26.08.2013 Aufrufe

Es ist ein Ros entsprungen - Evangelische Pfarrgemeinde Graz ...

Es ist ein Ros entsprungen - Evangelische Pfarrgemeinde Graz ...

Es ist ein Ros entsprungen - Evangelische Pfarrgemeinde Graz ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Ein alter, verwitterter Baumstumpf: <strong>ein</strong>mal war<br />

er Teil <strong>ein</strong>es großen Baumes, hat <strong>ein</strong>e grüne<br />

Krone getragen, Früchte hervorgebracht, Schatten<br />

gespendet. Dann wurde er geschlagen, das<br />

Holz verwertet, Möbel daraus gebaut, Futtertröge<br />

für das Vieh. Die Reste wurden verheizt,<br />

gaben den Menschen Wärme, <strong>Es</strong>sen konnte<br />

zubereitet werden. Er hatte s<strong>ein</strong>e Zeit, nun <strong>ist</strong><br />

nichts mehr da. Fast nichts mehr: nur mehr der<br />

Stumpf. Sch<strong>ein</strong>bar leblos, übriggeblieben …<br />

Und dann wächst daraus <strong>ein</strong> junger Trieb: kl<strong>ein</strong>,<br />

zart und gefährdet. <strong>Es</strong> entfaltet sich neues<br />

Leben gerade dort, wo das Leben sich zurückgezogen<br />

hatte. Dort, wo alles zu Ende schien.<br />

Manchmal gibt es das, draußen in der Natur.<br />

Aus <strong>ein</strong>em Stück toten Holz wächst <strong>ein</strong>e neue<br />

Pflanze.<br />

Ein wunderschönes Bild.<br />

Aber im Leben?<br />

Da muss ich akzeptieren, dass es Dinge gibt,<br />

die vorbei sind.<br />

Da sagt mir m<strong>ein</strong>e Erfahrung, dass etwas, aus<br />

dem sich das Leben zurückgezogen hat, nicht<br />

wieder zu blühen anfängt.<br />

In diesen Gedanken höre ich m<strong>ein</strong>en Realitätssinn.<br />

Aus dieser Skepsis spricht m<strong>ein</strong> resigniertes<br />

Herz.<br />

Das <strong>ist</strong> der Blick aufs Leben, der die Dinge sieht,<br />

wie sie eben sind.<br />

Unsere Bibel aber <strong>ist</strong> voll mit Hoffnungsbildern,<br />

die ganz und gar nicht resigniert sind. Mit großen<br />

Visionen laden sie uns <strong>ein</strong>, über die „Dinge<br />

wie sie sind“ hinaus zu sehen, zu träumen. Sie<br />

erzählen von Bildern, die jede Erfahrung sprengen<br />

und die aus k<strong>ein</strong>er Realität ableitbar sind.<br />

<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>Ros</strong> <strong>entsprungen</strong><br />

Das Weihnachtsgeschehen „Gott wird Mensch“<br />

<strong>ist</strong> so <strong>ein</strong> großartiges Bild des Träumens; Eine<br />

junge Frau aus ärmlichen Verhältnissen bringt<br />

<strong>ein</strong> Kind zur Welt, das k<strong>ein</strong>en anderen Platz hat<br />

als <strong>ein</strong>e Futterkrippe. Und doch steht dieses<br />

Neugeborene in s<strong>ein</strong>er ganzen Armut in der<br />

großen Tradition des König David.<br />

Längst gibt es dessen Königshaus nicht mehr,<br />

<strong>ist</strong> das Land von <strong>ein</strong>er fremden Großmacht<br />

besetzt – der alte Baum <strong>ist</strong> gefällt. Und doch<br />

wächst dort neues Leben, <strong>ein</strong> neuer Trieb. „<strong>Es</strong><br />

wird <strong>ein</strong> Zweig hervorgehen …“<br />

„<strong>Es</strong> <strong>ist</strong> <strong>ein</strong> <strong>Ros</strong> <strong>entsprungen</strong> aus <strong>ein</strong>er Wurzel<br />

zart …<br />

Und hat <strong>ein</strong> Blüml<strong>ein</strong> bracht mitten im kalten<br />

