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Bestandsaufnahme und Bedarfsanalyse - Berliner Beirat für ...

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1<br />

S / T / U / D / I / E / I / F / A / D<br />

BESTANDSAUFNAHME UND BEDARFSANALYSE<br />

BEKÄMPFUNG UND PRÄVENTION VON<br />

KINDER- UND FAMILIENARMUT<br />

IN BERLIN<br />

DIE STUDIE WURDE ERSTELLT IM AUFTRAG DER<br />

STIFTUNG HILFE FÜR DIE FAMILIE – STIFTUNG DES LANDES BERLIN<br />

IM RAHMEN DES PROJEKTS BERLINER BEIRAT FÜR FAMILIENFRAGEN<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N-<br />

AUTOREN:<br />

HARALD MICHEL<br />

VOLKER SCHULZ<br />

UNTER MITARBEIT VON<br />

INA BUGENHAGEN<br />

INSTITUT FÜR ANGEWANDTE DEMOGRAPHIE GMBH I/F/A/D


2<br />

IFAD, Institut <strong>für</strong> Angewandte Demographie GmbH<br />

Bizetstr. 48, 13088 Berlin<br />

Telefon: (030) 28 59 96 25<br />

Fax: (030) 28 59 96 26<br />

E-Mail: ifad@ifad.b.shuttle.de<br />

http://www.b.shuttle.de/ifad<br />

© IFAD Berlin<br />

Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung<br />

<strong>und</strong> unter genauer Quellenangabe<br />

Foto Umschlagseite: IFAD Berlin<br />

Berlin, Frühjahr 2010<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Inhaltsverzeichnis<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

3<br />

Seite<br />

Einleitung <strong>und</strong> Vorwort 8<br />

1. Armut, Armutsgefährdung <strong>und</strong> Armutsrisiken in Berlin<br />

– eine aktuelle <strong>Bestandsaufnahme</strong> 14<br />

1.1 Armutsgefährdung in Berlin – Quoten <strong>und</strong> Schwellen 14<br />

1.2 Familien in Berlin – Aspekte der Armutsgefährdung 25<br />

1.2.1 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Bevölkerungsstand, Verteilung,<br />

Altersstruktur 26<br />

1.2.2 Kurze Zusammenfassung: <strong>Berliner</strong> Bevölkerung 33<br />

1.3 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Familien <strong>und</strong> Familienstrukturen 2008<br />

in den <strong>Berliner</strong> Bezirken 34<br />

1.3.1 Wo leben die meisten Familien in Berlin? 34<br />

1.3.2 Wie sehen die Familientypen Berlins aus <strong>und</strong> welchen Anteil<br />

haben die jeweiligen Familientypen? 36<br />

1.3.3 Wie sehen die Familienstrukturen auf Bezirksebene aus? 37<br />

1.3.3.1 Betrachtung des Bezirks Mitte hinsichtlich seiner Familienstruktur 38<br />

1.3.3.2 Betrachtung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hinsichtlich<br />

seiner Familienstruktur 39<br />

1.3.3.3 Betrachtung des Bezirks Neukölln hinsichtlich seiner Familienstruktur 40<br />

1.3.3.4 Betrachtung des Bezirks Marzahn-Hellersdorf hinsichtlich seiner<br />

Familienstruktur 41<br />

1.3.3.5 Betrachtung des Bezirks Spandau hinsichtlich seiner Familienstruktur 42<br />

1.3.4 Wo sind allein erziehende Familien in Berlin vorrangig anzutreffen? 43<br />

1.3.5 Wer ist meistens allein erziehend? 44<br />

1.3.6 Wie hoch ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

in den Bezirken? 45<br />

1.3.7 Wie variieren Familienstrukturen mit der Staatsangehörigkeit? 46<br />

1.3.8 Kurze Zusammenfassung: Familien <strong>und</strong> Familienstrukturen 2008<br />

in den <strong>Berliner</strong> Bezirken 47<br />

1.4 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Familienstrukturen <strong>und</strong> ökonomische<br />

Situation 48<br />

1.4.1 Wie wirken sich die Familienstrukturen auf das Gesamteinkommen<br />

der Familien aus? 48<br />

1.4.2 Warum erhalten allein erziehende Frauen geringere Einkommen<br />

bzw. wie setzt sich deren Lebensunterhalt zusammen? 50<br />

1.4.3 Erwerbsstatus der <strong>Berliner</strong> Ehepaare 51<br />

1.4.4 Wie sieht der Zusammenhang zwischen Einkommen von<br />

Familien <strong>und</strong> von Paaren ohne Kinder aus? 53<br />

1.4.5 Wie wirkt sich die Kinderzahl einer Familie auf ihr Einkommen aus? 54


4<br />

1.4.6 Kurze Zusammenfassung: Familienstrukturen <strong>und</strong> ökonomische<br />

Situation 55<br />

1.5 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit 56<br />

1.5.1 Arbeitslosigkeit nach Bezirken 57<br />

1.5.2 Wer ist besonders häufig arbeitslos? 59<br />

1.5.3 Wie zeigt sich dies auf Bezirksebene? 60<br />

1.5.4 Wie verändert sich die Erwerbslosigkeit in Abhängigkeit vom Alter? 61<br />

1.5.5 Kurze Zusammenfassung: Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit 62<br />

1.6 <strong>Berliner</strong> Bevölkerung - Transferbezug nach SGB II <strong>und</strong> III in den<br />

Bezirken 63<br />

1.6.1 Transferbezug nach SGB II 63<br />

1.6.2 Inwiefern sind Familien <strong>und</strong> Kinder von Bezügen nach SGB II<br />

betroffen? 65<br />

1.6.3 Inwiefern beziehen junge Ausländer Transferleistungen nach SGB II? 66<br />

1.6.4 Inwiefern beziehen deutsche Jugendliche Transferleistungen<br />

nach SGB II? 67<br />

1.6.5 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige bzw. Kinder nach dem SGB II 68<br />

1.6.6 Transferbezug nach SGB III 69<br />

1.6.7 Ausländer nach SGB III 70<br />

1.6.8 Jugendliche nach SGB III 70<br />

1.6.9 Kurze Zusammenfassung: Transferbezug nach SGB II <strong>und</strong> III<br />

in den Bezirken 71<br />

1.7 <strong>Berliner</strong> Bevölkerung - Transferbezug nach SGB II <strong>und</strong> III in den<br />

Bezirksregionen/Stadtteilen ausgewählter <strong>Berliner</strong> Bezirke 73<br />

1.7.1 Betrachtung der Bezirksregionen von Neukölln hinsichtlich<br />

des Transferbezugs bestimmter Risikogruppen 73<br />

1.7.1.1 Personen nach SGB II 73<br />

1.7.1.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II 74<br />

1.7.1.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II 75<br />

1.7.1.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige 76<br />

1.7.1.5 Junge Arbeitslose 77<br />

1.7.1.6 Ausländische Arbeitslose 78<br />

1.7.1.7 Arbeitslose nach SGB III (ALG I) 79<br />

1.7.1.8 Kurze Zusammenfassung: Transferbezug nach Bezirksregionen<br />

im Bezirk Neukölln 80<br />

1.7.2 Betrachtung der Bezirksregionen von Mitte hinsichtlich des<br />

Transferbezugs bestimmter Risikogruppen 81<br />

1.7.2.1 Personen nach SGB II 81<br />

1.7.2.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II 82<br />

1.7.2.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II 83<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.7.2.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige 84<br />

1.7.2.5 Allein erziehende Hilfebedürftige 85<br />

1.7.2.6 Ausländische Arbeitslose 86<br />

1.7.2.7 Junge Arbeitslose 87<br />

1.7.2.8 Arbeitslose nach SGB III (ALG I) 89<br />

1.7.2.9 Kurze Zusammenfassung: Transferbezug nach Bezirksregionen<br />

im Bezirk Mitte 90<br />

1.7.3 Betrachtung der Bezirksregionen von Marzahn-Hellersdorf<br />

hinsichtlich des Transferbezugs bestimmter Risikogruppen 91<br />

1.7.3.1 Personen nach SGB II 91<br />

1.7.3.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II 92<br />

1.7.3.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II 93<br />

1.7.3.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige 94<br />

1.7.3.5 Allein erziehende Hilfebedürftige 95<br />

1.7.3.6 Ausländische Arbeitslose 96<br />

1.7.3.7 Junge Arbeitslose 97<br />

1.7.3.8 Arbeitslose nach SGB III (ALG I) 98<br />

1.7.3.9 Kurze Zusammenfassung: Transferbezug nach Bezirksregionen<br />

in Marzahn-Hellersdorf 99<br />

1.7.4 Betrachtung der Bezirksregionen von Spandau hinsichtlich des<br />

Transferbezugs bestimmter Risikogruppen 100<br />

1.7.4.1 Personen nach SGB II 100<br />

1.7.4.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II 101<br />

1.7.4.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II 102<br />

1.7.4.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige 103<br />

1.7.4.5 Allein erziehende Hilfebedürftige 104<br />

1.7.4.6 Ausländische Arbeitslose 105<br />

1.7.4.7 Junge Arbeitslose 106<br />

1.7.4.8 Langzeitarbeitslose 108<br />

1.7.4.9 Arbeitslose nach SGB III (ALG I) 109<br />

1.7.4.10 Kurze Zusammenfassung : Transferbezug nach Bezirksregionen<br />

in Spandau 110<br />

2. Armutsrisiken <strong>und</strong> Bekämpfung von Kinder- <strong>und</strong> Familienarmut<br />

aus Expertensicht 111<br />

2.1 Einleitung 111<br />

2.2 Zusammenfassende Darstellung der Gesprächsinhalte 112<br />

2.3 Protokoll des Experteninterviews mit Herrn C. Wahrmann,<br />

Leiter der Schuldner- <strong>und</strong> Insolvenzberatung der CARITAS<br />

in Berlin-Mitte; 114<br />

Exkurs: Familien besonders von Überschuldung betroffen 118<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

5


6<br />

2.4 Protokoll des Experteninterviews mit Herrn Böhm, Bereichsleiter<br />

des Eigenbetriebs „Kindergärten NordOst“ <strong>für</strong> Lichtenberg 121<br />

2.5 Protokoll des Experteninterview mit Frau Hentze, Diplom-Sozial-<br />

pädagogin in der Beratungsstelle des Deutschen Kinderschutz-<br />

b<strong>und</strong>es im Landesverband Berlin 127<br />

2.6 Protokoll des Experteninterview mit Frau Werth, Vorsitzende<br />

der <strong>Berliner</strong> Tafel Stiftung 132<br />

3. Ausgewählte Einrichtungen, Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote in<br />

<strong>Berliner</strong> Bezirken zur Prävention <strong>und</strong> Bekämpfung von Kinder-<br />

<strong>und</strong> Familienarmut 136<br />

3.1 Bereich eins 138<br />

3.1.1 Deutscher Kinderschutzb<strong>und</strong> Landesverband Berlin e. V.<br />

(Bezirk Mitte/Wedding bzw. berlinweit tätig) 138<br />

3.1.2 Deutscher Familienverband e. V.<br />

(Kooperation mit der Erziehungs- <strong>und</strong> Familienberatung des<br />

Diakonischen Werkes in Reinickendorf, Bezirk Reinickendorf<br />

bzw. berlinweit tätig) 139<br />

3.1.3 AWO- Arbeiterwohlfahrt<br />

(Vorm<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> Pflegschaften, berlinweit tätig) 140<br />

3.1.4 Schildkröte GmbH<br />

(Jugendwohnen im Kiez, berlinweit tätig) 141<br />

3.1.5 Der Notmütterdienst Familien- <strong>und</strong> Seniorenhilfe e. V.<br />

(NMD, berlinweit tätig) 142<br />

3.1.6 SHIA e. V. SelbstHilfeInitiative Alleinerziehender Berlin<br />

(Bezirke Pankow <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg, teilweise<br />

auch berlinweit) 142<br />

3.1.7 „Müfü Mü“ (Mütter <strong>für</strong> Mütter, Bezirk Mitte/Moabit) 144<br />

3.1.8 SOS-Kinderdorf Moabit (Bezirk Mitte/Moabit) 144<br />

3.1.9 Familienzentrum Mehringdamm<br />

(Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) 145<br />

3.1.10 Stadtteilmütter in Kreuzberg (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) 146<br />

3.1.11 Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH (Bezirk Pankow/Prenzlauer Berg) 147<br />

3.1.12 OASE Berlin (Integrationsprojekte <strong>für</strong> MigrantInnen von OASE<br />

Pankow e. V., Bezirk Pankow) 148<br />

3.1.13 Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e. V.<br />

(Bezirk Pankow/Prenzlauer Berg) 149<br />

3.1.14 Gruppe <strong>für</strong> Alleinerziehende Anaz-Berlin<br />

(Bezirke Pankow/Prenzlauer Berg <strong>und</strong> Charlottenburg-Wilmersdorf) 150<br />

3.1.15 Nachbarschafts- <strong>und</strong> Selbsthilfe-Zentrum NUSZ ufafabrik<br />

(Bezirk Tempelhof-Schöneberg) 150<br />

3.1.16 Kiek in e. V. Berlin (Bezirk Marzahn-Hellersdorf) 152<br />

3.2 Bereich zwei 153<br />

3.2.1 Microfinanz-Institutionen (im Aufbau) 153<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


3.2.2 Schuldnerberatungen (berlinweit tätig) 154<br />

3.2.3 Schuldnerberatungs-Bus (berlinweit tätig) 155<br />

3.2.4 Casa nostra e. V. (berlinweit tätig) 155<br />

3.2.5 Gangway e. V. (berlinweit tätig) 156<br />

3.2.6 Die <strong>Berliner</strong> Tafel Stiftung (berlinweit tätig) 158<br />

3.2.7 Christliches Kinder-<strong>und</strong> Jugendwerk: Die Arche<br />

(Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg,<br />

Mitte <strong>und</strong> Reinickendorf) 159<br />

3.2.8 Notinseln in Berlin<br />

(Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB Landesverband Berlin,<br />

Projekt Notinsel, Bezirk Tempelhof-Schöneberg) 160<br />

3.2.9 Kinder-, Jugend- <strong>und</strong> Familientreff „Käseglocke“<br />

(Bezirk Steglitz-Zehlendorf) 160<br />

4. Armutsprävention – Handlungsansätze <strong>und</strong> -erfordernisse 162<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

7


8<br />

Einleitung <strong>und</strong> Vorwort<br />

Auswirkungen von Armut 1 <strong>und</strong> ökonomischer Deprivation auf die Sozialisationserfahrun-<br />

gen <strong>und</strong> Entwicklungschancen der nachwachsenden Generation bzw. Ursachen familien-<br />

bedingter Einkommensarmut sind „klassische“ Themen der Sozialisationsforschung 2 .<br />

Werden die Lebensverhältnisse in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland betrachtet, so haben<br />

sich die sozioökonomischen Unterschiede in der jüngeren Vergangenheit durch den struk-<br />

turellen Wandel auf dem Arbeitsmarkt, die wirtschaftlichen Transformationsprozesse im<br />

Zuge der deutschen Vereinigung <strong>und</strong> die Einführung einer neuen Sozialgesetzgebung<br />

(insbesondere SGB II <strong>und</strong> SGB III) seit 2005 verschärft.<br />

Besonders Großstädte <strong>und</strong> ihre sozial schwachen Zentren sind davon erheblich betroffen.<br />

In Berlin waren Ende des Jahres 2008 knapp 600.000 Einwohner auf Leistungen nach<br />

dem SGB II („Hartz IV“) angewiesen, d. h. 17,3% aller <strong>Berliner</strong> bezogen diese Transfer-<br />

leistungen, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Als sogenannte „nichter-<br />

werbsfähige Hilfebedürftige“ betraf dies sogar mehr als ein Drittel aller unter 15-jährigen<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen in der Stadt. Die Zeiten, in denen nur Menschen aus sozialen<br />

Randgruppen, sogenannte „Unterschichten“, von Armut bedroht waren, gehören längst<br />

der Vergangenheit an. Immer stärker betrifft es auch Mittelschichten, zumindest zeitweise.<br />

Die Gesellschaft polarisiert sich zunehmend stärker nach dem Einkommen, Verteilungs-<br />

gerechtigkeit hat in Deutschland abgenommen.<br />

Sichtbar wird diese soziale Spaltung besonders bei kleinräumiger regionaler Betrachtung<br />

in den Städten <strong>und</strong> so auch in Berlin. Es manifestieren sich Areale mit überproportional<br />

hohen Anteilen an sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen wie Arbeitsmigranten,<br />

Arbeitslosengeld I- <strong>und</strong> „Hartz IV“-Empfängern. Die von Armut bzw. Armutsgefährdung<br />

betroffenen Personengruppen konzentrieren sich in bestimmten, räumlich abgrenzbaren<br />

Problemgebieten der Städte. Es betrifft insbesondere Familien mit Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />

1 In der Armutsforschung gibt es zwei prominente Denkschulen <strong>und</strong> Ansätze: den Ressourcenansatz, der in<br />

der vorliegenden IFAD-Studie zur Anwendung kam <strong>und</strong> mit dem relative Armut (vor allem Einkommensarmut)<br />

statistisch gemessen <strong>und</strong> darstellbar gemacht werden kann, <strong>und</strong> den Lebenslagenansatz. Der Ressourcenansatz<br />

bemisst Armut z. B. anhand von Armutsgefährdungsquoten <strong>und</strong> –schwellen <strong>und</strong> weist die Verfügung<br />

von Personen über materielle Ressourcen, wie Geld, Wohnraum usw. aus. Diese Größen werden über<br />

die amtliche Sozialberichterstattung des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder regionalspezifisch aufbereitet <strong>und</strong> der Öffentlichkeit<br />

zur Verfügung gestellt. Sie ermöglichen dementsprechende Vergleiche <strong>und</strong> konkrete politische<br />

Handlungsableitungen. In diesem Sinne handelt es sich um politisch relativ einfach operationalisierbare statistische<br />

Daten. Der Lebenslagenansatz (bzw. „weite“ Armutsbegriff) betont hingegen die Wichtigkeit von sozialer<br />

<strong>und</strong> kultureller Teilhabe, z. B. der Teilhabe an Bildungschancen, die Möglichkeit, Kunst zu genießen, Bücher<br />

zu lesen, sich kommunikativ mit Menschen verschiedener sozialer <strong>und</strong> ethnischer Herkunft austauschen<br />

zu können, an politischen <strong>und</strong> sozio-kulturellen Prozessen aktiv teilzunehmen u. a. m. Diese beiden Denkansätze<br />

verwenden also unterschiedliche Indikatoren, um das Phänomen Armut zu operationalisieren. Eine<br />

umfassende Anwendung des Lebenslagenansatzes hätte den Rahmen der vorgelegten IFAD-Studie gesprengt<br />

2 Vgl. dazu z. B.: Walper, S.: Sozialisation in Armut. In: Handbuch Sozialisationsforschung, Hrsg.: Klaus<br />

Hurrellmann bzw. Träger, J.: Familienarmut: Ursachen <strong>und</strong> Gegenstrategien. In: Das Parlament, Beilage: Aus<br />

Politik <strong>und</strong> Zeitgeschichte, Nr. 17/2009 vom 20.04.2009.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


mit zwei <strong>und</strong> mehr Kindern <strong>und</strong> Alleinerziehende <strong>und</strong> hierbei insbesondere jüngere Al-<br />

tersgruppen. Damit steigt die Gefahr sozialer Spaltung der Bevölkerung.<br />

Das Armutsrisiko in den sogenannten „sozialen Brennpunktgebieten“, die sich durch eine<br />

hohe Konzentration nicht nur materieller bzw. Einkommensarmut <strong>und</strong> abweichendem so-<br />

zialem Verhalten kennzeichnen lassen, wird künftig noch zunehmen. Eine Trendwende<br />

zeichnet sich weder kurz- noch mittelfristig ab 3 , denn in den letzten Jahren war eine deut-<br />

liche Ausdehnung von Niedriglohn-Sektoren zu erkennen, mit gering bezahlten, prekären<br />

Beschäftigungsverhältnissen, die allein nicht existenzsichernd sind <strong>und</strong> zur Herausbildung<br />

der „working poor“ führen. Die sozial- <strong>und</strong> familienpolitischen Transferleistungen (wie<br />

ALG II, Wohn- <strong>und</strong> Sozialgeld, aber auch Kindergeld, Kinderzuschlag, Kinderfreibeträge,<br />

Elterngeld u. a. m.) reduzieren zwar die relative Einkommensarmut, können aber die<br />

gr<strong>und</strong>legenden Wirkungen der gesamtgesellschaftlichen sozio-ökonomischen Entwick-<br />

lung, d. h. vor allem Arbeitslosigkeit, niedrige Lohnabschlüsse <strong>und</strong> Tarife, nicht ausglei-<br />

chen.<br />

Die Thematik der hier vorliegenden Studie des IFAD 4 ist, genauso wie die Ursachen<br />

<strong>und</strong> Erscheinungsformen von Armut <strong>und</strong> die Handlungskonsequenzen hinsichtlich der<br />

Bekämpfung relativer Armut, nicht nur in Berlin, sehr umfangreich <strong>und</strong> vielfältig. Des-<br />

halb konzentrieren sich die Darstellungen <strong>und</strong> Betrachtungen hier im wesentlichen auf<br />

drei Themenkomplexe:<br />

Armut <strong>und</strong> Armutsrisiken in Berlin aus der Sicht der amtlichen Statistik<br />

Armut <strong>und</strong> deren Erscheinungsformen aus Expertensicht<br />

Armutsprävention anhand ausgewählter Beispiele, Projekte <strong>und</strong> Einrichtungen.<br />

Wie stellt sich grob umrissen die gegenwärtige Situation dar?<br />

Familien <strong>und</strong> ihre Kinder werden in erster Linie durch (Langzeit-)Arbeitslosigkeit, zu<br />

geringe Entlohnung durch Erwerbseinkommen im Niedriglohnbereich oder auch eine Er-<br />

werbstätigkeit auf Teilzeitniveau von Armut bedroht. Dazu können noch andere Ursachen<br />

wie z. B. Schulden, individuelle Konflikt- <strong>und</strong> Krisensituationen kommen, eventuell verur-<br />

sacht durch Trennung <strong>und</strong> Scheidung. Oft ziehen schwerwiegende Partnerschaftskonflikte<br />

(wie Trennung bzw. Scheidung) erhebliche wirtschaftliche Probleme <strong>und</strong> Einschränkun-<br />

gen nach sich. Wie die aktuelle Sozialstatistik belegt, unterliege insbesondere allein er-<br />

ziehende Mütter einer besonderen Armutsgefährdung, müssen Einkommensverluste<br />

3 Vgl. dazu auch: Monitoring Soziale Stadtentwicklung Berlin 2009. Fortschreibung <strong>für</strong> den Zeitraum 2007-<br />

2008, Kurzfassung, Dezember 2009, www.stadtentwicklung.berlin.de<br />

4 Die Studie wurde von November 2009 bis Anfang Februar 2010 im Auftrag der Stiftung Hilfe <strong>für</strong> die Familie –<br />

Stiftung des Landes Berlin im Rahmen des Projektes <strong>Berliner</strong> <strong>Beirat</strong> <strong>für</strong> Familienfragen erstellt <strong>und</strong> dient der<br />

Vorbereitung des <strong>Berliner</strong> Familienberichtes 2010.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

9


10<br />

hinnehmen bzw. Transferleistungen beziehen, weil sie oft wegen der Kinderbetreuung<br />

nicht in der Lage sind, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Allerdings können Eltern in<br />

Berlin auch auf eine gut ausgebaute Kinderbetreuungsinfrastruktur zurückgreifen. Das<br />

Kinderbetreuungsgesetz des Landes Berlin sieht beispielsweise Betreuungsmöglichkeiten<br />

entsprechend dem nachgewiesenen Bedarf der Eltern vor. Dabei erweist es sich in Berlin<br />

als sehr günstig, dass 90 Prozent aller Plätze als Betreuung über die Mittagszeit mit Es-<br />

sen ausgestattet sind. In Berlin können Kinder ab 8 Wochen bis zum Ende der Gr<strong>und</strong>-<br />

schulzeit in Krippen, Kindertagespflege- bzw. Kindertagesstätten <strong>und</strong> an Gr<strong>und</strong>schulen<br />

betreut werden. Verschiedenste öffentliche, gemeinnützige <strong>und</strong> private Angebote <strong>für</strong> die<br />

Betreuung außerhalb der üblichen Öffnungszeiten oder in Notfällen bieten Eltern in Berlin<br />

die Möglichkeit, ihrer Erwerbstätigkeit, ihrer Ausbildung oder ihrem Studium auch zu au-<br />

ßergewöhnlichen Zeiten nachgehen zu können. 5<br />

Aber auch unzureichende Ausbildung oder Bildung führen oftmals dazu, dass Men-<br />

schen keine Erwerbstätigkeit finden oder wenn, dann nur solche mit unzureichendem Ein-<br />

kommen. Kinder zu haben, zu betreuen <strong>und</strong> zu erziehen, ist zudem mit einem höheren<br />

Armutsrisiko verb<strong>und</strong>en. Je mehr Kinder in einer Familie aufwachsen, desto größer ist<br />

der Druck, dass z. B. ein Elternteil aufhören muss zu arbeiten, um die Kinder zu betreuen.<br />

Auch hier spielt die Verfügbarkeit bzw. Nicht-Verfügbarkeit von Krippen- <strong>und</strong> Kindergar-<br />

tenplätzen eine erhebliche Rolle.<br />

Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> Ausländer unterliegen, wie alle aktuellen<br />

Statistiken auch <strong>für</strong> Berlin zeigen, einem besonderen Armutsrisiko. Menschen nicht-<br />

deutscher Herkunft, ob ausländische Bürger oder bereits Eingebürgerte, sind im Vergleich<br />

zu Deutschen einem wesentlich höheren Armutsrisiko unterworfen. Entweder erhalten sie<br />

aufgr<strong>und</strong> von Vorurteilen oder wegen mangelnder Qualifikation keine Arbeit oder sie er-<br />

halten nur einen Arbeitsplatz im Niedriglohnsektor bzw. sie besitzen überhaupt keine Ar-<br />

beitserlaubnis. Das führt in all diesen Fällen dazu, dass sie kaum genug finanzielle Mittel<br />

zum Leben haben <strong>und</strong> wesentlich stärker als Deutsche auf staatliche Transferleistungen<br />

(insbesondere nach SGB II) angewiesen sind.<br />

Armut wird von verschiedenen Faktoren verursacht, die aber, wenn Armut erst einmal<br />

ein Tatbestand ist, die Armut konstituieren bzw. aus ihr erwachsen können. Insofern las-<br />

sen sich Ursachen, Symptome <strong>und</strong> Folgen von Armut nicht säuberlich trennen, sondern<br />

müssen stets zusammen betrachtet werden. Armut kann schwerwiegende <strong>und</strong> multidi-<br />

mensionale Konsequenzen nach sich ziehen, die leidvoll erlebt werden <strong>und</strong> die Armut nur<br />

noch verstetigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Armut nicht nur auf materielle<br />

Armut reduzieren lässt, sondern auch als kulturelle, soziale, emotionale, geistige <strong>und</strong><br />

5 Vgl. dazu: Kinderbetreuung in Berlin – Empfehlungen <strong>für</strong> Eltern <strong>und</strong> Unternehmen bei besonderem Bedarf.<br />

Hrsg.: Senatsverwaltung <strong>für</strong> Wirtschaft, Technologie <strong>und</strong> Frauen, Dezember 2008.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


spirituelle Armut verstanden werden muss. Armut ist nicht nur Einkommensarmut <strong>und</strong> wird<br />

von einschlägigen Experten/innen heute als Kumulation von Unterversorgungslagen <strong>und</strong><br />

sozialen Benachteiligungen beschrieben. 6<br />

Es gibt unzählige immaterielle Lebensbereiche, in denen Unterversorgung <strong>und</strong> Benachtei-<br />

ligung besteht. Dazu zählen Geldmangel <strong>und</strong> Kaufkraftschwäche, Bildungsbenachteili-<br />

gung, sozial-kulturelle Armut u. a. m. 7 Es existiert jedoch immer ein enger Zusammen-<br />

hang zwischen Einkommensarmut <strong>und</strong> diversen prekären Lebenslagen von Fami-<br />

lien 8 <strong>und</strong> der Zugang zu qualifizierter Erwerbsarbeit mit einer entsprechenden Entlohnung<br />

stellt bei aller „Mehrdimensionalität“ der Armut eine, wenn nicht die Ressource dar, um<br />

der „Armutsfalle“ zu entkommen. Hierbei sind aber die Chancen in der Gesellschaft un-<br />

gleich verteilt. 9<br />

Im ersten Kapitel der hier vorgelegten Studie „Armut, Armutsgefährdung <strong>und</strong> Armutsri-<br />

siken in Berlin – eine aktuelle <strong>Bestandsaufnahme</strong>“ wird der Armutsbegriff jedoch im<br />

wesentlichen auf das Einkommen, deren Quellen, deren Verteilung <strong>und</strong> Dimensionen<br />

beschränkt. Dazu werden die zur Verfügung stehende amtliche Sozialberichterstattung<br />

des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder <strong>und</strong> Sonderauswertungen des Mikrozensus 2008 der <strong>Berliner</strong><br />

Statistik betrachtet. Diese Herangehensweise bzw. „Reduzierung“ des Armutsbegriffs ist<br />

im Sinne einer aktuellen Ist-Stand-Analyse durchaus üblich, da Familien immer dann <strong>und</strong><br />

vor allem dann einer Armutsgefährdung <strong>und</strong> einem hohen Armutsrisiko unterliegen, wenn<br />

Eltern nur über geringe materielle Ressourcen verfügen. 10 Die hier vertretene Position des<br />

IFAD korrespondiert in dieser Beziehung mit der anerkannten Auffassung des ISS Frank-<br />

furt a. M.: „Armut ist mehr, als nur wenig Geld haben. Geld bleibt aber der Ausgangs-<br />

punkt. Sie beraubt Menschen ihrer materiellen Unabhängigkeit <strong>und</strong> damit der Fähigkeit,<br />

über existenzielle Fragen, über ihr „Schicksal“ selbst zu entscheiden. Sie wirkt mehrdi-<br />

6 Vgl. dazu Fußnote 1, aber auch: Holz, G./ Hock, B.: Infantilisierung von Armut begreifbar machen – Die<br />

AWO-ISS-Studien zu familiärer Armut. In: DIW Berlin, Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung 75(2006), 1,<br />

S. 77ff.<br />

7 Der Dritte Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung zeigt deutlich, dass Einkommensarmut oftmals<br />

mit einem Mangel an Bildung, ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen, sozialer Isolation, schlechten Wohnbedingungen,<br />

eingeschränkten Möglichkeiten der Teilhabe am kulturellen Leben usw. verb<strong>und</strong>en ist. Dem liegt das<br />

Konzept der Teilhabe- <strong>und</strong> Verwirklichungschancen von Nobelpreisträger A. Sen zugr<strong>und</strong>e, welches die Bemessung<br />

von Wohlstand <strong>und</strong> Armut nicht auf die Analyse von Einkommensstrukturen beschränkt, sondern die<br />

verschiedensten Lebenslagen <strong>und</strong> ihre Dimensionen mit einbezieht. Als arm sind bei dieser Herangehensweise<br />

jene Familien zu betrachten, die neben dem Einkommen in f<strong>und</strong>amentalen Lebensbereichen unterversorgt<br />

sind. Insofern bedeutet Armut immer mehr als mangelnde finanzielle Ressourcen. Vgl.: B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong><br />

Arbeit <strong>und</strong> Soziales (Hrsg.) Bonn 2008. Lebenslagen in Deutschland. Der dritte Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht<br />

der B<strong>und</strong>esregierung.<br />

8 Vgl. dazu: Hauser, R.: Das Maß der Armut: Armutsgrenzen im sozialstaatlichen Kontext. Der sozialstaatliche<br />

Diskurs. In: Huster, E.U./ Boeck, J./ Mogge-Grotjahn, H. (Hrsg.): Handbuch Armut <strong>und</strong> soziale Ausgrenzung,<br />

Wiesbaden 2008, S. 94ff.<br />

9 Vgl. dazu: B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong> Soziales: Mit neuem Mut. Nationale Strategie <strong>für</strong> Deutschland<br />

zur Umsetzung des Europäischen Jahres 2010 gegen Armut <strong>und</strong> soziale Ausgrenzung (national abgestimmter<br />

Entwurf, am 27.05.2009 an die EU-Kommission versendet), S. 3f.<br />

10 Vgl. dazu: Träger, J.: Familienarmut: Ursachen <strong>und</strong> Gegenstrategien...a. a. O., S. 1.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

11


12<br />

mensional auf die gesamte Lebenslage des Menschen <strong>und</strong> bestimmt dessen Gestaltungs-,<br />

Handlungs- <strong>und</strong> Entscheidungsspielräume. Armut ist eine individuelle Notsituation mit<br />

vorrangig gesellschaftlich bedingten Ursachen <strong>und</strong> erst in zweiter Linie Resultat individu-<br />

ellen (Fehl-)Verhaltens. Sie ist genuiner Bestandteil einer geldbasierten <strong>und</strong> marktwirt-<br />

schaftlich organisierten Gesellschaft sowie den dort geltenden Verteilungsmechanismen.<br />

Individuelles Versagen spielt dabei eher eine untergeordnete Rolle, kann aber das allge-<br />

meine Armutsrisiko verstärken.“ 11<br />

Eine mehrdimensionale <strong>und</strong> dementsprechend statistisch abgesicherte Betrachtung der<br />

Armutsproblematik bei <strong>Berliner</strong> Familien war in diesem Kapitel aus Zeit- <strong>und</strong> Platzgründen<br />

nicht möglich, wäre aber im Rahmen einer kontinuierlichen Sozial(Armuts-)berichter-<br />

stattung der <strong>Berliner</strong> Bezirke (auch auf den Ebenen der Bezirksregionen bzw. ausgewähl-<br />

ter Planungsräume) <strong>und</strong> des Landes Berlin insgesamt wünschenswert <strong>und</strong> <strong>für</strong> zielorien-<br />

tiertes kommunalpolitisches Handeln durchaus auch notwendig.<br />

Darauf, dass Armut zu Werteverlusten, auch zu seelischen, emotionalen, psychischen<br />

<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Problemen führt bzw. welche Folgen <strong>und</strong> „Gesichter“ die „Mehrdi-<br />

mensionalität“ von Armut gerade <strong>für</strong> Kinder hat <strong>und</strong> haben kann, die in solchen Lebens-<br />

verhältnissen aufwachsen, wird im zweiten Kapitel der Studie „Armutsrisiken <strong>und</strong> Be-<br />

kämpfung von Kinder- <strong>und</strong> Familienarmut aus Expertensicht“ näher eingegangen.<br />

Es zeigt sich aus Sicht der Alltagserfahrungen ausgewählter Experten, die in Interviews<br />

befragt wurden, dass Armut nicht selten dazu führt, dass Kinder, die von ihrem Elternhaus<br />

körperlich, seelisch <strong>und</strong> geistig vernachlässigt werden, ohne wirkliche Vorbilder zu ken-<br />

nen, weitgehend sich selbst überlassen bleiben, in entsprechenden Milieus aufwachsen,<br />

sich kaum selbst aus dem „Sumpf“ einer verarmten Kindheit herausziehen können bzw.<br />

dass sich sogenannte „Transferleistungskarrieren“ ständig reproduzieren. In Bezug<br />

auf ausländerspezifische Benachteiligungen lässt sich feststellen, dass Menschen auf-<br />

gr<strong>und</strong> fremder ethnischer Herkunft <strong>und</strong> daraus erwachsener Diskriminierung sowohl in<br />

sozialer, emotionaler, beruflicher <strong>und</strong> damit auch in materieller Hinsicht ausgegrenzt blei-<br />

ben.<br />

Die Bekämpfung von Armut <strong>und</strong> des Armutsrisikos bei bestimmten Bevölkerungsgruppen<br />

<strong>und</strong> in bestimmten Regionen Berlins ist derzeit zu einem Dauerthema geworden, das so-<br />

wohl Politiker, Medienvertreter, caritative Organisationen, soziale Wohlfahrts- <strong>und</strong> Träger-<br />

einrichtungen, Selbsthilfeinitiativen, engagierte Eltern <strong>und</strong> Bürger u. a. m. verstärkt be-<br />

schäftigt. Gäbe es einfache Antworten <strong>und</strong> Lösungen, wären sie sicher schon umgesetzt<br />

worden. Doch leider gibt es sie nicht. Aber es gibt eine Vielzahl von interessanten Bei-<br />

11 Holz, G.: Kindbezogene Armutsprävention – Warum <strong>und</strong> was bedeutet das? Vortrag auf der LJHA/SFBB<br />

Fachtagung: Lebenschancen von Kindern, Jugendlichen <strong>und</strong> Familien gerecht gestalten. Potsdam 25. 09.<br />

2007<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


spielen, Vorschlägen, Initiativen, Einrichtungen, kommunalpolitischen Maßnahmen zur<br />

Armutsprävention, zur Unterstützung armutsgefährdeter Familien <strong>und</strong> ihrer Kinder, zur<br />

Integration von sozial gefährdeten Familien mit <strong>und</strong> ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> usw., die<br />

in der breiten Öffentlichkeit, wie auch bei den Betroffenen oft nicht bekannt sind. Hier<br />

scheint ein erhebliches Informationsdefizit zu herrschen.<br />

Das dritte Kapitel der Studie „Armutsprävention – Handlungsansätze <strong>und</strong> -erforder-<br />

nisse“ stellt einige bemerkenswerte Ansätze, Aktivitäten, Tätigkeitsprofile <strong>und</strong> Angebote in<br />

Einrichtungen verschiedener <strong>Berliner</strong> Bezirke vor, ohne jedoch den Anspruch auf Voll-<br />

ständigkeit erheben bzw. die Funktion eines Familienatlas oder Familienberaters 12 erfüllen<br />

zu wollen.<br />

12 Sowohl der <strong>Berliner</strong> Familienratgeber, als auch das Kompetenzzentrum <strong>für</strong> familienbezogene Leistungen<br />

