den Regeln des Zivilrechts<br />
geltend zu machen.<br />
Auch in SPANIEN können Verbraucherorganisationen gem. Art. 12 des Gesetzes Nr. 7/1998<br />
vom <strong>13</strong>. April über allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen Schadensersatz verlangen.<br />
Seit dem Jahre 2001 können darüber hinaus Verbraucherorganisationen nach der spanischen<br />
Zivilprozessordnung Schadensersatz für eine im Einzelnen nicht weiter zu identifizierende<br />
Gruppe von Verbrauchern verlangen.<br />
Soweit die Verwendung missbräuchlicher Klauseln zugleich einen Verstoß gegen lauterkeitsrechtliche<br />
Vorschriften begründet, greifen in den Mitgliedstaaten unter Umständen zusätzliche<br />
Sanktionen: So können etwa in D<strong>EU</strong>TSCHLAND nach § 9 des neuen Gesetzes gegen den<br />
unlauteren Wettbewerb (UWG) aus dem Jahre 2004 Mitbewerber Schadensersatzansprüche<br />
gegen den Unternehmer geltend machen, wenn dieser vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt<br />
hat. Nach § 10 UWG 2004 kann derjenige, der vorsätzlich handelt und hierdurch zu Lasten<br />
einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, auf Herausgabe dieses Gewinns an den<br />
Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden.<br />
Schließlich sieht ein am 26. Juni 2006 in ITALIEN veröffentlichte Gesetzesvorschlag vor, dass<br />
eine Bestimmung im Verbraucherschutzgesetz eingeführt wird, derzufolge Verbraucherorga-<br />
nisationen künftig das Recht haben, Schadensersatz im Namen eines oder mehrerer Verbraucher<br />
einzuklagen.<br />
Nach dem RUMÄNISCHEN Gesetz 1<strong>93</strong>/2000 bestehen die Sanktionen gegen Personen, die unangemessene<br />
Vertragsklauseln verwenden oder empfehlen, in Geldbußen. Darüber hinaus ist<br />
es möglich, nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften in dringenden Fällen eine einstweilige<br />
Verfügung zu erwirken sowie nach den allgemeinen Vorschriften des Zivilgesetzbuches<br />
Schadensersatz zu fordern.<br />
460
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
b. Aktivlegitimation bei der Unterlassungsklage<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Der Kreis derjenigen Personen, die eine Unterlassungsklage erheben können, wird in den<br />
Mitgliedstaaten unterschiedlich weit gezogen.<br />
In denjenigen Mitgliedstaaten, in denen primär eine administrative Kontrolle vorgesehen ist<br />
(siehe 2.), besteht in aller Regel zugleich eine Klagebefugnis zugunsten der Verwaltungsbehörden.<br />
Daneben haben Verbraucherverbände in sämtlichen Mitgliedstaaten das Recht, eine Verbandsklage<br />
zu erheben. Hiervon ausgenommen sind zwei Mitgliedstaaten: In LITAUEN können<br />
private Verbände keine angemessenen und effektiven Rechtsbehelfe geltend machen, um die<br />
Verwendung missbräuchlicher Klauseln zu untersagen. Verbraucher können lediglich beim<br />
nationalen Verbraucherschutzamt einen Antrag stellen oder im Individualprozess Klage erhe-<br />
ben. In MALTA haben die berechtigen Einrichtungen (registrierte Verbraucherverbände oder –<br />
soweit vom Minister nach Konsultation des Rats für Verbraucherfragen durch Veröffentli-<br />
chung im Amtsblatt zugelassen – auch sonstige Organisationen, seien sie nun in Malta oder<br />
anderswo gegründet) gem. Art. 94 des Gesetzes über Verbraucherfragen lediglich die Möglichkeit,<br />
beim Direktor des Verbraucherschutzamtes einen schriftlichen Antrag auf Erlass einer<br />
Verfügung zu stellen. Gemäß Art. 95 kann der Direktor nach eigenem Ermessen entschei-<br />
den, ob er die Verfügung erlässt, die von der berechtigten Einrichtung beantragt wurde. Lehnt<br />
