EUK-Dialog 2006 neu 2 - Eisenbahn-Unfallkasse
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Unfallversicherung<br />
Das Kreuz mit<br />
dem Kreuz<br />
Erkrankungen der Wirbelsäule stellen eine Volkskrankheit<br />
dar, die in allen Altersgruppen, sozialen Schichten<br />
und Berufsgruppen unabhängig davon vorkommen, ob<br />
sitzende, stehende, leichte oder schwere körperliche<br />
Arbeiten verrichtet werden. Leichte Arbeiten schützen<br />
nicht vor Verschleißkrankheiten der Wirbelsäule und<br />
schwere Arbeiten führen nicht zwangsläufig zu einer<br />
solchen Erkrankung. Unter bestimmten Voraussetzungen<br />
können aber berufliche Tätigkeiten für eine bandscheibenbedingte<br />
Schädigung der Wirbelsäule verantwortlich<br />
sein. In Fortsetzung des Artikels „Das Kreuz mit<br />
dem Kreuz“ werden deshalb im nachstehenden Beitrag<br />
von Hermann Guse, Sachbearbeiter in der Abteilung<br />
„Berufskrankheiten“, die BK-Nr. 2108, 2109 und<br />
2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung<br />
(BKV) weiter vorgestellt.<br />
Das Feststellungsverfahren<br />
Zur Erinnerung: Im Jahre<br />
1993 wurde die Berufskrankheiten-Verordnung<br />
durch den<br />
Bundesminister für Arbeit und<br />
Sozialordnung um drei Krankheiten,<br />
welche die Wirbelsäule<br />
betreffen, erweitert. Es handelt<br />
sich dabei um die<br />
8<br />
BK 2108<br />
Bandscheibenbedingte Erkrankungen<br />
der Lendenwir-<br />
belsäule durch langjähriges<br />
Heben oder Tragen schwerer<br />
Lasten oder durch langjährige<br />
Tätigkeiten in extremer<br />
Rumpfbeugehaltung,<br />
die zur Unterlassung aller<br />
Tätigkeiten gezwungen haben,<br />
die für die Entstehung,<br />
die Verschlimmerung oder<br />
das Wiederaufleben der Erkrankung<br />
ursächlich waren<br />
oder sein können.<br />
BK 2109<br />
Bandscheibenbedingte Erkrankungen<br />
der Halswirbel-<br />
säule durch langjähriges Tragen<br />
schwerer Lasten auf der<br />
Schulter, die zur Unterlassung<br />
aller Tätigkeiten gezwungen<br />
haben, die für die<br />
Entstehung, die Verschlimmerung<br />
oder das Wiederaufleben<br />
der Krankheit ursächlich<br />
waren oder sein<br />
können.<br />
BK 2110<br />
Bandscheibenbedingte Erkrankungen<br />
der Lendenwirbelsäule<br />
durch langjährige,<br />
vorwiegend vertikale Einwirkungen<br />
von Ganzkörperschwingungen<br />
im Sitzen, die<br />
zur Unterlassung aller Tätigkeiten<br />
gezwungen haben,<br />
die für die Entstehung, die<br />
Verschlimmerung oder das<br />
Wiederaufleben der Erkrankung<br />
ursächlich waren oder<br />
sein können.<br />
Die arbeitstechnischen<br />
Voraussetzungen<br />
Mit der Aufnahme der bandscheibenbedingtenErkrankungen<br />
der Wirbelsäule in die Liste<br />
der Berufskrankheiten standen<br />
die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung<br />
vor dem Problem,<br />
dass der Gesetzgeber<br />
(bewusst) auf eine notwendige<br />
Konkretisierung der arbeitstechnischen<br />
Voraussetzungen verzichtete.<br />
Allein nach dem Wortlaut<br />
der Nr. 2108 der Anlage zur<br />
Berufskrankheiten-Verordnung<br />
(BKV) kann z.B. nicht exakt bestimmt<br />
werden, was unter den<br />
Begriffen „schwere“ Last, einer<br />
„langjährigen“ Tätigkeit und einer<br />
„extremen Rumpfbeugehaltung“<br />
zu verstehen ist. Es musste<br />
also nach wissenschaftlichen<br />
Gesichtpunkten eine einheitlich<br />
anzuwendende Arbeitsgrundlage<br />
für die Bemessung der belastungsbedingten<br />
Dosis in Bezug<br />
auf das Erkrankungsrisiko<br />
entwickelt werden.<br />
Für die Bewertungs-Beurteilung<br />
zur BK-Nr. 2108 etablierte sich<br />
das so genannte Mainz-Dortmunder-Dosismodell<br />
(MDD);<br />
nähere Ausführungen hierzu siehe<br />
„<strong>EUK</strong>-<strong>Dialog</strong>“ 1/<strong>2006</strong>.<br />
Ein anderer bandscheibengefährdender<br />
Faktor im Arbeitsprozess<br />
ist die Einwirkung mechanischerGanzkörperschwingungen<br />
(BK-Nr. 2110) – wie sie<br />
z.B. bei Fahrern von Baustellen-LKW,<br />
land- und forstwirtschaftlichen<br />
Fahrzeugen, Muldenkippern,<br />
Gabelstaplern auf<br />
unebenen Fahrbahnen (also<br />
Hofflächen, Pflaster usw.) auftreten.<br />
Die arbeitstechnischen<br />
Voraussetzungen gelten als erfüllt,<br />
wenn der nach der derzeit<br />
gültigen VDI (Verein Deutscher<br />
Ingenieure) Richtlinie 2057-1<br />
(„Einwirkung mechanischer<br />
Schwingungen auf den Menschen<br />
– Ganzkörperschwingungen“)<br />
bestehende Richtwert für<br />
die Tagesbelastung als auch für<br />
die Gesamtschwingungsdosis<br />
(also die gesamte berufliche<br />
Schwingungsbelastung) erreicht<br />
bzw. überschritten wird<br />
(Anm: Mit einem Gesundheitsrisiko<br />
wird in der Regel erst nach<br />
einer mindestens zehnjährigen<br />
Vibrationsbelastung gerechnet).<br />
Eine Gefährdung ist ausgeschlossen,<br />
wenn nur eine kurzzeitige<br />
Exposition auf den genannten<br />
Fahrzeugen vorgelegen<br />
hat; Fahrer von Taxis, Gabelstaplern<br />
auf Hallengrund bzw.<br />
von Lkw und Omnibussen mit<br />
schwingungsgedämpften Fahrersitzen<br />
sind demnach keiner<br />
gesundheitsschädigenden Belastung<br />
ausgesetzt.<br />
Als Gefahrenquellen für degenerative<br />
Veränderungen der<br />
LWS gelten auch so genannte<br />
Mischbelastungen, also Belastungen<br />
sowohl durch manuelles<br />
Heben oder Tragen schwerer<br />
Lasten oder Tätigkeiten in<br />
extremer Rumpfbeugehaltung<br />
als auch durch Ganzkörperschwingungen;<br />
auch für diese<br />
kombinierten Belastungen lassen<br />
sich die arbeitstechnischen<br />
Voraussetzungen mittels der<br />
VDI-Richtlinie und des MDD<br />
beurteilen.<br />
Für die Bewertung der beruflichen<br />
Belastungen der HWS<br />
im Sinne der BK-Nr. 2109 kann<br />
das Mainz-Dortmunder-Dosismodell<br />
nicht herangezogen werden.<br />
Hier ist das vom Gesetzgeber<br />
bei der Einführung der<br />
<strong>EUK</strong><strong>Dialog</strong> 2/<strong>2006</strong>