<strong>und</strong> das Serviceportal Familien-Wegweiser des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>für</strong> Familie, Senioren,<br />

Frauen <strong>und</strong> Jugend (BMFSFJ) bieten vielfältigste Informationen zu den unterschiedlichsten staatlichen <strong>und</strong><br />

gesetzlichen Leistungen <strong>für</strong> Familien. So finden sich beispielsweise im <strong>Berliner</strong> Familienratgeber: Familien in<br />

Berlin. Der Familienratgeber, Informationen <strong>und</strong> Angebote, die Familien weiterhelfen, Hrsg. Senatsverwaltung<br />

<strong>für</strong> Bildung, Wissenschaft <strong>und</strong> Forschung März 2009, detaillierte Informationen <strong>und</strong> Ansprechpartner zu solchen<br />

Themenfeldern, wie finanzielle Leistungen <strong>für</strong> Familien (Elterngeld, Elternzeit ,Kindergeld <strong>und</strong> Kinderfreibeträge,<br />

Kinderzuschlag, Unterhaltsvorschuss, Zuschüsse durch die „Stiftung Hilfe <strong>für</strong> die Familie“, Ausbildungsförderung,<br />

Aufstiegsförderung, Arbeitnehmersparzulage, Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld II <strong>und</strong> Sozialgeld,<br />

Sozialhilfe, Zuzahlungsregelungen in der gesetzlichen Krankenversicherung) oder auch Beratung<br />

<strong>und</strong> Hilfe bei Erziehungsproblemen, Konflikten, finanziellen Sorgen <strong>und</strong> Angebote des Jugendamts zu<br />

Erziehung <strong>und</strong> Partnerschaft, bei Familien- <strong>und</strong> Erziehungsproblemen, Schwangerschaftskonfliktberatung,<br />

Suchtprobleme, Überschuldung <strong>und</strong> Insolvenz, drohende Wohnungslosigkeit oder auch Förderung familiengerechter<br />

Wohnungen, Kindertagesbetreuung, Hilfe in akuten Notsituationen u. a. m. Das BMFSFJ<br />

bietet über sein Kompetenzzentrum <strong>und</strong> sein Serviceportal u. a. Informationen zu zentralen Beratungsträgern/<br />

Unterstützungsangebote <strong>für</strong> Familien, zum Mutterschaftsgeld, zum Kindergeld, zur Elternzeit, zum Elterngeld,<br />

zum Kinderzuschlag, zum Unterhaltsvorschuss, zur Absetzbarkeit von familienpolitischen Dienstleistungen, zu<br />

preiswerten <strong>und</strong> familiengerechten Ferienstätten, zu Familien in besonderen Lebenslagen, zu Alleinerziehenden,<br />

zum Deutschen Müttergenesungswerk, zur Stiftung Mutter <strong>und</strong> Kind u. a. m.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

13


14<br />

1. Armut, Armutsgefährdung <strong>und</strong> Armutsrisiken in Berlin<br />

– eine aktuelle <strong>Bestandsaufnahme</strong><br />

1.1 Armutsgefährdung in Berlin – Quoten <strong>und</strong> Schwellen 13<br />

Mehr als jeder Sechste in Berlin ist von Armut bedroht. Mit einer Armutsgefährdungs-<br />

quote von 17,5% im Jahr 2007 <strong>und</strong> 18,7% 2008 liegt das Land im B<strong>und</strong>esvergleich auf<br />

einem mittleren Rang. 14<br />

Grafik 1:<br />

Armutsgefährdungsquoten Berlin <strong>und</strong> neue B<strong>und</strong>esländer 2005 - 2008<br />

Prozent<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

19,7<br />

17,0<br />

17,5<br />

18,7<br />

19,2<br />

18,9<br />

17,5<br />

16,8<br />

24,1<br />

22,9<br />

24,3<br />

24,0<br />

Berlin Brandenburg Mecklenburg-<br />

Vorpomern<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

19,2<br />

18,5<br />

19,6<br />

19,0<br />

22,4<br />

21,6<br />

21,5<br />

22,1<br />

Sachsen Sachsen-<br />

Anhalt<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

19,9<br />

19,0<br />

18,9<br />

18,5<br />

2005 2006 2007 2008<br />

14,7<br />

14,0<br />

14,3<br />

14,4<br />

13,2<br />

12,7<br />

12,9<br />

13,1<br />

Thüringen Deutschland Früheres<br />

B<strong>und</strong>esgegiet<br />

(o. Berlin)<br />

20,4<br />

19,2<br />

19,5<br />

19,5<br />

Neue<br />

B<strong>und</strong>esländer<br />

(einschl.<br />

Berlin)<br />

13 Die in diesem Kapitel ausgewerteten Daten sind, wenn nicht andere Quellen benannt werden, entnommen<br />

aus: Amt <strong>für</strong> Statistik Berlin-Brandenburg, Pressemitteilung vom 08.06.2009 – Nr. 183 bzw. Sozialberichterstattung<br />

der amtlichen Statistik (BLAG SBE), Hrsg. Statische Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der Länder, Bereich A:<br />

Einkommensarmut <strong>und</strong> Einkommensverteilung, Stand: 30.11.2009, www.amtliche-sozialberichterstattung.de.<br />

14 Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator zur Messung relativer Einkommensarmut <strong>und</strong> wird definiert<br />

als der Anteil der Personen, deren Äquivalenzeinkommen weniger als 60% des Medians der<br />

Äquivalenzeinkommen der b<strong>und</strong>esdeutschen Bevölkerung (in Privathaushalten) beträgt. Das<br />

Äquivalenzeinkommen ist ein bedarfsgewichtetes Pro-Kopf-Einkommen je Haushaltsmitglied, das ermittelt<br />

wird, indem das Haushaltsnettoeinkommen durch die Summe der Bedarfsgewichte der im Haushalt lebenden<br />

Personen geteilt wird. Nach EU-Standard wird zur Bedarfsgewichtung die neue OECD-Skala verwendet. Danach<br />

wird der ersten erwachsenen Person im Haushalt das Bedarfsgewicht 1 zugeordnet, <strong>für</strong> die weiteren<br />

Haushaltsmitglieder werden Gewichte von < 1 eingesetzt (0,5 <strong>für</strong> weitere Personen im Alter von 14 <strong>und</strong> mehr<br />

Jahren <strong>und</strong> 0,3 <strong>für</strong> jedes Kind im Alter von unter 14 Jahren), weil angenommen wird, dass sich durch gemeinsames<br />

Wirtschaften Einsparungen erreichen lassen.<br />

I/F/A/D


Innerhalb Berlins gibt es große regionale Unterschiede bezüglich der Armutsgefährdung<br />

der Bevölkerung. Der <strong>Berliner</strong> Bezirk Steglitz-Zehlendorf weist 2007 mit 7,2% seiner Ein-<br />

wohner (gemessen am B<strong>und</strong>esmaßstab) die geringste Armutsgefährdungsquote auf.<br />

Treptow-Köpenick hatte mit 11,4% die zweitgeringste Armutsgefährdungsquote aller Ber-<br />

liner Bezirke. Die Innenstadtbezirke Mitte <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg gelten am stärks-<br />

ten als armutsgefährdet. Jeweils über ein Viertel der Einwohner dieser beiden Bezirke<br />

(Mitte: 27,4%, Friedrichshain-Kreuzberg 26,6%) sehen sich in der einen oder anderen<br />

Form mit Einkommensarmut konfrontiert.<br />

Wird an Stelle des B<strong>und</strong>esmaßstabs bzw. -durchschnitts als Vergleichsmaßstab das mitt-<br />

lere Äquivalenzeinkommen in Berlin herangezogen, sind noch immer ca. ein Fünftel der<br />

Einwohner in Berlin-Mitte (21,6%) <strong>und</strong> in Friedrichshain-Kreuzberg (21,4%) akut armuts-<br />

gefährdet (in ganz Berlin sind es 2007 13,9%, 2008 14,3%).<br />

Grafik 2:<br />

Armutsgefährdungsquoten der Bevölkerung in den <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

(Bevölkerung im Jahresdurchschnitt 2007)<br />

Prozent der Bevölkerung<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

17,5<br />

Berlin<br />

13,8<br />

27,7<br />

Mitte<br />

21,6<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

26,6<br />

21,4<br />

22,4<br />

Neukölln<br />

17,3<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

17,6<br />

13,9<br />

17,4<br />

Spandau<br />

14,2<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

17,4<br />

14,0<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

17,0<br />

13,9<br />

Lichtenberg<br />

15,8<br />

11,9<br />

Reinickendorf<br />

B<strong>und</strong>esmedian Landesmedian<br />

14,7<br />

12,2<br />

12,8<br />

Pankow<br />

10,0<br />

Treptow-Köpenick<br />

11,4<br />

8,7<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

Die Armutsgefährdungsschwelle in Euro wird – entsprechend dem EU-Standard – bei<br />

60% des Medians der Äquivalenzeinkommen der Bevölkerung in Privathaushalten im je-<br />

weiligen B<strong>und</strong>esland beziehungsweise in der jeweiligen Region festgelegt. Personen,<br />

deren Äquivalenzeinkommen unter diesem Schwellenwert liegt, werden als (relativ) ein-<br />

kommensarm eingestuft. Die folgenden Grafiken zeigen die Entwicklung der Armutsge-<br />

7,2<br />

5,3<br />

I/F/A/D<br />

15


16<br />

fährdungsschwellen <strong>für</strong> Einpersonen-Haushalte <strong>und</strong> Mehrpersonen-Haushalte in Berlin<br />

<strong>und</strong> in den neuen B<strong>und</strong>esländern während der letzten Jahre. Deutlich wird, dass diese<br />

Schwellen nach wie vor unter dem gesamtdeutschen Durchschnitt liegen.<br />

Grafik 3:<br />

Armutsgefährdungsschwellen 2005 – 2008<br />

- Einpersonen-Haushalte -<br />

EURO<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

692<br />

704<br />

Berlin<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

721<br />

731<br />

661<br />

Brandenburg<br />

677<br />

701<br />

734<br />

615<br />

Mecklenburg-Vorpomern<br />

626<br />

633<br />

654<br />

653<br />

668<br />

Sachsen<br />

677<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

698<br />

630<br />

Sachsen-Anhalt<br />

2005 2006 2007 2008<br />

640<br />

655<br />

677<br />

640<br />

654<br />

Thüringen<br />

673<br />

699<br />

736<br />

Deutschland<br />

746<br />

764<br />

787<br />

I/F/A/D


Grafik 4:<br />

Armutsgefährdungsschwellen 2005 – 2008<br />

- Haushalte mit zwei Erwachsenen <strong>und</strong> zwei Kindern unter 14 Jahren -<br />

EURO<br />

1800<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

0<br />

1453<br />

1479<br />

Berlin<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1513<br />

1536<br />

1388<br />

Brandenburg<br />

1422<br />

1473<br />

1542<br />

1292<br />

Mecklenburg-Vorpomern<br />

1315<br />

1329<br />

1374<br />

1371<br />

1403<br />

Sachsen<br />

1421<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

1466<br />

1324<br />

Sachsen-Anhalt<br />

2005 2006 2007 2008<br />

1344<br />

1376<br />

1422<br />

1344<br />

1373<br />

Thüringen<br />

1413<br />

1469<br />

1545<br />

Deutschland<br />

Die aktuelle amtliche Sozialberichterstattung der Statistischen Ämter des B<strong>und</strong>es <strong>und</strong> der<br />

Länder (vor allem auf der Basis des Mikrozensus 15 ) zeigt auch <strong>für</strong> das Land Berlin sehr<br />

deutlich, dass die Armutsgefährdungsquote, wie in den nachfolgenden Kapiteln noch<br />

detaillierter ausgeführt wird, von bestimmten sozio-demographischen Merkmalen der<br />

Bevölkerung abhängig ist. Auf die Armutsgefährdungsquote haben vor allem<br />

das Alter<br />

das Geschlecht<br />

der Haushaltstyp <strong>und</strong> die Anzahl der im Haushalt lebenden Kinder<br />

der Erwerbsstatus<br />

das Qualifikationsniveau<br />

die Staatsangehörigkeit bzw. der Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

15 Der Mikrozensus („kleine Volkszählung“) ist die größte Haushaltsbefragung der amtlichen Statistik. Jährlich<br />

werden ca. 1% aller Personen in Privathaushalten <strong>und</strong> Gemeinschaftsunterkünften befragt. Der mit Auskunftspflicht<br />

belegte Mikrozensus liefert statistische Informationen in tiefer fachlicher <strong>und</strong> regionaler Gliederung<br />

über die Bevölkerungsstruktur sowie die wirtschaftliche <strong>und</strong> soziale Lage der Bevölkerung (insbesondere<br />

über die Erwerbstätigkeit, Arbeitssuche, Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung, Wohn- <strong>und</strong> Einkommensverhältnisse, Ges<strong>und</strong>heit<br />

usw.). Er dient zahlreichen Erhebungen (so z. B. der EVS) als Hochrechnungsrahmen <strong>und</strong> Kontrollinstrument.<br />

1567<br />

1605<br />

1652<br />

I/F/A/D<br />

17


18<br />

einen besonderen Einfluss. Treten verschiedene sozio-demographische Merkmale in<br />

Kombination auf (wie z. B. jung, weiblich, allein erziehend mit einem oder mehreren Kin-<br />

dern, erwerbslos u. ä. m.) wirkt sich dies, wie die ausgewerteten aktuellen Daten des Ber-<br />

liner Mikrozensus 2008 ausweisen, in besonderer Weise auf eine Armutsgefährdung der<br />

entsprechenden Personen aus.<br />

Die folgenden Grafiken sollen die Abhängigkeit der Armutsgefährdung der <strong>Berliner</strong> Bevöl-<br />

kerung bzw. einzelner Bevölkerungsgruppen von bestimmten sozio-demographischen<br />

Merkmalen <strong>für</strong> den Zeitraum 2006 bis 2008 verdeutlichen.<br />

Deutlich sichtbar ist, dass hinsichtlich der Altersstrukturierung vor allem jüngere <strong>Berliner</strong><br />

(unter 18 bis unter 25 Jahre) in steigendem Maß mit Armutsgefährdung konfrontiert sind.<br />

Grafik 5:<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Alter 2006 - 2008<br />

65 <strong>und</strong> älter<br />

50 bis unter 65<br />

25 bis unter 50<br />

18 bis unter 25<br />

Unter 18<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

6,2<br />

7,2<br />

8,1<br />

13,9<br />

13,4<br />

15,2<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Prozent der Bevölkerung<br />

18,7<br />

18,3<br />

20,2<br />

2006 2007 2008<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

23,4<br />

23,0<br />

25,2<br />

29,3<br />

30,4<br />

31,8<br />

I/F/A/D


Grafik 6:<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Alter 2006 – 2008<br />

- männlich -<br />

65 <strong>und</strong> älter<br />

50 bis unter 65<br />

25 bis unter 50<br />

18 bis unter 25<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Grafik 7:<br />

5,1<br />

6,2<br />

7,6<br />

15,4<br />

15,2<br />

16,3<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

19,8<br />

19,4<br />

Prozent der Bevölkerung<br />

20,9<br />

2006 2007 2008<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Alter 2006 – 2008<br />

- weiblich -<br />

65 <strong>und</strong> älter<br />

50 bis unter 65<br />

25 bis unter 50<br />

18 bis unter 25<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

6,9<br />

7,9<br />

8,5<br />

11,6<br />

12,6<br />

14,2<br />

17,7<br />

17,2<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Prozent der Bevölkerung<br />

19,3<br />

2006 2007 2008<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

28,9<br />

28,8<br />

30,3<br />

29,9<br />

32,0<br />

33,2<br />

I/F/A/D<br />

I/F/A/D<br />

19


20<br />

Werden die Armutsgefährdungsquoten der Jahre 2006 bis 2008 in der Kombination von<br />

Altersgruppe <strong>und</strong> Geschlecht betrachtet, so zeigt sich vor allem folgendes:<br />

In allen männlichen <strong>und</strong> weiblichen Altersgruppen der <strong>Berliner</strong> Bevölkerung ab 18 Le-<br />

bensjahre hat die Armutsgefährdung seit 2006 zugenommen, am stärksten ist jedoch<br />

die Altersgruppe der jungen Erwachsenen (18 bis unter 25 Jahre) betroffen.<br />

Insbesondere junge Frauen der Altersgruppe 18 bis unter 25 Jahre unterliegen der<br />

Armutsgefährdung. Dies betrifft ca. ein Drittel aller Frauen in diesem Alter <strong>und</strong> ist, wie<br />

im weiteren noch anhand der Daten des <strong>Berliner</strong> Mikrozensus gezeigt wird, auf den<br />

hohen Anteil allein erziehender junger Mütter in Berlin zurückzuführen.<br />

Grafik 8:<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Haushaltstyp 2006 – 2008<br />

Sonstiger Haushalt mit Kind(ern)<br />

Zwei Erwachsene <strong>und</strong> drei oder mehr<br />

Kinder<br />

Zwei Erwachsene <strong>und</strong> zwei Kinder<br />

Zwei Erwachsene <strong>und</strong> ein Kind<br />

Ein(e) Erwachsene(r) mit Kind(ern)<br />

Sonstiger Haushalt ohne Kind<br />

Zwei Erwachsene ohne Kind<br />

Einpersonenhaushalt<br />

zu den Kindern zählen Personen im Alter von<br />

unter 18 Jahren ohne Lebenspartner/in <strong>und</strong><br />

eigene Kinder im Haushalt<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

7,7<br />

7,7<br />

7,8<br />

13,3<br />

14,4<br />

13,0<br />

11,9<br />

16,1<br />

15,8<br />

17,2<br />

17,5<br />

18,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

21,7<br />

22,7<br />

23,2<br />

25,7<br />

23,6<br />

21,9<br />

28,9<br />

28,6<br />

27,7<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Prozent<br />

2006 2007 2008<br />

32,9<br />

34,1<br />

36,2<br />

I/F/A/D


Die Analyse <strong>Berliner</strong> Haushaltstypen hinsichtlich ihrer Armutsgefährdung verdeutlicht<br />

nachdrücklich:<br />

Familien mit drei <strong>und</strong> mehr Kindern, Alleinerziehende (unabhängig von ihrer Kinder-<br />

zahl) <strong>und</strong> allein lebende Personen (Einpersonen/Single-Haushalte) weisen mit Ab-<br />

stand die höchsten Armutsgefährdungsquoten innerhalb der <strong>Berliner</strong> Bevölkerung auf.<br />

Die Quoten dieser Bevölkerungsgruppen haben sich in den letzten Jahren auch am<br />

dynamischsten entwickelt. Vor allem eine hohe Kinderzahl bzw. der Status als Allein-<br />

erziehende/r verschärfen die Armutsgefährdung.<br />

Demgegenüber sind Haushalte/Ehepaare ohne Kinder bzw. mit nur einem Kind einem<br />

wesentlich geringeren Armutsrisiko unterworfen, oftmals auch, weil hier zwei Einkom-<br />

mensbezieher vorhanden sind. Allerdings zeigen die Daten des <strong>Berliner</strong> Mikrozensus<br />

auch hier z. T. erhebliche regionale Unterschiede zwischen den <strong>Berliner</strong> Bezirken.<br />

Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit, Erwerbslosigkeit<br />

<strong>und</strong> Armutsgefährdung:<br />

Erwerbstätige <strong>Berliner</strong> <strong>und</strong> Selbständige weisen weitaus geringere Armutsgefähr-<br />

dungsquoten in den letzten Jahren auf als Erwerbslose (v. a. Arbeitslose) <strong>und</strong> Nicht-<br />

erwerbspersonen. Insbesondere Erwerbslosigkeit (vor allem Arbeitslosigkeit) geht mit<br />

einer massiven Armutsgefährdung einher. Über die Hälfte aller <strong>Berliner</strong> Erwerbslosen<br />

galt Ende 2008 als von Armut gefährdet, nur gut 10 Prozent waren dies bei den Er-<br />

werbstätigen. Auch ist die Armutsgefährdungsquote durch Erwerbslosigkeit in Berlin<br />

im Zeitraum zwischen 2006 bis 2008 im Vergleich zu allen anderen Armutsgefähr-<br />

dungsquoten nach Erwerbsstatus 16 am stärksten (d. h. um 6,7%) gestiegen.<br />

16 Erwerbslose: Als erwerbslos gilt im Sinne des durch die EU konkretisierten Labour-Force-Konzepts der<br />

International Labour Organization (ILO) jede Person im Alter von 15 bis unter 65 Jahren, die in diesem Zeitraum<br />

nicht erwerbstätig war, aber in den letzten vier Wochen vor der Befragung aktiv nach einer Tätigkeit<br />

gesucht hat. Auf den zeitlichen Umfang der gesuchten Tätigkeit kommt es nicht an. Eine neue Arbeit muss<br />

innerhalb von zwei Wochen aufgenommen werden können. Die Einschaltung einer Agentur <strong>für</strong> Arbeit oder<br />

eines kommunalen Trägers in die Suchbemühungen ist nicht erforderlich. Personen im erwerbsfähigen Alter,<br />

die weder erwerbstätig noch erwerbslos sind, weil sie z. B. schulpflichtig oder arbeits- bzw. berufsunfähig sind,<br />

gelten als Nichterwerbspersonen.<br />

Erwerbstätige: Erwerbstätig im Sinne des durch die EU konkretisierten Labour-Force-Konzepts der International<br />

Labour Organization (ILO) ist jede Person im erwerbsfähigen Alter (15- bis unter 65-Jährige), die in einem<br />

einwöchigen Berichtszeitraum mindestens eine St<strong>und</strong>e lang gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen<br />

oder mithelfenden Tätigkeit gearbeitet hat, unabhängig davon, ob sie zum Beispiel arbeitslos gemeldet<br />

ist oder Altersrente bezieht. Ebenfalls zu den Erwerbstätigen werden Personen gezählt, die im Berichtszeitraum<br />

nicht gearbeitet haben, aber in einem formalen Beschäftigungsverhältnis stehen, das sie wegen<br />

Krankheit, (Sonder-)Urlaub oder Erziehungsurlaub nicht ausüben (Unterbrecher).<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

21


22<br />

Grafik 9:<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Erwerbsstatus 2006 – 2008<br />

Selbständige (einschließlich<br />

mithelfende Familienangehörige)<br />

Personen im Alter von unter 18 Jahren<br />

Sonstige Nichterwerbspersonen<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Erwerbstätige<br />

Erwerbslose<br />

8,5<br />

8,1<br />

7,8<br />

10,3<br />

9,5<br />

11,6<br />

23,5<br />

23,1<br />

25,3<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

32,9<br />

35,5<br />

2006 2007 2008<br />

37,9<br />

47,3<br />

49,9<br />

54<br />

I/F/A/D


Als ein wesentliches sozio-demographisches Merkmal, das Einfluss auf individuelle Ar-<br />

mutsgefährdung ausübt, gilt in der amtlichen Sozialberichterstattung das Qualifikations-<br />

niveau. Auch <strong>für</strong> Berlin lässt sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen hohem Qua-<br />

lifikationsniveau <strong>und</strong> niedriger Armutsgefährdung statistisch nachweisen, hier haben sich<br />

in den letzten Jahren die entsprechenden Quoten kaum geändert. Ebenso gilt auch, dass<br />

ein niedriges Qualifikationsniveau mit einem relativ hohen Armutsrisiko einhergeht. Hier<br />

zeigt sich <strong>für</strong> den Zeitraum 2006 bis 2008 die bedenkliche Entwicklung, dass die Quoten<br />

der Armutsgefährdung durch geringe Qualifikation am stärksten zugenommen haben.<br />

Grafik 10:<br />

Qualifikationsniveau<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Qualifikationsniveau 2006 – 2008<br />

Hoch (ISCED 5 <strong>und</strong> 6)<br />

Mittel (ISCED 3 <strong>und</strong> 4)<br />

Niedrig (ISCED 0 bis 2)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

7,2<br />

6,7<br />

7,1<br />

13,5<br />

14,7<br />

15,6<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Prozent<br />

2006 2007 2008<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

29,4<br />

30,5<br />

34<br />

I/F/A/D<br />

23


24<br />

Ausländische <strong>Berliner</strong> Bürger bzw. Bürger mit Migrationshintergr<strong>und</strong> 17 unterlagen in den<br />

vergangenen Jahren einem weitaus höheren Armutsrisiko als Deutsche. Nationale Her-<br />

kunft, Staatsangehörigkeit, ethnische Besonderheiten usw. haben <strong>für</strong> die Betroffenen er-<br />

heblichen Einfluss darauf, als (Einkommens)arm zu gelten. Während von den Deutschen<br />

2008 „nur“ gut 15% der <strong>Berliner</strong> armutsgefährdet waren, lag die Quote bei den <strong>Berliner</strong>n<br />

ohne deutsche Staatsbürgerschaft bei weit über einem Drittel. In ähnlichen Relationen<br />

zeigte sich dies bei den <strong>Berliner</strong>n mit Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />

Grafik 11:<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Staatsangehörigkeit 2006 – 2008<br />

Mit deutscher Staatsangehörigkeit<br />

Ohne deutsche Staatsangehörigkeit<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

14,3<br />

14,1<br />

15,5<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45<br />

Prozent<br />

2006 2007 2008<br />

17 Als Person mit Migrationshintergr<strong>und</strong> gilt, wer eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzt, oder im Ausland<br />

geboren wurde <strong>und</strong> nach 1949 zugewandert ist, oder in Deutschland geboren ist <strong>und</strong> eingebürgert wurde,<br />

oder ein Elternteil hat, das zugewandert ist, eingebürgert wurde oder eine ausländische Staatsangehörigkeit<br />

besitzt.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

34,9<br />

37,1<br />

38,4<br />

I/F/A/D


Grafik 12:<br />

Armutsgefährdungsquoten in Berlin nach Migrationshintergr<strong>und</strong> 2006 – 2008<br />

Ohne Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

12,5<br />

12,4<br />

13,7<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Prozent<br />

2006 2007 2008<br />

1.2 Familien in Berlin – Aspekte der Armutsgefährdung<br />

Während im vorangegangenen Kapitel in einem allgemeinen Überblick Armutsgefähr-<br />

dungsschwellen <strong>und</strong> -quoten <strong>für</strong> die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung insgesamt in den Jahren 2006<br />

bis 2008 sowie ausgewählte sozio-demographische Merkmale, die eine Armutsgefähr-<br />

dung beeinflussen, dargestellt wurden, sollen nun, territorial strukturiert nach <strong>Berliner</strong> Be-<br />

zirken, unterschiedlichste Aspekte der Armutsgefährdung <strong>Berliner</strong> Familien bzw.<br />

bestimmter Altersgruppen datengestützt 18 aufgezeigt <strong>und</strong> auf entsprechende Problem-<br />

lagen hingewiesen werden. Um diese Daten werten <strong>und</strong> einordnen zu können <strong>und</strong> dem-<br />

entsprechende soziale „Brennpunkte“ <strong>und</strong> <strong>Berliner</strong> Regionen mit hoher Armutsgefährdung<br />

zu identifizieren 19 , soll zunächst ein kurzer Blick auf ausgewählte demographische Struk-<br />

turen der <strong>Berliner</strong> Bevölkerung geworfen werden.<br />

18 Die nachfolgend verwendeten <strong>und</strong> ausgewerteten Daten entstammen, werden sie nicht anders ausgewiesen,<br />

ausschließlich Sonderauswertungen des <strong>Berliner</strong> Mikrozensus 2008 des Amtes <strong>für</strong> Statistik Berlin-<br />

Brandenburg.<br />

19 Vgl. dazu auch: Monitoring Soziale Stadtentwicklung Berlin 2009. Fortschreibung <strong>für</strong> den Zeitraum 2007-<br />

2008, Kurzfassung, Dezember 2009, www.stadtentwicklung.berlin.de<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

32,2<br />

33,2<br />

34,5<br />

I/F/A/D<br />

25


26<br />

1.2.1 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Bevölkerungsstand, Verteilung, Altersstruktur<br />

Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung umfasste am 30. April 2009 3.430.545 Bürger, davon 1.750.642<br />

weiblichen <strong>und</strong> 1.679.903 männlichen Geschlechts. Insgesamt lebten zu diesem Zeitpunkt<br />

2.956.424 Deutsche <strong>und</strong> 474.121 Ausländer in der Hauptstadt 20 .<br />

Grafik 13:<br />

Bevölkerung (Gesamt) in den <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

(Stand: 30. April 2009)<br />

Bevölkerung<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

364.805<br />

Pankow<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

333.372 331.301<br />

318.650<br />

Mitte<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

311.199<br />

Neukölln<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

292.220<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

270.392<br />

Lichtenberg<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

257.399<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

247.338<br />

Reinickendorf<br />

20 Vgl.: Amt <strong>für</strong> Statistik Berlin-Brandenburg - Statistischer Bericht A I 3 – j/08 - Berlin<br />

241.058 239.632<br />

Treptow-Köpenick<br />

224.180<br />

Spandau<br />

I/F/A/D


Grafik 14:<br />

Bevölkerung (Deutsche) in den <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

(Stand: 30. April 2009)<br />

Bevölkerung<br />

400.000<br />

350.000<br />

300.000<br />

250.000<br />

200.000<br />

150.000<br />

100.000<br />

50.000<br />

0<br />

340.203<br />

Pankow<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Grafik 15:<br />

280.080<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

262.536 260.822<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

240.081 238.830 238.235 238.103<br />

Neukölln<br />

Lichtenberg<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

Bevölkerung (Ausländer) in den <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

(Stand: 30. April 2009)<br />

Bevölkerung<br />

100.000<br />

90.000<br />

80.000<br />

70.000<br />

60.000<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

93.198<br />

Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

71.118<br />

60.312<br />

Neukölln<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

57.828<br />

53.292<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

29.684<br />

Spandau<br />

27.672<br />

Mitte<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Treptow-Köpenick<br />

232.336<br />

23.601 22.448<br />

Pankow<br />

Reinickendorf<br />

Reinickendorf<br />

218.610<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Lichtenberg<br />

18.569<br />

210.080<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

9.103<br />

196.508<br />

Spandau<br />

Treptow-Köpenick<br />

7.296<br />

I/F/A/D<br />

I/F/A/D<br />

27


28<br />

Grafik 16:<br />

Altersstrukturen in den <strong>Berliner</strong> Bezirken 2008<br />

Berlin<br />

Reinickendorf<br />

Lichtenberg<br />

Mahrzahn-Hellersd.<br />

Treptow-Köpenick<br />

Neukölln<br />

Tempelh.-Schöneb.<br />

Steglitz-Zehlend.<br />

Spandau<br />

Charlbg.-Wilmersd.<br />

Pankow<br />

Friedrh.-Kreuzberg<br />

Mitte<br />

282632<br />

19971<br />

19533<br />

19628<br />

18348<br />

27839<br />

26217<br />

23286<br />

18422<br />

21877<br />

33135<br />

23943<br />

30433<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

280786<br />

18281<br />

22188<br />

17668<br />

27969<br />

22458<br />

24114<br />

30008<br />

26377<br />

22007<br />

23880<br />

19467<br />

26369<br />

31640<br />

37076<br />

500119<br />

25807<br />

45621<br />

39821<br />

30289<br />

40037<br />

26383<br />

58748<br />

45758<br />

59408<br />

59531<br />

33362<br />

43303<br />

26219<br />

30448<br />

44567<br />

25501<br />

498390<br />

33448<br />

26421<br />

44179<br />

74496<br />

58168<br />

39184<br />

49561<br />

41980<br />

37886<br />

55952<br />

60173<br />

58278<br />

594666<br />

41820<br />

45423<br />

51850<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

33468<br />

40529<br />

67613<br />

56448<br />

29446<br />

30810<br />

47673<br />

35690<br />

47971<br />

449700<br />

46776<br />

43005<br />

38782<br />

36296<br />

29746<br />

43893<br />

37898<br />

37813<br />

43714<br />

30621<br />

46204<br />

405753<br />

31324<br />

36358<br />

26615<br />

26714<br />

32517<br />

30280<br />

279130 116679<br />

24213<br />

28576<br />

26946<br />

27916<br />

23416<br />

21156<br />

26686<br />

17544 6215<br />

23588<br />

10167<br />

8185<br />

9911<br />

9462<br />

12554<br />

13957<br />

9133<br />

13562<br />

26243 10292<br />

18086 121884974<br />

20658 8267<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55% 60% 65% 70% 75% 80% 85% 90% 95% 100%<br />

0 bis unter 10 10 bis unter 20 20 bis unter 30 30 bis unter 40 40 bis unter 50<br />

50 bis unter 60 60 bis unter 70 70 bis unter 80 80 bis unter 90 90 <strong>und</strong> älter<br />

In der <strong>Berliner</strong> Bevölkerung ist die jüngere Altersgruppe der unter 20-Jährigen im Durch-<br />

schnitt mit einem Anteil von ca. 17% vertreten. Im Vergleich aller <strong>Berliner</strong> Bezirke ist diese<br />

Altersgruppe in den Bezirken<br />

Neukölln,<br />

Spandau,<br />

Reinickendorf,<br />

Mitte <strong>und</strong><br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

am stärksten besetzt.<br />

Einen besonders hohen Anteil an Personen im Alter zwischen 10 <strong>und</strong> 30 Jahren (junge<br />

Wohnbevölkerung) weist der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg auf, danach folgen Mitte,<br />

Neukölln <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf. Eine Betrachtung der territorialen Konzentrations-<br />

punkte junger Bevölkerungsgruppen erweist sich deshalb als so wichtig, weil insbe-<br />

sondere junge Familien mit Kindern, allein erziehende <strong>und</strong> allein lebende Personen in<br />

Berlin einem besonderen Armutsrisiko unterworfen sind. 21<br />

21 Vgl. dazu Kapitel “Armutsgefährdung in Berlin – Quoten <strong>und</strong> Schwellen“<br />

I/F/A/D


Eine genauere Betrachtung der fünf „jungen Bezirke“ erfolgt in der nächsten Grafik.<br />

Grafik 17:<br />

Altersstrukturen in ausgewählten <strong>Berliner</strong> Bezirken 2008<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

Neukölln<br />

Spandau<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

19628<br />

27839<br />

18422<br />

23943<br />

30433<br />

22188<br />

30008<br />

22007<br />

19467<br />

26369<br />

40037<br />

45758<br />

26383<br />

59408<br />

59531<br />

25501<br />

26421<br />

44179<br />

58168<br />

37886<br />

58278<br />

45423<br />

51850<br />

56448<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

30810<br />

46776<br />

43005<br />

38782<br />

37813<br />

30621<br />

36358<br />

26615<br />

26714<br />

30280<br />

21156<br />

18086<br />

17544 6215<br />

23588<br />

9462<br />

9133<br />

121884974<br />

20658 8267<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55% 60% 65% 70% 75% 80% 85% 90% 95% 100%<br />

0 bis unter 10 10 b. unter 20 20 b. unter 30 30 b. unter 40 40 b. unter 50<br />

50 b. unter 60 60 b. unter 70 70 b. unter 80 80 b. unter 90 90 <strong>und</strong> älter<br />

Ein überdurchschnittlicher Anteil sehr junger Bevölkerung (Kinder unter 10 Jahren) findet<br />

sich in den <strong>Berliner</strong> Bezirken Mitte <strong>und</strong> Neukölln, ca. ein Zehntel der jeweiligen Bezirksbe-<br />

völkerung ist unter 10 Jahren alt. Besonders viele unter 20-Jährige wohnen in den Bezir-<br />

ken Neukölln <strong>und</strong> Spandau, hier liegt deren Anteil an der Bevölkerung bei r<strong>und</strong> 17 bis<br />

18%.<br />

Eine Bezirksbevölkerung zwischen 10 bzw. 20 <strong>und</strong> 40 Jahren findet sich besonders im<br />

Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Hier sind drei Viertel der Bevölkerung unter 50 Jahre alt.<br />

Die Altersgruppe zwischen 40 <strong>und</strong> 50 Jahren ist in allen <strong>Berliner</strong> Bezirken in etwa glei-<br />

chermaßen vertreten. Der Anteil der Altersgruppe der 60 bis 70-Jährigen an der Gesamt-<br />

bevölkerung ist in Friedrichshain-Kreuzberg besonders gering, da<strong>für</strong> besteht die Bevölke-<br />

rung in Spandau fast zu 30% aus über 60-Jährigen.<br />

I/F/A/D<br />

29


30<br />

Grafik 18:<br />

Entwicklung des Jugendquotienten 1995 zu 2008<br />

(Verhältnis der Personen im Alter unter 20 Jahren zu denen im Alter zwischen 20 <strong>und</strong> 65 Jahren)<br />

Jugendquotient<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

30,4<br />

Berlin<br />

25,3<br />

29,7<br />

Mitte<br />

25,1<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

30,5<br />

21,8<br />

27,8<br />

Pankow<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

22,6<br />

22,0<br />

21,5<br />

29,8<br />

Spandau<br />

30,2<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

27,5<br />

28,7<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

26,8<br />

25,5<br />

30,4<br />

Neukölln<br />

29,4<br />

Treptow-Köpenick<br />

1995 2008<br />

28,8<br />

24,9<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

49,0<br />

25,0<br />

Lichtenberg<br />

34,1<br />

22,3<br />

Reinickendorf<br />

Der demographische Wandel bringt auch <strong>für</strong> Berlin eine Abnahme des Jugendquoti-<br />

enten mit sich. Das Verhältnis der jüngeren zur älteren Bevölkerung hat sich seit 1995 in<br />

fast allen <strong>Berliner</strong> Bezirken zugunsten der Älteren entwickelt.<br />

Dieser Trend zeigt sich auf der jeweiligen Bezirksebene, allerdings in verschieden starker<br />

Ausprägung. Während sich in den Bezirken<br />

Marzahn-Hellersdorf,<br />

Lichtenberg <strong>und</strong><br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

die Verhältnisse besonders stark zu ungunsten des Jugendquotienten entwickelt haben,<br />

zeigen sich in anderen <strong>Berliner</strong> Bezirken entgegengesetzte Trends.<br />