der Direktor den Erlass einer beantragten Verfügung ab, so muss er innerhalb von sieben Ta-<br />
gen sowohl die berechtigte Einrichtung als auch die Personen, gegen die die Verfügung gerichtet<br />
werden sollte, schriftlich über seine Entscheidung und die Gründe der Ablehnung in-<br />
formieren. Eine berechtigte Einrichtung kann gegen die ablehnende Entscheidung des Direktors<br />
innerhalb von fünfzehn Tagen nach Zugang der Entscheidung beim Magistratsgericht<br />
(Zivilgerichtsbarkeit) Klage erheben, um den Direktor zum Erlass der Verfügung zu verpflichten.<br />
Geht man davon aus, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 7(2) Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> dazu<br />
verpflichtet sind, Verbraucherorganisationen ein Verbandsklagerecht gegenüber dem Verwender<br />
missbräuchlicher Klauseln einzuräumen, so ist in LITAUEN und MALTA ein Verstoß<br />
gegen die Richtlinie zu konstatieren, denn in beiden Ländern haben Verbraucherorganisationen<br />
kein Recht, direkt gegen den Klauselverwender zu klagen.<br />
461
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
In allen anderen Ländern ist die Verbraucherverbandsklage dagegen eingeführt worden,<br />
wenngleich dies in einigen Ländern (IRLAND und VEREINIGTES KÖNIGREICH) erst mit einiger<br />
Verspätung geschah. 198 Neben Verbraucherorganisationen haben schließlich in vielen Ländern<br />
auch noch Berufskammern, Berufsverbände bzw. Gewerbeverbände das Recht, auf Unterlassung<br />
der Verwendung missbräuchlicher Klauseln gerichtlich zu klagen. Derartige Klagemöglichkeiten<br />
bestehen vor allem in ÖSTERREICH, BELGIEN, D<strong>EU</strong>TSCHLAND, GRIECHEN-<br />
LAND, UNGARN, ITALIEN, den NIEDERLANDEN, POLEN, PORTUGAL, SLOWENIEN Und SPANIEN.<br />
In einigen Mitgliedstaaten haben schließlich sogar einzelne Verbraucher das Recht, eine Unterlassungsklage<br />
zu erheben, so insbesondere in POLEN.<br />
c. Rechtsfolgen kollektiver Klagen: Beschränkte Wirkungen der Rechtskraft<br />
Gerichtliche oder administrative Entscheidungen, die im Rahmen eines Kollektivverfahrens<br />
ergehen, sind in der überwiegenden Mehrzahl der Mitgliedstaaten grundsätzlich nur gegenüber<br />
demjenigen Unternehmer bindend, der auch Partei des zugrunde liegenden Verfahrens<br />
ist. <strong>Die</strong> ergangene Entscheidung bindet in aller Regel nicht sonstige Unternehmer, die identische<br />
Klauseln verwenden. Abweichend von diesen Grundsätzen wird jedoch in einigen der<br />
neuen Mitgliedstaaten die Relativität gerichtlicher Entscheidungen durchbrochen: In POLEN<br />
wird eine rechtskräftige Entscheidung, welche die Verwendung einer Klausel verbietet, im<br />
Wirtschafts- und Gerichtsanzeiger veröffentlicht und in ein Register eingetragen. Mit der Eintragung<br />
erlangt das Urteil nach Art. 479 43 Zivilprozessordnung erga omnes-Wirkung – eine<br />
Rechtsfolge, die jedoch in Polen auf verfassungsrechtliche Bedenken stößt. Gerichtsurteile,<br />
die in UNGARN gem. Art. 209/B CC im Rahmen der actio popularis gefällt werden, wirken<br />
ebenfalls erga omnes; ausgenommen sind lediglich Verträge, die bis zur Einreichung der Klage<br />
schon erfüllt worden sind. In SLOWENIEN hat allein ein letztinstanzliches Urteil einen erga<br />
omnes-Effekt, so dass jede Person sich auf ein Urteil berufen kann, durch das bestimmte Verträge,<br />
einzelne Vertragsbestandteile oder die vom Unternehmer verwendeten AGB für unwirksam<br />
und nichtig erklärt wurden. Ein Klage abweisendes Urteil erzeugt demgegenüber nur<br />