Winter“<br />

So singen wir in <strong>ein</strong>em alten Weihnachtslied<br />

und drücken damit das Weihnachtsgeschehen<br />

aus: Gott wird Mensch.<br />

Eine Blume, <strong>ein</strong>e <strong>Ros</strong>e mitten im kalten Winter.<br />

Nicht im Glashaus gewachsen, nicht aus warmen<br />

Ländern importiert, sondern in der Kälte<br />

des Winters beginnt sie zu blühen.<br />

Solche Geschichten und Bilder machen uns<br />

Mut, weiter als die Wirklichkeit zu sehen, weiter<br />

zu träumen, weiter zu hoffen, als der Realitätssinn<br />

es erlaubt.<br />

Gott <strong>ist</strong> nicht von unserer Realität hier zu trennen,<br />

<strong>ist</strong> ganz hier, in all dem, wie Menschen<br />

leben.<br />

Weihnachten rührt an unsere Sehnsucht, dass<br />

das Leben noch ganz anders s<strong>ein</strong> könnte, als<br />

es <strong>ist</strong>.<br />

Daher versuchen wir jedes Jahr aufs Neue in<br />

der Weihnachtszeit <strong>ein</strong> wenig anders mit<strong>ein</strong>ander<br />

zu leben. Familien kommen in den unterschiedlichsten<br />

Konstellationen, in ihrem bunten<br />

Patchworkdas<strong>ein</strong> zusammen – versuchen es<br />

mit<strong>ein</strong>ander, auch wenn es schwierig <strong>ist</strong>.<br />

Über die Generationen hinweg versuchen wir<br />

<strong>ein</strong>ander wahrzunehmen: die Traditionen und<br />

Wünsche der Alten und die Bedürfnisse der<br />

Jungen – auch wenn man sonst nicht viel von<br />

<strong>ein</strong>ander hört.<br />

Wir spenden mehr als sonst im Jahr für Menschen,<br />

die in Armut leben.<br />

In den Betrieben und Schulen feiern Menschen<br />

2<br />

mit<strong>ein</strong>ander, auch wenn sie den Rest des Jahres<br />

in ihren Rollen <strong>ein</strong>fach Chefin und Mitarbeiter<br />

sind.<br />

Weihnachten rührt an unsere Sehnsucht, dass<br />

das Leben noch ganz anders s<strong>ein</strong> könnte, als<br />

es <strong>ist</strong>.<br />

Deshalb schmerzt dieses Fest auch viele in<br />

besonderer Weise: Dann, wenn sie von ihren<br />

Liebsten verlassen wurden, wenn die Familie<br />

zerstritten <strong>ist</strong>, wenn die Einsamkeit besonders<br />

deutlich wird, weil jeder s<strong>ein</strong>en Interessen nachgeht<br />

und die Frage: Wer wird mit mir feiern?<br />

unbeantwortet bleibt. Sie werden an all das<br />

erinnert, was nie in Erfüllung gegangen <strong>ist</strong>.<br />

Und doch:<br />

Weihnachten rührt an unsere Sehnsucht, dass<br />

das Leben noch ganz anders s<strong>ein</strong> könnte, als<br />

es <strong>ist</strong>.<br />

Gegen allen Realitätssinn wächst aus Totem<br />

<strong>ein</strong> neuer Zweig – und manchmal erblüht <strong>ein</strong>e<br />

<strong>Ros</strong>e mitten im Winter.<br />

Ihre Pfarrerin Ulrike Frank-Schlamberger<br />

Heilige Nacht<br />

Am Tor steht <strong>ein</strong> Engel<br />

und lächelt dich an:<br />

„Möchten Sie <strong>ein</strong>en Blick<br />

in den Himmel werfen?<br />

Wir haben Tag der offenen Tür.<br />

Der Hausherr <strong>ist</strong> gerade unterwegs.<br />

Er <strong>ist</strong> Mensch geworden.<br />

Wir bauen nämlich unser Terrain aus.<br />

<strong>Es</strong> wird reichen bis an die Enden der Erde.“<br />

(Tina Willms)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!