So ist der Jugendquotient in<br />

Spandau,<br />

Steglitz-Zehlendorf <strong>und</strong><br />

Reinickendorf<br />

sogar angestiegen.<br />

30,0<br />

31,3<br />

I/F/A/D


Wird der absolute Wert des Jugendquotienten betrachtet, sind die Bezirke<br />

Reinickendorf,<br />

Spandau <strong>und</strong><br />

Neukölln<br />

die Gebiete in Berlin mit den höchsten verhältnismäßigen Anteilen an junger Bevölkerung<br />

unter 20 Jahren. Unterdurchschnittlich gering ist dieser Quotient hingegen in Friedrichs-<br />

hain-Kreuzberg, Charlottenburg-Wilmersdorf <strong>und</strong> Lichtenberg.<br />

Grafik 19:<br />

Entwicklung des Durchschnittsalters der Bevölkerung<br />

Alter in Jahren<br />

60<br />

55<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

39,2<br />

41,0<br />

42,7<br />

Berlin<br />

37,8<br />

39,1<br />

39,6<br />

Mitte<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

35,9<br />

36,9<br />

37,3<br />

39,4<br />

39,6<br />

40,5<br />

42,8<br />

44,0<br />

45,6<br />

Pankow<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

41,2<br />

42,4<br />

44,3<br />

Spandau<br />

43,1<br />

43,9<br />

45,6<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

41,0<br />

42,2<br />

44,1<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

39,7<br />

40,3<br />

41,5<br />

Neukölln<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

41,7<br />

43,2<br />

45,1<br />

Treptow-Köpenick<br />

1991 2000 2008<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

30,5<br />

37,5<br />

42,1<br />

35,9<br />

Lichtenberg<br />

40,4<br />

43,1<br />

42,3<br />

43,1<br />

44,9<br />

Reinickendorf<br />

Das Durchschnittsalter der <strong>Berliner</strong> Bevölkerung lag 2008 bei 42,7 Jahren <strong>und</strong> ist damit<br />

seit 1991 um 3,5 Jahre gestiegen. Die Entwicklung verlief allerdings in den einzelnen Ber-<br />

liner Bezirken höchst unterschiedlich. Bis auf den Bezirk Pankow „alterte“ in allen ehema-<br />

ligen Ostberliner Bezirken die Bevölkerung wesentlich stärker als in den Bezirken des<br />

ehemaligen Westberlin. Der erheblichste „Alterungsprozeß“ der Bevölkerung im Vergleich<br />

aller <strong>Berliner</strong> Bezirke vollzog sich im „jüngsten“ Ostberliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf.<br />

Hier hat sich das Durchschnittsalter seit 1991 um fast annähernd 12 Jahre erhöht, es be-<br />

trug 1991 30,5 Jahre <strong>und</strong> Ende 2008 42,1 Jahre. Im bevölkerungsreichsten <strong>Berliner</strong> Be-<br />

zirk Pankow erhöhte sich das Durchschnittsalter in diesem Zeitraum hingegen nur um ein<br />

I/F/A/D<br />

31


32<br />

gutes Jahr (1991: 39,4; 2008: 40,5) <strong>und</strong> wies damit im Vergleich aller <strong>Berliner</strong> Bezirke die<br />

geringste Steigerung aus.<br />

Die „ältesten“ <strong>Berliner</strong> Bezirke (höchstes Durchschnittsalter) sind<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf,<br />

Steglitz-Zehlendorf <strong>und</strong><br />

Treptow-Köpenick.<br />

Die „jüngsten“ Bezirke (niedrigstes Durchschnittsalter) sind Friedrichshain-Kreuzberg <strong>und</strong><br />

Mitte.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.2.2 Kurze Zusammenfassung:<br />

<strong>Berliner</strong> Bevölkerung<br />

Der demographische Wandel hat in den letzten Jahren auch Berlin erfasst. So nimmt<br />

das Durchschnittsalter in fast allen <strong>Berliner</strong> Bezirken zu <strong>und</strong> der Jugendquotient sinkt<br />

dementsprechend in den meisten Bezirken.<br />

Die soziale Problemgebiete umfassenden Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-<br />

Hellersdorf, Neukölln, Mitte <strong>und</strong> Spandau 22 zeigen ein relativ junges Profil hinsichtlich<br />

der Altersstruktur <strong>und</strong> einen hohen Anteil an Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Einen<br />

besonders hohen Anteil an der Bezirksbevölkerung nehmen junge Menschen in den Be-<br />

zirken Spandau, Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Neukölln ein. Hier ist fast jeder fünfte Bewohner<br />

im Alter unter 20 Jahren. Sehr junge Kinder im Alter zwischen 0 <strong>und</strong> 10 Jahren leben in<br />

den Bezirken Mitte <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg, wobei in Friedrichshain-Kreuzberg<br />

ebenfalls viele Menschen im Alter zwischen 20 <strong>und</strong> 30 anzutreffen sind (junge Elterngene-<br />

ration).<br />

Dem hohen Anteil junger Menschen entsprechend nehmen diese Bezirke eine besondere<br />

Relevanz bei der Betrachtung von Jugend- <strong>und</strong> Kinderarmut ein. Sie sollen daher<br />

auch weiterhin besondere Beachtung erfahren.<br />

22 Das aktuelle Monitoring „Soziale Stadtentwicklung Berlin 2009“ kommt hinsichtlich der sozialen Charakterisierung<br />

dieser städtischen Problemgebiete zu folgender Einschätzung:<br />

„Die bereits im Monitoring 2008 benannten fünf großen, zusammenhängenden Gebiete mit der höchsten<br />

Konzentration der problematischsten Gebiete bilden den Kern der inzwischen von der Senatsverwaltung <strong>für</strong><br />

Stadtentwicklung abgegrenzten „Aktionsräume plus“ :<br />

- Die drei westlichen Innenstadtbereiche Wedding/Moabit, Kreuzberg-Nordost <strong>und</strong> Neukölln-Nord bilden<br />

jeweils große, zusammenhängende Flächen. In diesen drei Gebieten leben insgesamt 506.649 Einwohnerinnen<br />

<strong>und</strong> Einwohner (ca. 15,1% aller Einwohnerinnen <strong>und</strong> Einwohner von Berlin). Der Altersdurchschnitt ist<br />

relativ niedrig, der Anteil der unter 18-Jährigen beträgt 17,3%. Insgesamt wohnen in diesen drei Bereichen<br />

18% aller unter 18-Jährigen in Berlin, davon haben 77,4% einen Migrationshintergr<strong>und</strong>. Von allen 18-Jährigen<br />

mit Migrationshintergr<strong>und</strong> in Berlin leben 32,6 % in diesen westlichen Innenstadtgebieten.<br />

- Auch am Stadtrand haben sich in Nord-Marzahn/Nord-Hellersdorf sowie in Spandau-Mitte jeweils größere,<br />

zusammenhängende Gebiete mit einer hohen Problemdichte herausgebildet. Im Gebiet Nord-Marzahn/Nord-<br />

Hellersdorf wohnen 185.515 Einwohnerinnen <strong>und</strong> Einwohner, das sind 5,5% aller <strong>Berliner</strong>innen <strong>und</strong> <strong>Berliner</strong>;<br />

die unter 18-Jährigen (26.301) machen davon 14,2% aus, <strong>und</strong> von ihnen haben 22,1% einen Migrationshintergr<strong>und</strong>.<br />

In den Spandauer Gebieten wohnen 134.208 Einwohnerinnen <strong>und</strong> Einwohner, das sind 4% aller <strong>Berliner</strong>innen<br />

<strong>und</strong> <strong>Berliner</strong>; die unter 18-Jährigen nehmen davon einen Anteil von 15,8% ein, <strong>und</strong> von ihnen haben<br />

46,4% einen Migrationshintergr<strong>und</strong>. Insgesamt wohnt in diesen fünf Räumen etwa 25% der <strong>Berliner</strong> Bevölkerung.<br />

39,2% von ihnen haben einen Migrationshintergr<strong>und</strong>. Von allen <strong>Berliner</strong>innen <strong>und</strong> <strong>Berliner</strong>n mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> leben in diesen Gebieten 36,9%: In den drei westlichen Innenstadträumen liegt der<br />

Anteil der Bewohnerinnen <strong>und</strong> Bewohner mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an der Wohnbevölkerung bei mehr als<br />

50%, in Spandau-Mitte bei 27,6% <strong>und</strong> in Nord-Marzahn/Nord-Hellersdorf lediglich bei 13,1%. Der Anteil der<br />

unter 18-Jährigen in den fünf „Aktionsräumen plus“ an allen unter 18-Jährigen in Berlin beträgt 27,8%. Von<br />

allen unter 18-Jährigen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> in Berlin leben 40,1% in diesen fünf Gebieten. In den<br />

drei zur westlichen Innenstadt gehörenden Räumen ist also die Bevölkerung mit Migrationshintergr<strong>und</strong> stark<br />

überrepräsentiert, bei den unter 18-Jährigen ist dies besonders stark der Fall.“ Vgl. Monitoring Soziale Stadtentwicklung...a.<br />

a. O., S. 13f.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

33


34<br />

1.3 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Familien <strong>und</strong> Familienstrukturen 23 2008 in<br />

den <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

1.3.1 Wo leben die meisten Familien in Berlin?<br />

In Berlin lebt der prozentual höchste Anteil an Familien im Bezirk Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong><br />

Spandau. In den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg<br />

herrscht ein relativ geringer Familienanteil<br />

23 Den graphischen Darstellungen <strong>und</strong> inhaltlichen Analysen auf der Basis des <strong>Berliner</strong> Mikrozensus 2008<br />

liegen folgende Definitionen zu Familien <strong>und</strong> Familienstrukturen zugr<strong>und</strong>e:<br />

Haushalte<br />

Als Haushalt (Privathaushalt) zählt jede zusammenwohnende <strong>und</strong> eine wirtschaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft<br />

sowie Personen, die allein wohnen <strong>und</strong> wirtschaften. Zum Haushalt können verwandte <strong>und</strong><br />

familienfremde Personen gehören (z. B. Lebenspartner). Gemeinschafts- <strong>und</strong> Anstaltsunterkünfte gelten nicht<br />

als Haushalte, können aber Privathaushalte beherbergen (z. B. Haushalt des Anstaltsleiters). Haushalte mit<br />

mehreren Wohnungen werden unter Umständen mehrfach gezählt. Es ist zu beachten, dass in einem Haushalt<br />

mehrere Familien/Lebensformen wohnen können.<br />

Familien<br />

Mit dem Berichtsjahr 2005 wurde ein Lebensformkonzept eingeführt, das den Standard <strong>für</strong> die Veröffentlichung<br />

familienbezogener Ergebnisse bildet. Damit wird das vorige traditionelle Familienkonzept abgelöst. Als<br />

Familien gelten somit alle Eltern-Kind-Gemeinschaften im Haushalt. Damit umfasst eine Familie immer genau<br />

zwei Generationen. Zu den Familien zählen damit Ehepaare, nichteheliche <strong>und</strong> gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften/<br />

-gemeinschaften sowie allein erziehende Mütter <strong>und</strong> Väter mit ledigen Kindern im befragten<br />

Haushalt.<br />

Alleinerziehende<br />

Mütter <strong>und</strong> Väter, die ohne Ehe- oder Lebenspartner mit ihren Kindern in einem Haushalt zusammenleben.<br />

Bis zum Jahr 2004 wurden zu den Alleinerziehenden auch die gezählt, in deren Haushalten noch weitere<br />

Personen lebten (z. B. der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft).<br />

Alleinlebende<br />

Personen, die <strong>für</strong> sich alleine in einem Haushalt wohnen <strong>und</strong> wirtschaften (Einpersonenhaushalte, die auch<br />

als Singles bezeichnet werden).<br />

Kinder<br />

Das sind ledige Personen ohne eigene Kinder im Haushalt, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einem<br />

Haushalt bzw. einer Familie zusammenleben. Eine Altersbegrenzung <strong>für</strong> die Zählung als Kind besteht nicht.<br />

Als Kinder gelten auch ledige Stief-, Adoptiv- oder Pflegekinder.<br />

Paare<br />

Zu den Paaren zählen alle Personen, die in einer Partnerschaft leben <strong>und</strong> einen gemeinsamen Haushalt führen.<br />

Dazu gehören Ehepaare, nichteheliche, gleichgeschlechtliche <strong>und</strong> eingetragene Lebenspartnerschaften<br />

mit <strong>und</strong> ohne Kinder.<br />

Lebensgemeinschaften<br />

(nichteheliche, gleichgeschlechtliche <strong>und</strong> eingetragene Lebenspartnerschaften)<br />

Unter einer Lebensgemeinschaft wird im Mikrozensus eine Lebenspartnerschaft verstanden, bei der beide<br />

Partner (gleichen oder unterschiedlichen Geschlechts) ohne Trauschein in einem Haushalt zusammen leben<br />

<strong>und</strong> gemeinsam wirtschaften. Unerheblich ist, ob die Partnerschaft als eingetragene Lebenspartnerschaft<br />

nach dem Jahr 2001 eingeführten Lebenspartnerschaftsgesetz (LpartG) registriert wurde. Ab 2006 wurden im<br />

Mikrozensus erstmals eingetragene Lebenspartnerschaften erhoben.<br />

Vgl. zu allen Definitionen: Statistische Berichte A I 10-j 08, A I 11-j 08, A IV 2-j 08. Hrsg.: Amt <strong>für</strong> Statistik<br />

Berlin-Brandenburg, Februar 2010, S 7 ff.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Grafik 20:<br />

Familienanteil in den <strong>Berliner</strong> Bezirken 2008<br />

(Kinder ohne Altersbegrenzung)<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

Spandau<br />

Reinickendorf<br />

Lichtenberg<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

Treptow-Köpenick<br />

Mitte<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

Pankow<br />

Neukölln<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17<br />

Prozent<br />

<strong>Berliner</strong> Bezirke, in denen sich soziale Problemlagen bündeln, wie Marzahn-Hellersdorf,<br />

Spandau <strong>und</strong> Mitte sind in der oberen Hälfte familienreicher Bezirke zu finden.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

10,8<br />

10,6<br />

12,2<br />

12,1<br />

11,9<br />

12,8<br />

12,6<br />

12,6<br />

13,6<br />

13,6<br />

13,9<br />

16,2<br />

I/F/A/D<br />

35


36<br />

1.3.2 Wie sehen die Familientypen Berlins aus <strong>und</strong> welchen Anteil haben<br />

die jeweiligen Familientypen?<br />

Grafik 21:<br />

Familientypen in Berlin 2008 (Angaben in Prozent)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

36,0<br />

11,0<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Deutlich sichtbar ist der hohe Anteil allein erziehender Haushalte an der Gesamtheit<br />

der Familien in Berlin.<br />

So bestehen mehr als ein Drittel der <strong>Berliner</strong> Haushalte aus Alleinerziehenden. Dem-<br />

zufolge besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass Kinder nur mit einem leiblichen Eltern-<br />

teil aufwachsen. Das Armutsrisiko <strong>für</strong> Kinder ist in diesem Familientypus höher <strong>und</strong><br />

beziffert sich b<strong>und</strong>esweit auf ca. 24 Prozent. 24<br />

Weiterhin bestehen mehr als die Hälfte aller <strong>Berliner</strong> Familien aus Ehepaaren mit 1, 2<br />

oder mehr Kindern (53%). Wie bereits gezeigt wurde, weisen insbesondere Familien mit<br />

2 <strong>und</strong> mehr Kindern ein erhöhtes Armutsrisiko auf. Je mehr Kinder, desto höher das<br />

Armutsrisiko. 25<br />

24 Vgl. dazu: B<strong>und</strong>esministerium <strong>für</strong> Arbeit <strong>und</strong> Soziales (Hrsg.) Bonn 2008. Lebenslagen in Deutschland. Der<br />

dritte Armuts- <strong>und</strong> Reichtumsbericht der B<strong>und</strong>esregierung, S. 92<br />

25 Vgl. ebd., S. 92<br />

26,0<br />

27,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D


Die Familienstrukturen variieren jedoch stark auf Bezirksebene, insofern soll zunächst<br />

eine Gesamtauflistung der Familientypen erfolgen. Danach zeigt eine detaillierte Auflis-<br />

tung die Familientypen <strong>für</strong> die einzelnen <strong>Berliner</strong> Bezirke mit entsprechender Auswertung<br />

<strong>und</strong> Ausweisung von Armutsrisikogruppen.<br />

1.3.3 Wie sehen die Familienstrukturen auf Bezirksebene aus?<br />

Grafik 22:<br />

Anzahl in Tausend<br />

Familienstrukturen der <strong>Berliner</strong> Bezirke 2008<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Bezirksdurchschnitt<br />

8,5<br />

3,7<br />

6,9<br />

7,0<br />

11,7<br />

10,8<br />

Mitte<br />

7,7<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

/<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

8,4<br />

/<br />

5,4<br />

5,3<br />

11,8<br />

8,3<br />

7,4<br />

6,8<br />

8,2<br />

7,0<br />

7,5<br />

Pankow<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

/<br />

Spandau<br />

7,9<br />

/<br />

6,5<br />

6,1<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

5,4<br />

/<br />

11,0 7,3 9,9<br />

7,3<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

9,1<br />

9,4<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

/<br />

Neukölln<br />

8,3<br />

/<br />

8,3<br />

Treptow-Köpenick<br />

6,9<br />

/<br />

/<br />

5,1<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

9,6<br />

/<br />

/<br />

6,9<br />

Lichtenberg<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Unterschiedliche Familienstrukturen werden in allen <strong>Berliner</strong> Bezirken sichtbar. In 8 der 12<br />

<strong>Berliner</strong> Bezirke dominiert der Familientyp allein erziehend.<br />

Die Bezirke Mitte, Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Pankow haben von allen <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

die höchsten Anteile Alleinerziehender. Da diese Bezirke generell zu den Gebieten mit<br />

hohem Familienanteil gehören (siehe Grafik 20: Familienanteil in den <strong>Berliner</strong> Bezir-<br />

ken 2008), gewinnt die Familienstruktur der Alleinerziehenden in Berlin offensichtlich im-<br />

mer mehr an Bedeutung.<br />

Größere Familien mit 2 oder mehr Kindern wohnen v. a. in den Bezirken Mitte, Steglitz-<br />

Zehlendorf <strong>und</strong> Neukölln, wobei die Bevölkerung der Bezirke Mitte <strong>und</strong> Neukölln durch<br />

8,3<br />

6,4<br />

/<br />

5,6<br />

Reinickendorf<br />

einen hohen Anteil an Personen (Eltern) mit Migrationshintergr<strong>und</strong> charakterisiert ist.<br />

7,0<br />

/<br />

5,2<br />

7,9<br />

I/F/A/D<br />

37


38<br />

Die Bezirke Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln, Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong><br />

Spandau, in denen sich seit mehreren Jahren soziale Probleme bestimmter Bevölke-<br />

rungsgruppen am stärksten bündeln (wie in den weiteren Ausführungen noch detaillierter<br />

gezeigt wird), sollen hinsichtlich ihrer Familienstrukturen nunmehr genauer betrachtet<br />

werden.<br />

1.3.3.1 Betrachtung des Bezirks Mitte hinsichtlich seiner Familienstruktur<br />

Grafik 23:<br />

Familientypen im Bezirk Mitte von Berlin 2008<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

39,0<br />

5,0<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Zwei Familientypen sind im Bezirk Mitte in besonderem Maße vertreten. Neben einem<br />

hohen Anteil an Alleinerziehenden (39%), lässt sich ein erheblicher Anteil (34%) an grö-<br />

ßeren Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern konstatieren. Lebensgemeinschaften <strong>und</strong> Ehe-<br />

paare mit 1 Kind sind eher unterrepräsentiert.<br />

Den Familienstrukturen zufolge treffen in diesem Bezirk Haushaltsstrukturen bzw. Fami-<br />

lientypen aufeinander, die ein relativ hohes Armutsrisiko in sich bergen (Familien mit<br />

vielen Kindern bzw. wenig Einkommensbeziehern <strong>und</strong> Alleinerziehende).<br />

22,0<br />

34,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D


1.3.3.2 Betrachtung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg hinsichtlich<br />

seiner Familienstruktur<br />

Grafik 24:<br />

Familientypen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin 2008<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

42,0<br />

12,0<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Im Bezirk dominiert eindeutig der Familientyp allein erziehend. In 42% der Familien<br />

wachsen Kinder in der Regel bei einem Elternteil, meist bei der Mutter, auf.<br />

Weniger als 50% der Familien werden in diesem Bezirk durch verheiratete Paare gebildet<br />

(46%), da<strong>für</strong> dominieren neben Alleinerziehenden auch die Lebensgemeinschaften mit<br />

12%.<br />

Somit kann als Armutsrisikogruppe im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg insbesondere<br />

die Bevölkerungsgruppe der Alleinerziehenden identifiziert werden.<br />

20,0<br />

26,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D<br />

39


40<br />

1.3.3.3 Betrachtung des Bezirks Neukölln hinsichtlich seiner Familienstruktur<br />

Grafik 25:<br />

Familientypen im Bezirk Neukölln von Berlin 2008<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

31,0<br />

5,0<br />

35,0<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Der Anteil Alleinerziehender fällt im Bezirk Neukölln vergleichsweise gering aus. Es über-<br />

wiegen die Mehrpersonenhaushalte, dementsprechend existiert ein hoher Anteil an Ehe-<br />

paaren mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern (35%).<br />

Generell dominieren eheliche Lebensformen mit insgesamt 64%, so dass vor allem Le-<br />

bensgemeinschaften stark unterrepräsentiert sind <strong>und</strong> auch der Anteil Alleinerziehender<br />

an den Familientypen des Bezirks der geringste aller hier näher betrachteten <strong>Berliner</strong> Be-<br />

zirke ist. Diese Spezifik der Familientypen in Neukölln ist in erheblichem Maße auch auf<br />

die Zusammensetzung der Bevölkerung mit entsprechenden traditionellen, ethnischen<br />

<strong>und</strong> kulturhistorischen Familienformen zurückzuführen. So haben knapp 40 Einwohner<br />

von 100 einen Migrationshintergr<strong>und</strong> (zweithöchster Anteil hinter Bezirk Mitte mit 45, Ber-<br />

lin gesamt 26). Bei der Altersgruppe der unter 6-Jährigen sind es 69 von 100 Kindern<br />

(ebenfalls der zweithöchste Wert hinter dem Bezirk Mitte mit 69, Berlin gesamt 43) 26 .<br />

26 Vgl. Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2009, Tabelle 6.3. Ergänzende Daten zur demographischen<br />

Struktur (Herkunft <strong>und</strong> Alter) auf Ebene der Bezirke am 31.12.2008...a. a. O.<br />

29,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D


In diesem Bezirk kann somit als eine besondere Armutsrisikogruppe die<br />

Mehrkindfamilie (vor allem mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern), zu einem erheblichen Teil mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong>, angesehen werden.<br />

1.3.3.4 Betrachtung des Bezirks Marzahn-Hellersdorf hinsichtlich seiner<br />

Familienstruktur<br />

Grafik 26:<br />

Familientypen im Bezirk Marzahn-Hellersdorf von Berlin 2008<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

40,0<br />

10,0<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Der ehemals jüngste <strong>Berliner</strong> Bezirk Marzahn-Hellersdorf im Nordosten der Stadt ist hin-<br />

sichtlich seiner Familienstruktur durch einen im Vergleich zu den anderen Bezirken unter-<br />

durchschnittlichen Anteil an Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern, jedoch dem höchsten Anteil<br />

an Ehepaaren mit 1 Kind (32%) gekennzeichnet. Neben dem Bezirk Friedrichshain-<br />

Kreuzberg (42%) leben in Marzahn-Hellersdorf auch die meisten Alleinerziehenden (40%<br />

aller Familien <strong>und</strong> damit mit Abstand dominierend im Bezirk). Auch hier sind Alleinerzie-<br />

18,0<br />

hende einem erhöhten Armutsrisiko unterworfen.<br />

32,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D<br />

41


42<br />

1.3.3.5 Betrachtung des Bezirks Spandau hinsichtlich seiner Familienstruktur<br />

Grafik 27:<br />

Familientypen im Bezirk Spandau von Berlin 2008<br />

(Angaben in Prozent)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

35,0<br />

10,0<br />

Ehepaare mit 1 Kind Ehepaare mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern Lebensgemeinschaften Alleinerziehende<br />

Auch in diesem <strong>Berliner</strong> Bezirk ist der prozentuale Anteil Alleinerziehender mit 35% der<br />

größte von allen Familientypen, allerdings nicht ganz so hoch wie in den Bezirken Fried-<br />

richshain-Kreuzberg <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf. Auch hier leben mit knapp einem Drittel<br />

aller Familientypen viele Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern (31%). Neben den Alleinerzie-<br />

henden unterliegen im Bezirk Spandau Mehrkindfamilien einem besonderen Armuts-<br />

risiko.<br />

Wie gezeigt wurde, unterliegen in den <strong>Berliner</strong> Bezirken insbesondere allein erziehende<br />

Haushalte <strong>und</strong> Personen (Eltern) mit Migrationshintergr<strong>und</strong> einer besonderen Armutsge-<br />

fährdung. In zusammenfassender Form soll darauf nachfolgend noch einmal eingegangen<br />

werden.<br />

24,0<br />

31,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D


1.3.4 Wo sind allein erziehende Familien in Berlin vorrangig anzutreffen?<br />

Grafik 28:<br />

Prozent<br />

Anteil Alleinerziehender an den Familien insgesamt in Berlin 2008<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Berlin insgesamt<br />

35,76<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

41,67<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

39,95<br />

Lichtenberg<br />

39,29 38,70 38,59<br />

Mitte<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

Spandau<br />

35,73 35,30 35,03 34,68<br />

Treptow-Köpenick<br />

Pankow<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

Reinickendorf<br />

31,82 31,27<br />

Neukölln<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

Der prozentuale Anteil alleinerziehender Familien an den Familien in Berlin insgesamt<br />

liegt im Durchschnitt bei ca. 36%. In den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Marzahn-<br />

Hellersdorf, Lichtenberg <strong>und</strong> Mitte ist der Anteil Alleinerziehender am stärksten ausgebil-<br />

det. Damit weisen diese Bezirke einen hohen Anteil der armutsgefährdeten Gruppe der<br />

Alleinerziehenden auf. Eine Ausnahme bildet hierbei, wie bereits erwähnt, der Bezirk<br />

Neukölln, denn hier ist die Familienstruktur eine andere (vor allem größere Familien mit 2<br />

<strong>und</strong> mehr Kindern).<br />

Während bei der Betrachtung der Anzahl der Alleinerziehenden (absolute Zahl) Pankow<br />

als Berlins bevölkerungsreichster Bezirk relativ weit vorne liegt (siehe Grafik 22: Fami-<br />

lienstrukturen in den Bezirken 2008), tritt er bei der prozentualen Betrachtung ins hinte-<br />

re Feld. Dies hat u.a. damit zu tun, dass im Bezirk Pankow sehr viele Familien vorhanden<br />

<strong>und</strong> die absoluten Zahlen entsprechend hoch sind. Der verhältnismäßige Anteil Alleiner-<br />

ziehender ist jedoch relativ gering.<br />

27,90<br />

I/F/A/D<br />

43


44<br />

1.3.5 Wer ist meistens allein erziehend?<br />

Grafik 29:<br />

Prozent<br />

Anteil der Frauen an den Alleinerziehenden 2008<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Berlin im Durchschnitt<br />

90,0<br />

Pankow<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

96,6<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

92,7 91,5<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

Spandau<br />

89,9 89,3 89,2 88,9 88,6 88,4<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

Lichtenberg<br />

Mitte<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Reinickendorf<br />

Treptow-Köpenick<br />

Neukölln<br />

85,5 85,7<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

Es wird bei Betrachtung der Alleinerziehenden in den <strong>Berliner</strong> Bezirken deutlich, dass<br />

allein erziehende Haushalte zumeist aus weiblichen Alleinerziehenden <strong>und</strong> deren Kin-<br />

dern bestehen (im <strong>Berliner</strong> Durchschnitt zu 90%).<br />

Besonders in Pankow, Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Charlottenburg-Wilmersdorf sind die An-<br />

teile an weiblichen Alleinerziehenden sehr hoch bzw. liegen über dem Durchschnitt von<br />

Berlin.<br />

Lediglich in Steglitz-Zehlendorf scheint es nach Mikrozensusangaben nur wenige weibli-<br />

che Alleinerziehende zu geben. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist kein Wert veröf-<br />

fentlicht (Anzahl zu gering).<br />

/<br />

I/F/A/D


1.3.6 Wie hoch ist der Anteil der Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> in den<br />

Bezirken?<br />

Grafik 30:<br />

Prozent<br />

Anteil der Einwohner mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an der Bevölkerung<br />

der <strong>Berliner</strong> Bezirke 2008 (einschließlich ein- <strong>und</strong> beidseitigem Migrationshintergr<strong>und</strong>)<br />

50<br />

45<br />

40<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Berlin insgesamt<br />

26,10<br />

44,90<br />

Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Neukölln<br />

39,50<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

37,20<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

33,20<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

30,90<br />

Spandau<br />

25,20<br />

Reinickendorf<br />

22,20 21,90<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Lichtenberg<br />

15,90<br />

Pankow<br />

13,90<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

11,90<br />

Treptow-Köpenick<br />

Bezirke mit <strong>für</strong> <strong>Berliner</strong> Verhältnisse überdurchschnittlichem Anteil an Personen mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> sind Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf <strong>und</strong> Tempelhof-Schöneberg. Wenig Migranten leben in den ehemaligen Ost-<br />

berliner Bezirken Pankow, Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Treptow-Köpenick.<br />

Hinsichtlich der Anteile der Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong> an der jeweiligen Bezirks-<br />

bevölkerung existieren sehr starke Diskrepanzen zwischen den ehemaligen Bezirken<br />

West- <strong>und</strong> Ostberlins (dies wird noch deutlicher bei einer altersstrukturellen Auswertung<br />

nach Bezirken <strong>und</strong> einzelnen Bezirksregionen).<br />

Unter Bezugnahme auf die Darstellungen zu den Familienstrukturen einzelner Bezirke<br />

wird deutlich, dass insbesondere die Bezirke Mitte <strong>und</strong> Neukölln nicht nur hohe<br />

Migrantenanteile, sondern auch viele Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern aufweisen. Dieser<br />

Zusammenhang soll in der nächsten Grafik verdeutlicht werden.<br />

9,30<br />

I/F/A/D<br />

45


46<br />

1.3.7 Wie variieren Familienstrukturen mit der Staatsangehörigkeit?<br />

Grafik 31:<br />

Anzahl in Tausend<br />

Privathaushalte nach Kinderanzahl <strong>und</strong> Staatsangehörigkeit in Berlin 2008<br />

2500<br />

2000<br />

1500<br />

1000<br />

500<br />

0<br />

239,5<br />

1731,4<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

156,7<br />

1381,6<br />

82,8<br />

349,8<br />

Insgesamt ohne Kinder mit Kindern (ledige<br />

ohne Altersbegrenz.)<br />

66,3<br />

247,4<br />

darunter Kinder unter<br />

18 Jahren<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

31,0<br />

158,1<br />

35,2<br />

89,4<br />

1 Kind unter 18 Jahren 2 <strong>und</strong> mehr Kinder<br />

unter 18 Jahren<br />

Haushalte mit deutscher Bezugsperson Haushalte mit ausländischer Bezugsperson<br />

Sichtbar wird, dass eine relativ hohe Anzahl der <strong>Berliner</strong> Privathaushalte kinderlos ist.<br />

Auffallend ist auch der Umstand, dass es in Berlin relativ wenige Familien mit 2 oder mehr<br />

Kindern gibt.<br />

Während deutsche Privathaushalte konsequent weniger Kinder haben (Abnahme des<br />

Balkens mit zunehmender Kinderzahl), haben ausländische Familien häufiger 2 oder<br />

mehr Kinder (35.200 Haushalte) als 1 Kind (31.000 Haushalte). Da zunehmende Kinder-<br />

anzahl <strong>und</strong> Migrationshintergr<strong>und</strong> als Armutsrisiken gelten, unterliegen ausländische<br />

Familien mit mehr als 2 Kindern einer hohen Armutsgefährdung. Während von allen Berli-<br />

ner Privathaushalten (1.970.900) insgesamt „nur“ 12,2% Haushalte eine ausländischen<br />

Bezugsperson besitzen, sind es bei den Haushalten mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern (unter 18<br />

Jahre) 28,2%.<br />

I/F/A/D


1.3.8 Kurze Zusammenfassung:<br />

Familien <strong>und</strong> Familienstrukturen 2008 in den <strong>Berliner</strong> Bezirken<br />

Im Allgemeinen lassen sich <strong>für</strong> Berlin drei dominierende Familientypen konstatieren.<br />

Neben Familien aus Ehepaaren mit 1 (26%) bzw. 2 oder mehr Kindern (27%), stellen ins-<br />

besondere Alleinerziehende (36%), zumeist weibliche, die meisten Familien in Berlin. Es<br />

sind folglich mehrheitlich Familientypen vertreten, die ein besonderes Armutsrisiko<br />

begleitet.<br />

Auf Bezirksebene zeigt sich jedoch ein differenzierteres Bild bei der Betrachtung der Fa-<br />

milienstrukturen. Besonders viele Familien gibt es im Vergleich zur Bezirksbevölkerung in<br />

Pankow, Mitte, Tempelhof-Schöneberg <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf. Ein relativ geringer Fa-<br />

milienanteil prägt die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg <strong>und</strong> Treptow-Köpenick.<br />

Während Mehrpersonenhaushalte bzw. Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern vorrangig<br />

in den Bezirken Mitte <strong>und</strong> Neukölln vorzufinden sind, sind die Bezirke Marzahn-<br />

Hellersdorf <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg insbesondere durch den Familientyp al-<br />

lein erziehend gekennzeichnet. In Spandau gibt es relativ wenige Familien. Auch hier<br />

zeichnet sich eine hohe Konzentration von allein erziehenden Familien <strong>und</strong> Ehepaa-<br />

ren mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern ab. Die Dominanz einzelner Familientypen ist folglich unter-<br />

schiedlich in den einzelnen Bezirken ausgeprägt.<br />

Überdies wird ein enger Zusammenhang zwischen Familienstruktur <strong>und</strong> Migrations-<br />

hintergr<strong>und</strong> in bestimmten Bezirken deutlich. So weisen Bezirke wie Mitte <strong>und</strong> Neu-<br />

kölln die meisten Einwohner mit Migrationshintergr<strong>und</strong> <strong>und</strong> gleichzeitig die meisten Fami-<br />

lien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern auf. Beide Aspekte sind eng mit Armutsgefährdung verknüpft.<br />

Armutsgefährdung oder -betroffenheit von städtischen Gebieten kann allerdings nicht al-<br />

lein anhand dieser Indikatoren <strong>und</strong> Aspekte ausgemacht werden. Bei der<br />

Operationalisierung, Beschreibung <strong>und</strong> Erfassung von Familien-, Kinder- <strong>und</strong> Jugendar-<br />

mut spielt immer auch die ökonomische Situation der Familien bzw. Haushalte eine Rolle.<br />

Dieser Problemstellung widmet sich der folgende Teil <strong>und</strong> beleuchtet diese ökonomische/<br />

finanzielle Situation, den Einfluss von Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit auf die Ar-<br />

mutsgefährdung <strong>und</strong> die Abhängigkeit <strong>Berliner</strong> Familien von Transferleistungen allgemein<br />

<strong>und</strong> in besonders problembelasteten <strong>Berliner</strong> Bezirken.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

47


48<br />

1.4 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Familienstrukturen <strong>und</strong> ökonomische<br />

Situation 27<br />

1.4.1 Wie wirken sich die Familienstrukturen auf das Gesamteinkommen der<br />

Familien aus?<br />

Grafik 32:<br />

Anzahl in Tausend<br />

Monatliches Nettoeinkommen nach Haushaltstypen in Berlin 2008<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

0,0<br />

9,2<br />

8,1<br />

19,8<br />

17,6<br />

8,3<br />

26,1<br />

24,4<br />

13,1<br />

21,6<br />

18,9<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

13,2<br />

16,9<br />

15,0<br />

22,9<br />

6,1<br />

20<br />

16,4<br />

24,4<br />

/ / / / / / / / / /<br />

/<br />

/<br />

/<br />

/<br />

unter 500<br />

0,0<br />

500 bis 700<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

700 bis 900<br />

900 bis 1.100<br />

1.100 bis 1.300<br />

1.300 bis 1.500<br />

1.500 bis 1.700<br />

Einkommensbereiche in EURO<br />

1.700 bis 2.000<br />

2.000 bis 2.300<br />

13,2<br />

11,9<br />

21,1<br />

2.300 bis 2.600<br />

Ehepaare Lebensgemeinschaften Alleinerziehende Alleinerziehende Frauen<br />

6,7<br />

8,2<br />

6,0<br />

122,3<br />

2.600 <strong>und</strong> mehr<br />

27 Den graphischen Darstellungen <strong>und</strong> inhaltlichen Analysen auf der Basis des <strong>Berliner</strong> Mikrozensus 2008<br />

liegen folgende Definitionen zur ökonomischen Situation zugr<strong>und</strong>e:<br />

Nettoeinkommen<br />

Ermittelt wird die Gesamthöhe des individuellen Nettoeinkommens durch Selbsteinstufung der Befragten in<br />

vorgegebene Einkommensgruppen. Das monatliche Nettoeinkommen setzt sich aus der Summe aller Einkommensarten<br />

(z. B. Lohn, Gehalt oder Besoldung, Gratifikation, Unternehmereinkommen, Arbeitslosengeld I<br />

<strong>und</strong> II, Hartz IV, Sozialhilfe, Rente, Pension, Kindergeld, Wohngeld, eigenes Vermögen, Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung,<br />

Zinsen, Altenteil, BAFöG, Stipendium, private Unterstützung, Sachbezüge, außerdem<br />