Rechtskraft zwischen den betreffenden Prozessparteien; eine erneute Klage bzgl. des gleichen<br />
Klagegegenstands wird insoweit nicht ausgeschlossen. In SPANIEN sah das Gesetz Nr.<br />
198 Siehe die betreffenden Länderberichte in Teil 2 C.II.12 und 25.<br />
462
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
7/1998 199 zwar ursprünglich in Art. 20 eine Regelung vor, derzufolge gerichtliche Entscheidungen<br />
im Revisionsverfahren bei Folgeprozessen eine Präjudizwirkung entfalten; diese Regelung<br />
wurde jedoch mit Inkrafttreten der neuen Zivilprozessordnung (Gesetz Nr. 1/2000) im<br />
Jahre 2000 ersatzlos aufgehoben. 200<br />
Entscheidungen im Kollektivverfahren beziehen sich grundsätzlich nur auf die angegriffene<br />
Klausel. Beschränkt sich aber die Rechtskraft eines Gerichtsurteils auf die Klausel als solche<br />
in ihren gegebenen Wortlaut, so ist der Klauselverwender durch das Urteil nicht daran gehindert,<br />
die angegriffene Klausel durch andere Bedingungen zu ersetzen, die ähnlich missbräuchlich<br />
wirken, aber nicht durch das Urteil erfasst werden.<br />
Einige Mitgliedstaaten haben jedoch im Interesse des Verbraucherschutzes auch für diesen<br />
Fall Vorkehrungen getroffen: So kann sich etwa im VEREINIGTEN KÖNIGREICH gem. Art.<br />
12(4) UTCCR eine Unterlassungsklage ihrem Klagegegenstand nach nicht nur auf eine bestimmte<br />
Klausel, sondern auch auf gleichartige Klauseln oder Klauseln mit ähnlichem Effekt<br />
beziehen. In vergleichbarer Weise können Unterlassungsklagen in ZYPERN nicht nur gegenüber<br />
einem einzelnen Verkäufer oder <strong>Die</strong>nstleistungsanbieter, sondern gegenüber einer Gruppe<br />
von Unternehmern, die gleiche oder ähnliche Klauseln verwenden oder empfehlen, erhoben<br />
werden, unabhängig davon, ob die betreffenden Unternehmer in demselben oder in einem<br />
anderen Geschäftsfeld tätig sind. Dementsprechend kann in diesen Ländern verhindert werden,<br />
dass Unternehmer gerichtliche Entscheidungen umgehen, indem sie die angegriffene<br />
Klausel durch ähnliche missbräuchliche Klauseln ersetzen.<br />
Schließlich ist zu bedenken, dass die mit dem Grundsatz der beschränkten Rechtskraft einhergehenden<br />
Nachteile für die Verbraucher de facto auch vermieden werden können, wenn Verwaltungsbehörden<br />
auf der Grundlage eines ergangenen Urteils gegen sonstige Unternehmer<br />
vorgehen und damit die Urteilswirkungen weit über den Einzelprozess erstrecken.<br />
199 Gesetz Nr. 7/1998 vom <strong>13</strong>. April über allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen.<br />
200 Das Gesetz Nr. 1/2000 zum Zivilprozess ordnet nunmehr in Art. 221.2 an, dass bei einer erfolgreichen Unterlassungsklage<br />
das Urteil ausdrücklich angeben soll, ob sich die mit ihm einhergehenden prozessualen Wirkungen<br />
nicht nur auf die Prozessparteien beziehen.<br />
463
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
4. Ergebnis<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> hat nicht zu einer Vereinheitlichung der Kontrollsysteme<br />
in den Mitgliedstaaten geführt. Nach wie vor bestehen in den Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche<br />
Formen der kollektiven Rechtsdurchsetzung, die ihren Schwerpunkt teils in einer<br />
administrativen Kontrolle, teils in einem gerichtlichen Verbandsklagesystem haben. Durch<br />
den Beitritt der zehn neuen Mitgliedstaaten haben administrative Verfahren in der Europäischen<br />
Gemeinschaft an Bedeutung gewonnen. <strong>Die</strong>s dürfte vor allem darauf zurückzuführen<br />
sein, dass in den ehemals kommunistisch-sozialistischen Ländern nach wie vor nur wenige<br />
