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+ PDF (1) - Evangelische Kirche Saar

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J U G E N D B E R U F S H I L F E<br />

kochen, backen oder servieren<br />

und natürlich putzen. Das<br />

letztere macht keiner so richtig<br />

gern. Aber wer es schön<br />

und gemütlich haben will, der<br />

muss auch saubermachen.<br />

Am besten erzähle ich Ihnen<br />

mal, wie die Woche bei uns so<br />

abläuft.<br />

Also, wir sind insgesamt zu elft.<br />

Wir sind in zwei Gruppen eingeteilt.<br />

Der Wochenplan für<br />

meine Gruppe sieht so aus:<br />

Montags haben wir Textilpflege/<br />

Textilarbeit. Ich nähe, bastele<br />

und dekoriere sehr gern<br />

und meine Ausbilderin sagt,<br />

dafür hätte ich ein Händchen.<br />

Dienstags und freitags haben<br />

wir alle zusammen Berufsschule.<br />

Ich gehe recht gerne<br />

hin, obwohl ich in Deutsch,<br />

Wirtschaftskunde und Sozialkunde<br />

nicht immer kapiere,<br />

was die Lehrerinnen eigentlich<br />

meinen. Das geht aber<br />

nicht nur mir so. Dafür haben<br />

wir ja dann unseren Stützunterricht.<br />

Der ist Mittwochvormittag<br />

und Freitagnachmittag in<br />

der Kleingruppe. Hier wird uns<br />

alles wieder erklärt, wir lernen<br />

für Klassenarbeiten und machen<br />

die Hausaufgaben, wenn<br />

wir alleine nicht damit klarkommen.<br />

Anschließend haben wir<br />

Hauspflege. Das heißt, wir reinigen<br />

unsere Räume, kümmern<br />

uns um die Zimmerpflanzen<br />

und halten das Gelände<br />

ums Haus in Ordnung.<br />

Am Donnerstag ist Verpflegung<br />

und Service dran. Wir bereiten<br />

immer ein dreigängiges Menü<br />

zu und meistens wird auch gebacken.<br />

Jede in der Gruppe<br />

bekommt eine andere Aufgabe,<br />

die sie möglichst selbstständig<br />

ausführen soll. Die Ausbilderin<br />

ist aber immer in der Nähe<br />

und greift sofort ein, wenn wir<br />

dabei sind ganz großen Mist<br />

zu machen. Manchmal geht<br />

dann doch noch etwas schief.<br />

Vor kurzem hat Anja eine Ölflasche<br />

mit einer Essigflasche<br />

verwechselt und statt Öl zwei<br />

Sorten Essig in das Salatdressing<br />

gemacht. Gemerkt haben<br />

wir es erst, als der Salat<br />

schon auf den Tellern war<br />

und wir davon probiert hatten.<br />

Der war vielleicht sauer.<br />

Wir haben eine Superküche –<br />

ganz aus Edelstahl. Da ist alles<br />

drin, was in eine gut ausgestattete<br />

Großküche gehört.<br />

Das ist auch wichtig, denn wir<br />

müssen lernen, mit den Geräten<br />

und Maschinen umzugehen.<br />

Wenn wir mit dem Essen<br />

fertig sind, wird die Küche<br />

sauber gemacht. Die muss picobello<br />

sein, ist doch klar.<br />

Ja, dann haben wir natürlich<br />

noch Fachtheorie, Hygiene,<br />

Umweltschutz, Arbeitssicherheit<br />

und Arbeitsorganisation<br />

und müssen die Berichtshefte<br />

führen. So ist das<br />

im Großen und Ganzen jede<br />

Woche. Überhaupt sind unsere<br />

Ausbilderinnen und die Sozialarbeiterin<br />

immer für uns<br />

da und wir können mit allem<br />

zu ihnen kommen. Ich habe<br />

ja weniger Probleme, aber einigen<br />

meiner Kolleginnen<br />

geht es nicht so gut wie mir.<br />

Zur Ausbildung gehören dann<br />

noch mehrere Praktika. Mein<br />

erstes habe ich im Housekeeping<br />

in einem Hotel gemacht.<br />

Das war echt toll. Ich<br />

durfte überall mitarbeiten<br />

und wurde sehr gelobt. Meine<br />

Beurteilung ist super ausgefallen<br />

und im Betrieb haben<br />

sie sich mit mir gefreut.<br />

Vielleicht interessiert Sie noch,<br />

wo ich nach meiner Ausbildung<br />

arbeiten möchte. In einem Hotel<br />

natürlich. Die Chefin des<br />

Hotels, in dem ich mein Praktikum<br />

gemacht habe, hat gesagt,<br />

ich solle mich nach der Abschlussprüfung<br />

bewerben. Das<br />

werde ich auf jeden Fall tun.<br />

Oh je, die Abschlussprüfung.<br />

Es dauert zwar noch<br />

ein bisschen bis dahin, aber<br />

die Zeit vergeht so schnell.<br />

Drücken Sie mir die Daumen,<br />

dass alles so klappt,<br />

wie ich es mir vorstelle?<br />

BESCHÄFTIGUNG In „STABIL“ werden junge Menschen ohne Schulabschluss<br />

mit besonderen persönlichen und sozialen Problemen gefördert<br />

Stark werden für<br />

die Bühne des Lebens<br />