Zuschüsse zum Vermögenswirksamen Sparen, Vorschüsse <strong>und</strong> ggf. der vom Arbeitgeber getragene Anteil<br />

einer Werkswohnungsmiete) zusammen. Das Nettoeinkommen bezieht sich auf den Monat vor der Erhebung.<br />

Das monatliche Nettoeinkommen aus einer Erwerbstätigkeit ergibt sich aus dem Bruttoeinkommen abzgl.<br />

Steuern <strong>und</strong> Sozialversicherung (ggf. auch abzüglich der Beiträge <strong>für</strong> private, kommunale oder staatliche<br />

Zusatzversorgungskassen). Bei unregelmäßigem Einkommen <strong>und</strong> bei Selbständigen, bei denen nur der Nettojahresbetrag<br />

bekannt ist, war der Monatsdurchschnitt des Jahres anzugeben. Bei selbständigen Landwirten<br />

in der Haupttätigkeit wird das Nettoeinkommen nicht erfragt. Ab 2002 sind diese Klassengrenzen in gerade<br />

EURO-Beträge geglättet.<br />

Haushaltsnettoeinkommen<br />

Das ist die Summe sämtlicher Nettoeinkommen aller Haushaltsmitglieder des letzten Monats.<br />

Haupteinkommensbezieher des Haushalts (HEB)<br />

Ab 2005 wird ein/e Haupteinkommensbezieher/in ermittelt. Dies ist die Person mit dem höchsten monatlichen<br />

Nettoeinkommen im Haushalt. Haben Haushaltsmitglieder gleiche Angaben zum persönlichen monatlichen<br />

Nettoeinkommen gemacht, ist die Bezugsperson im Haushalt gleichzeitig Haupteinkommensbezieher/in des<br />

Haushalts.<br />

Vgl. zu allen Definitionen: Statistische Berichte A I 10-j 08, A I 11-j 08, A IV 2-j 08. Hrsg.: Amt <strong>für</strong> Statistik<br />

Berlin-Brandenburg, Februar 2010, S. 7 ff.<br />

20,5<br />

17,1<br />

13,3<br />

I/F/A/D


Es kristallisiert sich heraus, dass Ehepaare eher Einkünfte in höheren Niveaus beziehen.<br />

Gründe da<strong>für</strong> liegen z. B. in der Erwerbstätigkeit beider Partner, staatlichen Begünstigun-<br />

gen (z. B. Steuerbegünstigungen), staatlichen Zuwendungen wie Kindergeld u. a. m.<br />

Der Großteil der erzielten Einkünfte von Alleinerziehenden bewegt sich im unteren Be-<br />

reich (bis max. 2.000€), insbesondere zwischen 1.100 <strong>und</strong> 1.500€. Dies ist vor allem da-<br />

rauf zurückzuführen, dass nur maximal ein Einkommensbezieher vorhanden ist bzw. eine<br />

Erwerbsarbeit bei jungen Kindern durch mangelnde Bedingungen <strong>für</strong> die Vereinbarkeit<br />

von Berufstätigkeit <strong>und</strong> Kinderbetreuung komplizierter zu realisieren bzw. z. T. unmöglich<br />

ist. Werden die aktuellen Armutsgefährdungsschwellen <strong>für</strong> das Land Berlin herangezogen<br />

(Einpersonen-Haushalte: 731€, Zweipersonen-Haushalte mit zwei Kindern unter 14 Jahre:<br />

1.536€), so ist deutlich zu erkennen, dass eine Armutsgefährdung durch geringe Ein-<br />

kommen überwiegend bei Alleinerziehenden (Frauen) besteht.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

49


50<br />

1.4.2 Warum erhalten allein erziehende Frauen geringere Einkommen bzw.<br />

wie setzt sich deren Lebensunterhalt zusammen?<br />

Grafik 33:<br />

in Tausend<br />

Arten des Lebensunterhalts alleinerziehender Frauen 2008<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

11,0<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

15,1<br />

5,4<br />

34,7<br />

28,5<br />

9,6<br />

unter 6 Jahren unter 15 Jahren unter 18 Jahren ohne Altersbegrenzung<br />

47,6<br />

32,9<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

11,8<br />

Erwerbstätigkeit Leistungen nach Hartz IV Sonstiges<br />

Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Alter des zu betreuen-<br />

den Kindes <strong>und</strong> den Einkommensquellen der Mutter. Mit zunehmendem Alter der Kin-<br />

der verbessern sich ganz offensichtlich die Möglichkeiten zur Aufnahme einer Erwerbstä-<br />

tigkeit <strong>und</strong> die Abhängigkeit von Transferleistungen (v. a. ALG II nach SGB II) sinkt etwas.<br />

Mütter mit Kleinkindern unter 6 Jahren erhalten am seltensten Einkommen aus Erwerbstä-<br />

tigkeit. Der Bezug des Einkommens <strong>für</strong> den Lebensunterhalt erfolgt überwiegend aus so-<br />

zialen Transferleistungen, hier besteht eine große Gefahr der Einkommensarmut. Von<br />

allen allein erziehenden Frauen Berlins mit Kindern unter 6 Jahren (31.500) leben knapp<br />

50% von SGB II-Leistungen, bei den Frauen mit Kindern unter 15 Jahren (72.800) sind es<br />

39% <strong>und</strong> bei Kindern unter 18 Jahren (92.300) sind es immerhin „noch“ 36%.<br />

71,2<br />

37,6<br />

25,2<br />

I/F/A/D


1.4.3 Erwerbsstatus der <strong>Berliner</strong> Ehepaare<br />

Grafik 34:<br />

Ehepaare nach Erwerbsstatus in Berlin 2008 (Angaben in Prozent)<br />

35,0<br />

24,0<br />

beide Partner erwerbstätig nur ein Partner erwerbstätig beide Partner erwerbslos oder Nichterwerbspersonen<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Wie bereits gezeigt, erzielen Ehepaare eher Verdienste in höheren Einkommensklassen,<br />

vor allem dann, wenn beide Partner erwerbstätig sind. So ist in r<strong>und</strong> 65% der Paare Ber-<br />

lins mindestens eine Person erwerbstätig, 41% der Paare haben ein Doppeleinkommen.<br />

Allerdings ist auch über ein Drittel der Paare (35%) gänzlich erwerbslos <strong>und</strong> somit einem<br />

hohen Armutsrisiko unterworfen. Auf den Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit<br />

<strong>und</strong> Kindern soll im folgenden etwas näher eingegangen werden.<br />

Erwerbstätigkeit einer oder beider Partner ist besonders bei Paaren mit ledigen Kindern<br />

(in der Regel Kinder unter 18 Jahren) sehr groß (85%). Demzufolge ist die Erwerbslosig-<br />

keit bzw. der Anteil Erwerbsloser mit r<strong>und</strong> 15% am geringsten ausgeprägt.<br />

Paare ohne ledige Kinder befinden sich mit ca. 47% weitaus häufiger in gänzlicher<br />

Erwerbslosigkeit. Nur etwas mehr als die Hälfte dieser Paare kann mit ein oder zwei er-<br />

werbstätigen Partnern aufwarten.<br />

41,0<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

I/F/A/D<br />

51


52<br />

Grafik 35:<br />

Paare nach Stellung im Erwerbsleben <strong>und</strong> Anzahl der Kinder in Berlin 2008<br />

Mit ledigen Kindern<br />

Ohne ledige Kinder<br />

Insgesamt<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

150,0<br />

301,0<br />

150,9<br />

91,5<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55% 60% 65% 70% 75% 80% 85% 90% 95% 100%<br />

176,1<br />

beide Partner erwerbstätig nur ein Partner erwerbstätig<br />

beide Partner erwerbslos oder Nichterwerbspersonen<br />

Ein besonderes Armutsrisiko kann <strong>für</strong> die Paare mit ledigen Kindern konstatiert werden,<br />

die gänzlich erwerbslos sind. Das betrifft von allen Paaren mit ledigen Kindern in Berlin<br />

ca. 15%. Aber auch <strong>für</strong> Familien mit Kindern, in denen nur ein Partner erwerbstätig ist<br />

(31%), kann ein hohes Armutspotential bestehen. Dies ist insbesondere vom Einkommen<br />

des erwerbstätigen Partners abhängig.<br />

Inwiefern sich genau die Einnahmen von Paaren mit <strong>und</strong> ohne Kinder unterscheiden, ver-<br />

deutlicht die folgende Grafik.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

85,2<br />

211,3<br />

252,9<br />

41,5<br />

I/F/A/D


1.4.4 Wie sieht der Zusammenhang zwischen Einkommen von Familien <strong>und</strong><br />

von Paaren ohne Kinder aus?<br />

Grafik 36:<br />

Monatliches Nettoeinkommen von Paaren mit <strong>und</strong> ohne ledige Kinder 2008<br />

in Tausend<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

80,0<br />

unter 1.500<br />

26<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

98,0<br />

1.500 bis 2.000<br />

38<br />

103,0<br />

2.000 bis 2.600<br />

46<br />

69,0<br />

2.600 bis 3.200<br />

Einkommensbereiche in EURO<br />

34<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

67,0<br />

3.200 bis 4.500<br />

Paare ohne ledige Kinder Paare mit minderjährigen Kindern<br />

40<br />

36,0<br />

4.500 <strong>und</strong> mehr<br />

Wie die Statistik zeigt, sind Paare ohne ledige Kinder stärker in den unteren als in den<br />

oberen Einkommensklassen vertreten. Dies könnte z. T. auf das Lebensalter, auf höhere<br />

Erwerbslosigkeit bzw. niedrige Einkommen dieser Paare bzw. eines oder beider Partner<br />

zurück zu führen sein.<br />

Die Mehrheit der Paare ohne ledige Kinder verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen<br />

zwischen 2.000 <strong>und</strong> 2.600€. Das gleiche gilt im wesentlichen auch <strong>für</strong> Paare mit minder-<br />

jährigen Kindern, wobei hier darauf hinzuweisen ist, dass das Einkommen im Gegensatz<br />

zu kinderlosen Paaren in erheblichem Maße dazu dient, den finanziellen Aufwand <strong>für</strong> Kin-<br />

derbetreuung <strong>und</strong> -erziehung abzudecken. Geringfügig steigt der verhältnismäßige Anteil<br />

an Familien mit Kindern in den höheren Gehaltsklassen an. Gründe hier<strong>für</strong> könnten u. a.<br />

in der Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> damit der Einkommenserzielung beider Partner, in Steuerver-<br />

günstigungen <strong>und</strong> staatlichem Kindergeld liegen.<br />

28<br />

I/F/A/D<br />

53


54<br />

1.4.5 Wie wirkt sich die Kinderzahl einer Familie auf ihr Einkommen aus?<br />

Grafik 37:<br />

Einkommensklassen in EURO<br />

Monatliches Nettoeinkommen von Paaren nach Anzahl der Kinder 2008<br />

(Kinderzahl in Tausend)<br />

3.200 <strong>und</strong> mehr<br />

2.600 bis 3.200<br />

2.000 bis 2.600<br />

1.500 bis 2.000<br />

1.300 bis 1.500<br />

900 bis 1.300<br />

unter 900<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

170,1<br />

117,9<br />

203,0<br />

278,7<br />

151,8<br />

356,0<br />

379,5<br />

0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 35% 40% 45% 50% 55% 60% 65% 70% 75% 80% 85% 90% 95% 100%<br />

ohne Kinder unter 18 Jahren mit 1 Kind unter 18 Jahren mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern unter 18 Jahren<br />

<strong>Berliner</strong> Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern haben im wesentlichen Einkünfte in der mittle-<br />

ren <strong>und</strong> höheren Ebene (ab 1.500€ <strong>und</strong> mehr), da sonst der Aufwand <strong>für</strong> die Versorgung<br />

aller Familienmitglieder kaum möglich wäre. Dementsprechend zeigen sich die prozentua-<br />

len Anteile der Familien mit Kindern in diesen höheren Einkommensklassen. Dies dürfte<br />

wiederum auch mit staatlichen Begünstigungen <strong>und</strong> Zuschlägen zusammenhängen.<br />

Es wird auch deutlich, dass Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern in den untersten Einkom-<br />

mensklassen kaum vertreten sind. Die Transferleistungen des Staates <strong>für</strong> eine mindes-<br />

tens vierköpfige Familie sichern eine entsprechende Einkommenssumme monatlich ab.<br />

Familien mit mehreren Kindern geraten also trotz Erwerbslosigkeit nicht in diese Einkom-<br />

mensebenen. Allerdings liegt die Armutsgefährdungsschwelle <strong>für</strong> eine vierköpfige Fa-<br />

milie (2 Kinder unter 14 Jahre) in Berlin, wie bereits mehrfach erwähnt, bei gegenwärtig<br />

bei 1.536€.<br />

Familien ohne Kinder sind hingegen auch in den unteren Einkommensklassen vertreten.<br />

Über 95% der unteren Einkommensklasse von weniger als 900€ pro Monat wird durch<br />

diese Paare gestellt. Allerdings sei ebenso angemerkt, dass auch die höchste Einkom-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

38,5<br />

22,7<br />

31,1<br />

33,2<br />

17,5<br />

34,6<br />

37,6<br />

15,5<br />

26,5<br />

27,8<br />

10,8<br />

8,4<br />

8,4 /<br />

I/F/A/D


mensklasse (3.200€ <strong>und</strong> mehr pro Monat) zu 70% durch Paare ohne Kinder gebildet wird.<br />

Insofern dürften die Haushaltslagen von Paaren ohne Kinder sehr unterschiedlich sein.<br />

Ein hohes Armutsrisiko (mit besonderem Fokus auf Familien mit Kindern) besteht <strong>für</strong><br />

die Familien mit Kindern, die niedrige Einkommen beziehen.<br />

1.4.6 Kurze Zusammenfassung:<br />

Familienstrukturen <strong>und</strong> ökonomische Situation<br />

Familien mit Kindern befinden sich im Allgemeinen in mittleren bis höheren Einkommens-<br />

niveaus wieder. Dies ist zum Einen mit staatlichen Begünstigungen <strong>und</strong> Zuwendungen zu<br />

begründen, aber auch mit der erhöhten Erwerbstätigkeit eines oder beider Partner. So<br />

liegt die Erwerbstätigkeit einer oder beider Partner bei Paaren mit ledigen Kindern sehr<br />

hoch bei 85%. Die Erwerbslosigkeit bzw. der Anteil Erwerbsloser ist mit r<strong>und</strong> 15%<br />

recht gering in dieser Familienform ausgeprägt. Dennoch stellen diese 15% stark ar-<br />

mutsgefährdete Risikogruppen dar.<br />

Eine sehr problematische Situation zeigt sich bei Familien mit allein erziehenden Müt-<br />

tern <strong>und</strong> kleinen Kindern unter 6 Jahren. Sie nehmen dahingehend eine Sonderstel-<br />

lung ein, da ein Großteil dieser Frauen den Lebensunterhalt aus SGB II-/Harzt IV-<br />

Leistungen bestreitet. Nur eine Minderheit dieser Mütter kann hingegen eine Erwerbstä-<br />

tigkeit aufweisen. Demzufolge besteht gerade <strong>für</strong> diese Familienform ein erhöhtes Ri-<br />

siko der Einkommensarmut.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

55


56<br />

1.5 Die <strong>Berliner</strong> Bevölkerung – Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit 28<br />

Da Erwerbstätigkeit bzw. Arbeitslosigkeit einen besonderen Einfluss auf Armutsrisiken<br />

bestimmter Bevölkerungsgruppen <strong>und</strong> Familientypen haben, soll im folgenden ein Über-<br />

blick über die Struktur der Erwerbstätigen in Berlin nach Bezirken, über Arbeitslosigkeit in<br />

<strong>Berliner</strong> Bezirken <strong>und</strong> damit zusammenhängende armutsgefährdende Faktoren in be-<br />

stimmten <strong>Berliner</strong> Bezirken gegeben werden.<br />

Grafik 38:<br />

in Tausend<br />

Abhängige Erwerbstätige nach Geschlecht <strong>und</strong> <strong>Berliner</strong> Bezirken 2008<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Mitte<br />

insges. 101,4 90,7 150,4 108,4 65,4 95,7 113,9 92,9 88,1 102,1 99 77,2<br />

männlich 56,1 45 71,4 51,2 31,2 46,1 59,3 49,2 42,5 50,6 48,4 41,3<br />

w eiblich 45,3 45,8 79 57,2 34,2 49,6 54,6 43,8 45,6 51,5 50,7 35,9<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Friedrichsh.-<br />

Kreuzberg<br />

Pankow<br />

Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

Spandau<br />

Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

Tempelhof-<br />

Schöneberg<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Neukölln<br />

Treptow -<br />

Köpenick<br />

Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

Lichtenberg<br />

Reinickendorf<br />

28 Den graphischen Darstellungen <strong>und</strong> inhaltlichen Analysen auf der Basis des <strong>Berliner</strong> Mikrozensus 2008<br />

<strong>und</strong> von Daten der B<strong>und</strong>esagentur <strong>für</strong> Arbeit, Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, liegen folgende Definitionen<br />

zu Erwerbslosigkeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit zugr<strong>und</strong>e:<br />

Erwerbslose<br />

Erwerbspersonen, die nicht am Erwerbsleben teilnehmen, aber eine Erwerbstätigkeit suchen <strong>und</strong> innerhalb<br />

von zwei Wochen aufnehmen können. Für die Zuordnung zu diesem Personenkreis ist es nicht von Bedeutung,<br />

ob eine Arbeitslosenmeldung bei einer Arbeitsagentur vorliegt.<br />

Arbeitslose<br />

Arbeitslose sind Arbeitsuchende, die vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen (weniger<br />

als 15 Wochenst<strong>und</strong>en), eine versicherungspflichtige Beschäftigung suchen, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung<br />

stehen <strong>und</strong> sich persönlich bei einer Arbeitsagentur arbeitslos gemeldet haben. Teilnehmer an Maßnahmen<br />

der aktiven Arbeitsmarktpolitik gelten nicht als arbeitslos.<br />

Arbeitslosenquote<br />

Arbeitslosenquoten sind der prozentuale Anteil der Arbeitslosen an allen zivilen Erwerbspersonen bzw. an den<br />

abhängig zivilen Erwerbspersonen Zu den zivilen Erwerbspersonen zählen alle abhängig zivilen Erwerbspersonen,<br />

Selbständigen <strong>und</strong> mithelfenden Familienangehörigen. Zu den abhängig zivilen Erwerbspersonen<br />

zählen die abhängig Erwerbstätigen (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte, geringfügig Beschäftigte <strong>und</strong><br />

Beamte) zuzüglich der Arbeitslosen.<br />

Vgl. zu allen Definitionen: Statistisches Jahrbuch Berlin 2009. Hrsg.: Amt <strong>für</strong> Statistik Berlin-Brandenburg,<br />

Dezember 2009, S. 75<br />

I/F/A/D


Die absolute Anzahl der Erwerbstätigen ist im Vergleich aller <strong>Berliner</strong> Bezirke in Pankow<br />

(150.400) als bevölkerungsreichstem Bezirk <strong>und</strong> Tempelhof-Schöneberg (113.900) mit<br />

der dritthöchsten Bevölkerungszahl der <strong>Berliner</strong> Bezirke am größten. Dies hängt im we-<br />

sentlichen auch mit der jeweiligen Bevölkerungszahl in diesen Bezirken zusammen. Eine<br />

wesentlich geringere Erwerbstätigenzahl weisen die Bezirke Mitte <strong>und</strong> Neukölln auf, die<br />

ebenfalls zu den bevölkerungsreichsten <strong>Berliner</strong> Bezirken gehören. Hier herrscht jedoch<br />

eine höhere Arbeitslosigkeit.<br />

In Spandau liegt die geringste absolute Anzahl an Erwerbstätigen auf Bezirksebene vor,<br />

auch hier ist eine überdurchschnittlich hohe Arbeitslosigkeit zu beobachten. Auffällig ist<br />

insgesamt der hohe Anteil weiblicher Erwerbstätiger im Vergleich zu den männlichen: In<br />

sieben der insgesamt zwölf Bezirke dominiert die Anzahl weiblicher Erwerbstätiger (abso-<br />

lut betrachtet).<br />

1.5.1 Arbeitslosigkeit nach Bezirken<br />

Grafik 39:<br />

in Prozent<br />

Arbeitslosenquoten <strong>für</strong> die <strong>Berliner</strong> Bezirke 2008<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Insgesamt<br />

16,1<br />

22<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Neukölln<br />

Friedrichshain-Kreuzberg<br />

19,5 19,3<br />

Mitte<br />

Spandau<br />

17,3<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

16,5<br />

Reinickendorf<br />

15,8<br />

15,3 15,2<br />

Lichtenberg<br />

Charlottenburg-Wilmersdorf<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Pankow<br />

14,1<br />

Tempelhof-Schöneberg<br />

13,4 13,3<br />

Treptow-Köpenick<br />

Steglitz-Zehlendorf<br />

11,2<br />

I/F/A/D<br />

57


58<br />

Im Jahr 2008 lag die durchschnittliche Arbeitslosenquote <strong>für</strong> Berlin bei ca. 16,1% 29 .<br />

Parallel zu den abhängig Erwerbstätigen waren die Arbeitslosenquoten in den Bezirken<br />

geringer, in denen die absoluten Erwerbstätigenzahlen am höchsten waren. Demzufolge<br />

weisen Pankow <strong>und</strong> Tempelhof-Schöneberg die geringsten Arbeitslosenquoten ne-<br />

ben Steglitz-Zehlendorf <strong>und</strong> Treptow-Köpenick auf.<br />

Überdurchschnittlich viele Arbeitslose an der Bezirksbevölkerung gibt es in Mitte,<br />

Friedrichshain-Kreuzberg <strong>und</strong> Neukölln. Besonders in Neukölln ist mehr als jede fünf-<br />

te Erwerbsperson arbeitslos. Das Potential der Armutsgefährdung ist hier entsprechend<br />

hoch.<br />

Die Bezirke Spandau <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf weisen ebenfalls überdurchschnittliche<br />

Arbeitslosenquoten auf.<br />

Damit bilden diese fünf Bezirke mit den höchsten Arbeitslosenquoten zugleich jene Bezir-<br />

ke, in denen die Einkommensarmut am stärksten ausgeprägt sein dürfte. Es sind wiede-<br />

rum jene <strong>Berliner</strong> Bezirke, auf die hinsichtlich ihrer sozialen Problemkonstellationen (z. B.<br />

armutsgefährdete Familienstrukturen, hoher Anteil an Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

u. a. m.) bereits mehrfach hingewiesen wurde.<br />

29 Arbeitslosenquote bezogen auf Arbeitslose in Prozent der abhängigen zivilen Erwerbspersonen (sozialversicherungspflichtig<br />

<strong>und</strong> geringfügig Beschäftigte, Beamte, Arbeitslose). Die Quote bezogen auf alle zivilen<br />

Erwerbspersonen (sozialversicherungspflichtig <strong>und</strong> geringfügig Beschäftigte, Beamte, Selbständige <strong>und</strong><br />

mithelfende Familienangehörige, Arbeitslose) belief sich im Jahresdurchschnitt 2008 in Berlin auf 13,9 Prozent.<br />

Vgl. dazu: Statistisches Jahrbuch Berlin 2009. Hrsg.: Amt <strong>für</strong> Statistik Berlin-Brandenburg, Dezember<br />

2009, S. 94<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.5.2 Wer ist besonders häufig arbeitslos?<br />

Grafik 40:<br />

in Prozent<br />

Arbeitslosenquote nach Personengruppen 2008<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Bestand an<br />

Arbeitslosen <strong>für</strong> Berlin<br />

insgesamt:<br />

227.367<br />

davon:<br />

19,1 % SGB III<br />

80,9 % SGB II<br />

13,5<br />

Insgesamt an zivilen<br />

Erwerbspersonen<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

14,7<br />

12,2<br />

13,5<br />

Männer Frauen Jüngere zwischen 15<br />

<strong>und</strong> 25 Jahren<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

12,2<br />

dar. Jugendliche<br />

zwischen 15 <strong>und</strong> 20<br />

Jahren<br />

26<br />

Ausländer<br />

Ein Großteil der insgesamt 227.367 Arbeitslosen Berlins wird im Jahr 2009 durch die dar-<br />

gestellten Personengruppen gebildet. Während die durchschnittliche Arbeitslosenquote<br />

<strong>für</strong> Berlin bei 13,5% liegt (Bezugsjahr 2009) weisen vor allem Ausländer, Männer <strong>und</strong><br />

Jugendliche überdurchschnittliche Arbeitslosenquoten auf. Sie sind also im Durch-<br />

schnitt öfter von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> damit von Einkommensarmut bedroht.<br />

Auffällig ist einerseits der hohe Anteil der Männer an den Arbeitslosen, d. h. in Berlin sind<br />

Männer mit 14,7% häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Frauen mit 12,2%. Dies zeigt<br />

auch die Darstellung zu den absoluten Zahlen der Erwerbstätigen in den Bezirken.<br />

Danach folgen bereits mit 13,5% Jugendliche zwischen 15 <strong>und</strong> 25 Jahren bzw. Jugendli-<br />

che zwischen 15 <strong>und</strong> 20 Jahren (12,2%).<br />

Mit Abstand die höchste Arbeitslosenquote ist bei ausländischen Bewohnern Berlins zu<br />

verzeichnen. Sie sind zu 26% von Arbeitslosigkeit betroffen. Anders formuliert bedeutet<br />

dies, dass mehr als jeder vierte Ausländer nicht erwerbstätig ist.<br />

I/F/A/D<br />

59


60<br />

Angesichts der starken Betroffenheit von Erwerbslosigkeit sollen in den folgenden Grafi-<br />

ken die Risikogruppen Ausländer <strong>und</strong> Jugendliche genauer betrachtet werden. Wie<br />

deutlich wurde, stellen sie besonders von Armut gefährdete Personengruppen dar.<br />

1.5.3 Wie zeigt sich dies auf Bezirksebene?<br />

Grafik 41:<br />

Arbeitslose nach Personengruppen <strong>und</strong> <strong>Berliner</strong> Bezirken 2008<br />

12.000<br />

10.000<br />

8.000<br />

6.000<br />

4.000<br />

2.000<br />

0<br />

9.710<br />

2.682<br />

6.265<br />

Mitte Friedrichsh.-<br />

Kreuzberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

2.118<br />

1.975<br />

1.682<br />

4.817<br />

Pankow Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

2.720<br />

1.355 1.352<br />

1.952<br />

1.033<br />

4.721<br />

1.600<br />

Spandau Steglitz- Tempelhof-<br />

Zehlendorf Schöneberg<br />

8.135<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

2.286<br />

Ausländer Jugendliche unter 25 Jahren<br />

1.279<br />

1.129<br />

749<br />

Neukölln Treptow-<br />

Köpenick<br />

Bestand an Arbeitslosen<br />

<strong>für</strong> Berlin insgesamt:<br />

227.367<br />

davon:<br />

Ausländer: 46.993<br />

Jugendliche unter 25<br />

Jahren: 22.133<br />

2.827<br />

2.688<br />

2.244<br />

2.136<br />

1.671<br />

Marzahn- Lichtenberg Reinicken-<br />

Hellersdorf<br />

dorf<br />

Besonders viele ausländische Arbeitslose sind in Mitte, Neukölln <strong>und</strong> Friedrichshain-<br />

Kreuzberg anzutreffen. Das erklärt also einen Großteil der ohnehin hohen Arbeitslosen-<br />

quoten dieser Bezirke.<br />

Besonders junge Arbeitslose verzeichnen die Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Mitte <strong>und</strong><br />

Neukölln. Werden die Altersstrukturen der Bevölkerung der Innenstadtbezirke Mitte <strong>und</strong><br />

Neukölln betrachtet, die in den jungen Jahrgängen von Personen mit Migrationshinter-<br />

gr<strong>und</strong> dominiert sind, so deutet dies auf ein erhöhtes Potential <strong>für</strong> Jugendarmut durch<br />

Arbeitslosigkeit bei jungen Migranten in diesen Bezirken hin.<br />

I/F/A/D


1.5.4 Wie verändert sich die Erwerbslosigkeit in Abhängigkeit vom Alter?<br />

Grafik 42:<br />

in Prozent<br />

Erwerbslose nach Altersgruppen 2008<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

15,1<br />

21,2<br />

16,5<br />

14,7<br />

15,5<br />

13,3<br />

14,1<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

15,2 15,1<br />

Insgesamt 15 bis 20 20 bis 25 25 bis 30 30 bis 35 35 bis 40 40 bis 45 45 bis 50 50 bis 55 55 bis 60 60 bis 65<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Der <strong>Berliner</strong> Arbeitsmarkt ist generell durch einen hohe Anteil an Jugendarbeitslosig-<br />

keit bei Personen zwischen 15 <strong>und</strong> 20 sowie zwischen 20 <strong>und</strong> 25 Jahren gekennzeichnet.<br />

Dort liegt die Arbeitslosenquote über dem Durchschnitt. Nicht zuletzt aufgr<strong>und</strong> dieses<br />

Umstandes wird Berlin auch als „Hauptstadt der Jugendarbeitslosigkeit“ durch die <strong>Berliner</strong><br />

Gewerkschaft Erziehung <strong>und</strong> Wissenschaft ausgewiesen. Jugendarbeitslosigkeit ist stets<br />

mit der Gefahr langfristiger Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> dem Risiko einer permanenten Einkom-<br />

mensarmut verb<strong>und</strong>en.<br />

Ebenso zeigt sich eine zunehmende Arbeitslosigkeit mit steigendem Lebensalter ab 55<br />

bis 60 Jahren (zweithöchster Wert nach Jugendarbeitslosigkeit). So ist ein Wiedereinstieg<br />

bzw. eine Eingliederung in eine neue Arbeit nach einer Arbeitslosigkeit <strong>für</strong> diese Alters-<br />

gruppen auch besonders schwierig.<br />

17,3<br />

15,4<br />

I/F/A/D<br />

61


62<br />

1.5.5 Kurze Zusammenfassung:<br />

Erwerbstätigkeit <strong>und</strong> Arbeitslosigkeit<br />

Der Problemkreis der Arbeitslosigkeit stellt einen Schlüsselfaktor hinsichtlich der<br />

Armutsgefährdung dar. Während Erwerbstätigkeit auch als Schutz vor Armut verstanden<br />

werden kann, bildet Erwerbslosigkeit immer eine Voraussetzung <strong>für</strong> Einkommensarmut.<br />

Dabei sind bestimmte Personengruppen der Gesellschaft häufiger von Arbeitslosigkeit<br />

betroffen als andere <strong>und</strong> lassen sich z. T. auch regional eingrenzen.<br />

Für Berlin zeigen sich diesbezüglich zwei besonders betroffene Personengruppen. Zum<br />

einen sind es die Jugendlichen im Alter von 15 <strong>und</strong> 25 Jahren, die fast ein Zehntel aller<br />

Erwerbslosen ausmachen <strong>und</strong> Berlin daher als „Hauptstadt der Jugendarbeitslosigkeit“<br />

charakterisieren. Zum anderen sind Ausländer <strong>und</strong> Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

die „Verlierer“ am Arbeitsmarkt. Von ihnen sind 26% arbeitslos.<br />

Werden diese Risikogruppen bestimmten <strong>Berliner</strong> Bezirken zugeordnet, zeichnet sich<br />

eine klare Polarisierung ab. Während viele ausländische Arbeitslose in Mitte, Neukölln<br />

<strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg konzentriert sind, sind es in den Bezirken Marzahn-<br />

Hellersdorf, Mitte <strong>und</strong> Neukölln vorrangig auch junge Arbeitslose im Alter von 15 bis<br />

25 Jahren. Die ökonomischen Problemlagen dürften damit in diesen Bezirken recht hoch<br />

sein, so dass Einkommensarmut stärker verbreitet ist als in anderen Bezirken.<br />

Dennoch sorgt nicht nur Erwerbslosigkeit <strong>für</strong> Armut in der Bevölkerung. Die „neue“ Form<br />

der Armut betrifft auch zunehmend arbeitende Bevölkerungsschichten, die beispielsweise<br />

im Niedriglohnsektor tätig sind. Dies deutet beispielsweise die stetig steigende Anzahl<br />

an erwerbstätigen Haushalten mit gleichzeitigem Bezug von Transferleistungen an.<br />

Insofern soll diese Thematik im folgenden Teil der Studie eine genauere Erläuterung er-<br />

fahren.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.6 <strong>Berliner</strong> Bevölkerung - Transferbezug nach SGB II <strong>und</strong> III in den<br />

Bezirken 30<br />

1.6.1 Transferbezug nach SGB II 31<br />

Wo leben die meisten Personen, die Leistungen nach SGB II beziehen?<br />

In den Bezirken Mitte, Neukölln, Friedrichshain-Kreuzberg, Tempelhof-Schöneberg<br />

<strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf waren Mitte des Jahres 2009 die meisten Personen zur Be-<br />

streitung ihres Lebensunterhaltes auf Transferleistungen nach dem SGB II angewiesen.<br />

Da Leistungen nach SGB II meist erst nach längerer Arbeitslosigkeit (ab 1 Jahr) beantragt<br />

werden können, ist darüber hinaus davon auszugehen, dass sich Erwerbslosigkeit hier<br />

über viele Jahre verfestigt hat.<br />

30 Seit dem 1. Januar 2005 wird die Auszahlung von Arbeitslosenhilfe im SGB II neu geregelt, Arbeitslosen-<br />

<strong>und</strong> Sozialhilfe wurden zusammengeführt zur „Gr<strong>und</strong>sicherung <strong>für</strong> Arbeitsuchende“. Diese Gr<strong>und</strong>sicherung<br />

setzt sich zusammen aus dem Arbeitslosengeld II <strong>und</strong> dem Sozialgeld. Arbeitslosengeld II können alle<br />

erwerbsfähigen Personen erhalten, wenn sie hilfebedürftig sind; Personen, die nicht erwerbsfähig sind, haben<br />

Anspruch auf Sozialgeld. Die Regelungen zum Arbeitslosengeld I sind bestehen geblieben, rechtliche<br />

Gr<strong>und</strong>lagen da<strong>für</strong> sind im SGB III enthalten. Während sich die Höhe des Arbeitslosengeldes I nach dem früheren<br />

Arbeitsentgelt berechnet, stellt das ALG II eine Gr<strong>und</strong>sicherung nach festgeschriebenen Regelsätzen dar.<br />

Im SGB III wird geregelt, welche Personen als arbeitslos gelten, dies gilt <strong>für</strong> die ALG I – ebenso wie <strong>für</strong> die<br />

ALG II – Bezieher. Demnach ist arbeitslos, wer keine Beschäftigung hat (weniger als 15 Wochenst<strong>und</strong>en),<br />

eine Arbeit sucht, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht sowie als arbeitslos gemeldet ist.<br />

Arbeitslosigkeit ist wiederum keine Voraussetzung, um ALG II zu erhalten, welches auch ergänzend zu anderem<br />

Einkommen <strong>und</strong> dem ALG I bezogen werden kann. Anspruch auf ALG II haben laut SGB II erwerbsfähige<br />

Personen, die hilfebedürftig sind, da sie bspw. ein zu geringes Einkommen erhalten um den eigenen Lebensunterhalt<br />

tragen zu können oder keine Arbeit aufnehmen können, da sie kleine Kinder erziehen oder Angehörige<br />

pflegen oder auch Teilnehmer an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind. Als erwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

gelten nach § 7 SGB II alle Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet <strong>und</strong> das 65. Lebensjahr noch<br />

nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind <strong>und</strong> ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Eine Person<br />

gilt nach § 8 SGB II als erwerbsfähig, die nicht durch Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit<br />

außer Stande ist, mindestens 3 St<strong>und</strong>en täglich erwerbsfähig zu sein.<br />

Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige sind alle Personen, die noch nicht im erwerbsfähigen Alter sind, d.h.<br />

unter 15 Jahren, oder aufgr<strong>und</strong> ihrer ges<strong>und</strong>heitlichen Situation nicht in der Lage sind, mindestens 3 St<strong>und</strong>en<br />

täglich zu arbeiten. Diese Personen erhalten Sozialgeld nach SGB II<br />

31 Bei einer Gesamtbevölkerung von 3.430.545 Personen (2.956.424 Deutsche, 474.121 Ausländer, Stand<br />

April 2009) waren insgesamt 593.830 hilfebedürftig nach SGB II (Stand Juni 2009), d. h. 17,3% aller <strong>Berliner</strong><br />

Einwohner bezogen Leistungen nach dem SGB II bzw. 21,3% (ein Fünftel) aller <strong>Berliner</strong> im Alter von<br />

0 bis unter 65 Jahren.<br />

Von diesen 593.830 hilfebedürftigen Personen waren 440.551 erwerbsfähige Hilfebedürftige (d. h. 74,2%) <strong>und</strong><br />

153.279 nichterwerbsfähige Hilfebedürftige (25,8%). 326.765 aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen waren<br />

Deutsche (74,2%) <strong>und</strong> 111.806 Ausländer (25,4%).<br />

11% aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (48.320 Personen) waren allein erziehend. Nach Mikrozensusangaben<br />

2008 leben in Berlin ca. 134.000 allein erziehende Frauen mit Kindern (ohne Altersbeschränkungen).<br />

Demnach sind 36,1% aller allein erziehenden Frauen als erwerbsfähige Hilfebedürftige auf Leistungen<br />

nach SBG II angewiesen.<br />

Unter 25 Jahre waren insgesamt 79.645 Personen (18,1 aller erwerbsfähigen Hilfebedürftigen), davon 59.051<br />

Deutsche (13,4%) <strong>und</strong> 20.584 Ausländer (4,7%). Von allen ausländischen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen<br />

waren somit 18,4% unter 25 Jahre, von allen deutschen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unter 25 Jahre<br />

18,1%.<br />

Bei den nichterwerbsfähigen Hilfebedürftigen handelt es sich überwiegend um Kinder/Jugendliche unter 15<br />

Jahren. Die Gesamtbevölkerung dieser Altersgruppen (unter 15 Jahren) belief sich im April 2009 auf 411.149<br />