private Verbraucherorganisationen existieren und daher verstärkt das Bedürfnis nach einer<br />
administrativen Kontrolle besteht.<br />
VII. Praktische Auswirkungen der Klausel-Richtlinie<br />
1. Auswirkungen auf das Verbraucherschutzniveau<br />
<strong>Die</strong> praktischen Auswirkungen der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> werden von den Länderberichterstattern<br />
unterschiedlich beurteilt.<br />
Von den „alten“ Mitgliedstaaten wird vor allem für die nordischen Länder (DÄNEMARK,<br />
FINNLAND, SCHWEDEN) sowie für ÖSTERREICH, D<strong>EU</strong>TSCHLAND und PORTUGAL betont, dass<br />
die Richtlinie keine merkliche Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus bewirkt habe, da be-<br />
reits vor Umsetzung der Richtlinie weitreichende Regelungen existierten und die durch die<br />
Richtlinie bewirkten (minimalen) Änderungen vor allem darauf abzielten, durch zusätzliche<br />
Bestimmungen etwaige Schutzlücken zu schließen. Für FRANKREICH, LUXEMBURG und die<br />
NIEDERLANDE wird hervorgehoben, dass sich die Auswirkungen der Richtlinie schwer beurteilen<br />
ließen, da auch in diesen Ländern bereits ein entwickeltes System der Klauselkontrolle<br />
bestanden habe und aufgrund der Richtlinie nur wenige Änderungen vorgenommen seien. <strong>Die</strong><br />
Umsetzung und Anwendung der Richtlinie in BELGIEN wird überwiegend kritisch beurteilt.<br />
Da der belgische Gesetzgeber eine Vielzahl sektorspezifischer Rechtsakte erlassen hat und in<br />
jedem dieser Gesetze eine Vielzahl von Klauseln für missbräuchlich erklärt wird, steht der<br />
praktische Rechtsanwender vor dem Problem, sich einen Überblick über die anwendbaren<br />
464
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
(nicht kohärenten) Regeln zu verschaffen. In IRLAND ist bislang nur ein einziges Gerichtsurteil<br />
zum nationalen Umsetzungsakt ergangen. Man könnte daraus folgern, dass die Auswirkungen<br />
der Richtlinie minimal geblieben sind. Andererseits bestehen jedoch eindeutige Anhaltspunkte<br />
für ein “soft enforcement” durch das Office of Director of <strong>Consumer</strong> Affairs, das<br />
in seinen Jahresberichten regelmäßig diejenigen Klauseln auflistet, die im Verhandlungswege<br />
mit den Unternehmen angepasst worden sind; betroffen sind etwa Mobiltelefonverträge, Flugreisen,<br />
Autovermietungen, Verträge über Wohnalarmanlagen, Gebäudeversicherungen und<br />
Bauverträge. Für das VEREINIGTE KÖNIGREICH wird davon ausgegangen, dass Verbraucher<br />
eindeutig von den neuen Regelungen profitiert haben, da eine größere Anzahl von Klausel als<br />
zuvor angegriffen werden kann. Auch für GRIECHENLAND, ITALIEN und SPANIEN wird vermutet,<br />
dass sich das Verbraucherschutzniveau verbessert habe, wenngleich für SPANIEN einschränkend<br />
darauf hingewiesen wird, dass dieser Umstand nicht allein auf die Richtlinie zurückzuführen<br />
ist, sondern auch darauf, dass der spanische Gesetzgeber ein vollständig neues<br />
Gesetz erlassen hat, das weit über die Richtlinie hinausgeht. <strong>Die</strong> Einführung eines Katalogs<br />
von Klauseln, die eine unangemessene Benachteiligung darstellen, hat die Rechtsanwendung<br />
in BULGARIEN vereinfacht.<br />
Anders stellt sich die Lage demgegenüber in den N<strong>EU</strong>EN MITGLIEDSTAATEN dar. Da sämtliche<br />
der beigetretenen Mitgliedstaaten vor Umsetzung kein der Richtlinie vergleichbares System<br />
der Klauselkontrolle kannten, wird von allen Berichterstattern hervorgehoben, dass sich die<br />