„Ich bin nur hier, weil ich es<br />

muss. Ich will nichts mit euch zu<br />

tun haben, ihr seid mir zu blöd,<br />

ihr seid mir zu laut, ihr fordert<br />

Dinge von mir, von denen ich<br />

keine Ahnung habe.“ Diese Sätze<br />

hätte Kai Hoffmann in den ersten<br />

Wochen bei STABIL Sulzbach<br />

gern seinen Kollegen und<br />

den Fachkräften der Maßnahme<br />

ins Gesicht geschrien. Stattdessen<br />

hat er geschwiegen, seine<br />

Stirn tief in der Kapuze vergraben,<br />

abseits von allen anderen<br />

abgewartet, bis sein „Arbeitstag“<br />

vorüber war. Meistens war<br />

er dann sehr schnell ohne Gruß<br />

verschwunden.<br />

Er hat ziemlich lange gebraucht,<br />

bis er den Blick vom Fenster<br />

weg nach drinnen wenden und<br />

überhaupt registrieren konnte,<br />

was an den Werkbänken alles<br />

passiert: Holz so bearbeiten,<br />

dass ein Regal, ein CD-Ständer,<br />

ein Gehäuse für die Musikbox<br />

entsteht, einen PC auseinandernehmen<br />

und Defektes gegen<br />

funktionstüchtige Teile austauschen,<br />

einen Beistelltisch lackieren,<br />

Fahrräder reparieren<br />

und vieles mehr. Erst allmählich<br />

nahm er wahr, dass die Anleiter<br />

Ideen der Teilnehmer aufgreifen<br />

und sie bei der Realisierung<br />

dann Schritt für Schritt unterstützen.<br />

Wie andere Teilnehmer<br />

ernsthaft bei der Sache waren,<br />

ihn in Ruhe ließen, ihn nicht provozierten.<br />

Dafür sorgten die Ausbilder<br />

und Sozialarbeiter, die immer<br />

wieder behutsam aber auch<br />

fordernd versuchten, ihn in das<br />

Projekt zu integrieren.<br />

Dies ist zuweilen ein fast aussichtslos<br />

erscheinendes Unterfangen.<br />

Oft sind nicht einmal die<br />

Extremverweigerer im Projekt<br />

STABIL in Sulzbach das Problem.<br />

Diese erfahren nach erfolglosem<br />

Bemühen um ihre<br />

Projektteilnahme Sanktionen<br />

von der ARGE und können sich<br />

dann neu entscheiden. Meist<br />

sind es die bereits vom Leben<br />

geschulten Akteure auf dem Boden<br />

des Sozialparketts, mit denen<br />

sich das Kollegenteam besondere<br />

Mühe geben muss:<br />

Junge Menschen, in der Regel<br />

ohne Berufs- oder Schulabschluss,<br />

mit besonderen persönlichen<br />

und sozialen Problemlagen,<br />

die damit sehr schwer in<br />

Ausbildung, Arbeit oder Weiterbildung<br />

zu vermitteln sind. Oft<br />

genug sind eingeübte Rollenmuster<br />

zu durchbrechen. Wenn<br />

es gelingt, den persönlichen<br />

Handlungsspielraum zu erweitern,<br />

werden „Schauspieler“ zu<br />

Persönlichkeiten und die eigentlichen<br />

Lebensentwürfe und Möglichkeiten<br />

leuchten auf. Dann<br />

sind die Teilnehmer wirklich bereit,<br />

Ordnung in ihren Lebenslauf<br />

zu bringen, Bewerbungen<br />

zu schreiben, sich in Praktika<br />

zu engagieren oder ihre schulischen<br />

Kenntnisse zu vertiefen.<br />

Das hilft ihnen, den Mut in einer<br />

schier aussichtslosen Situation<br />

nicht zu verlieren.<br />

Auch Marion Blasiak konnte im<br />

Rahmen der Gruppe „Hauswirtschaft<br />

und kreative Beschäftigung“<br />

immer mehr Mut und<br />

Selbstvertrauen entwickeln. Mittlerweile<br />

malt sie großformatige,<br />

ausdrucksstarke Bilder. Ihre<br />

Mangas scheinen sagen zu wollen:<br />

„Keiner kann und wird mich<br />

mehr verletzen!“ Über ihre künstlerische<br />

Betätigung bekommt sie<br />

mehr und mehr Anerkennung in<br />

der Gruppe, so dass es ihr gelingt,<br />

behutsam Freundschaften<br />

zu schließen. Sie bereitet sich<br />

jetzt im Rahmen der Maßnahme<br />

auf die Teilnahme an einem<br />

Hauptschulabschlusskurs vor<br />

und ist zuversichtlich, nach erfolgreichem<br />

Abschluss eine Ausbildung<br />

beginnen zu können.<br />

Kai möchte von Schule nichts<br />

mehr wissen. Er hat mittlerweile<br />

einen Computer repariert und ist<br />

dabei, sich aus Ersatzteilen ein<br />

komplett neues Rennrad zusammenzubauen.<br />

Stolz hat er die erste<br />

Probefahrt hinter sich und<br />

gibt seine Tipps an neue Teilnehmer<br />

weiter. Seine Kapuze hat er<br />

schon einige Zeit nicht mehr im<br />

Gesicht. Sie hat ihn bei seinen<br />

kniffligen Reparaturen nur behindert.<br />

Er schaut mit wachen, klaren<br />

Augen in die Runde und lächelt<br />

dabei.<br />

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