Personen, d. h. mehr als ein Drittel aller unter 15-Jährigen Bewohner Berlin waren auf Leistungen nach<br />

dem SGB II angewiesen.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

63


64<br />

Grafik 43:<br />

90.000<br />

80.000<br />

70.000<br />

60.000<br />

50.000<br />

40.000<br />

30.000<br />

20.000<br />

10.000<br />

0<br />

82.944<br />

81.431<br />

61.878<br />

51.204<br />

50.194<br />

Anzahl Personen nach SGB II (Stand Juni 2009)<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Mitte Neukölln Friedrichsh.- Tempelhof- Marzahn-<br />

Kreuzberg Schöneberg Hellersdorf<br />

44.748 44.077 43.793<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

39.810<br />

Pankow Lichtenberg Spandau Reinickendorf<br />

38.675<br />

Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

28.664<br />

Treptow-<br />

Köpenick<br />

25.154<br />

Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

I/F/A/D


1.6.2 Inwiefern sind Familien <strong>und</strong> Kinder von Bezügen nach SGB II betroffen?<br />

Grafik 44:<br />

Prozent<br />

Anteil der Bedarfsgemeinschaften (BG) nach SGBII an den<br />

Bedarfsgemeinschaften gesamt 2008<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15,2<br />

15 13,9<br />

10<br />

5<br />

0<br />

29,1<br />

13,4<br />

12,8<br />

26,2<br />

Mitte Friedrichsh.-<br />

Kreuzberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

15,0<br />

7,7<br />

22,7<br />

13,2<br />

8,7<br />

21,9<br />

Pankow Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

16,0 16,0<br />

13,1<br />

29,1<br />

9,9<br />

25,9<br />

14,7<br />

12,4<br />

27,1<br />

Spandau Steglitz- Tempelhof-<br />

Zehlendorf Schöneberg<br />

14,9<br />

13,9<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

28,8<br />

16,0<br />

9,1<br />

25,1<br />

Neukölln Treptow-<br />

Köpenick<br />

17,3 17,3<br />

11,7<br />

29,0<br />

10,4<br />

27,7<br />

16,2<br />

14,7<br />

30,9<br />

Marzahn- Lichtenberg Reinicken-<br />

Hellersdorf<br />

dorf<br />

BG 1 Kind BG 2 <strong>und</strong> mehr Kinder BG Kinder insges.<br />

Wird der Anteil von Familien mit Kindern an allen Bedarfsgemeinschaften nach SGB II in<br />

Berlin insgesamt betrachtet, stellt sich heraus, dass r<strong>und</strong> 27% aller Bedarfsgemeinschaf-<br />

ten in Berlin Familien mit einem oder mehreren Kindern sind. Setzt man die Anzahl der<br />

Bedarfsgemeinschaften mit Kindern in Relation zur Gesamtanzahl der Bedarfsgemein-<br />

schaften der jeweiligen Bezirke wird wiederum sichtbar, dass die Betroffenheit der Fami-<br />

lien, von Transferleistungen leben zu müssen, innerhalb Berlins stark variiert. Am stärks-<br />

ten sind Familien mit Kindern in den Bezirken Reinickendorf, Mitte, Spandau, Marzahn-<br />

Hellersdorf <strong>und</strong> Neukölln von Leistungen nach SGB II abhängig.<br />

Ausgehend von den bereits analysierten Familienstrukturen in den Bezirken, finden sich in<br />

den Bezirken Mitte <strong>und</strong> Neukölln am häufigsten Familien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern im Be-<br />

zug nach SGB II. Das heißt, 15,2% bzw. 14,9% aller Familien mit mehreren Kindern in<br />

diesen beiden Bezirken sind auf Transferleistungen nach dem SGB II angewiesen. In al-<br />

len anderen Bezirken überwiegen die Familien mit 1 Kind im Bezug nach SGB II.<br />

Damit stellen Neukölln <strong>und</strong> Mitte besondere Brennpunkte bezüglich der<br />

Mehrkindfamilien mit Transferbezug dar. Die Familien- <strong>und</strong> Kinderarmut betrifft hier<br />

folglich besonders viele Haushalte oder Personen.<br />

I/F/A/D<br />

65


66<br />

Spandau als Bezirk mit recht wenig Familien im Vergleich zu anderen Bezirken, weist mit<br />

29,1% zusammen mit dem Bezirk Mitte den zweitgrößten Wert aller Familien mit Kindern<br />

im Transferbezug auf. Das bedeutet, dass knapp jede dritte Bedarfsgemeinschaft im Be-<br />

zirk eine Familie mit Kindern ist. Ähnliches gilt auch <strong>für</strong> Marzahn-Hellersdorf, nur dass<br />

hier der Anteil kleiner Familien am Transferbezug noch stärker ausgeprägt ist als in<br />

Spandau. Wie die Familienstruktur bereits zeigte, dominieren hier kleinere Familien mit<br />

einem hohen Anteil an Alleinerziehenden. Dementsprechend häufiger sind diese auch<br />

Transferbezieher.<br />

1.6.3 Inwiefern beziehen junge Ausländer Transferleistungen nach SGB II?<br />

Grafik 45:<br />

Anzahl<br />

Ausländische erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren<br />

nach SGB II 2008<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

4961<br />

4313<br />

3238<br />

1942<br />

Mitte Neukölln Friedrichsh.- Tempelhof- Charlotten-<br />

Kreuzberg Schöneberg burg-<br />

Wilmersdorf<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1196 1180 1118<br />

Reinickendorf<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

799<br />

535<br />

Spandau Lichtenberg Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

354 296<br />

Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

203<br />

Pankow Treptow-<br />

Köpenick<br />

Da bereits auf die hohe Arbeitslosigkeit von Ausländern in Berlin eingegangen wurde,<br />

soll diese als besonders von Armut gefährdete Personengruppe eine gesonderte Be-<br />

trachtung erfahren. Wie in den vorigen Betrachtungen auch, führen die Bezirke Mitte,<br />

Friedrichshain-Kreuzberg <strong>und</strong> Neukölln hinsichtlich der Ausländer, die Leistungen<br />

nach SGB II beziehen, die Statistik deutlich an. Die Anzahl der jungen arbeitslosen Aus-<br />

länder liegt hier weit über dem <strong>Berliner</strong> Durchschnitt. In Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Spandau<br />

sind hingegen arbeitslose Ausländer unterdurchschnittlich vertreten.<br />

I/F/A/D


1.6.4 Inwiefern beziehen deutsche Jugendliche Transferleistungen nach<br />

SGB II?<br />

Grafik 46:<br />

Anzahl<br />

Deutsche erwerbsfähige Hilfebedürftige unter 25 Jahren<br />

nach SGB II 2008<br />

8.000<br />

7.000<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

7494<br />

Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

6924<br />

6350<br />

5345<br />

5204<br />

4767<br />

4562<br />

4462<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

4216<br />

Neukölln Mitte Lichtenberg Spandau Pankow Friedrichsh.- Tempelhof- Reinicken-<br />

Kreuzberg Schöneberg dorf<br />

3227<br />

Treptow-<br />

Köpenick<br />

3064<br />

Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

2570<br />

Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

Jugendliche <strong>und</strong> junge Erwachsene deutscher Nationalität, die zugleich Leistungs-<br />

empfänger nach SGB II sind, lassen sich besonders häufig in Marzahn-Hellersdorf fin-<br />

den. Hier sind fast 7.500 deutsche Jugendliche unter 25 Jahren in Bezügen nach SGB II.<br />

Dicht dahinter folgen bereits Neukölln <strong>und</strong> Mitte mit 6.924 bzw. 6.350 hilfebedürftigen<br />

Jugendlichen.<br />

Auch Lichtenberg <strong>und</strong> Spandau weisen einen <strong>für</strong> <strong>Berliner</strong> Bezirke im Durchschnitt ho-<br />

hen absoluten Anteil an jungen deutschen Hilfebedürftigen auf. Der Bezirk Friedrichshain-<br />

Kreuzberg, der viele ausländische Hilfebedürftige nach dem SGB II aufweist, liegt in die-<br />

ser Darstellung weiter hinten.<br />

I/F/A/D<br />

67


68<br />

1.6.5 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige 32 bzw. Kinder nach dem SGB II<br />

Grafik 47:<br />

nach SGB II insgesamt 2008<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

29,1<br />

28,4<br />

27,7<br />

26,7 26,3 26,0 25,7<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

24,8<br />

24,0 24,0<br />

in Prozent Anteil nichterwerbsfähiger Hilfebedürftiger an den Personen<br />

Reinickendorf<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Mitte Neukölln Friedrichsh.-<br />

Kreuzberg<br />

Spandau Tempelhof- Marzahn- Lichtenberg Steglitz-<br />

Schöneberg Hellersdorf<br />

Zehlendorf<br />

Treptow-<br />

Köpenick<br />

22,1<br />

21,6<br />

Pankow Charlottenburg-<br />

Wilmersdorf<br />

Die Darstellung zeigt die jeweiligen prozentualen Anteile der nichterwerbsfähigen Hilfe-<br />

bedürftigen (in der Regel Kinder unter 15 Jahren) an allen Personen der jeweiligen<br />

Bezirke, die Leistungen nach dem SGB II beziehen. Hierbei ist der Anteil in fast allen Be-<br />

zirken ähnlich hoch, zeigt aber z. T. auch beträchtliche Differenzen <strong>und</strong> umfasst eine<br />

Spanne von 21,6% (Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf) bis 29,1% (Bezirk Reinickendorf).<br />

Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige nach dem SGB II sind anteilmäßig in den Bezirken<br />

Reinickendorf, Mitte, Neukölln <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg am häufigsten vertre-<br />

ten. Hier sind über ein Viertel aller Personen nach SGB II nicht erwerbsfähig. Dies betrifft<br />

in überwiegendem Maße Kinder in Bedarfsgemeinschaften <strong>und</strong> bildet somit auch die Ver-<br />

teilung der Kinder in Bedarfsgemeinschaften der Bezirke ab.<br />

32 Nicht erwerbsfähige Hilfebedürftige sind alle Personen, die noch nicht im erwerbsfähigen Alter sind, d. h.<br />

unter 15 Jahren, oder aufgr<strong>und</strong> ihrer ges<strong>und</strong>heitlichen Situation nicht in der Lage sind, mindestens 3 St<strong>und</strong>en<br />

täglich zu arbeiten. Diese Personen erhalten Sozialgeld nach SGB II.<br />

I/F/A/D


1.6.6 Transferbezug nach SGB III<br />

Grafik 48:<br />

Anzahl<br />

Personen nach SGB III (ALG I) nach den <strong>Berliner</strong> Bezirken 2008<br />

6.000<br />

5.000<br />

4.000<br />

3.000<br />

2.000<br />

1.000<br />

0<br />

5340<br />

4074<br />

Pankow Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

3793<br />

3665<br />

3572<br />

3472<br />

3283<br />

3162<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

2945<br />

Mitte LichtenbergTempelhof- Charlotten- Friedrichsh.- Neukölln Treptow-<br />

Schöneberg burg- Kreuzberg<br />

Köpenick<br />

Wilmersdorf<br />

Bedarfspersonen nach SGB III<br />

insgesamt: 41304<br />

2731 2697<br />

Reinickendorf<br />

Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

2418<br />

152<br />

Spandau nicht<br />

zuordenbar<br />

Empfänger von Leistungen, nach dem Sozialgesetzbuch III (ALG I-Empfänger), sind zah-<br />

lenmäßig am stärksten in Pankow <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf vertreten.<br />

Während die Bevölkerung der Bezirke Mitte <strong>und</strong> Neukölln vom Transferbezug nach<br />

SGB II von allen <strong>Berliner</strong> Bezirken noch mit am stärksten betroffen war, liegt sie im Trans-<br />

ferbezug nach SGB III im <strong>Berliner</strong> Durchschnitt. Die Tatsache, dass hier mehr Menschen<br />

Leistungen nach dem SGB II als nach dem SGB III erhalten, deutet darauf hin, dass Ar-<br />

beitslosigkeit hier in der Regel länger anhält bzw. dazu neigt, sich zu verstetigen <strong>und</strong> dass<br />

sich ein hoher Sockel an Langzeitarbeitslosigkeit herausgebildet hat.<br />

I/F/A/D<br />

69


70<br />

1.6.7 Ausländer nach SGB III<br />

Grafik 49:<br />

Anzahl<br />

Ausländische Hilfebedürftige nach SGB III 2008<br />

1.000<br />

900<br />

800<br />

700<br />

600<br />

500<br />

400<br />

300<br />

200<br />

100<br />

0<br />

875<br />

645<br />

559 551<br />

527<br />

Mitte Neukölln Charlotten- Friedrichsh.- Tempelhofburg-<br />

Wilmersdorf<br />

Kreuzberg Schöneberg<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

331<br />

Pankow Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

286 286<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Reinickendorf<br />

Personen nach SGB III<br />

insgesamt: 41.304<br />

Ausländische Personen<br />

nach SGB III<br />

insgesamt: 4.758 (11,5%)<br />

267<br />

214<br />

128<br />

Spandau Lichtenberg Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

78<br />

Treptow-<br />

Köpenick<br />

Ausländer, die Leistungen nach dem SGB III beziehen, sind zahlenmäßig in Mitte, Neu-<br />

kölln, Charlottenburg-Wilmersdorf <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg überdurchschnitt-<br />

lich vertreten. Entsprechend der Bevölkerungsstruktur sind besonders wenig in Treptow-<br />

Köpenick, Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg <strong>und</strong> Spandau anzutreffen. Diese Verteilung<br />

ähnelt der bei den jungen ausländischen Hilfebedürftigen nach dem SGB II.<br />

1.6.8 Jugendliche nach SGB III<br />

Wie die folgende Darstellung zeigt, ist Marzahn-Hellersdorf der <strong>Berliner</strong> Bezirk mit beson-<br />

ders vielen jugendlichen Arbeitslosen nach SGB III. Dieser Wert korrespondiert mit den<br />

jungen deutschen Hilfebedürftigen nach SGB II in diesem Bezirk.<br />

I/F/A/D


Grafik 50:<br />

Anzahl<br />

Jugendliche Hilfebedürftige unter 20 Jahren nach SGB III 2008<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

96<br />

Marzahn-<br />

Hellersdorf<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

59 59<br />

Pankow Lichtenberg Reinickendorf<br />

53 52<br />

Treptow-<br />

Köpenick<br />

47<br />

41<br />

Spandau Mitte Friedrichsh.-<br />

Kreuzberg<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

36 35<br />

Steglitz-<br />

Zehlendorf<br />

1.6.9 Kurze Zusammenfassung:<br />

Transferbezug nach SGB II <strong>und</strong> III in den Bezirken<br />

33<br />

23<br />

15<br />

Neukölln Tempelhof- Charlotten-<br />

Schöneberg burg-<br />

Wilmersdorf<br />

Ähnlich den vorangegangen Themenfeldern zeigen sich hinsichtlich des Transferbezugs<br />

nach SGB II oder III z. T. erhebliche Diskrepanzen innerhalb Berlins bzw. zwischen den<br />

<strong>Berliner</strong> Bezirken. Die Polarisierung innerhalb der Stadt bleibt also auch auf dem Gebiet<br />

der Inanspruchnahme staatlicher Transferleistungen nicht verborgen. Starke Unterschiede<br />

an Transferbeziehern (insbesondere nach SGB II/ALG II) herrschen zwischen den Bezir-<br />

ken, so dass deutlich soziale Problemgebiete <strong>und</strong> entsprechende Bevölkerungsgruppe<br />

hervortreten <strong>und</strong> statistisch belegt werden können. Besonders betroffene Bevölkerungs-<br />

schichten sind Familien mit mehreren Kindern, Menschen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>,<br />

Jugendliche <strong>und</strong> Alleinerziehende.<br />

Bezüglich der Transferzahlungen nach dem SGB II erweisen sich die Bezirke Neukölln<br />

<strong>und</strong> Mitte als besondere Brennpunkte, in denen insbesondere Familien mit mehreren<br />

Kindern durch bzw. von Transferleistungen leben müssen. In Marzahn-Hellersdorf, Rei-<br />

nickendorf <strong>und</strong> Spandau sind vor allem Familien mit einem Kind von staatlichen Finanz-<br />

I/F/A/D<br />

71


72<br />

hilfen nach dem SGB II abhängig. Insgesamt sind in Berlin ca. 27% aller Bedarfsgemein-<br />

schaften nach SGB II Familien mit Kindern.<br />

Hilfebedürftige Ausländer sind überdurchschnittlich in den Bezirken Mitte, Friedrichs-<br />

hain-Kreuzberg <strong>und</strong> Neukölln zu finden. In Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Spandau sind hin-<br />

gegen arbeitslose Ausländer unterdurchschnittlich vertreten, da<strong>für</strong> sind die Anteile an hil-<br />

febedürftigen Jugendlichen deutscher Herkunft stärker ausgeprägt.<br />

Hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB III kristallisiert sich ein etwas anderes Bild<br />

heraus. Hier ist die Dominanz der benannten Bezirke Spandau, Neukölln, Friedrichshain-<br />

Kreuzberg, Mitte <strong>und</strong> Marzahn-Hellersdorf nicht derart stark. So rückt beispielsweise der<br />

Bezirk Neukölln, der eine hohe Dichte an Empfängern nach SGB II aufweist, in Bezug auf<br />

Leistungen nach dem SGB III weiter nach hinten. Da<strong>für</strong> verzeichnet nun Pankow zahlen-<br />

mäßig die meisten Empfänger nach SGB III. Für Neukölln bedeutet der Umstand, dass<br />

weniger Menschen Unterstützungen nach SGB III, da<strong>für</strong> viele nach SGB II erhalten, dass<br />

sich Strukturen herausgebildet haben, die einen Wiedereinstieg ins Berufsleben erschwe-<br />

ren. Arbeitslosigkeit hat sich hier verstetigt <strong>und</strong> damit auch entsprechende Armutsrisiken,<br />

da kaum Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt wird. Doch nicht nur Arbeitslose erhalten<br />

Leistungen nach dem SGB II. Selbst Erwerbstätige sind immer häufiger auf Unterstützun-<br />

gen zusätzlich zum Einkommen aufgr<strong>und</strong> geringer Entlohnung angewiesen. Damit sind<br />

also nicht nur soziale Randgruppen von Armut gefährdet, Armutsrisiken werden auch zur<br />

Bedrohung von einkommensbeziehenden Haushalten.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.7. <strong>Berliner</strong> Bevölkerung - Transferbezug nach SGB II <strong>und</strong> III in den<br />

Bezirksregionen/Stadtteilen ausgewählter <strong>Berliner</strong> Bezirke<br />

In den nun folgenden Abschnitten werden anhand einiger ausgewählter Indikatoren<br />

solche <strong>Berliner</strong> Bezirke kleinräumig betrachtet, deren Bevölkerung bzw. bestimmte Bevöl-<br />

kerungsgruppen in besonderer Weise Armutsrisiken unterliegen (Neukölln, Mitte, Mar-<br />

zahn-Hellersdorf, Spandau,). Diese Auswertung entsprechender Sozialdaten auf der Ebe-<br />

ne der jeweiligen Bezirksregionen der Bezirke (LOR-Struktur) 33 erlaubt es, soziale<br />

„Brennpunkt- bzw. Problemregionen“ in den einzelnen Bezirken Berlins recht genau zu<br />

kennzeichnen <strong>und</strong> städtische bzw. kommunale Präventions- bzw. Hilfs- <strong>und</strong> Unterstüt-<br />

zungsvorhaben <strong>und</strong> -maßnahmen regional zielgerichtet vorzubereiten <strong>und</strong> auszurichten.<br />

1.7.1 Betrachtung der Bezirksregionen von Neukölln hinsichtlich des<br />

Transferbezugs bestimmter Risikogruppen<br />

1.7.1.1 Personen nach SGB II<br />

Grafik 51:<br />

Personen nach SGB II in den Bezirksregionen in Neukölln<br />

Bezirksregionen<br />

Buckow Nord<br />

Köllnische Heide<br />

Schillerpromenade<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Buckow<br />

Rudow<br />

Britz<br />

Gropiusstadt<br />

Reuterstraße<br />

Rixdorf<br />

1,4<br />

4,4<br />

4,7<br />

7,6<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />

10,0<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Personen nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 593.830<br />

Neukölln insgesamt: 81.431 (13,7%)<br />

33 Die ‚Lebensweltlich Orientierten Räume’ (LOR) wurden 2006 gemeinsam zwischen den planenden Fachverwaltungen<br />

des Senats von Berlin, den Bezirken <strong>und</strong> dem Amt <strong>für</strong> Statistik Berlin-Brandenburg auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage der von der Jugendhilfe bereits definierten Sozialräume einheitlich abgestimmt. Ziel ist die Abbildung<br />

lebensweltlicher Homogenität bei gleichzeitiger Wahrung einer Vergleichbarkeit der Planungsraumeinheiten.<br />

Die LOR strukturieren sich <strong>für</strong> jeden <strong>Berliner</strong> Bezirk einheitlich in die Ebenen Bezirk, Bezirksregionen<br />

<strong>und</strong> Planungsräume. Für jede dieser Ebenen werden vom Amt <strong>für</strong> Statistik Berlin-Brandenburg soziodemographische<br />

Daten zur Verfügung gestellt, die eine Vergleichbarkeit demographischer, sozialstruktureller<br />

u.a. Entwicklungen zwischen den einzelnen <strong>Berliner</strong> Bezirken <strong>und</strong> in der Gesamtstadt ermöglichen.<br />

11,5<br />

13,8<br />

14,1<br />

15,8<br />

16,6<br />

I/F/A/D<br />

73


74<br />

Über 13% aller <strong>Berliner</strong> Hilfebedürftigen nach SGB II leben im Bezirk Neukölln. In-<br />

nerhalb des Bezirkes ist eine differenzierte Verteilung der Transferbezieher auf die einzel-<br />

nen Bezirksregionen festzustellen. Insbesondere in den Bezirksregionen Neuköllner<br />

Mitte/ Zentrum, Rixdorf <strong>und</strong> Reuterstraße konzentrieren sich Hilfebedürftige. Über 45%<br />

der Hilfebedürftigen Neuköllns leben in diesen 3 Bezirksregionen. Auch die Region<br />

(Großsiedlung) Gropiusstadt kann als Konzentrationspunkt <strong>für</strong> Hilfebedürftige nach<br />

SGB II angesehen werden.<br />

Wenig Transferbezieher gibt es hingegen in Buckow Nord, Buckow <strong>und</strong> Rudow. Jeweils<br />

weniger als 5% aller Hilfebedürftigen leben in diesen Gebieten.<br />

1.7.1.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II<br />

Grafik 52:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB II<br />

auf die Bezirksregionen in Neukölln<br />

Bezirksregionen<br />

Buckow Nord<br />

Köllnische Heide<br />

Schillerpromenade<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Buckow<br />

Rudow<br />

Britz<br />

Gropiusstadt<br />

Reuterstraße<br />

Rixdorf<br />

1,4<br />

4,2<br />

4,3<br />

6,6<br />

9,8<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />

Prozent<br />

10,2<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Arbeitslose nach SGB II<br />

Neukölln insgesamt: 22.240<br />

Am stärksten sind im Bezirk Neukölln die Bezirksregionen Rixdorf <strong>und</strong> Neuköllner Mit-<br />

te/Zentrum von Arbeitslosigkeit nach SGB II betroffen. In diesen beiden Gebieten woh-<br />

nen jeweils mehr als 16%, d. h. zusammen mehr als ein Drittel aller (Lang-<br />

zeit)Arbeitslosen des Bezirks. Ebenfalls von Arbeitslosigkeit erheblich betroffene Bezirks-<br />

regionen sind die Reuterstraße <strong>und</strong> die Schillerpromenade. Somit kommt es in Neu-<br />

kölln, wie bei den Hilfebedürftigen insgesamt, zu einer Konzentration von Arbeitslosen<br />

nach SGB II im wesentlichen im nördlichen (zentrumsnahen) Teil des Bezirks. Auffällig<br />

14,8<br />

15,5<br />

16,4<br />

16,9<br />

I/F/A/D


wenig Arbeitslose nach SGB II weisen die Regionen Buckow Nord, Buckow <strong>und</strong> Rudow<br />

auf. Die Betroffenheit von Langzeitarbeitslosigkeit nimmt eine erhebliche Bandbreite in<br />

Neukölln an, zu verweisen ist auch auf eine diesbezügliche Konzentration in der Groß-<br />

siedlung Gropiusstadt.<br />

1.7.1.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

Grafik 53:<br />

Minderjährige Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Neukölln (absolute Angaben)<br />

Bezirksregionen<br />

Rudow<br />

Buckow Nord<br />

Gropiusstadt<br />

Buckow<br />

Köllnische Heide<br />

Rixdorf<br />

Reuterstraße<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Schillerpromenade<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Britz<br />

448<br />

860<br />

321<br />

777<br />

860<br />

742<br />

703<br />

93<br />

303<br />

711<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Bedarfsgemeinschaft mit 1 Kind Bedarfsgemeinschaft mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern<br />

Die Abbildung zeigt in absoluten Werten, inwiefern Kinder vom Transferbezug nach<br />

SGB II in den jeweiligen Bezirksregionen Neuköllns betroffen sind.<br />

In den meisten Regionen des Bezirks dominieren Familien mit mehreren Kindern den<br />

Transferbezug, d. h. mehr als 50% aller Bedarfsgemeinschaften mit Kindern im Bezirk<br />

haben 2 oder mehr Kinder. Lediglich in Buckow, Buckow-Nord <strong>und</strong> Britz gibt es mehr Be-<br />

darfsgemeinschaften mit einem Kind.<br />

Die Bezirksregionen Köllnische Heide <strong>und</strong> Neuköllner Mitte/Zentrum weisen anteilmä-<br />

ßig die meisten Familien mit mehreren Kindern im Transferbezug nach SGB II auf. In der<br />

Region Neuköllner Mitte/Zentrum liegt sowohl die absolute Anzahl an Bedarfsgemein-<br />

schaften mit einem wie auch mit mehreren Kindern am höchsten im Bezirk. Hier dürfte<br />

das Armutspotential besonders ausgeprägt sein.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

586<br />

942<br />

808<br />

1090<br />

337<br />

830<br />

767<br />

81<br />

279<br />

521<br />

I/F/A/D<br />

75


76<br />

1.7.1.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

Grafik 54:<br />

Verteilung der Nichterwerbsfähigen nach SGB II<br />

auf die Bezirksregionen in Neukölln<br />

Bezirksregionen<br />

Buckow Nord<br />

Köllnische Heide<br />

Schillerpromenade<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Buckow<br />

Rudow<br />

Britz<br />

Gropiusstadt<br />

Reuterstraße<br />

Rixdorf<br />

1,3<br />

4,5<br />

5,3<br />

8,9<br />

9,2<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />

Prozent<br />

Wird die regionale Verteilung der nichterwerbsfähigen Transferbezieher (im wesentli-<br />

chen Kinder unter 15 Jahren) betrachtet, zeigen sich ähnliche Verteilungen wie bei den<br />

Familienstrukturen. Die prozentualen Anteile in den einzelnen Bezirksregionen weisen<br />

auch hier erhebliche Unterschiede auf <strong>und</strong> schwanken in einem Bereich von 1,3% bis<br />

17,4%.<br />

Relativ wenig nichterwerbsfähige Hilfebedürftige lassen sich in Buckow Nord <strong>und</strong><br />

Buckow finden. Insbesondere in den Bezirksregionen Neuköllner Mitte/Zentrum <strong>und</strong><br />

Rixdorf, wo ohnehin auch die meisten Arbeitslosen nach SGB II leben, gibt es hingegen<br />

sehr hohe Anteile an nichterwerbsfähigen Hilfebedürftigen, d. h. in diesen Bezirksregionen<br />

sind jeweils mehr als 15% der Nichterwerbsfähigen des Bezirkes Neukölln konzentriert.<br />

Diese beiden Bezirksregionen nehmen somit r<strong>und</strong> ein Drittel der Nichterwerbsfähigen<br />

Neuköllns auf. Die Abhängigkeit von Leistungen nach SGB II bei Familien mit Kindern ist<br />

hier also recht stark ausgeprägt. Aber auch hier muss auf die Konzentration nichter-<br />

werbsfähiger Hilfebedürftiger in der Großsiedlung Gropiusstadt hingewiesen werden.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

12,4<br />

12,8<br />

13,0<br />

15,2<br />

17,4<br />

I/F/A/D


1.7.1.5 Junge Arbeitslose<br />

Grafik 55:<br />

Anteil junger Arbeitsloser nach SGB II an den Arbeitslosen<br />

in den Bezirksregionen in Neukölln<br />

Bezirksregionen<br />

Buckow Nord<br />

Reuterstraße<br />

Buckow<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Gropiusstadt<br />

Schillerpromenade<br />

Köllnische Heide<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Rudow<br />

Britz<br />

Rixdorf<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

Prozent<br />

7,6<br />

7,6<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Arbeitslose nach SGB II<br />

Neukölln insgesamt: 22.240<br />

Junge Arbeitslose unter 25<br />

Jahren in Neukölln: 2.163<br />

Junge arbeitslose Transferbezieher (unter 25 Jahren) nach SGB II sind im Bezirk<br />

Neukölln besonders häufig in den Bezirksregionen Köllnische Heide, Rixdorf <strong>und</strong> Britz<br />

anzutreffen. Mehr als jeder Zehnte Arbeitslose nach SGB II ist hier unter 25 Jahren. Ge-<br />

nerell ist die regionale Verteilung jüngerer Arbeitsloser im Bezirk weniger differenziert als<br />

hinsichtlich bestimmter Familienstrukturen. Alle Bezirksregionen sind mehr oder weniger<br />

stark (zwischen 7,6% <strong>und</strong> 12,2%) mit dem Problem junger Langzeitarbeitsloser kon-<br />

frontiert.<br />

9,1<br />

9,1<br />

9,5<br />

9,9<br />

10,0<br />

10,6<br />

10,8<br />

12,2<br />

I/F/A/D<br />

77


78<br />

1.7.1.6 Ausländische Arbeitslose<br />

Grafik 56:<br />

Ausländische Arbeitslose nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Neukölln<br />

Bezirksregionen<br />

Buckow Nord<br />

Buckow<br />

Gropiusstadt<br />

Reuterstraße<br />

Schillerpromenade<br />

Köllnische Heide<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Rudow<br />

Britz<br />

Rixdorf<br />

16,8<br />

20,8<br />

21,1<br />

24,0<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

30,4<br />

Ausländische Arbeitslose<br />

Neukölln insgesamt: 7.738<br />

Deutsche Arbeitslose<br />

Neukölln insgesamt: 14.393<br />

Entsprechend der Bevölkerungsstruktur <strong>und</strong> -verteilung im Bezirk sind ausländische Ar-<br />

beitslose im Transferbezug nach SGB II insbesondere in den Bezirksregionen Neu-<br />

köllner Mitte/Zentrum <strong>und</strong> Köllnische Heide zu finden. Auch hier zeigt sich innerhalb<br />

des Bezirks wieder ein gewisses „Nord-Süd-Gefälle“.<br />

Von allen bisher im Vergleich <strong>Berliner</strong> Bezirke betrachteten Risikogruppen (Familien mit<br />

Kindern, Alleinerziehenden, Migranten) nehmen in Neukölln Ausländer einen äußerst ho-<br />

hen Anteil an Transferbeziehern in den einzelnen Bezirksregionen ein. Allerdings sind<br />

auch hier sehr starke Unterschiede zwischen den Bezirksregionen feststellbar.<br />

In der Bezirksregion Neuköllner Mitte/Zentrum, ein Gebiet mit insgesamt sehr vielen<br />

arbeitslosen Personen bzw. Familien, ist der Anteil arbeitsloser Ausländer nach SGB II an<br />

allen Arbeitslosen dieser Region nach SGB II am stärksten ausgeprägt. Nahezu jeder<br />

zweite Arbeitslose (44,6%) nach SGB II ist ein Ausländer. In der unmittelbar angrenzen-<br />

den Bezirksregion Köllnische Heide sind es immerhin fast noch 40%.<br />

36,3<br />

37,0<br />

37,9<br />

39,9<br />

44,6<br />

I/F/A/D


1.7.1.7 Arbeitslose nach SGB III (ALG I)<br />

Grafik 57:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB III<br />

auf die Bezirksregionen in Neukölln<br />

Bezirksregionen<br />

Köllnische Heide<br />

Buckow Nord<br />

Buckow<br />

Schillerpromenade<br />

Neuköllner Mitte/Zentrum<br />

Gropiusstadt<br />

Reuterstraße<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

Rixdorf<br />

Britz<br />

Rudow<br />

3,3<br />

3,4<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16<br />

Prozent<br />

Die Verteilung der Arbeitslosen nach SGB III auf die einzelnen Bezirksregionen des Be-<br />

zirks Neukölln variiert nicht so stark wie die der Arbeitslosen nach SGB II <strong>und</strong> zeigt auch<br />

andere regionale Schwerpunkte innerhalb des Bezirks.<br />

In den Bezirksregionen Rudow, Reuterstraße <strong>und</strong> Britz waren die meisten Arbeitslosen<br />

des Bezirks nach SGB III (ALG I) registriert. Buckow Nord <strong>und</strong> Köllnische Heide liegen<br />

am weitesten hinten. Da die Fallzahlen registrierter Arbeitsloser nach SGB III <strong>für</strong> den Ge-<br />

samtbezirk Neukölln ohnehin relativ gering sind (3.344 insgesamt, davon 618 Ausländer,<br />

Stand Juni 2009) ist davon auszugehen, dass Armutspotentiale <strong>und</strong> Armutsrisiken <strong>für</strong><br />

bestimmte Bevölkerungsgruppen im Bezirk im wesentlichen durch den Bezug von Leis-<br />

tungen nach dem SGB II hervorgerufen werden <strong>und</strong> eine der wesentlichen Ursachen hier-<br />

<strong>für</strong> in Langzeitarbeitslosigkeit (auch junger <strong>und</strong> vor allem ausländischer Erwerbsfähiger)<br />

zu sehen ist.<br />

8,9<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

9,3<br />

10,1<br />

11,4<br />

11,9<br />

13,5<br />

14,0<br />

14,1<br />

I/F/A/D<br />

79


80<br />

1.7.1.8 Kurze Zusammenfassung:<br />

Transferbezug nach Bezirksregionen im Bezirk Neukölln<br />

Hinsichtlich des Transferbezugs nach SGB II erweisen sich Ausländer, Familien mit<br />

mehreren Kindern <strong>und</strong> Kinder als nichterwerbsfähige Hilfebedürftige besonders häu-<br />

fig als Betroffene. Diese Risikogruppen sind allerdings in Neukölln regional etwas unter-<br />

schiedlich verteilt, so dass sich auch die Problemlagen einzelner Bezirksregionen etwas<br />

unterscheiden, wobei ein Nord-Süd-Gefälle hierbei nicht zu übersehen ist.<br />

Generell kann festgehalten werden, dass die meisten Personen <strong>und</strong> Arbeitslosen nach<br />

SGB II in den Bezirksregionen Rixdorf, Neuköllner Mitte <strong>und</strong> in Reuterstraße zu finden<br />

sind, wobei diese Gebiete auch die höchsten Ausländeranteile an den Arbeitslosen sowie<br />

die meisten nichterwerbsfähigen Hilfebedürftigen aufweisen.<br />

Weiterhin sind auch Familien mit Kindern, in den Bezirksregionen Neuköllns speziell Fa-<br />

milien mit mehreren Kindern, sehr häufig als Transferbezieher vertreten. Demzufolge un-<br />

terliegen Kinder in diesem Bezirk Berlins einem hohen Armutsrisiko. Dies belegt ebenso<br />

die Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen, die in allen Regionen Neuköllns verbreitet ist<br />

<strong>und</strong> sich in den Regionen Köllnische Heide, Rixdorf <strong>und</strong> Britz am stärksten konzentriert.<br />

Die Qualität <strong>und</strong> Konzentration armutsbedingter Problemlagen ist in Neukölln bei regiona-<br />

ler Betrachtung insgesamt differenziert ausgebildet. Unterschiedliche Bevölkerungsstruk-<br />

turen der Bezirksregionen bzw. die Verteilung der Risikogruppen sorgen auch hier, ähn-<br />

lich wie im Bezirk Berlin-Mitte, <strong>für</strong> ein „Armutsgefälle“ innerhalb des Bezirks. Dieses „Ge-<br />

fälle“ verläuft von Norden nach Süden <strong>und</strong> sorgt da<strong>für</strong>, dass insbesondere Nord-Neukölln<br />

verstärkt mit der Armutsproblematik konfrontiert ist. Rudow, Buckow <strong>und</strong> Britz, die südli-<br />

cheren Regionen Neuköllns, sind noch relativ wenig betroffen.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.7.2 Betrachtung der Bezirksregionen von Mitte hinsichtlich des Transferbezugs<br />

bestimmter Risikogruppen<br />

1.7.2.1 Personen nach SGB II<br />

Grafik 58:<br />

Personen nach SGB II in den Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Regierungsviertel<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Tiergarten Süd<br />

Alexanderplatz<br />

Moabit Ost<br />

Parkviertel<br />

Moabit West<br />

Osloer Straße<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Wedding Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0,8<br />

2,5<br />

3,0<br />

6,3<br />

9,8<br />

12,1<br />

0 5 10 15 20 25<br />

12,5<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Personen nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 593.830<br />

Mitte insgesamt: 82.944 (13,9%)<br />

Mit fast 14% nimmt der Bezirk Mitte einen sehr großen Teil aller <strong>Berliner</strong> Hilfebe-<br />

dürftigen nach SGB II auf. Dabei konzentrieren sich innerhalb des Bezirks die Hilfebe-<br />

dürftigen insbesondere in Wedding Zentrum, Brunnenstraße Nord <strong>und</strong> Osloer Straße.<br />

Über die Hälfte (53%) aller Hilfebedürftigen des Bezirks Mitte leben in diesen 3 Regionen.<br />

Die Problemlagen sind also in diesen Gebieten größer als in anderen Bezirksregionen.<br />