neuen Vorschriften zur Regelung missbräuchlicher Klauseln ohne Zweifel vorteilhaft ausge-<br />
wirkt haben, wenngleich andererseits von Vielen darauf verwiesen wird, dass sich die praktischen<br />
Auswirkungen noch nicht beurteilen ließen, da bislang kaum Rechtsprechung vorhan-<br />
den sei und auch keine aktuellen Länderberichte vorlägen.<br />
Nach den Berichten der RUMÄNISCHEN Nationalen Verbraucherschutzbehörde wird zum jetzigen<br />
Zeitpunkt, d.h. nach dem Abschluss des Umsetzungsprozesses der entsprechenden<br />
Verbraucherschutzrichtlinien, an der Entwicklung einer Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften<br />
über Allgemeine Geschäftsbedingungen gearbeitet. In diesem Zusammenhang sei es<br />
ein wichtiges Ziel der Behörde, die Verbraucher über ihre Rechte auf diesem Rechtsgebiet zu<br />
informieren. Darüber hinaus würden intensive Bemühungen vorgenommen, um Verträge zwischen<br />
Verbrauchern und Unternehmern zu überprüfen. In diesem frühen Stadium nach Beendigung<br />
des Umsetzungsprozesses sind die praktischen Auswirkungen auf diesem Gebiet nur<br />
465
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
schwer abzuschätzen. Es kann aber jedenfalls festgestellt werden, dass wichtige Fortschritte<br />
gemacht wurden.<br />
Für einige Mitgliedstaaten, insbesondere für BELGIEN, POLEN und MALTA, wird darauf hingewiesen,<br />
dass viele Unternehmer Schwierigkeiten hätten, die neuen Regelungen zur Klauselkontrolle<br />
zu beachten. Nach einer kürzlich durchgeführten Untersuchung des POLNISCHEN<br />
Amtes für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz zu den Geschäftspraktiken in der Touristikbranche<br />
und Sprachschulen, enthalten ca. 95% der untersuchten Broschüren, Merkblätter und<br />
Verträge verbotene Klauseln.<br />
Schließlich beklagen viele Korrespondenten, dass der begrenzte Erfolg der neuen Vorschriften<br />
zur Klauselkontrolle letztlich auf die Unkenntnis der Verbraucher, unter Umständen auch<br />
auf das geringe Fachwissen der Anwälte zurückzuführen sei. Denkbar wäre allerdings auch,<br />
dass die Anwälte es vorzögen, sich bei missbräuchlichen Klauseln auf die gängigen, ihnen<br />
eher bekannten Regeln des Allgemeinen Vertragsrechts zu berufen, allerdings lässt sich eine<br />
derartige Aussage – wie der belgische Berichterstatter hervorhebt – nicht beweisen.<br />
2. Zusätzliche Kostenbelastung für Unternehmer<br />
Für diejenigen Länder, die vor Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> kein der Richtlinie entsprechendes<br />
System der Klauselkontrolle kannten, also insbesondere für die neuen Mitgliedstaaten,<br />
wird teilweise angenommen, dass den Unternehmern durch die Umsetzung der Richtlinie<br />
zusätzlich Kosten entstanden seien, da vermutet werden könne, dass abgeschlossene Verträge<br />
wegen Missbräuchlichkeit einer Klausel aufgehoben werden mussten, während nach zuvor<br />
geltender Rechtslage die Verträge wirksam waren. Für andere Mitgliedstaaten wird demgegenüber<br />
die Vermutung geäußert, dass gerade keine neuen Kosten für Unternehmer entstanden<br />
seien, da viele Unternehmer die neuen Regelungen nicht kennen und es an einer proaktiven<br />
Durchsetzung fehle.<br />
466
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
3. Besondere Schwierigkeiten bei Umsetzung der Klausel-Richtlinie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
<strong>Die</strong> Umsetzung der Richtlinie <strong>93</strong>/<strong>13</strong> hat eine Reihe von Problemen in den Mitgliedstaaten<br />
hervorgerufen, die sich teils darauf zurückführen lassen, dass die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen<br />
