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Last und Freude des Kehrens (Von der verlorenen Drachme)

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Gt 08020 / p. 625 / 1.10.2007<br />

<strong>Last</strong> <strong>und</strong><strong>Freude</strong><strong>des</strong><strong>Kehrens</strong> Lk15,8-10<br />

wie seine Annahme (prosdffcesqai prosdechesthai) theologisch begründet ist: im Wesen<br />

Gottes nämlich, <strong>der</strong> sich darüber freut, wenn Menschen zu ihm zurückfinden <strong>und</strong> »einen<br />

Neuanfang machen«, womit hier das metanoe…n metanoein von V. 10 (siehe auch 15,7)<br />

übersetzt wurde (mehr dazu s. u.). Gegenüber den inhaltlich verwandten Aussprüchen<br />

Jesu, die seine göttliche Sendung beschreiben als »suchen, was verloren ist« (Lk 19,10)<br />

bzw. »Sün<strong>der</strong>innen <strong>und</strong> Sün<strong>der</strong> rufen zur Umkehr« (Lk 5,32), tragen die Parabeln, die<br />

mit dem Wesen Gottes argumentieren, mehr zur narrativen Christologie <strong>des</strong> Evangeliums<br />

bei, indem sie zeigen: »Das Verhalten Jesu ist das offenbar werdende Verhalten Gottes.«<br />

(Trilling 1968,120; ähnlich Holtz 1998,169).<br />

Die Parabel selbst ist als eine lange rhetorische Frage formuliert, die den Zuhörenden<br />

einen Alltagsfall (mit Problem in V. 8 <strong>und</strong> Reaktion auf die Lösung in V. 9) vorlegt<br />

<strong>und</strong> sich dabei <strong>der</strong> Zustimmung gewiss weiß. Abgeschlossen wird sie in V. 10 durch eine<br />

mit o˜tw@, lffgw ¢m…n (houtōs legō hymin – so, sage ich euch) eingeleitete Anwendung,<br />

durch die Aspekte <strong>des</strong> Geschil<strong>der</strong>ten auf die Sphäre Gottes <strong>und</strong> <strong>der</strong> Engel übertragen<br />

werden, wobei allerdings Verschiebungen gegenüber den Schwerpunkten <strong>der</strong> Erzählung<br />

zu sehen sind (s. u.).<br />

Betrachten wir zunächst die Parabel: Protagonistin ist eine Frau, die zehn <strong>Drachme</strong>n<br />

besitzt <strong>und</strong> eine davon im Haus verloren hat. Diese Ausgangssituation <strong>und</strong> die Frageform<br />

(»welche Frau würde nicht …«) evoziert eindeutig eine Identifikation <strong>der</strong> Hörerinnen<br />

<strong>und</strong> Hörer mit <strong>der</strong> Frau, nicht etwa mit <strong>der</strong> <strong>Drachme</strong>, woran die Deutung von<br />

We<strong>der</strong> ( 4 1990, 251) scheitert, <strong>der</strong> Hörer solle »sich selbst als Verlorenen verstehen« lernen<br />

<strong>und</strong> davon befreit werden »aus eigener Kraft seine Verlorenheit zu überwinden«. Die Frau<br />

tut mit großer Sorgfalt, was nötig ist, um die <strong>Drachme</strong> zu finden, sie zündet Licht an <strong>und</strong><br />

kehrt das Haus (siehe dazu die sozialgeschichtliche Analyse). Nachdem sie die <strong>Drachme</strong><br />

gef<strong>und</strong>en hat, ruft sie ihre Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Nachbarinnen (die griechischen Formen<br />

zeigen, dass es sich hierbei ausschließlich um Frauen handelt) <strong>und</strong> for<strong>der</strong>t sie zur Mitfreude<br />

auf. Diese Auffor<strong>der</strong>ung zur Mitfreude, <strong>der</strong> keine erzählerische Realisation mehr<br />

folgt, ist als Appell an die LeserInnen zu verstehen, sich mit <strong>der</strong> Frau <strong>und</strong> ihren Fre<strong>und</strong>innen<br />

zu freuen (Güttgemanns 1971,6; Heininger 1991, 142). Den Aspekt <strong>der</strong> <strong>Freude</strong><br />

nimmt die Deutung auf <strong>und</strong> richtet den Blick nunmehr auf die <strong>Freude</strong> »vor den Engeln<br />

Gottes über jeden Sün<strong>der</strong>, <strong>der</strong> umkehrt«. An diesem Punkt bietet die Parabel nun zwei<br />

Identifikationsmöglichkeiten an, die den in Lk 15,1-2 genannten Zuhörerkreisen entsprechen.<br />

Die als »Zöllner <strong>und</strong> Sün<strong>der</strong>« stigmatisierten Männer <strong>und</strong> Frauen, die zu Jesus<br />

gekommen sind, <strong>und</strong> diejenigen RezipientInnen, die sich – zu Recht o<strong>der</strong> Unrecht – mit<br />

ihnen identifizieren, dürfen sich als von Gott nicht aufgegebene, vielmehr gesuchte Sün<strong>der</strong>Innen<br />

erkennen, <strong>der</strong>en Umkehr <strong>Freude</strong> im Himmel auslöst. Die Pharisäer <strong>und</strong> Schriftgelehrten<br />

<strong>und</strong> alle sich mit ihnen – zu Recht o<strong>der</strong> Unrecht – identifizierenden RezipientInnen<br />

werden aufgefor<strong>der</strong>t, in die <strong>Freude</strong> <strong>der</strong> Engel über die Umkehr von Sün<strong>der</strong>innen<br />

<strong>und</strong> Sün<strong>der</strong>n einzustimmen. Eine dritte Möglichkeit lässt die Parabel nicht zu, will man<br />

sie nicht selbst in Frage stellen, etwa, indem man darauf hinweist, dass doch von einem<br />

»Sündigen« <strong>und</strong> einer »Umkehr« <strong>der</strong> <strong>Drachme</strong> keine Rede war. Hier liegen eindeutig Verschiebungen<br />

zwischen dem besprochenem Fall <strong>und</strong> den zur theologischen Übertragung<br />

angebotenen Elementen, doch sollten diese als Absicht <strong>des</strong> Autors bewertet werden, die in<br />

<strong>der</strong> Gesamtauslegung noch näher zu befragen ist (s. u.). V. 10 hat außerdem im Gesamtkontext<br />

von Lk 15 klar die Funktion <strong>der</strong> Hinführung <strong>und</strong> Überleitung zur Parabel vom<br />

<strong>verlorenen</strong> Sohn, dem paradigmatischen Sün<strong>der</strong>, <strong>der</strong> umkehrt (Nolland 1993a, 775).<br />

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