Darauf gehen die folgenden Darstellungen detaillierter ein.<br />

15,6<br />

15,7<br />

21,7<br />

I/F/A/D<br />

81


82<br />

1.7.2.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II<br />

Grafik 59:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB II<br />

auf die Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Regierungsviertel<br />

Tiergarten Süd<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Alexanderplatz<br />

Moabit Ost<br />

Parkviertel<br />

Moabit West<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Osloer Straße<br />

Wedding Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0,9<br />

2,9<br />

3,1<br />

6,9<br />

9,9<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

13,2<br />

13,2<br />

13,6<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Arbeitslose nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 192.535<br />

Mitte insgesamt: 25.612 (13,3%)<br />

Die räumliche Konzentration arbeitsloser Transferbezieher verläuft parallel zu den<br />

Hilfebedürftigen insgesamt im Bezirk.<br />

Besonders viele Personen <strong>und</strong> Arbeitslose nach SGB II leben in den Bezirksregionen<br />

Wedding Zentrum, Brunnenstraße Nord <strong>und</strong> Osloer Straße. Da in diesen Haushalten<br />

folglich kein Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit vorliegt, dürfte sich die finanzielle<br />

Situation hier entsprechend schwierig gestalten. Das Armutsrisiko ist hier demzufolge<br />

höher, als beispielsweise in Tiergarten Süd, Brunnenstraße Süd oder im Regierungsvier-<br />

tel, denn hier ist der Anteil an Leistungsbeziehern nach SGB II recht niedrig.<br />

Die Problemlagen konzentrieren sich also insbesondere auf Wedding Zentrum, Osloer<br />

Straße <strong>und</strong> Brunnenstraße Nord. Dies zeigt sich auch in den folgenden Darstellungen.<br />

15,3<br />

21,0<br />

I/F/A/D


1.7.2.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

Grafik 60:<br />

Minderjährige Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Mitte (absolute Angaben)<br />

Bezirksregionen<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Osloer Straße<br />

Wedding Zentrum<br />

Moabit Ost<br />

Moabit West<br />

Tiergarten Süd<br />

Alexanderplatz<br />

Parkviertel<br />

Regierungsviertel<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

903<br />

928<br />

1194<br />

538<br />

154<br />

693<br />

397<br />

804<br />

68<br />

178<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Bedarfsgemeinschaft mit 1 Kind Bedarfsgemeinschaft mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern<br />

Die Familienstrukturen der Bedarfsgemeinschaften variieren in den einzelnen Bezirks-<br />

regionen. Besonders viele bedürftige Familien mit 1 Kind gibt es in der Region Brunnen-<br />

straße Süd <strong>und</strong> im Regierungsviertel. Hier sind jeweils über 60% aller Bedarfsgemein-<br />

schaften mit Kindern solche mit einem Kind. Allerdings gibt es hier insgesamt (absolut)<br />

relativ wenige Familien mit Kindern in Bedarfsgemeinschaften im Vergleich zu anderen<br />

Bezirksregionen von Mitte. Im Parkviertel ist ebenfalls ein hoher Anteil der Familien mit 1<br />

Kind an Bedarfsgemeinschaften erkennbar, dies betrifft über 50% der Bedarfsgemein-<br />

schaften in dieser Bezirksregion. Größere Familien in Bedarfsgemeinschaften mit 2<br />

<strong>und</strong> mehr Kindern sind anteilmäßig am häufigsten in den Regionen Brunnenstraße Nord,<br />

Tiergarten Süd <strong>und</strong> Wedding Zentrum vertreten. Die meisten Bedarfsgemeinschaften<br />

mit Kindern (absolut insgesamt 2.712) konzentrieren sich in Wedding Zentrum, gefolgt<br />

von den regional angrenzenden Bezirksgebieten Brunnenstraße Nord (absolut 2.114) <strong>und</strong><br />

Osloer Straße (absolut 2.010).<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

1211<br />

1082<br />

1518<br />

618<br />

195<br />

709<br />

341<br />

622<br />

39<br />

85<br />

I/F/A/D<br />

83


84<br />

1.7.2.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

Grafik 61:<br />

Verteilung der Nichterwerbsfähigen nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Parkviertel<br />

Alexanderplatz<br />

Moabit West<br />

Regierungsviertel<br />

Moabit Ost<br />

Tiergarten Süd<br />

Osloer Straße<br />

Wedding Zentrum<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Prozent<br />

Nichterwerbsfähige nach SGB II sind wiederum insbesondere in den Bezirksregionen<br />

Brunnenstraße Nord, Wedding Zentrum <strong>und</strong> Osloer Straße zu finden. Mehr als 30%<br />

aller Hilfebedürftigen dieser Regionen sind Nichterwerbsfähige. Da sich unter den Nicht-<br />

erwerbsfähigen neben körperlich beeinträchtigten Menschen vor allem Kinder unter 15<br />

Jahren befinden <strong>und</strong> diese Gebiete auch durch die Konzentration von Bedarfsgemein-<br />

schaften mit Kindern <strong>und</strong> eine hohe Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind, ist hier ein be-<br />

sonders hohes Risiko <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendarmut vorhanden.<br />

Anteilmäßig am wenigsten Nichterwerbsfähige verzeichnen die Stadtteile Brunnenstraße<br />

Süd <strong>und</strong> das Regierungsviertel. Hier ist auch der Anteil der Arbeitslosen nach SGB II ge-<br />

nerell sehr gering.<br />

18,7<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

23,9<br />

24,1<br />

25,4<br />

25,6<br />

27,5<br />

28,1<br />

30,3<br />

30,3<br />

32,9<br />

I/F/A/D


1.7.2.5 Allein erziehende Hilfebedürftige<br />

Grafik 62:<br />

Alleinerziehende nach SGB II in den Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Tiergarten Süd<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Wedding Zentrum<br />

Osloer Straße<br />

Moabit West<br />

Moabit Ost<br />

Parkviertel<br />

Regierungsviertel<br />

Alexanderplatz<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Prozent<br />

5,4<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

5,9<br />

6,0<br />

6,1<br />

Alleinerziehende nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 48.320<br />

Mitte insges.: 5.389 (13,9%)<br />

Der Bezirk Mitte hat einen der höchsten Anteile Alleinerziehender an den Familienformen<br />

des Bezirks im <strong>Berliner</strong> Maßstab (siehe Grafik 28: Anteil Alleinerziehender an den Fa-<br />

milien insgesamt in Berlin 2008). Deshalb soll diese Personengruppe hier etwas näher<br />

betrachtet werden.<br />

Allein erziehende Haushalte mit Kindern besitzen ein hohes Risiko, von Einkommens-<br />

armut betroffen zu sein. Werden die prozentualen Anteile von allein erziehenden Hilfebe-<br />

dürftigen mit Kindern an den hilfebedürftigen Personen insgesamt auf der Ebene der Be-<br />

zirksregionen betrachtet, zeigt sich folgendes Bild: die bisher „eher unauffälligen“ Bezirks-<br />

regionen Brunnenstraße Süd, Alexanderplatz <strong>und</strong> Regierungsviertel verzeichnen die<br />

höchsten Anteile. Das heißt, hier befinden sich anteilmäßig die meisten allein erziehenden<br />

Haushalte im Leistungsbezug nach SGB II.<br />

Diese drei Bezirksregionen sind bisher recht wenig hinsichtlich bestimmter Armutsindika-<br />

toren aufgefallen. Das deutet darauf hin, dass bestimmte Risikogruppen sich im Bezirk<br />

Mitte in bestimmten Regionen konzentrieren bzw. segregieren: Bedarfsgmeinschaften/<br />

Familien mit mehreren Kindern eher im ehemaligen „Altbezirk“ Wedding mit seinem hohen<br />

Anteil an ausländischen Bürgern bzw. Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, Alleinerzie-<br />

6,4<br />

6,4<br />

7,4<br />

7,6<br />

8,7<br />

8,7<br />

I/F/A/D<br />

85


86<br />

hende eher im ehemaligen „Altbezirk“ Mitte. Daraus lässt sich schließen, dass auch die<br />

„Qualität“ von Armut innerhalb des Bezirks variiert.<br />

1.7.2.6 Ausländische Arbeitslose<br />

Grafik 63:<br />

Ausländische Arbeitslose nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Alexanderplatz<br />

Parkviertel<br />

Regierungsviertel<br />

Moabit West<br />

Moabit Ost<br />

Tiergarten Süd<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Osloer Straße<br />

Wedding Zentrum<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

12,6<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

Prozent<br />

20,7<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

25,5<br />

Ausländische Arbeitslose<br />

Berlin insgesamt: 111.806<br />

25,9<br />

Mitte insgesamt: 24.680<br />

Hinsichtlich der Ausländeranteile an den Hilfebedürftigen in den einzelnen Bezirksregi-<br />

onen nehmen wiederum Wedding Zentrum, Osloer Straße <strong>und</strong> Brunnenstraße Nord<br />

die führenden Positionen ein. Es zeigt sich, dass die Region Wedding Zentrum im Bezirk<br />

Mitte den höchsten Anteil an ausländischen Arbeitslosen hat. So sind über ein Drittel aller<br />

hilfebedürftigen Personen in diesem Stadtteil solche mit Ausländerstatus. In den Bezirks-<br />

regionen Brunnenstraße Nord <strong>und</strong> Osloer Straße sind Ausländer ebenfalls häufig von<br />

Leistungen nach SGB II abhängig. Tiergarten Süd, als Region mit relativ wenigen Hilfe-<br />

dürftigen, weist erstmalig hohe Werte bezüglich dieser Armutsrisikogruppe auf.<br />

In der Bezirksregion Brunnenstraße Süd wohnen im Verhältnis zu den Hilfebedürftigen<br />

des Bezirks insgesamt relativ wenig hilfebedürftige Ausländer.<br />

28,8<br />

29,7<br />

31,6<br />

31,6<br />

32,0<br />

34,2<br />

I/F/A/D


1.7.2.7 Junge Arbeitslose<br />

Grafik 64:<br />

Deutsche Arbeitslose unter 25 Jahren nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Tiergarten Süd<br />

Regierungsviertel<br />

Wedding Zentrum<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Alexanderplatz<br />

Moabit West<br />

Moabit Ost<br />

Osloer Straße<br />

Parkviertel<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Prozent<br />

Über diese <strong>und</strong> die nachfolgende Darstellung soll die altersabhängige Arbeitslosigkeit<br />

erfasst werden, speziell die Arbeitslosigkeit jüngerer Jahrgänge im Bezirk Mitte in Abhän-<br />

gigkeit von der Nationalität.<br />

Die Arbeitslosigkeit junger Deutscher unter 25 Jahren ist im Bezirk Mitte relativ homo-<br />

gen in den Bezirksregionen ausgeprägt. Lediglich im Parkviertel ist der Wert erhöht mit<br />

8,9%. In Brunnenstraße Süd ist er hingegen am geringsten mit 6,3%.<br />

Insgesamt variiert die Arbeitslosigkeit dieser Personengruppe also weniger zwischen den<br />

Bezirksregionen als beispielsweise die Arbeitslosigkeit junger Ausländer, wie die folgende<br />

Darstellung zeigt. Der unterschiedliche Bildungsstand könnte hier<strong>für</strong> eine Ursache sein.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

6,3<br />

7,0<br />

7,2<br />

7,5<br />

7,6<br />

7,7<br />

8,0<br />

8,1<br />

8,1<br />

8,9<br />

I/F/A/D<br />

87


88<br />

Grafik 65:<br />

Ausländische Arbeitslose unter 25 Jahren nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Alexanderplatz<br />

Regierungsviertel<br />

Parkviertel<br />

Moabit West<br />

Tiergarten Süd<br />

Moabit Ost<br />

Osloer Straße<br />

Wedding Zentrum<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1,4<br />

3,7<br />

4,3<br />

4,4<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Prozent<br />

5,2<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

5,7<br />

6,0<br />

Ausländische Arbeitslose<br />

nach SGB II<br />

Mitte insgesamt: 24.680<br />

Ausländische Arbeitslose<br />

unter 25 Jahren nach SGB II<br />

Mitte insgesamt: 5.031<br />

Über ein Fünftel aller ausländischen Arbeitslosen nach SGB II sind im Bezirk unter 25<br />

Jahre alt. Gemäß der hohen Anteile ausländischer Bewohner an den Hilfebedürftigen<br />

nach SGB II weisen die Bezirksregionen Wedding Zentrum, Brunnenstraße Nord <strong>und</strong><br />

Osloer Straße auch sehr viele junge ausländische Arbeitslose auf. Über 7% der Arbeits-<br />

losen nach SGB II sind hier jeweils solche unter 25 Jahren <strong>und</strong> mit einem Migrationshin-<br />

tergr<strong>und</strong>.<br />

Letztendlich wird anhand dieser <strong>und</strong> der vorherigen Darstellungen ein regionales „Dreige-<br />

stirn“ armutsgefährdeter Bezirksregionen im Bezirk Mitte erkennbar.<br />

7,1<br />

7,2<br />

7,4<br />

I/F/A/D


1.7.2.8 Arbeitslose nach SGB III (ALG I)<br />

Grafik 66:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB III<br />

auf die Bezirksregionen in Mitte<br />

Bezirksregionen<br />

Regierungsviertel<br />

Tiergarten Süd<br />

Brunnenstraße Nord<br />

Osloer Straße<br />

Moabit Ost<br />

Brunnenstraße Süd<br />

Moabit West<br />

Parkviertel<br />

Wedding Zentrum<br />

Alexanderplatz<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

2,7<br />

3,8<br />

8,8<br />

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18<br />

Prozent<br />

Hinsichtlich der Betrachtung der Arbeitslosen nach SGB III differenziert sich erstmalig<br />

ein etwas anderes Bild heraus. Demnach hat die Bezirksregion Alexanderplatz mit 17%<br />

die meisten Arbeitslosen nach SGB III (ALG I-Empfänger) des gesamten Bezirks Mitte.<br />

Langzeitarbeitslosigkeit hat sich hier nicht so stark herausgebildet wie in den nördlichen<br />

Teilen des Bezirks. Danach folgen aber bereits Wedding Zentrum <strong>und</strong> das Parkviertel.<br />

Insbesondere die Bezirksregion Wedding Zentrum, die schon den höchsten Anteil an<br />

Arbeitslosen nach SGB II aufweist, sieht sich von allen Regionen des Bezirks Mitte am<br />

stärksten mit dem Problem der Arbeitslosigkeit als Ursache von Armut konfrontiert.<br />

Die Bezirksregionen Regierungsviertel <strong>und</strong> angrenzend Tiergarten Süd weisen die ge-<br />

ringsten Anteile an Arbeitslosen nach SGB III.<br />

9,6<br />

9,7<br />

10,1<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

12,6<br />

12,9<br />

13,2<br />

16,7<br />

I/F/A/D<br />

89


90<br />

1.7.2.9 Kurze Zusammenfassung:<br />

Transferbezug nach Bezirksregionen im Bezirk Mitte<br />

Bei kleinräumiger Betrachtung des <strong>Berliner</strong> Bezirks Mitte hinsichtlich des Transferbezugs<br />

nach SGB II werden große Disparitäten bzw. unterschiedliche Entwicklungssituationen<br />

<strong>und</strong> regionale Verteilungen sichtbar.<br />

Bezirksregionen mit besonderem Armuts- <strong>und</strong> auch Interventionspotential sind Wed-<br />

ding Zentrum, Brunnenstraße Nord <strong>und</strong> Osloer Straße. Nicht nur Hilfebedürftige nach<br />

SGB II insgesamt <strong>und</strong> Arbeitslose nach SGB II sind hier besonders häufig vertreten, auch<br />

die Anteile an Familien mit einem oder mehreren Kindern an den Bedarfsgemeinschaften<br />

bzw. die Anteile Jugendlicher <strong>und</strong> Ausländer sind hier problematisch hoch. Insofern stel-<br />

len gerade diese Bezirksregionen ein großes Armutsrisikogebiet <strong>für</strong> Familien, Kinder<br />

<strong>und</strong> Jugendliche dar. Von Transferbezug relativ gering betroffene Regionen sind das<br />

Regierungsviertel <strong>und</strong> die Brunnenstraße Süd.<br />

Letztendlich lässt sich ein Gefälle innerhalb des Bezirks Mitte feststellen, so dass<br />

durchaus von einer Konzentration sozialer Problemsituationen in bestimmten Bezirksregi-<br />

onen gesprochen werden kann. Diese Regionen sind alle im Nordosten des Bezirks<br />

Mitte lokalisiert <strong>und</strong> grenzen unmittelbar aneinander. Es hat sich sozusagen eine „Ar-<br />

mutsinsel“ innerhalb des Bezirks herausgebildet.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


1.7.3 Betrachtung der Bezirksregionen von Marzahn-Hellersdorf hinsichtlich<br />

des Transferbezugs bestimmter Risikogruppen<br />

1.7.3.1 Personen nach SGB II<br />

Grafik 67:<br />

Personen nach SGB II in den Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Mahlsdorf<br />

Kaulsdorf<br />

Biesdorf<br />

Hellersdorf Ost<br />

Hellersdorf Süd<br />

Marzahn Süd<br />

Marzahn Nord<br />

Hellersdorf Nord<br />

Marzahn Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1,7<br />

2,2<br />

2,9<br />

9,4<br />

9,8<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

13,3<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Personen nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 593.830<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

insgesamt: 50.194 (8,45%)<br />

Die überwiegende Mehrzahl der Hilfebedürftigen nach SGB II des Bezirks Marzahn-<br />

Hellersdorf lebt in den drei Bezirksregionen Marzahn Mitte, Hellersdorf Nord <strong>und</strong><br />

Marzahn Nord. Zusammen sind hier r<strong>und</strong> 60% aller Transferbezieher konzentriert, d. h.<br />

annähernd zwei Drittel des gesamten Bezirks.<br />

Konträr zu diesen sind in den Bezirksregionen Mahlsdorf, Kaulsdorf <strong>und</strong> Biesdorf<br />

relativ wenig Transferbezieher zu verzeichnen. Starke Entwicklungsunterschiede inner-<br />

halb des Bezirks (Nord-Süd-Gefälle, d. h. Neubaugroßsiedlungen Marzahn <strong>und</strong> Hellers-<br />

dorf im Norden des Bezirks, Siedlungsgebiete mit überwiegend klassischer Ein- <strong>und</strong> Zwei-<br />

familienhausbebauung im Süden), ähnlich denen der anderen betrachteten Bezirke Neu-<br />

kölln <strong>und</strong> Mitte, sind also auch hier zu erwarten.<br />

16,7<br />

20,6<br />

23,5<br />

I/F/A/D<br />

91


92<br />

1.7.3.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II<br />

Grafik 68:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB II<br />

auf die Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Mahlsdorf<br />

Kaulsdorf<br />

Biesdorf<br />

Hellersdorf Ost<br />

Hellersdorf Süd<br />

Marzahn Süd<br />

Marzahn Nord<br />

Hellersdorf Nord<br />

Marzahn Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

2,0<br />

2,4<br />

3,4<br />

9,2<br />

10,1<br />

12,4<br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

Prozent<br />

16,3<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Arbeitslose nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 192.535<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

insgesamt: 18.177 (9,44%)<br />

Die Verteilung arbeitsloser Personen nach SGB II auf die Bezirksregionen verhält sich<br />

ähnlich wie bei den Hilfebedürftigen nach SGB II im Bezirk insgesamt. Demzufolge er-<br />

scheinen auch hier Marzahn Mitte, Hellersdorf Nord <strong>und</strong> Marzahn Nord als Regionen<br />

mit überdurchschnittlich vielen Arbeitslosen nach SGB II, wobei insbesondere die Bezirks-<br />

regionen Marzahn Mitte (mit knapp einem Viertel aller Arbeitslosen nach SGB II) <strong>und</strong><br />

Hellersdorf Nord (ein Fünftel aller Arbeitslosen nach SGB II) eindeutig den Bezirk domi-<br />

nieren.<br />

20,5<br />

23,9<br />

I/F/A/D


1.7.3.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

Grafik 69:<br />

Minderjährige Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf (absolute Angaben)<br />

Bezirksregionen<br />

Mahlsdorf<br />

Kaulsdorf<br />

Biesdorf<br />

Hellersdorf Süd<br />

Hellersdorf Ost<br />

Hellersdorf Nord<br />

Marzahn Süd<br />

Marzahn Mitte<br />

Marzahn Nord<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

563<br />

1012<br />

813<br />

492<br />

96<br />

504<br />

1103<br />

120<br />

77<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Bedarfsgemeinschaft mit 1 Kind Bedarfsgemeinschaft mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern<br />

Wie die Darstellung der Familienstrukturen in Berlin bereits andeuteten, ist die typische<br />

Familienstruktur im Bezirk Marzahn-Hellersdorf eine Ein-Kind-Familie. Dieser Sachver-<br />

halt wird auch in dieser Darstellung deutlich. In allen Bezirksregionen lebt mehrheitlich<br />

nur 1 Kind in einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB II. Deutlich wird dies z. B. in<br />

Mahlsdorf, wo über drei Viertel der Bedarfsgemeinschaften mit Kindern solche mit einem<br />

Kind sind. Allerdings ist hier die absolute Anzahl der Bedarfsgemeinschaften sehr gering.<br />

Sehr viel deutlicher wird dieses Verhältnis noch in den Bezirksregionen Hellersdorf Nord<br />

<strong>und</strong> Marzahn Mitte.<br />

Einige Regionen weisen allerdings auch einen relativ hohen Anteil an Familien mit 2<br />

<strong>und</strong> mehr Kindern auf. Diese Regionen sind vorrangig in der Großsiedlung Marzahn<br />

angesiedelt. Im Vergleich zu anderen Bezirken wie Mitte oder Neukölln sind allerdings<br />

verhältnismäßig wenig größere Familien im Transferbezug, da die Familienstrukturen dort<br />

generell andere sind.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

452<br />

796<br />

597<br />

315<br />

52<br />

279<br />

663<br />

51<br />

21<br />

I/F/A/D<br />

93


94<br />

1.7.3.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

Grafik 70:<br />

Verteilung der Nichterwerbsfähigen nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Mahlsdorf<br />

Biesdorf<br />

Kaulsdorf<br />

Hellersdorf Süd<br />

Marzahn Mitte<br />

Marzahn Süd<br />

Hellersdorf Nord<br />

Hellersdorf Ost<br />

Marzahn Nord<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

15,4<br />

15,6<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Nichterwerbsfähige nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 153.279<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

insgesamt: 12.805 (8,35%)<br />

Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige nehmen im Bezirk einen recht hohen Anteil an den<br />

Hilfebedürftigen insgesamt ein. Besonders deutlich wird dies in den Bezirksregionen Mar-<br />

zahn Nord, Hellersdorf Ost <strong>und</strong> Hellersdorf Nord (ausschließlich Gebiete mit Neu-<br />

baugroßsiedlungen). Mehr als ein Viertel aller Transferbezieher sind in diesen Gebieten<br />

nichterwerbsfähig.<br />

Im Vergleich zu Berlin Mitte, wo Nichterwerbsfähige teilweise über ein Drittel der Trans-<br />

ferbezieher ausmachen, gestaltet sich die Situation in Marzahn-Hellersdorf etwas günsti-<br />

ger. Dieser Sachverhalt deutet allerdings nicht auf eine bessere Erwerbssituation be-<br />

stimmter Bevölkerungsgruppen in Marzahn-Hellersdorf hin, sondern spiegelt vielmehr die<br />

anderen Familienstrukturen dieses Bezirks wider, bei der auf eine Erwerbsperson weniger<br />

Kinder kommen. Genauere Informationen diesbezüglich liefert die folgende Darstellung.<br />

23,3<br />

24,0<br />

25,2<br />

25,6<br />

26,4<br />

27,5<br />

27,6<br />

I/F/A/D


1.7.3.5 Allein erziehende Hilfebedürftige<br />

Grafik 71:<br />

Alleinerziehende nach SGB II in den Bezirksregionen<br />

in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Biesdorf<br />

Mahlsdorf<br />

Marzahn Süd<br />

Marzahn Mitte<br />

Marzahn Nord<br />

Hellersdorf Süd<br />

Hellersdorf Nord<br />

Kaulsdorf<br />

Hellersdorf Ost<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />

Prozent<br />

6,5<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

7,3<br />

Alleinerziehende nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 48.320<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

insges.: 4.906 (10,15%)<br />

Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf leben über 10% aller allein erziehenden erwerbsfähigen<br />

Transferbezieher Berlins (Berlin insgesamt: 48.320). Bei kleinräumiger Betrachtung<br />

sind besonders Hellersdorf Ost, Kaulsdorf <strong>und</strong> Hellersdorf Nord betroffen. Die Be-<br />

zirksregion Kaulsdorf, die bisher ein eher weniger armutsgefährdetes Gebiet mit wenigen<br />

Transferbeziehern darstellt, sticht erstmals hervor (allerdings sind die absoluten Fallzah-<br />

len eher gering). Eindeutig ist festzustellen, dass sich allein erziehende Hilfebedürftige<br />

(in der Regel junge Frauen/Mütter) in der „jüngsten“ Neubaugroßsiedlung Ost-Berlins<br />

Hellersdorf konzentrieren <strong>und</strong> hier erhebliche Armutsrisiken bestehen. Bezüglich der<br />

Abgrenzung eines Armutsgebietes bedarf es allerdings noch weiterer Faktoren.<br />

8,7<br />

9,4<br />

9,7<br />

10,2<br />

10,8<br />

10,9<br />

10,9<br />

I/F/A/D<br />

95


96<br />

1.7.3.6 Ausländische Arbeitslose<br />

Grafik 72:<br />

Ausländische Arbeitslose nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Hellersdorf Ost<br />

Mahlsdorf<br />

Kaulsdorf<br />

Hellersdorf Süd<br />

Hellersdorf Nord<br />

Biesdorf<br />

Marzahn Mitte<br />

Marzahn Nord<br />

Marzahn Süd<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

2,5<br />

2,8<br />

2,8<br />

3,8<br />

3,9<br />

4,0<br />

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

6,0<br />

Ausländische Arbeitslose<br />

Berlin insgesamt: 111.806<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

insgesamt: 2.776 (2,5%)<br />

Im Gegensatz zu den Bezirken Mitte <strong>und</strong> Neukölln leben nur sehr wenig Ausländer in<br />

Marzahn-Hellersdorf (nur 1,9% aller Ausländer Berlins). Demzufolge dürfte die Armuts-<br />

problematik <strong>und</strong> -gefährdung hier vor allem auf Alleinerziehende, Kleinfamilien <strong>und</strong> Kinder<br />

zutreffen. Die „Qualität“ der Armut ist also eine andere als in Neukölln <strong>und</strong> Mitte, wo Fami-<br />

lien mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern bzw. Ausländer die Hauptbetroffenen darstellen. Dennoch sei<br />

an dieser Stelle erwähnt, dass Ausländer anteilmäßig häufig in Marzahn-Süd <strong>und</strong> Mar-<br />

zahn Nord Transferleistungen nach SGB II beziehen.<br />

8,2<br />

8,4<br />

I/F/A/D


1.7.3.7 Junge Arbeitslose<br />

Grafik 73:<br />

Verteilung junger Arbeitsloser nach SGB II<br />

auf die Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Kaulsdorf<br />

Mahlsdorf<br />

Biesdorf<br />

Marzahn Süd<br />

Hellersdorf Ost<br />

Hellersdorf Süd<br />

Marzahn Nord<br />

Hellersdorf Nord<br />

Marzahn Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0,7<br />

0,9<br />

3,3<br />

9,4<br />

10,0<br />

10,7<br />

0 5 10 15 20 25 30<br />

Prozent<br />

17,1<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Junge Arbeitslose unter 20<br />

Jahren nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 4.109<br />

Marzahn-Hellersdorf<br />

insgesamt: 449 (10,9%)<br />

Im Gegensatz zum Bezirk Mitte, wo eine relativ homogene Verteilung der jungen (deut-<br />

schen) Arbeitslosen vorliegt, zeigt sich in Marzahn-Hellersdorf ein differenzierteres Bild.<br />

Die Regionen Mahlsdorf, Kaulsdorf <strong>und</strong> Biesdorf sind relativ unberührt von Jugendarbeits-<br />

losigkeit.<br />

Konträr dazu ist in den Bezirksregionen Marzahn Mitte ein Viertel aller arbeitslosen Ju-<br />

gendlichen von Marzahn-Hellersdorf konzentriert. Auch in Hellersdorf Nord <strong>und</strong> Mar-<br />

zahn Nord ist Arbeitslosigkeit bei unter 20-Jährigen verbreitet.<br />

Diese großen innerbezirklichen Disparitäten könnten zum einen auf die unterschiedli-<br />

chen Bildungssituationen der Jugendlichen zurückgeführt werden, zum anderen könnte<br />

auch das soziale Umfeld eine Rolle spielen. Hierbei ist sicherlich auch die Verstetigung<br />

von Armut zu berücksichtigen. Das heißt, Erwerbslosigkeit der Eltern überträgt sich auf<br />

die Kinder, so dass Arbeitslosigkeit von Generation zu Generation „weitergegeben“ wird.<br />

22,3<br />

25,6<br />

I/F/A/D<br />

97


98<br />

1.7.3.8 Arbeitslose nach SGB III (ALG I)<br />

Grafik 74:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB III<br />

auf die Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Bezirksregionen<br />

Kaulsdorf<br />

Hellersdorf Ost<br />

Biesdorf<br />

Mahlsdorf<br />

Marzahn Nord<br />

Hellersdorf Süd<br />

Hellersdorf Nord<br />

Marzahn Süd<br />

Marzahn Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

6,6<br />

7,0<br />

7,9<br />

8,7<br />

9,3<br />

10,9<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

Diese Darstellung zeigt, dass nicht nur der Transferbezug nach SGB II in der Bezirksre-<br />

gion Marzahn Mitte sehr hoch ist, sondern auch der nach SGB III. Gleiches gilt <strong>für</strong> Mar-<br />

zahn Süd <strong>und</strong> Hellersdorf Nord.<br />

Auffallend ist der relativ geringe Anteil an Transferbeziehern in Marzahn Nord, der hin-<br />

sichtlich der Leistungsbezieher nach SGB II wesentlicher höher lag. Eine Verfestigung der<br />

Armut dürfte hier bereits breite Bevölkerungsteile erfasst haben.<br />

13,4<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

15,1<br />

21,1<br />

I/F/A/D


1.7.3.9 Kurze Zusammenfassung:<br />

Transferbezug nach Bezirksregionen in Marzahn-Hellersdorf<br />

Im Vergleich mit den Bezirken Mitte <strong>und</strong> Neukölln zeichnet sich <strong>für</strong> Marzahn-Hellersdorf<br />

ein anderes Armutsprofil ab. Dies ist nicht zuletzt auf die besondere Bevölkerungsstruk-<br />

tur des Bezirks zurückzuführen, die vorrangig aus allein erziehenden Familien deutscher<br />

Herkunft <strong>und</strong> mit meist (nur) einem Kind besteht. Die Armutslagen sind hier also anders<br />

bzw. mehrheitlich auf andere Risikotypen verteilt. Besonders auffällig wird dies z. B. an<br />

der Gruppe der Alleinerziehenden. Über 10% der Alleinerziehenden Berlins leben in<br />

Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> müssen zudem häufig ihr Leben durch Transferbezug be-<br />

streiten. So macht allein diese Gruppe in vier von neun Bezirksregionen mehr als 10%<br />

aller Transferbezieher nach SGB II aus. Dies ist eine <strong>für</strong> Marzahn-Hellersdorf typische<br />

Problemstellung, die beispielsweise in dieser Form <strong>für</strong> andere Bezirke wie Mitte oder<br />

Neukölln nicht zutrifft.<br />

Darüber hinaus ist auch hinsichtlich der lokalen Verbreitung von Armutsrisiken eine<br />

Konzentration auf bestimmte Bezirksregionen erkennbar. So sind die meisten (Lang-<br />

zeit)Arbeitslosen <strong>und</strong> Transferbezieher (über 60% des Bezirks) in den nördlichen Regio-<br />

nen, d. h. in Marzahn Mitte, Hellersdorf Nord <strong>und</strong> Marzahn Nord angesiedelt. Dieser<br />

Sachverhalt deutet an, dass auch die Lebenslagen der dort wohnenden <strong>Berliner</strong> entspre-<br />

chend schwierig sind. Bestätigt wird dies u. a. durch die Jugendarbeitslosigkeit, die in ge-<br />

nau diesen drei Bezirksregionen ebenfalls am höchsten ist. Die Verstetigung von Per-<br />

spektivlosigkeit, Erwerbslosigkeit <strong>und</strong> folglich von Einkommensarmut über Genera-<br />

tionen hinweg kann also durchaus <strong>für</strong> diese nördlichen Regionen des Bezirks zum Prob-<br />

lem werden.<br />

Weniger „Brennpunktcharakter“ weisen die südlichen Bezirksregionen Biesdorf, Kaulsdorf<br />

<strong>und</strong> Mahlsdorf auf. Die Anzahl der Transferbezieher ist hier recht gering. Lediglich in<br />

Kaulsdorf sind die Anteile Alleinerziehender an den Transferbeziehern etwas erhöht.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

99


100<br />

1.7.4 Betrachtung der Bezirksregionen von Spandau hinsichtlich des<br />

Transferbezugs bestimmter Risikogruppen<br />

1.7.4.1 Personen nach SGB II<br />

Grafik 75:<br />

Personen nach SGB II in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Siemensstadt<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Hakenfelde<br />

Haselhorst<br />

Wilhelmstadt<br />

Heerstraße Nord<br />

Spandau Mitte<br />

Falkenhagener Feld<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1,2<br />

4,7<br />

6,6<br />

7,3<br />

7,4<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Personen nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 593.830<br />

Spandau insgesamt: 43.793 (7,4%)<br />

Insgesamt leben im Bezirk Spandau ungefähr 7,4% aller <strong>Berliner</strong> Empfänger von Leis-<br />

tungen nach SGB II. Kleinräumig betrachtet zeigt sich hier eine unterschiedliche Verdich-<br />

tung der Hilfebedürftigen auf bestimmte Bezirksregionen.<br />

Die zwei Bezirksgebiete, die anteilmäßig die meisten Empfänger von Leistungen nach<br />

dem SGB II aufweisen, sind die Bezirksregionen Falkenhagener Feld <strong>und</strong> Spandau<br />

Mitte. Sie weisen jeweils etwas mehr als 20% (zusammen also mehr als 40%) aller Hilfe-<br />

bedürftigen des Bezirks Spandau auf. Auch das Gebiet Heerstraße Nord kann als Kon-<br />

zentrationspunkt von Hilfebedürftigen betrachtet werden. Es nimmt mit 16,9% eine füh-<br />

rende Position bezüglich der Transferempfänger nach SGB II ein.<br />

Auffällig wenig Transferbezieher gibt es in Gatow/Kladow (1,2%) <strong>und</strong> Siemensstadt<br />

(4,7%).<br />

14,6<br />

16,9<br />

20,5<br />

20,7<br />

I/F/A/D


1.7.4.2 Arbeitslosigkeit nach SGB II<br />

Grafik 76:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB II<br />

auf die Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Siemensstadt<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Haselhorst<br />

Hakenfelde<br />

Heerstraße Nord<br />

Wilhelmstadt<br />

Falkenhagener Feld<br />

Spandau Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1,0<br />

4,5<br />

7,0<br />

7,3<br />

7,4<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

14,4<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Arbeitslose nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 192.535<br />

Spandau insgesamt: 12.971 (6,7%)<br />

Die Verteilung der Arbeitslosen nach SGB II ähnelt, wie in den anderen Bezirken, der<br />

Verteilung der Personen nach SGB II, mit einem Unterschied: In der Bezirksregion Wil-<br />

helmstadt wohnen mehr Arbeitslose als in der Region Heerstraße Nord, obwohl es weni-<br />

ger Personen nach SGB II insgesamt dort gibt.<br />

Neben Wilhelmstadt lässt sich auch <strong>für</strong> Spandau Mitte <strong>und</strong> Falkenhagener Feld eine<br />

hohe Arbeitslosigkeit dokumentieren. Parallel zu den Personen nach SGB II liegen auch<br />

die Anteile an Arbeitslosen nach SGB II jeweils bei über 20%.<br />

Die Problematik der Arbeitslosigkeit bzw. des damit verb<strong>und</strong>enen fehlenden Einkommens<br />

aus Erwerbstätigkeit dürfte in diesen Bezirksregionen zu vermehrten ökonomischen Her-<br />

ausforderungen führen.<br />

16,1<br />

20,7<br />

21,5<br />

101<br />

I/F/A/D


102<br />

1.7.4.3 Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

Grafik 77:<br />

Kinder in Bedarfsgemeinschaften nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Spandau (absolute Angaben)<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Siemensstadt<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Haselhorst<br />

Hakenfelde<br />

Heerstraße Nord<br />

Wilhelmstadt<br />

Falkenhagener Feld<br />

Spandau Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

38<br />

179<br />

235<br />

278<br />

259<br />

698<br />

716<br />

517<br />

793<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Bedarfsgemeinschaft mit 1 Kind Bedarfsgemeinschaft mit 2 <strong>und</strong> mehr Kindern<br />

Ähnlich wie im Bezirk Marzahn-Hellersdorf dominieren in Spandau bei den Bedarfsge-<br />

meinschaften mit Kindern die Ein-Kind-Familien. Dies ist u. a. auch als Resultat der hier<br />

vorherrschenden Familienstrukturen zu werten.<br />

Generell ist außerdem ein eher einheitliches Bild im Vergleich der Bezirksregionen er-<br />

kennbar. Die Bedarfsgemeinschaften mit einem <strong>und</strong> mit zwei bzw. mehreren Kindern sind<br />

im wesentlichen zu gleichen Anteilen auf die einzelnen Bezirksregionen verteilt. Lediglich<br />

die Bezirksregionen Heerstraße Nord <strong>und</strong> Spandau Mitte weisen im Vergleich prozentu-<br />

al am wenigsten Ein-Kind-Familien <strong>und</strong> damit verhältnismäßig am meisten Mehr-Kind-<br />