mit ihnen fremdartigen Regelungen und Begriffen durchsetzt worden sind (dies<br />
betrifft beispielsweise das Gebot von „Treu und Glauben“, das insbesondere im common-law-<br />
Rechtskreis unbekannt war und insoweit Auslegungsschwierigkeiten verursacht), teils jedoch<br />
auch auf einer inkonsequenten Umsetzungstechnik beruhen.<br />
So werden etwa im BELGISCHEN Recht missbräuchliche Klauseln sowohl durch das Gesetz<br />
vom 14. Juli 1991 über Handelspraktiken, Verbraucherinformationen und Verbraucherschutz<br />
(GHP) als auch (für Freiberufler) durch das Gesetz vom 2. August 2002 über irreführende und<br />
vergleichende Werbung, missbräuchliche Vertragsklauseln und den Fernabsatz für freie Berufe<br />
(GfB) geregelt. <strong>Die</strong> für Freiberufler unterschiedlichen Regelungen wurden nicht nur unter<br />
systematischen Gesichtspunkten stark kritisiert, sondern auch aufgrund der Widersprüchlichkeiten<br />
zwischen beiden Gesetzen. Derartige Dopplungen bestehen auch im SPANISCHEN<br />
Recht. Wird ein Vertrag mit Standardvertragsbedingungen mit einem Verbraucher abgeschlossen,<br />
so finden sowohl das Allgemeine Gesetz zum Schutz von Verbrauchern als auch<br />
das Gesetz über allgemeine Geschäftsbedingungen Anwendung, ohne dass die Regelungen<br />
aufeinander abgestimmt wären. Für IRLAND wird hervorgehoben, dass Widersprüchlichkeiten<br />
zwischen dem Unfair Terms in <strong>Consumer</strong> Contracts Regulation und den Regelungen über<br />
Freizeichnungsklauseln nach dem Kaufrecht entstehen können. Während nach den kaufrecht-<br />
lichen Regelungen eine die Haftung für „breach of the statutory implied terms” ausschließende<br />
oder begrenzende Klausel nichtig (absolut verboten) ist, könnte dieselbe Klausel nach dem<br />
Unfair Terms in <strong>Consumer</strong> Contracts Regulation unter Umständen den „fairness“-Test bestehen.<br />
Für derartige Konfliktfälle wird vorgeschlagen, dass der Verbraucher durch die strengeren<br />
Regelungen geschützt werden müsste, also nach den kaufrechtlichen Regelungen. In ZY-<br />
PERN bestehen ganz ähnliche Probleme, denn auch hier werden Klauseln, die eine Haftung für<br />
„statutory implied terms” ausschließen, nach dem Kaufrecht für unwirksam und nichtig angesehen,<br />
während nach dem Gesetz Nr. <strong>93</strong>(I)/96 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen<br />
eine derartige Klausel durchaus den „fairness“-Test bestehen könnte. Im VEREINIG-<br />
TEN KÖNIGREICH wurden die Regelungen der Richtlinie nahezu wörtlich im UTCCR umgesetzt,<br />
insoweit lassen sich keine Umsetzungsdefizite erkennen. Da neben dem UTCCR allerdings<br />
weiterhin das UCTA 1977 Anwendung findet, besteht derzeit keine Rechtssicherheit.<br />
467
Verbraucherrechtskompendium Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
Vor diesem Hintergrund haben die <strong>Law</strong> Commission und die Scottish <strong>Law</strong> Commission im<br />
Februar 2005 einen Vorschlag für einen Gesetzesentwurf veröffentlicht und in ihrem Abschlussbericht<br />
vorgeschlagen, die Regelungen verständlicher zu fassen und die im UCTA<br />
1977 und UTCCR 1999 vorhandenen Normen in einem einzigen Regelwerk zusammenzufüh-<br />
ren. 201<br />
201 Siehe den Abschlussbericht der <strong>Law</strong> Commission und der Scottish <strong>Law</strong> Commission on unfair terms in contracts,<br />
LAW COM No. 292/SCOT LAW COM No. 199.<br />
468
Verbraucherrechtskompendium<br />
Rechtsvergleichende Studie<br />
C. Klausel-Richtlinie (<strong>93</strong>/<strong>13</strong>)<br />
469