Familien mit Transferbezug auf. Die absolut meisten Bedarfsgemeinschaften mit Kindern<br />

konzentrieren sich in den Bezirksregionen, in denen auch insgesamt die meisten Perso-<br />

nen nach SGB II zu finden sind – Falkenhagener Feld (1.400), Spandau Mitte (1.338)<br />

<strong>und</strong> Heerstraße Nord (1.323).<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

32<br />

202<br />

232<br />

209<br />

625<br />

141<br />

607<br />

622<br />

364<br />

I/F/A/D


1.7.4.4 Nichterwerbsfähige Hilfebedürftige<br />

Grafik 78:<br />

Verteilung der Nichterwerbsfähigen nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Wilhelmstadt<br />

Gatow/Kladow<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Hakenfelde<br />

Falkenhagener Feld<br />

Siemensstadt<br />

Spandau Mitte<br />

Haselhorst<br />

Heerstraße Nord<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 5 10 15 20 25 30 35<br />

Prozent<br />

Ähnlich der Betrachtung von Bedarfsgemeinschaften mit Kindern kristallisiert sich hin-<br />

sichtlich des Anteils der Nichterwerbsfähigen an allen Personen nach SGB II nochmals<br />

die Bezirksregion Heerstraße Nord heraus. Knapp ein Drittel aller Personen nach SGB<br />

II dieser Bezirksregion sind nichterwerbsfähige Personen. Dass es sich bei diesen Nicht-<br />

erwerbsfähigen nach SGB II vorrangig um junge Kinder (bis 15 Jahre) handelt, wurde<br />

mehrfach betont <strong>und</strong> ähnelt der Situation in den anderen hier näher betrachteten Bezir-<br />

ken.<br />

In den anderen Bezirksregionen ist die Verteilung Nichterwerbsfähiger eher homogen.<br />

Dabei liegt der Anteil Nichterwerbsfähiger meist recht hoch bei ca. einem Fünftel bzw.<br />

einem Viertel. Am niedrigsten sind die Anteile in Gatow/Kladow bzw. Wilhelmstadt.<br />

Diese <strong>und</strong> die vorangegangenen Darstellungen zeigen eine spezielle Konstellation <strong>für</strong><br />

die Bezirksregion Wilhelmstadt. Zwar ist die Anzahl an hilfebedürftigen Personen nach<br />

SGB II hier geringer, da<strong>für</strong> gibt es vermehrt Arbeitslose nach SGB II <strong>und</strong> entsprechend<br />

weniger Nichterwerbsfähige im Transferbezug, also auch weniger hilfebedürftige Kinder.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

22,7<br />

23,0<br />

25,2<br />

25,5<br />

25,5<br />

25,7<br />

25,8<br />

26,8<br />

31,8<br />

103<br />

I/F/A/D


104<br />

1.7.4.5 Allein erziehende Hilfebedürftige<br />

Grafik 79:<br />

Alleinerziehende nach SGB II in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Haselhorst<br />

Spandau Mitte<br />

Wilhelmstadt<br />

Siemensstadt<br />

Falkenhagener Feld<br />

Gatow/Kladow<br />

Heerstraße Nord<br />

Hakenfelde<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

0 2 4 6 8 10 12 14<br />

Prozent<br />

7,6<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

7,9<br />

7,9<br />

8,0<br />

8,3<br />

Alleinerziehende nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 48.320<br />

Spandau insges.: 3.647 (7,6%)<br />

In Spandau leben insgesamt 7,6% aller allein erziehenden Hilfebedürftigen Berlins.<br />

Im Vergleich zu Marzahn-Hellersdorf, wo r<strong>und</strong> 10% aller allein erziehenden Personen<br />

nach SGB II leben, ist der Anteil an den Hilfebedürftigen hier etwas geringer, da<strong>für</strong> aber<br />

homogener in den einzelnen Bezirksregionen verteilt. Demzufolge sind die innerbezirkli-<br />

chen Disparitäten nicht ganz so stark ausgeprägt.<br />

Dennoch soll hervorgehoben werden, dass die Bezirksregionen Brunsbütteler Damm<br />

<strong>und</strong> Hakenfelde recht große Anteile Alleinerziehender an den Leistungsempfängern nach<br />

SGB II aufweisen (mehr als 9%). Währenddessen verzeichnen Spandau Mitte <strong>und</strong><br />

Haselhorst die geringsten Anteile. Da jedoch in Spandau Mitte ein Großteil der Hilfebe-<br />

dürftigen insgesamt nach SGB II lebt, sind hier andere Personengruppen stärker be-<br />

troffen. Welche dies genau sind, dazu lassen die folgenden Darstellungen Schlüsse zu.<br />

8,7<br />

8,9<br />

9,1<br />

9,6<br />

I/F/A/D


1.7.4.6 Ausländische Arbeitslose<br />

Grafik 80:<br />

Ausländische Arbeitslose nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Hakenfelde<br />

Falkenhagener Feld<br />

Wilhelmstadt<br />

Haselhorst<br />

Heerstraße Nord<br />

Spandau Mitte<br />

Siemensstadt<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

4,4<br />

12,2<br />

13,4<br />

17,1<br />

17,9<br />

0 5 10 15 20 25 30 35 40<br />

20,1<br />

Prozent<br />

21,4<br />

22,4<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Ausländische Arbeitslose<br />

Berlin insgesamt: 111.806<br />

Spandau insges.: 2.472 (5,7%)<br />

Die Bezirksregion mit dem höchsten Ausländeranteil an den Arbeitslosen ist Sie-<br />

mensstadt. Fast 30% aller Arbeitslosen nach SGB II sind hier Personen mit Ausländer-<br />

Status (29,9%). Im Vergleich zu den anderen Spandauer Bezirksregionen ist dieser Anteil<br />

sehr hoch. Spandau Mitte <strong>und</strong> Heerstraße Nord, Regionen mit der höchsten Konzentra-<br />

tion an Hilfebedürftigen nach SGB II, weisen mit 22,4% <strong>und</strong> 21,4% die nächst höheren<br />

Anteile auf.<br />

Der geringste Ausländeranteil an den arbeitslosen Personen nach SGB II <strong>und</strong> das am<br />

wenigsten problembehaftete Profil insgesamt kann <strong>für</strong> Gatow/Kladow (4,4%) dokumentiert<br />

werden.<br />

29,9<br />

105<br />

I/F/A/D


106<br />

1.7.4.7 Junge Arbeitslose<br />

Grafik 81:<br />

Arbeitslose unter 20 bzw. 25 Jahren nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Siemensstadt<br />

Haselhorst<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Hakenfelde<br />

Heerstraße Nord<br />

Wilhelmstadt<br />

Falkenhagener Feld<br />

Spandau Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

6<br />

6<br />

10<br />

12<br />

15<br />

47<br />

44<br />

40<br />

56<br />

46<br />

51<br />

75<br />

70<br />

114<br />

129<br />

174<br />

0 50 100 150 200 250 300<br />

Anzahl<br />

Junge Arbeitslose unter 20 Jahren Junge Arbeitslose unter 25 Jahren<br />

Die Arbeitslosigkeit jüngerer Jahrgänge ist absolut stärker bei den 20 bis 25-Jährigen<br />

ausgebildet als bei den unter 20-Jährigen.<br />

Die meisten jugendlichen Arbeitslosen nach SGB II leben wiederum in jenen Regionen<br />

des Bezirks, die soziale Brennpunkte darzustellen scheinen, in Spandau Mitte <strong>und</strong> Fal-<br />

kenhagener Feld. Die vorherigen Darstellungen deuteten schon häufig auf eine besonde-<br />

re Konzentration der Problemlagen in diesen Gebieten hin. Dennoch soll Jugendarbeitslo-<br />

sigkeit nicht nur anhand absoluter Zahlen analysiert werden. Auch die Betrachtung der<br />

verhältnismäßigen Anteile junger deutscher <strong>und</strong> ausländischer Arbeitsloser an den Ar-<br />

beitslosen insgesamt ist relevant <strong>und</strong> erfolgt in der nächsten Darstellung.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

221<br />

I/F/A/D


Grafik 82:<br />

Anteil junger Arbeitsloser unter 25 Jahren nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Haselhorst<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Siemensstadt<br />

Wilhelmstadt<br />

Heerstraße Nord<br />

Falkenhagener Feld<br />

Hakenfelde<br />

Spandau Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

5,2<br />

5,9<br />

0 2 4 6 8 10 12<br />

Prozent<br />

Auch hinsichtlich der Anteile junger arbeitsloser Personen an den Arbeitslosen nach<br />

SGB II insgesamt sticht die Bezirksregion Spandau Mitte hervor. Etwas mehr als jeder<br />

zehnte Arbeitslose nach SGB II ist hier unter 25 Jahre alt. Insofern kann in diesem Gebiet<br />

von erhöhter Perspektivlosigkeit junger Erwerbsfähiger gesprochen werden.<br />

Ebenso sind auch in Hakenfelde, Falkenberger Feld <strong>und</strong> Heerstraße Nord häufig junge<br />

Menschen arbeitslos.<br />

Die Bezirksregion Gatow/Kladow scheint auch hier am wenigsten problembelastet, die<br />

Jugendarbeitslosigkeit ist gering <strong>und</strong> nur halb so stark wie in Spandau Mitte.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

7,2<br />

7,8<br />

8,3<br />

8,6<br />

8,6<br />

8,8<br />

10,6<br />

107<br />

I/F/A/D


108<br />

1.7.4.8 Langzeitarbeitslose<br />

Grafik 83:<br />

Langzeitarbeitslose nach SGB II<br />

in den Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Gatow/Kladow<br />

Siemensstadt<br />

Hakenfelde<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Haselhorst<br />

Heerstraße Nord<br />

Wilhelmstadt<br />

Falkenhagener Feld<br />

Spandau Mitte<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

1,4<br />

4,3<br />

7,1<br />

7,3<br />

7,5<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

14,4<br />

Langzeitarbeitslose<br />

nach SGB II<br />

Berlin insgesamt: 72.518<br />

Spandau insgesamt: 4.884 (6,7%)<br />

Die Anteile Langezeitarbeitsloser <strong>und</strong> deren Verteilung innerhalb des Bezirks verläuft<br />

symmetrisch zu der Verteilung der Arbeitslosen nach SGB II allgemein. Arbeitslosigkeit<br />

hat sich insbesondere in den Bezirksregionen mit dem höchsten Transferbezug nach SGB<br />

II auf einem hohen „Sockel“ (ca. ein Fünftel aller Arbeitslosen) verfestigt. Auch in dieser<br />

Hinsicht bilden insbesondere Spandau Mitte <strong>und</strong> das Falkenhagener Feld besonders<br />

gefährdete Gebiete <strong>für</strong> die weitere Verstetigung von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Armut. Hier kon-<br />

zentrieren sich über 40 Prozent aller Langzeitarbeitslosen des Bezirks Spandau, während<br />

es in der weniger sozial belasteten Bezirksregion Gatow/Kladow „nur“ 1,4% sind. Wird die<br />

Region Wilhelmstadt in diese Betrachtung mit einbezogen, so leben in diesen drei von<br />

neun Bezirksregionen weit über die Hälfte aller Langzeitarbeitslosen des Bezirks.<br />

16,4<br />

20,1<br />

21,5<br />

I/F/A/D


1.7.4.9 Arbeitslose nach SGB III (ALG I)<br />

Grafik 84:<br />

Verteilung der Arbeitslosen nach SGB III<br />

auf die Bezirksregionen in Spandau<br />

Bezirksregionen<br />

Siemensstadt<br />

Haselhorst<br />

Gatow/Kladow<br />

Heerstraße Nord<br />

Hakenfelde<br />

Brunsbütteler Damm<br />

Spandau Mitte<br />

Wilhelmstadt<br />

Falkenhagener Feld<br />

Quelle: IFAD-Datenbank<br />

6,0<br />

6,8<br />

8,0<br />

9,7<br />

11,2<br />

11,4<br />

0 5 10 15 20 25<br />

Prozent<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

Arbeitslose nach SGB III<br />

Berlin insgesamt: 43.509<br />

Spandau insgesamt: 2.338 (5,4%)<br />

Auch bezüglich der Verteilung der Arbeitslosen nach SGB III auf die einzelnen Bezirks-<br />

regionen Spandaus zeichnet sich ein „Dreigestirn“ ab. Abermals nehmen Falkenhagener<br />

Feld, Wilhelmstadt <strong>und</strong> Spandau Mitte die führenden Positionen ein.<br />

Die meisten Arbeitslosen nach SGB III (ALG I-Empfänger) des Bezirks befinden sich in<br />

der Bezirksregion Falkenhagener Feld (16,3%). Danach folgt mit geringem Abstand Wil-<br />

helmstadt (15,9%) <strong>und</strong> Spandau Mitte ist das Gebiet mit dem drittgrößten Anteil Arbeits-<br />

loser nach SGB III (14,8%). Diese Regionen des Bezirks Spandau weisen auch die<br />

höchsten Anteile an Arbeitslosen nach SGB II <strong>und</strong> an Langzeitarbeitslosen im Vergleich<br />

aller Bezirksregionen auf.<br />

Die wenigsten Arbeitslosen nach SGB III leben in Siemensstadt <strong>und</strong> Haselhorst.<br />

14,8<br />

15,9<br />

16,3<br />

109<br />

I/F/A/D


110<br />

1.7.4.10 Kurze Zusammenfassung:<br />

Transferbezug nach Bezirksregionen in Spandau<br />

Der Bezirk Spandau zeigt eine weniger polarisierende Verteilung bzw. Segregation der<br />

Armutsrisikogruppen als beispielsweise die Bezirke Neukölln oder Mitte. Dennoch können<br />

drei stärker betroffene Regionen dieses Bezirks anhand der ausgewählten Indikatoren<br />

festgemacht werden. Dieses sogenannte „Dreigestirn“ zentraler Herausforderungen wird<br />

vor allem durch die Bezirksregionen Spandau Mitte, Falkenhagener Feld <strong>und</strong> Heer-<br />

straße Nord gebildet.<br />

Die Regionen Spandau Mitte <strong>und</strong> Falkenhagener Feld sind jene Gebiete, die die Mehr-<br />

heit an (Langzeit-)Arbeitslosen nach SGB II aufweisen. Mehr als 40% aller Arbeitslosen<br />

sind in diesen beiden Gebieten zentriert. Die Verstetigung von Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> Ab-<br />

hängigkeit von Transferleistungen manifestiert sich somit ganz besonders in diesen Ge-<br />

bieten <strong>und</strong> bedarf gerade hier entsprechender Interventionen. Dies bestätigt auch die er-<br />

höhte Arbeitslosigkeit junger Leute, die diese Gebiete kennzeichnet.<br />

Die Bezirksregion Heerstraße Nord ist insofern ein problembehaftetes <strong>und</strong> armutsge-<br />

fährdetes Gebiet, als dass insbesondere Familien mit jungen Kindern Betroffene von<br />

Transferbezügen nach SGB II sind. Der Anteil Nichterwerbsfähiger ist hier ausgesprochen<br />

hoch. Insofern ist hoher Handlungsbedarf gerade <strong>für</strong> dieses Gebiet gegeben, auch wenn<br />

sich die Problemsituation dieser Bezirksregion erst auf den zweiten Blick erschließt.<br />

Wilhelmstadt bildet neben Spandau Mitte <strong>und</strong> Falkenhagener Feld ebenfalls ein stark<br />

von Arbeitslosigkeit betroffenes Gebiet. Allerdings sind hier insbesondere Erwachsene<br />

von Arbeitslosigkeit betroffen <strong>und</strong> somit ist die Problemlage eine etwas andere. Diese<br />

Region ist aber als eine vierte armutsgefährdete Bezirksregion Spandaus zu charakte-<br />

risieren.<br />

Zusammenfassend können insbesondere <strong>für</strong> die im Kern des Bezirks Spandau gelege-<br />

nen Bezirksregionen erhöhte Armutsrisiken <strong>und</strong> -gefährdungen postuliert werden.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


2. Armutsrisiken <strong>und</strong> Bekämpfung von Kinder- <strong>und</strong> Familienarmut aus<br />

Expertensicht 34<br />

2.1 Einleitung<br />

Zum Vorhaben einer <strong>Bestandsaufnahme</strong> <strong>und</strong> <strong>Bedarfsanalyse</strong> mit dem Thema Bekämp-<br />

fung von Kinder- <strong>und</strong> Familienarmut in Berlin wurde ergänzend zur Zusammenstellung<br />

<strong>und</strong> Auswertung relevanter aktueller aussagekräftiger sozio-demographischer Daten zu<br />

den Lebensbedingungen <strong>und</strong> Armutsrisiken von Kindern <strong>und</strong> Familien in Berlin eine Be-<br />

fragung von Experten gesellschaftlich relevanter Institutionen durchgeführt. Damit sollten<br />

Führungskräfte ausgewählter sozialer Einrichtungen <strong>und</strong> Träger angesprochen werden,<br />

die mit ihren Leistungen <strong>und</strong> Angeboten die Zielgruppe der vom Armutsrisiko betroffenen<br />

Kinder <strong>und</strong> Familien erreichen. Folgende Fragen standen in den Gesprächen im Mittel-<br />

punkt:<br />

Welche konkrete Verantwortung trägt der Interviewpartner in der jeweiligen Instituti-<br />

on/Einrichtung?<br />

Welche speziellen Strukturen/Inhalte/Angebote gibt es zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung von<br />

durch Armut bedrohten Kindern <strong>und</strong> Familien in der jeweiligen Institution/Einrichtung?<br />

Welches ist die konkrete Zielgruppe, die angesprochen wird (z. B. Mehrkindfamilien,<br />

Alleinerziehende, Migranten o. ä.)?<br />

Welche gr<strong>und</strong>legenden Ursachen <strong>für</strong> Familien- <strong>und</strong> Kinderarmut werden gesehen?<br />

Was bedeutet es in der täglichen Praxis bzw. aus den Erfahrungen der jeweiligen In-<br />

stitution/Einrichtung insbesondere <strong>für</strong> Kinder, arm zu sein? Welches Gesicht hat Fami-<br />

lien/Kinderarmut in Berlin <strong>und</strong> wie zeigt sie sich im Alltag der Menschen/Kinder?<br />

Wie entscheidend wirkt sich die soziale Herkunft/der Migrationshintergr<strong>und</strong> auf die<br />

Lebensqualität bzw. den weiteren Lebensweg der Kinder aus?<br />

Welches sind neben einem Mangel an finanziellen Möglichkeiten weitere Faktoren, die<br />

Armut von Familien <strong>und</strong> insbesondere von Kindern ausmachen?<br />

Welche Einschränkungen werden <strong>für</strong> Familien <strong>und</strong> Kinder durch Armut in der Teil-<br />

nahme an sozialen <strong>und</strong> kulturellen Lebensbedingungen deutlich?<br />

Wie wirkt sich ein Leben in „Armut“ (armen Verhältnissen) auf den Ges<strong>und</strong>heitszu-<br />

stand von Kindern <strong>und</strong> Familien aus?<br />

Welche Auswirkungen haben „Zeit- <strong>und</strong> Erziehungsarmut“ in der Familie <strong>für</strong> Kinder?<br />

34 Die Gespräche wurden im Januar 2010 von jeweils zwei Interviewern des IFAD in einem Zeitraum von ca. 1<br />

bis 1,5 St<strong>und</strong>en leitfadenorientiert geführt, protokolliert <strong>und</strong> <strong>für</strong> die Analyse schwerpunktmäßig ausgewertet<br />

(Codierung nach Leitfragen, um Vergleichbarkeit in den Inhalten zu gewährleisten).<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

111


112<br />

Kann ein Zusammenhang zwischen Armut <strong>und</strong> Bildungschancen hergestellt werden?<br />

Sind bestehende (staatliche) Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote der Armutsprävention wirk-<br />

sam <strong>und</strong> erfolgversprechend? Welche anderen Maßnahmen, Leistungen <strong>und</strong> Angebo-<br />

te sollte <strong>und</strong> müsste es von Seiten der B<strong>und</strong>espolitik/<strong>Berliner</strong> Landespoli-<br />

tik/bezirklichen Kommunalpolitik geben, um das Armutsrisiko von Kindern <strong>und</strong> Fami-<br />

lien zu senken <strong>und</strong> die Gesamtsituation armer Familien zu verbessern?<br />

In nachfolgend aufgeführten Einrichtungen wurden Experteninterviews geführt:<br />

Caritasverband <strong>für</strong> das Erzbistum Berlin e. V.<br />

Schuldner- <strong>und</strong> Insolvenzberatung Berlin<br />

Große Hamburger Str. 18<br />

10115 Berlin (Herr Wahrmann)<br />

Deutscher Kinderschutzb<strong>und</strong> Landesverband Berlin e. V.<br />

Malplaquetstr. 38<br />

13347 Berlin (Frau Hentze)<br />

Eigenbetrieb „Kindergärten NordOst“<br />

Fröbelstr. 17, Haus 7<br />

10405 Berlin (Herr Böhm)<br />

<strong>Berliner</strong> Tafel Stiftung<br />

Beusselstr. 44 n-q<br />

10553 Berlin (Frau Werth)<br />

2.2 Zusammenfassende Darstellung der Gesprächsinhalte<br />

Das folgende Kapitel dokumentiert die gr<strong>und</strong>legenden Inhalte der im Januar 2010 geführ-<br />

ten Gespräche <strong>und</strong> verweist anschaulich aus unterschiedlicher Expertensicht auf ver-<br />

schiedenste Aspekte von Kinder-, Jugend- <strong>und</strong> Familienarmut in Berlin. Neben spezifi-<br />

schen Einblicken in diese Problematik aus der Sicht des jeweiligen Tätigkeitsfeldes bzw.<br />

der Aufgabenstellung der jeweiligen Einrichtung sind auch die allgemeinen Auffassungen<br />

<strong>und</strong> Überlegungen der Experten zu Armutsrisiken, Armutsbildern im öffentlichen Bereich,<br />

zur Armutsprävention <strong>und</strong> zu einem armutsbezogenen wirksamen politischen Handeln<br />

höchst interessant.<br />

In allen Gesprächen wurde mehr oder weniger detailliert, mehr oder weniger anschau-<br />

lich, mehr oder weniger umfassend, jedoch in jedem Fall engagiert, sachk<strong>und</strong>ig <strong>und</strong> in<br />

tiefer Verb<strong>und</strong>enheit mit sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen (insbesondere dann,<br />

wenn es von Armut bedrohte bzw. in Armut lebende Kinder <strong>und</strong> Jugendliche betraf) zu-<br />

mindest zu solchen armutsrelevanten Inhalten Stellung genommen, wie:<br />

1. Einkommensarmut <strong>und</strong> Armutsgefährdung durch Arbeitslosigkeit, Schulden <strong>und</strong><br />

Verschuldungsproblematik;<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


2. Kinder(früh)erziehungs- <strong>und</strong> Bildungsproblematik im Elternhaus <strong>und</strong> entsprechen-<br />

den Einrichtungen;<br />

3. Versorgungs-, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Ernährungsproblematik;<br />

4. Gesichter der Armut in der Öffentlichkeit <strong>und</strong> langjährige „Armutskarrieren“;<br />

5. Armut <strong>und</strong> Lebensperspektiven bzw. -einstellungen;<br />

6. Defizite an Lebensqualität durch Armut <strong>und</strong> Anregungen <strong>für</strong> zielgerichtetes politi-<br />

sches Handeln.<br />

Die Hinweise, Erfahrungen <strong>und</strong> Kenntnisse der Experten belegen anschaulich, dass in<br />

Berlin <strong>und</strong> seinen Bezirken ganz bestimmte Bevölkerungsgruppen Einschränkungen in<br />

ihrer Lebensqualität in Kauf nehmen müssen, in „armen“ materiellen Verhältnissen (Ein-<br />

kommen, Transferleistungen, Wohnung, Bildung, Versorgung usw.) leben bzw. einem<br />

hohen Armutsrisiko unterworfen sind. Dies geht oftmals einher mit einer sogenannten<br />

„geistigen <strong>und</strong> emotionalen Verarmung“, d. h. einer gr<strong>und</strong>legenden <strong>und</strong> verfestigten Le-<br />

benseinstellung, die von Hoffnungslosigkeit, Resignation, Handlungsunfähigkeit, man-<br />

gelndem Glaube an die Funktionsfähigkeit politischer <strong>und</strong> kommunaler Institutionen <strong>und</strong><br />

einem tiefen Pessimismus gekennzeichnet ist <strong>und</strong> so auch der eigenen Kindergeneration<br />

vermittelt wird. Sozialer Abstieg <strong>und</strong> „Transferleistungskarrieren“ sind vorprogrammiert.<br />

Wie schon die Datenauswertung im vorangegangenen Kapitel anschaulich zeigte, betrifft<br />

dies aus Sicht der befragten Experten insbesondere Alleinerziehende, vor allem Mütter<br />

mit einem oder mehreren Kindern, Familien mit mehreren Kindern, ausländische <strong>Berliner</strong><br />

Bürger <strong>und</strong> solche mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Potenziert wird die Gefahr, langfristig in Ar-<br />

mut leben zu müssen, wenn mehrere dieser Merkmale zusammentreffen. Kinder, so sind<br />

sich die Experten einig, stellen mehr alles andere ein Armutsrisiko dar <strong>und</strong> die Einkom-<br />

mensarmut durch Arbeitslosigkeit beeinflusst in höchstem Maße Armutsrisiken <strong>und</strong> alle<br />

anderen „Gesichter“ der Armut. Die Ablehnung des geplanten „Erziehungs- bzw. Fami-<br />

liengeldes“ ist eindeutig, weil diese Maßnahme kaum dazu dient, Kinder in die Gesell-<br />

schaft, deren Betreuungssysteme <strong>und</strong> in eine soziale Kommunikation zu integrieren, viel-<br />

mehr wird eine weitere Isolation <strong>und</strong> Segregation, sowohl regional als auch sozial, die<br />

Folge sein.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

113


114<br />

2.3 Protokoll des Experteninterviews mit Herrn C. Wahrmann, Leiter der<br />

Schuldner- <strong>und</strong> Insolvenzberatung der CARITAS in Berlin-Mitte<br />

Termin: 12.01.2010<br />

Gesprächsführer: Dr. Schulz (IFAD Berlin)<br />

Protokollant: Herr Janke (IFAD Berlin)<br />

Inhalt:<br />

Zunächst wird der Gr<strong>und</strong> des Experteninterviews (Auftrag an das IFAD durch den <strong>Berliner</strong><br />

Familienbeirat/Mitarbeit am <strong>Berliner</strong> Familienbericht) umrissen. Der Schwerpunkt liegt<br />

dabei auf Fragen der Armutsgefährdung bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen sowie Familien.<br />

Die Auswahl der Gesprächspartner basiere auf den Wünschen des Auftraggebers.<br />

1. Stellung, Verantwortung <strong>und</strong> Aufgaben des Gesprächspartners:<br />

Seit 20 Jahren in der Schuldnerberatung tätig, angefangen in Kreuzberg, derzeit Leiter<br />

der hiesigen Schuldnerberatung in (Alt)Berlin-Mitte, die im wesentlichen von ihm mit auf-<br />

gebaut wurde. Diese Beratungsstelle ist eine von 20 Stellen in Berlin <strong>und</strong> eine von drei in<br />

Berlin-Mitte.<br />

Schwerpunkt der Tätigkeit ist die Beratung hier in der Geschäftsstelle, aber es gibt ergän-<br />

zend weitere offene Beratungen z. B. in den Räumen des bezirklichen Jugendamtes, des<br />

Job-Centers u. a. m. Mit den genannten Partnern gibt es ein gemeinsames Projekt der<br />

Kinder- <strong>und</strong> Jugendberatung sowie der Beratung junger Erwachsener.<br />

2. Welche speziellen Strukturen/Inhalte/Angebote gibt es zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung<br />

von durch Armut bedrohten Kindern <strong>und</strong> Familien in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

Besonderer Handlungsbedarf steht in der präventiven Beratung, vor allem bei jüngeren<br />

Altersgruppen. Diesbezüglich gibt es ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Evangeli-<br />

schen Akademie, das sich im dritten Jahr befindet <strong>und</strong> dessen Finanzierung derzeit nur<br />

auf Spenden beruht. Die wenigen Haushaltsmittel <strong>für</strong> präventive Beratung (90.000€) sind<br />

jetzt ganz gestrichen worden. Gerade im Bereich der präventiven Beratung greift das ge-<br />

nerelle Prinzip einer Kosten-Leistungs-Rechnung nicht, weil hier die Verhinde-<br />

rung/Beratung vor einer Verschuldung das Ziel ist. Verschärfend kommt noch die<br />

Zwangsverwaltung des Haushalts im Bezirk Mitte hinzu.<br />

Zwei Themen sind besonders häufig Gegenstand der Beratung. Zum einen die fehlenden<br />

Mittel zur Existenzsicherung, einschließlich <strong>für</strong> Mieten, <strong>für</strong> Ernährung, <strong>und</strong> zum anderen<br />

die Schulden bei Fre<strong>und</strong>en, Bekannten usw. Beides wird als besonders bedrohlich von<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


den Schuldnern angesehen. Besonders die Schulden bei Fre<strong>und</strong>en, im Bekannten- oder<br />

auch Familienkreis führen zu einer weiteren Verschärfung der gesellschaftlichen <strong>und</strong> so-<br />

zialen Isolation, die schon durch den teilweisen Ausschluss aus dem gesellschaftlichen<br />

Leben durch mangelnde finanzielle Mittel besteht.<br />

Die „anerkannte nichtkommerzielle Schuldnerberatung“ kann nur ca. 10% der Schuldner<br />

beraten. Die Gesamtzahlen der Schuldner, auch in Berlin, können nur geschätzt werden<br />

auf der Basis von „Creditreform“ bzw. im „Schuldneratlas“ usw. (siehe dazu Exkurs). Ein<br />

Berater kann im Jahr etwa 100-120 Schuldenfälle real bearbeiten. Dabei muss auch die<br />

Befähigung zur „ganzheitlichen Beratung“ gegeben sein.<br />

Eine sehr stabile Tendenz zeigt sich hinsichtlich der hohen Zahl von Verschuldungen,<br />

wobei ein Sinken der privaten <strong>und</strong> gewerblichen Insolvenzfälle bezweifelt wird. Es gibt<br />

einfach zu wenige Berater <strong>und</strong> Anwälte. Berlin ist zwar in der Schuldnerberatung gegen-<br />

über z. B. Hessen <strong>und</strong> Bayern vergleichsweise gut ausgestattet. Es reicht aber trotzdem<br />

bei weitem nicht aus.<br />

3. Welches ist die konkrete Zielgruppe, die angesprochen wird (z. B.<br />

Mehrkindfamilien, Alleinerziehende, Migranten o. ä.)?<br />

In Alt-Mitte gibt es bei der Beratung eine starke Durchmischung des Beratungsklientels.<br />

Hervorhebenswert sind allerdings Alleinerziehende mit einem <strong>und</strong> mehreren Kindern. Es<br />

stehen hier aber nicht in dem Maße Migranten im Vordergr<strong>und</strong>, wie es noch aus Kreuz-<br />

berg bekannt war. Wichtig ist außerdem, dass es sich bei der Schuldnerberatung durch<br />

die CARITAS um eine ganzheitliche, sozialorientierte Beratung handelt <strong>und</strong> nicht um eine<br />

Vermittlung von Anwälten zur Beratung, wie es beispielsweise bei anderen Verbänden<br />

gemacht wird.<br />

4. Welche gr<strong>und</strong>legenden Ursachen <strong>für</strong> Familien- <strong>und</strong> Kinderarmut werden<br />

gesehen?<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

115<br />

5. Was bedeutet es in der täglichen Praxis bzw. aus den Erfahrungen der<br />

jeweiligen Institution/Einrichtung insbesondere <strong>für</strong> Kinder, arm zu sein?<br />

Welches Gesicht hat Familien/Kinderarmut in Berlin <strong>und</strong> wie zeigt sie<br />

sich im Alltag der Menschen/Kinder?<br />

Kinderarmut ist ein großes Problem <strong>und</strong> hat folgende Auswirkungen. Es gibt häufig eine<br />

„Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen Leben“, wie z. B. keine regelmäßige Teilnahme<br />

an Kultur- <strong>und</strong> Sportveranstaltungen, Ausschluss von Klassenfahrten <strong>und</strong> Kindergeburts-<br />

tagen, nicht die „In-Markenkleidung“, nicht die „Superhandys“ <strong>und</strong> die entsprechenden<br />

Verträge u. v. m. Wenn die Familien die Markenzeichen bzw. „Standards“ trotzdem an-<br />

streben, wird es häufig zu einer Ursache der Verschuldung in den Familien. Es wird ver-


116<br />

wiesen auf Zusammenhänge zwischen Armut <strong>und</strong> Fehl- bzw. Falschernährung bereits im<br />

Kindesalter, Armut <strong>und</strong> Depression bzw. Armut <strong>und</strong> Phobien.<br />

„Sehr stabiler“ Hauptgr<strong>und</strong> der Armut ist die Arbeitslosigkeit <strong>und</strong> an zweiter Stelle Schei-<br />

dung bzw. Trennung vom Partner. Hier gibt es auch einen „Ursache-Wirkungs-<br />

Zusammenhang“ zwischen Schuldenlast <strong>und</strong> Trennung <strong>und</strong> weiterer Verschuldung oder<br />

Trennung wegen Schuldenlast, eine Art „Spirale“.<br />

Seit den letzten 5 Jahren kommt als Hauptgr<strong>und</strong> <strong>für</strong> Verschuldung/Armut etwas Neues auf<br />

die Schuldnerberatung zu. Jeder 5. Betroffene gibt als einen wesentlichen Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> die<br />

Verschuldung „eine unwirtschaftliche Haushaltsführung“ an. Es fehlen also insbesondere<br />

bei jungen Altersgruppen die elementarsten Gr<strong>und</strong>lagen zur Führung eines eigenständi-<br />

gen Haushalts (vor allem Einnahmen- <strong>und</strong> Ausgabentabellen bzw. die Fähigkeiten zu ei-<br />

ner wirtschaftlichen Rechnungsführung). Das wurde früher in sogenannten Elternzentren<br />

beigebracht, genau wie Kochkurse, Haushaltsplanung usw. <strong>und</strong> sollte unbedingt wieder<br />

Eingang in die Angebote entsprechender Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungseinrichtungen, Frei-<br />

zeitclubs, Mehrgenerationenhäuser usw. finden.<br />

Seit 2005 mit der Einführung von „Hartz IV“ wächst auch eine „Mir-doch-egal-Stimmung“.<br />

Ein großes Problem ist außerdem, dass die Einmalzahlungen der Sozialhilfe (einmalige<br />

Hilfen zum Lebensunterhalt) z. B. <strong>für</strong> den Wintermantel, die Reparatur der Waschmaschi-<br />

ne usw. abgeschafft wurden. Die betroffenen Familien sind froh, wenn sie mit dem weni-<br />

gen Geld überhaupt über den Monat kommen. Es kann nichts angespart werden. Hinzu<br />

kommen noch die vielen geringen Einkommen unter 900€ Netto. Das alles verschärft die<br />

Armutslage.<br />

6. Wie entscheidend wirkt sich die soziale Herkunft/der Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

auf die Lebensqualität bzw. den weiteren Lebensweg der Kinder<br />

aus?<br />

Migranten (insbesondere jüngere) geraten anders in die Verschuldung. Früher war der<br />

Familienzusammenhalt dort noch stärker als heute. Viele definieren sich heute über das<br />

„tolle Auto“, „Handy“ usw., auch wenn es nur <strong>für</strong> das Wochenende geliehen ist. Heute<br />

unterliegen Migranten genauso den „Konsumverlockungen“ wie Deutsche. Es gibt „Ar-<br />

mutsghettos“ in Berlin <strong>und</strong> auch regelrechte „Schuldnerdynastien“. Ursachen <strong>für</strong> Armutsri-<br />

siken sind auch oft der fehlende Schul- <strong>und</strong> Berufsabschluss. Außerdem liegen zumeist<br />

„schwierige“ Familienverhältnisse vor.<br />

Es gibt nur zwei Berater in türkischer Sprache. Das ist zu wenig. Um Abhilfe schon in den<br />

Anfängen zu schaffen, könnte sich die Nutzung der in Berlin kostenlosen Kita erweisen.<br />

Dies auch, um im Vorschuljahr <strong>für</strong> vergleichbare Startbedingungen in den Schulen zu sor-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


gen. Hier wirkt die sogenannte „Erziehungsprämie“ (Familien-bzw. Elterngeld) kontrapro-<br />

duktiv.<br />

Es gibt eine Art „Vererbung“ der Verschuldungen z. B. von Müttern auf die Kinder. So et-<br />

was ist bekannt, kann aber nicht statistisch belegt werden. Wichtig ist auf jeden Fall die<br />

präventive Beratung, am besten obligatorisch ab der 8. Klasse. Damit kann auch mal de-<br />

monstriert werden, dass die Schuldnerberater „ganz normale Menschen“ sind <strong>und</strong><br />

Schwellenängste abgebaut werden. Auch sollte in solchen „Präventivberatungen“ auf die<br />

Hauptgefahren <strong>für</strong> Verschuldung aufmerksam gemacht werden, das sind <strong>für</strong> junge Leute<br />

insbesondere Handys mit ihren hohen Vertragskosten, die erste eigene Wohnung <strong>und</strong> das<br />

erste Auto.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

117<br />

7. Sind bestehende (staatliche) Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote der Armutsprävention<br />

wirksam <strong>und</strong> erfolgversprechend? Welche anderen Maßnahmen,<br />

Leistungen <strong>und</strong> Angebote sollte <strong>und</strong> müsste es von Seiten der B<strong>und</strong>espolitik/<strong>Berliner</strong><br />

Landespolitik/bezirklichen Kommunalpolitik geben, um<br />

das Armutsrisiko von Kindern <strong>und</strong> Familien zu senken <strong>und</strong> die Gesamtsituation<br />

armer Familien zu verbessern?<br />

Wegen des großen Unterschieds zwischen anwaltlicher <strong>und</strong> ganzheitlicher sozialer<br />

Schuldnerberatung muss die staatliche Schuldnerberatung auf eine solide Finanzierungs-<br />

basis gestellt werden. Z. B. gibt es im Land Schleswig-Holstein <strong>für</strong> die Schuldnerpräventi-<br />

on etwa 7 Mio.€ aus Haushaltsmitteln. In (Alt)Berlin-Mitte gibt es nicht mal sicher die<br />

90.000€. Prävention muss ohne „Kosten-Leistungs-Druck“ finanziell realisierbar sein.<br />

Im Lehrplan in den Schulen sollte die Schuldenproblematik fest verankert werden. Dazu<br />

gibt es bisher nichts - keine Konzepte, keine Ausbildung bei Lehrern. Berlin hält sich völlig<br />

unberechtigt aus solchen Überlegungen raus.<br />

Mindestlöhne, die Einkommen über 900€ Netto stabil gewährleisten, sind ganz sicher<br />

sinnvoll, um die Verschuldungsproblematik zu entschärfen. Die Regelsätze <strong>für</strong> „Hartz IV“<br />

(besonders <strong>für</strong> Kinder) sind zu gering bemessen, um eine vernünftige Teilnahme am ge-<br />

sellschaftlichen Leben zu erlauben.<br />

Zum Abschluss des Gesprächs wird darauf verwiesen, dass statistische Angaben zur<br />

Verschuldung in Berlin in einem Bericht der Senatsverwaltung <strong>für</strong> Soziales zu den<br />

Schuldnerberatungen erschienen sind (März 2009) bzw. entsprechende statistische Über-<br />

sichten bei „Creditreform“ vorliegen. Des weiteren wird zugesichert, dass der derzeit zu<br />

erarbeitende „Jahresbericht 2009“ der Schuldnerberatung <strong>für</strong> den Familienbericht zur Ver-<br />

fügung gestellt werden kann, wenn das Einverständnis der CARITAS vorliegt.


118<br />

Exkurs: Familien besonders von Überschuldung betroffen 35<br />

Auch die Überschuldungsstatistik zeigt: Kinder sind nach wie vor ein Armutsrisiko!<br />

Die Zahl der Haushalte mit 3 Personen sowie derjenigen mit 4 <strong>und</strong> mehr Personen ist<br />

unter den Ratsuchenden in der <strong>Berliner</strong> Schuldnerberatung gegenüber dem Durch-<br />

schnittswert der Gesamtbevölkerung Berlins deutlich überrepräsentiert: 11,9% der Klien-<br />

tinnen <strong>und</strong> Klienten leben in Haushalten mit 4 <strong>und</strong> mehr Personen (Stand 31.12.2008).<br />

Der <strong>Berliner</strong> Durchschnitt liegt bei 7,7% 36 . Ähnliches gilt <strong>für</strong> die Haushalte mit 3 Personen<br />

(14,0% gegenüber 10,1% im Landesdurchschnitt).<br />

Die Jugendverschuldung nimmt zu: Im Hinblick auf das Alter der Betroffenen ist über die<br />

letzten Jahre hinweg eine ansteigende Tendenz bei der Überschuldung Jugendlicher<br />

<strong>und</strong> junger Erwachsener zu beobachten. Die Altersgruppe der bis 29-Jährigen umfasste<br />

zum 31.12.2008 18,3% der Klientinnen <strong>und</strong> Klienten. 50,9% der Klientinnen <strong>und</strong> Klienten<br />

waren zwischen 30 <strong>und</strong> 49 Jahre alt. Der Anteil der 50 bis 59-Jährigen lag bei 19,2%.<br />

Aber auch bei der Gruppe der jungen Erwachsenen bis 20 Jahre war ein klarer Anstieg zu<br />

verzeichnen.<br />

Verschiedene Faktoren sind da<strong>für</strong> verantwortlich, dass die Überschuldungssituation in<br />

Berlin besonders gravierend ist: An erster Stelle ist die nach wie vor hohe Arbeitslosig-<br />

keit zu nennen. Zum Jahresende 2008 lag die Arbeitslosigkeit als Überschuldungsur-<br />

sache wiederum – wie bereits seit Jahren – an erster Stelle (22,5%). Weiter sind u. a.<br />

Trennungen <strong>und</strong> Scheidungen (11,6%), Niedrigeinkommen (9,6%), Erkrankung (10,6%)<br />

sowie gescheiterte Selbstständigkeit (8,4%) zu nennen.<br />

Ein weiterer Faktor ist der hohe Anteil an Alleinerziehenden. Dem Stadtstaatenver-<br />

gleich Hilfe zur Erziehung zufolge weist Berlin einen deutlich höheren Anteil Alleinerzie-<br />

hender mit Kindern unter 18 Jahren (46%) aus, als Bremen <strong>und</strong> Hamburg (jeweils 33,9%).<br />

Niedriges Nettoeinkommen der Familien: <strong>Berliner</strong> Familien mit Kindern verfügen im<br />

Durchschnitt über ein deutlich geringeres Einkommen als Familien mit Kindern in Bremen<br />

oder Hamburg. Die Quote der Familien, die lediglich über ein monatliches Nettoeinkom-<br />

men von weniger als 1.500€ verfügen, liegt mit 34,5% um 22,5% höher als in Bremen <strong>und</strong><br />

Hamburg.<br />

Niedriges verfügbares Durchschnittseinkommen: Auch das durchschnittliche verfüg-<br />

bare Einkommen aller Privathaushalte liegt in Berlin niedrig. Es erreicht lediglich 75%<br />

bzw. 64% des Bremer bzw. Hamburger Niveaus.<br />

35 Dieser Exkurs basiert auf einem Informationsmaterial der <strong>Berliner</strong> Schuldnerberatung. Siehe dazu:<br />

www.Schuldnerberatung-berlin.de/Zahlen <strong>und</strong> Fakten.<br />

36 Angabe des Amtes <strong>für</strong> Statistik Berlin Brandenburg aus Mikrozensus 2007<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Mietschulden steigen stark<br />

Besonderes Augenmerk gilt in der Schuldnerberatung den Mietschulden. Hier ist in vielen<br />

Fällen die sofortige Intervention einer Schuldnerberatung unumgänglich, um Zwangsräu-<br />

mungen <strong>und</strong> weitere Folgen bis hin zur Obdachlosigkeit zu verhindern. Besorgniserre-<br />

gend ist, dass die Höhe der durchschnittlichen Mietschulden kontinuierlich ansteigt, eben-<br />

so der Anteil der betroffenen Klienten (zum 31.12.2008 wiesen 29,0% aller Klienten Miet-<br />

schulden auf). Im Durchschnitt betrugen zum Stichtag 31.12.2008 die Miet- <strong>und</strong> sonstigen<br />

Wohnschulden bei den betroffenen Klienten 4.043€ (4.012€ zum 30.06.2008). Auch ins-<br />

gesamt stiegen die Miet- <strong>und</strong> sonstigen Wohnschulden zum 31.12.2008 an, <strong>und</strong> zwar auf<br />

16.181.564€ (30.06.: 16.055.673€).<br />

Die gestiegenen Energiepreise haben die Situation der Betroffenen verschlechtert.<br />

Dementsprechend weist die Statistik durchschnittlich nunmehr 1.000€ Energieschulden je<br />

Klient bei 2.501 Betroffenen aus (30.06.: 961€; 2.424 Betroffene). Auch die Gesamthöhe<br />

der Energieschulden steigt stetig an.<br />

Situation in den Bezirken 37<br />

Die Überschuldungssituation in den Bezirken war bis 2007 auf teilweise erschreckende<br />

Werte gestiegen, hat sich aber seit 2008 insgesamt weiter leicht entspannt <strong>und</strong> sich nicht<br />

in dem Maße negativ entwickelt, wie dies angesichts der globalen Finanz- <strong>und</strong> Wirt-<br />

schaftskrise zu be<strong>für</strong>chten war. Die Schuldnerquoten 38 in urbanen Ballungsgebieten wie<br />

Berlin weisen jedoch weiterhin deutlich höhere Werte auf als in ländlichen Regionen <strong>und</strong><br />

zeigen innerhalb der Stadt z. T. erhebliche Differenzen. Die nachfolgende Tabelle veran-<br />

schaulicht die Situation in den einzelnen Stadtteilen (ehemalige <strong>Berliner</strong> Bezirke vor der<br />

Verwaltungsreform) der <strong>Berliner</strong> Bezirke insgesamt 2009. Unschwer ist zu erkennen, dass<br />

die Stadtteile, die zu den sozialen Brennpunkten Berlins mit einer hohen Armutsge-<br />

fährdung zu zählen sind <strong>und</strong> auf die bereits mehrfach in dieser Studie hingewiesen wur-<br />

de, auch diejenigen mit den nach wie vor höchsten Schuldnerquoten 39 sind.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

119<br />

37 Vgl.: Creditrefom SchuldnerAtlas 2009 Berlin, www.creditreform-berlin.de<br />

38 Schuldnerquote: Anteil der Personen mit so genannten Negativmerkmalen im Verhältnis zu allen Personen<br />

ab 18 Jahren. Als Negativmerkmale werden erfasst: aktuell vorliegende juristische Sachverhalte (Haftanordnungen<br />

zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung <strong>und</strong> Privatpersoneninsolvenz),<br />

unstrittige Inkasso-Fälle gegenüber Privatpersonen <strong>und</strong> nachhaltige Zahlungsstörungen,<br />

d.h. mindestens zwei, meist aber mehrere vergebliche Mahnungen mehrerer Gläubiger. Vgl. ebenda, S. 5<br />

39 Vgl. ebenda, S. 14 f.


120<br />

Tabelle: Schuldnerquoten in den Stadtteilen Berlins 2004, 2007, 2009<br />

Stadtteil Quote 2004 Quote 2007 Quote 2009<br />

1. Wedding 19,96 23,85 19,32<br />

2. Neukölln 18,58 22,02 17,46<br />

3. Tiergarten 17,47 20,95 16,39<br />

4. Hellersdorf 19,22 17,73 15,00<br />

5. Kreuzberg 17,22 19,14 14,74<br />

6. Marzahn 20,97 17,61 14,45<br />

7. Hohenschönhausen 18,49 15,96 13,68<br />

8. Weißensee 16,40 15,99 13,37<br />

9. Spandau 14,19 16,00 12,64<br />

10. Treptow 14,78 15,56 12,38<br />

11. Charlottenburg 12,69 14,50 11,37<br />

12. Schöneberg 12,22 13,21 10,49<br />

13. Pankow 12,57 13,07 10,13<br />

14. Mitte 12,22 12,64 9,88<br />

15. Tempelhof 9,98 12,06 9,61<br />

16. Prenzlauer Berg 13,09 11,87 9,50<br />

17. Wilmersdorf 9,28 10,69 8,59<br />

18. Köpenick 10,02 10,26 8,41<br />

19. Steglitz 8,86 10,35 8,24<br />

20. Zehlendorf 6,80 8,39 6,80<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


2.4 Protokoll des Experteninterviews mit Herrn Böhm, Bereichsleiter des<br />

Eigenbetriebs „Kindergärten NordOst“ <strong>für</strong> Lichtenberg<br />

Termin: 18.01.2010<br />

Gesprächsführer: Herr Janke (IFAD Berlin)<br />

Protokollantin: Frau Bugenhagen (IFAD Berlin, Praktikantin)<br />

Inhalt:<br />

Zunächst wird der Gr<strong>und</strong> des Experteninterviews (Auftrag an das IFAD durch den <strong>Berliner</strong><br />

Familienbeirat/Mitarbeit am <strong>Berliner</strong> Familienbericht) umrissen. Der Schwerpunkt liegt<br />

dabei auf Fragen der Armutsgefährdung bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen sowie Familien.<br />

Die Auswahl der Gesprächspartner basiere auf den Wünschen des Auftraggebers.<br />

1. Welche konkrete Verantwortung trägt der Interviewpartner in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

Der Gesprächspartner ist Bereichsleiter im Eigenbetrieb NordOst. Der Eigenbetrieb um-<br />

fasst 3 Bezirke (Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf <strong>und</strong> Pankow) mit 77 Kitas insgesamt,<br />

davon 22 in Lichtenberg, 39 in Pankow <strong>und</strong> 16 in Marzahn-Hellersdorf. 1.500 Mitarbeiter<br />

sind im Eigenbetrieb beschäftigt, es gibt 5 Bereichsleiter <strong>für</strong> diese 3 Bezirke. Vom Ge-<br />

sprächspartner werden 17 Kitas in Lichtenberg mit r<strong>und</strong> 1.700 Plätzen <strong>und</strong> ca. 250 päda-<br />

gogischen Mitarbeitern betreut. Seine Hauptaufgabengebiete bestehen in der Fachauf-<br />

sicht, der Personalsteuerung <strong>und</strong> der Begleitung bei Qualitäts- <strong>und</strong> Bauentwicklung.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

121<br />

2. Welche speziellen Strukturen/Inhalte/Angebote gibt es zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung<br />

von durch Armut bedrohten Kindern <strong>und</strong> Familien in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

3. Welches ist die konkrete Zielgruppe, die angesprochen wird (z. B.<br />

Mehrkindfamilien, Alleinerziehende, Migranten o. ä.)?<br />

Es existieren verschiedene Angebote zur Unterstützung von armutsgefährdeten Kindern<br />

<strong>und</strong> Familien, allerdings sind die Sozialstrukturen in den einzelnen Bezirksregionen sehr<br />

verschieden. Karlshorst z. B. verfügt über eine sehr gute <strong>und</strong> stabile Einkommensstruktur,<br />

Hohenschönhausen Nord ist ein Ort mit vielen Transferleistungen oder niedrigen Ein-<br />

kommensniveaus. Dementsprechend gibt es sehr „unterschiedliche Profile <strong>und</strong> Angebote<br />

der Kitas“ entsprechend der Bezirksstrukturen.


122<br />

„Unterstützungsmaßnahmen“ sind vor allem:<br />

Integration von sozial <strong>und</strong> psycho-somatisch auffälligen Kindern in Kindergärten,<br />

Sprachförderung, Sprachentwicklung, Aufbau von Familienzentren („Kindergarten soll<br />

als integrale Einrichtung fungieren – was neuerdings immer häufiger thematisiert wird.<br />

Multiprofessionelle, vernetzte <strong>und</strong> kooperative Arbeit der Kitas ist in diesem Sinne<br />

wichtig“).<br />

Kinderschutz<br />

„Schulung der Mitarbeiter“ zu sozial-pädagogischen Fachkräften, Weiterbildung<br />

Integration von behinderten <strong>und</strong> seelisch beeinträchtigten Kindern steht im Vor-<br />

dergr<strong>und</strong>, Integration wird nicht nur auf den Migrationshintergr<strong>und</strong> bezogen, sondern<br />

weiter gefasst. (es sind auch weniger Migrationsprobleme im Bezirk vorhanden, ca. 20<br />

bis 30% Migrationsanteil, vorrangig Vietnamesen, „Russlanddeutsche“ die oft einen<br />

deutschen Pass besitzen, aber teilweise auch „integrationsbedürftig“ sind). Im Zent-<br />

rum stehen „Teilhabechancen“, Ziel ist der Ausgleich von Ungleichgewichten, psycho-<br />

soziale oder sozial-emotionale Entwicklungsstörungen wie ADHS, teilautistische Stö-<br />

rungen <strong>und</strong> Bindungsstörung nehmen gegenwärtig zu. Das führt zu einem erhöhten<br />

Förderbedarf, <strong>für</strong> den auch „Betreuungsverträge“ mit den Eltern nötig sind. Es gibt das<br />

Gutscheinverfahren bei der Kitawahl <strong>und</strong> die Beitragspflicht <strong>für</strong> alle Eltern (Beiträge<br />

nach Einkommen ausgerichtet, von 50 bis 600 Euro belaufen sich Beiträge, Beiträge<br />

sind nach St<strong>und</strong>enumfang, Alter etc. gestaffelte Kostensätze, im Mittel zwischen 120<br />

bis 150 Euro). Dies wird jedoch nicht gefördert, daher ist eine verspätete Zahlung oft<br />

der Fall. Dies führt jedoch nicht zur Kündigung oder dem Ausschluss der Kinder, nur<br />

„Drohung“. Denn die Verpflichtung der Kita besteht darin, das Kinderwohl <strong>und</strong> den<br />

Kinderschutz „im Fokus“ zu haben. Trotzdem ist in den Kitas eine wirtschaftliche Ar-<br />

beit nötig, daher entstehen „Zielkonflikte“. „Kindertagesbetreuung“ ist das Kernfeld<br />

(Betreuung von Kindern von 0 bis 6 Jahren), die Kita ist „keine soziale Einrichtung mit<br />

Beratungsangeboten“. Es werden jedoch „Entwicklungsgespräche r<strong>und</strong> ums Kind“ ge-<br />

führt, auch über die häusliche Situation. „Vernetzungsmöglichkeiten“ zu anderen Bera-<br />

tungsstellen werden genutzt, z. B. werden familienunterstützende Hilfen weiteremp-<br />

fohlen, Kooperationen <strong>und</strong> Kommunikation zwischen Kita <strong>und</strong> Eltern finden statt.<br />

Die soziale „Durchmischung“ wirkt integrativ, ist aber auch abhängig von der Lokali-<br />

sierung/dem Standort der Kita, denn Kitas spiegeln auch immer das Klientel des Umfeldes<br />

wieder. Generell erfolgt keine Selektion der Platzvergabe nach Einkommen der Eltern<br />

oder sozialem Status (Ausnahme: „Kreativitätsgr<strong>und</strong>schule“ in Karlshorst, hohe Einschu-<br />

lungsgelder). „Selektion ist keine gute Entwicklung <strong>für</strong> Kindergärten“.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


4. Welche gr<strong>und</strong>legenden Ursachen <strong>für</strong> Familien- <strong>und</strong> Kinderarmut werden<br />

gesehen?<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

123<br />

5. Was bedeutet es in der täglichen Praxis bzw. aus den Erfahrungen der<br />

jeweiligen Institution/Einrichtung insbesondere <strong>für</strong> Kinder, arm zu sein?<br />

Welches Gesicht hat Familien/Kinderarmut in Berlin <strong>und</strong> wie zeigt sie<br />

sich im Alltag der Menschen/Kinder?<br />

6. Welches sind neben einem Mangel an finanziellen Möglichkeiten weitere<br />

Faktoren, die Armut von Familien <strong>und</strong> insbesondere von Kindern ausmachen?<br />

Gesamtgesellschaftliche Differenzierungsprozesse der Gegenwart werden als Gr<strong>und</strong> ge-<br />

sehen, die historische Umwälzung, besonders in Ost-Berlin, die Globalisierung <strong>und</strong> Ver-<br />

änderung der Wirtschaft, wodurch „Arbeitsplätze mit entsprechendem Lohnniveau wegfal-<br />

len“. Klassische Strukturen <strong>und</strong> Berufskarrieren gehen verloren, lebenslange Beschäfti-<br />

gungsverhältnisse sind nicht mehr existent, Wertsysteme differenzieren sich, zunehmen-<br />

de soziale Unsicherheit ist vorhanden, „Verwerfungsprozesse“ finden besonders in Ost-<br />

Berlin statt, ganz besondere Schichten von Menschen sind durch Arbeitslosigkeit betrof-<br />

fen (z. B. Facharbeiter aus Produktion). „Abwärtsspirale“ durch ABM-Stellen, „Niedrig-<br />

lohnarbeit“ dieser Arbeitslosen durch den wirtschaftlichen Wandel bedingt. Mit dem wirt-<br />

schaftlichen Wandel <strong>und</strong> den Arbeitsmarktproblemen geht kulturelle Armut einher.<br />

Bedingt durch geringe finanzielle Ressourcen hat sich eine „Bildungsferne“ entwickelt,<br />

Motivationen <strong>und</strong> „Kulturtechniken“ fehlen, um finanzielle Engpässe zu überbrücken. Die<br />

Kulturindustrie <strong>und</strong> die Konsumgesellschaft signalisieren ein Bild vom Reichtum. Dies hat<br />

eine „gr<strong>und</strong>depressive“ Stimmung zur Folge sowie eine Überforderung armer Haushalte.<br />

Es folgt der Rückzug ins Private <strong>und</strong> in die Defensive, Privatsphäre als „Schutzraum“. Es<br />

erfolgt auch ein Rückzug aus der Erziehung, ein Zerfall der Alltagsstrukturen, der Alltag<br />

wird destrukturiert („dann wird eben nicht mehr pünktlich gegessen“). Kinderschutzfälle<br />

sind Folgen dieser Entwicklung, breitere Bevölkerungsschichten werden von einer „gewis-<br />

sen Verwahrlosung“ erfasst (unterste Grenze eines Familiennettoeinkommens <strong>für</strong> 1 Per-<br />

son zwischen 1.200 <strong>und</strong>1.500 Euro - <strong>für</strong> einen Erwerbstätigen in Vollzeitbeschäftigung).<br />

Eine weitere Ursache <strong>für</strong> Armut stellt die besagte „Bildungsferne“ dar. Das ist ein erhebli-<br />

ches Problem: fehlende Bildungskarrieren generell, fehlende Bildungskarrieren <strong>und</strong> Per-<br />

spektivlosigkeit durch Erwerbslosigkeit über Generationen hinweg. Es entwickeln sich<br />

problembelastete Familienbilder, die sich verfestigen, wenn keiner mehr in der Familie<br />

arbeitstätig ist. Die Bildung stellt einen ganz wichtigen „Dreh- <strong>und</strong> Angelpunkt“ dar. „Kul-<br />

turtechniken“ werden verlernt, psycho-soziale Probleme sind Ausdruck von primären<br />

Problemlagen, bei langer Erwerbslosigkeit zerfällt der Alltag <strong>und</strong> es kommt zur Zunahme


124<br />

von Suchterscheinungen. Es kommt weiterhin zur Verschuldung, dort, wo das Einkommen<br />

den Konsum nicht deckt, allerdings macht die Konsumindustrie auch das „Kaufen auf<br />

Pump“ erstrebenswert, sie „wirft Dinge hinterher“, offeriert „Null-Finanzierungsangebote“<br />

<strong>und</strong> produziert nicht lösbare Vertragsbindungen, in deren Folge Abhängigkeiten entstehen<br />

<strong>und</strong> private Insolvenzen generell zunehmen.<br />

Als Folge von Armut kommt es zum Ausschluss von Veranstaltungen durch arme Eltern,<br />

z. T. auch zur Isolation von Kindern. Was tun die Einrichtungen dagegen? Die Träger-<br />

politik besteht darin, allen Kindern eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die<br />

„Frühpädagogik“ soll möglichst einkommensunabhängig gestaltet sein. Der Bezirk Lich-<br />

tenberg bietet z. B. die Finanzierung musikalischer Frühförderung an (das ist <strong>für</strong> alle El-<br />

tern kostenfrei, woanders müssen 8 <strong>und</strong> 10 Euro pro Monat gezahlt werden, „aber die<br />

Eltern sind hier ärmer“). „Andere Sachen“ werden durch Zuwendungen des Landes Berlin<br />

finanziert („<strong>für</strong> jedes Kind wird Personalgröße vom Land gestellt“), es existieren „Kosten-<br />

blattvereinbarungen <strong>für</strong> jeden Monat“ auf der Basis aktueller Zahlen. Dazu kommen die<br />

Beiträge der Eltern. Der Gesamtumsatz beträgt 60 Mio.€ Gesamtaufwendungen pro Jahr.<br />

7. Wie wirkt sich ein Leben in „Armut“ (armen Verhältnissen) auf den<br />

Ges<strong>und</strong>heitszustand von Kindern <strong>und</strong> Familien aus?<br />

Eine Korrelation zwischen der Dauer des Kita-Besuches <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlichen Dauerbe-<br />

lastungen haben Studien in Lichtenberg gezeigt. Ges<strong>und</strong>heitliche Frühbelastungen, wie<br />

Adipositas, Sprachentwicklungsstörung, -verzögerung <strong>und</strong> motorische Entwicklungsver-<br />

zögerungen zeigen sich bei Kindern, die nicht in Einrichtungen sind. Außerdem fehlen hier<br />

Anregungen <strong>und</strong> Fähigkeiten, sich zu bewegen. Essen <strong>und</strong> Ernährung sind „schlecht“,<br />

oftmals existieren keine geregelten Essenszeiten, Übergewicht zeigt sich als steigender<br />

Trend. Hier muss durch Regelmäßigkeit <strong>und</strong> Bewegung gegen gesteuert werden, „das ist<br />

die Lösung“. Ernährungsberater werden in den Kitas eingesetzt, die die Küchenmitarbeiter<br />

<strong>und</strong> die Eltern schulen. Es werden auch mit den Kindern bestimmte Projekte dazu durch-<br />

geführt, z. B. „länderbezogenes“ Frühstück u. a. m.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

125<br />

8. Sind bestehende (staatliche) Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote der Armutsprävention<br />

wirksam <strong>und</strong> erfolgversprechend? Welche anderen Maßnahmen,<br />

Leistungen <strong>und</strong> Angebote sollte <strong>und</strong> müsste es von Seiten der B<strong>und</strong>espolitik/<strong>Berliner</strong><br />

Landespolitik/bezirklichen Kommunalpolitik geben, um<br />

das Armutsrisiko von Kindern <strong>und</strong> Familien zu senken <strong>und</strong> die Gesamtsituation<br />

armer Familien zu verbessern?<br />

Die Rolle des Erziehungsgeldes wird im Lichte einer modernen Auffassung von Frühpä-<br />

dagogik kritisch gesehen. Förderung der Betreuung zu Hause sei unvernünftiger, “fami-<br />

lienpolitischer Unsinn“. Basis dieses Geldes bildet in Berlin ein traditionelles <strong>und</strong> <strong>für</strong> Berlin<br />

veraltetes Familienbild <strong>und</strong> eine entsprechende parteipolitische Einstellung. Diese histori-<br />

sche Entwicklung ist auch der Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> „unterschiedliche Werte“ im Vergleich z. B. zwi-<br />

schen Bayern <strong>und</strong> Berlin. Bildungschancen über die Frühpädagogik eröffnen sich nicht<br />

nachholbar im späteren Leben, sie „sind essentiell“ <strong>und</strong> berufstätige Eltern haben meist<br />

nicht die Zeit. Die „Frühpädagogik hat heute eine andere Wertigkeit, auch im internationa-<br />

len Vergleich, als es früher der Fall war ... Es ist wichtig, dass Kinder früh in ein pädagogi-<br />

sches Umfeld kommen“. Der Stellenwert der Frühpädagogik ist gestiegen, die Relevanz<br />

sehr groß, gerade <strong>für</strong> den Spracherwerb, <strong>und</strong> Spracherwerb ist Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> vieles. Au-<br />

ßerdem besteht auch immer die Möglichkeit der „Zweckentfremdung des Geldes“, daher<br />

ist Erziehungsgeld nicht sinnvoll. Frühkindliche Bildungseinrichtungen liegen in Deutsch-<br />

land im europäischen Vergleich weit zurück, neben Österreich (Studien dazu existieren).<br />

Skandinavien, Spanien, Italien gelten hier als Vorreiter.<br />

Die Bezahlung, die Anzahl (Fachkraft-Kind-Relation), die Ausbildung der Fachkräfte sind<br />

dort besser, es ist sogar ein Fachhochschulabschluss <strong>für</strong> pädagogische Mitarbeiter dort<br />

nötig. Nur in Deutschland <strong>und</strong> in Österreich ist das nicht so. In Norwegen werden frühpä-<br />

dagogische Kräfte am besten bezahlt, höher als im Oberstufenbereich. Diese Situation<br />

steht im Gegensatz zu Deutschland, hier stammt alles „noch aus preußischer Zeit“. „Die<br />

frühkindliche Bildung hat noch nicht den ausreichenden Stellenwert in Deutschland“, ob-<br />

wohl sie sehr wichtig <strong>für</strong> neurologische Entwicklung ist. D. h. Bildung unter 6 Jahren un-<br />

terscheidet sich f<strong>und</strong>amental von den Bildungsanforderungen im Schulbereich. Der Kita-<br />

Bereich umfasst das Schaffen von Erfahrungsräumen <strong>für</strong> Kinder (z. B. Gewichte als Er-<br />

fahrung lernen, selbstgesteuertes Spielen mit Gewichten). Kognitive Begabungen zu för-<br />

dern, ist dagegen schwierig. Eher muss auf die fein- <strong>und</strong> grobmotorische Förderung, so-<br />

wie die sozial-emotionale Förderung Wert gelegt werden <strong>und</strong> Kinder sollten in ihren even-<br />

tuell bestehenden frühen Fähigkeiten (z. B. Leseinteresse) bestärkt werden. Es geht nicht<br />

in erster Linie darum, „Schulvorbereitung“ umzusetzen, Kinder haben das „Recht auf<br />

Spiel“, zentraler Lernraum ist daher der Spielraum.


126<br />

Trägervielfalt ist im Allgemeinen positiv, z. B. in Privathaushalten als Tagesmütter, aber<br />

eine entsprechende Qualifikation <strong>und</strong> Ausbildung sollte Voraussetzung sein (das ist bei<br />

Tagesmüttern nicht immer gegeben).<br />

Zuwendungspraxis der Kindergärten in Österreich z. T. anders, dort privatwirtschaftlich<br />

betriebene Kindergärten, in Deutschland weniger<br />

Besonders im Bereich Familienunterstützung <strong>und</strong> frühkindliche Betreuung „brauchen<br />

wir erheblich mehr finanzielles Engagement gesamtgesellschaftlich gesehen“. Der Grup-<br />

penschlüssel muss sich ändern, um die Qualität der Arbeit leisten zu können. Heute be-<br />

steht folgender Gruppenschlüssel: 1 : 12 bis 15, wünschenswert wäre in der Krippe ein<br />

Schlüssel 1 : 4 oder 5 <strong>und</strong> im Kindergarten 1 : 6 bis 8.<br />

Mehr Angebote, um die Isolation von erwerbslosen Familien aufzulösen, z. B. über Eltern-<br />

Kind-Cafés, sollten vorhanden sein. Die im Sozialraum befindlichen Einrichtungen errei-<br />

chen eigentlich betroffene Familien nicht, da sie häufig Berührungsängste haben. Kinder-<br />

einrichtungen hingegen müssen aufgesucht werden, deshalb ist der Ausbau der Kinder-<br />

gärten zu „multiprofessionellen“ Zentren sinnvoll, gerade in sozialräumlich belasteten Ge-<br />

bieten. Dies ist ein Ort vertrauensvoller Beziehungen <strong>und</strong> sollte daher entsprechend aus-<br />

gebaut werden (hier können Sozialarbeiter, Psychologen <strong>und</strong> Kindergarten unter ein Dach<br />

gebracht werden).<br />

Ganz allgemein betrachtet, müsste ein Gr<strong>und</strong>einkommen eingeführt <strong>und</strong> der „Marginali-<br />

sierung von Bevölkerungsschichten“ entgegengearbeitet werden. Nachbarschaftliche<br />

Ressourcen sind zu stärken <strong>und</strong> Tätigkeitsstrukturen zu etablieren, damit „dauerhafte er-<br />

werbslose Schichten“ unterstützt werden. Es geht um „Sinnvermittlung“ <strong>und</strong> um einen<br />

allübergreifenden Ansatz <strong>und</strong> somit um ein Paket an Reformen.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

127<br />

2.5 Protokoll des Experteninterview mit Frau Hentze, Diplom-Sozialpädagogin<br />

in der Beratungsstelle des Deutschen Kinderschutzb<strong>und</strong>es<br />

im Landesverband Berlin<br />

Termin: 21.01.2009<br />

Gesprächsführer: Dr. Volker Schulz, (IFAD Berlin)<br />

Protokollant: Herr Ralf-Peter Janke, (IFAD Berlin)<br />

Inhalt:<br />

Zunächst wird der Gr<strong>und</strong> des Experteninterviews (Auftrag an das IFAD durch den <strong>Berliner</strong><br />

Familienbeirat/Mitarbeit am <strong>Berliner</strong> Familienbericht) umrissen. Der Schwerpunkt liegt<br />

dabei auf Fragen der Armutsgefährdung bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen sowie Familien.<br />

Die Auswahl der Gesprächspartner basiere auf den Wünschen des Auftraggebers.<br />

1. Welche konkrete Verantwortung trägt der Interviewpartner in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

Die Gesprächspartnerin beschreibt ihre Verantwortung als Sozialarbeiterin in der Bera-<br />

tungsstelle, eine der gr<strong>und</strong>legenden Aufgaben bestehe in der Gewaltprävention <strong>und</strong> in der<br />

Verhinderung von „Gewalt gegen Kinder“. Dabei wird Gewalt in einem umfassenden Sinn<br />

verstanden. Gewalt ist nicht nur die körperliche Gewalt, sondern auch psychisch-soziale,<br />

strukturelle Gewalt durch Armut, durch Mangel, durch Verzicht u. a. Es sind also nicht nur<br />

die Eltern, sondern es ist auch die gesamte Gesellschaft gefordert. Politik befindet sich<br />

hier in besonderer Verantwortung. In der Beratungsstelle gibt es z. Zt. 3 Mitarbeiter, die<br />

aus Mitteln des <strong>Berliner</strong> Senats finanziert werden. Persönliche Arbeitsschwerpunkte sind:<br />

Beratung von Eltern <strong>und</strong> anderen Betroffenen<br />

Fachberatung von Kollegen in anderen Einrichtungen<br />

Ansprechpartnerin im Fortbildungs- <strong>und</strong> Präventionsprojekt „Starke Eltern – starke<br />

Kinder“<br />

Kinderschutzberaterin <strong>und</strong> Kinderarmutsberaterin (eine eigene Weiterbildungsveran-<br />

staltung über 3 Tage wurde entwickelt, um Kenntnisse <strong>und</strong> Erfahrungen zur Armuts-<br />

prävention weiterzugeben, dabei soll eine „Armutskompetenz“ entwickelt werden. Ver-<br />

anstaltungen werden gut besucht)<br />

Fachliche Öffentlichkeitsarbeit


128<br />

2. Welche speziellen Strukturen/Inhalte/Angebote gibt es zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung<br />

von durch Armut bedrohten Kindern <strong>und</strong> Familien in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

Es werden die speziellen Angebote beschrieben:<br />

Kinderprojekte <strong>und</strong> eine KITA (<strong>für</strong> ca. 45 Kinder im Alter von 1 bis 6 Jahren) <strong>für</strong> Eltern,<br />

die Transferleistungen beziehen. Die Kosten sind einheitlich, 20€ <strong>für</strong> Mittag <strong>und</strong> 23€<br />

<strong>für</strong> die Betreuung pro Monat. Trotz der geringen Eigenbeiträge schaffen es einige El-<br />

tern nicht zu zahlen. Dann werden oft zum Wohle der Kinder die Mittel aus Spenden<br />

aufgebracht.<br />

Der Kinderschutzb<strong>und</strong> betreibt einen Hort (Kinder-Kiez-Zentrum „KiKiZet“) in der Eri-<br />

ka-Mann-Gr<strong>und</strong>schule <strong>für</strong> 200 Kinder, wobei die individuelle Förderung von Kindern<br />

aus überwiegend sozial benachteiligten Familien im Vordergr<strong>und</strong> steht. Ein spezifi-<br />

sches Problem ist hier das ges<strong>und</strong>e <strong>und</strong> ausreichende Frühstück (es wird auf einen<br />

hohen Ges<strong>und</strong>heitsstandard geachtet <strong>und</strong> ein ges<strong>und</strong>es „BIO-Frühstück“ angeboten.)<br />

Besondere Merkmale der Kinderbetreuung sind, dass alle kreativen Angebote (z. B.<br />

„comic-Malen“, Musikerziehung, usw.) kostenfrei sind. Die Gestaltung von Ausflügen<br />

erfolgt nur mit ganz geringen Kosten <strong>für</strong> die Eltern. In dieser Schule existiert auch eine<br />

Schulstation, in der Sozialarbeiter tätig sind, um Konflikte in der Schule, zu Hause<br />

oder im sozialen Umfeld zu lösen.<br />

Des Weiteren wird ein offener Kinder- <strong>und</strong> Jugendladen in der Amsterdamer Straße<br />

betrieben. In diesen Laden kann jeder kommen (6 bis 18-Jährige). Es werden unter-<br />

schiedlichste Angebote präsentiert, so u. a. <strong>für</strong> Mädchengruppen, Kochen <strong>und</strong> Haus-<br />

aufgabenhilfe. In einer festen Gruppe wird sich um besonders benachteiligte Kinder<br />

gekümmert. Die Finanzierung erfolgt aus Spenden, Drittmitteln <strong>und</strong> in ehrenamtlicher<br />

Arbeit.<br />

3. Welches ist die konkrete Zielgruppe, die angesprochen wird (z. B.<br />

Mehrkindfamilien, Alleinerziehende, Migranten o. ä.)?<br />

Konkrete Zielgruppen sind selbstverständlich viele Migranten <strong>und</strong> ihre Kinder, ganz ein-<br />

fach, weil sie hier leben. Des Weiteren aber auch besonders Alleinerziehende mit <strong>und</strong><br />

ohne Migrationshintergr<strong>und</strong>. Außerdem gibt es auch zunehmend Großfamilien. Da gibt es<br />

aber große Unterschiede, weil oftmals im Familienverband Probleme auch selbst gelöst<br />

werden. Hier in der Beratungsstelle gibt es aber immer wieder komplizierte Situationen mit<br />

den Einwohnern mit Migrationshintergr<strong>und</strong>, weil kein Berater türkisch oder arabisch<br />

spricht. Deshalb liegt der Schwerpunkt mehr auf allein erziehenden, getrennt lebenden<br />

Müttern <strong>und</strong> auf neuen Partnerschaften (z. B. Alleinerziehende mit neuen Partnern).<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Eine größere Ausstrahlung der Beratungsstelle wäre theoretisch denkbar, wenn es Bera-<br />

tung in türkisch <strong>und</strong>/oder arabisch gäbe. Das kann aber nicht genau gesagt werden.<br />

4. Welche gr<strong>und</strong>legenden Ursachen <strong>für</strong> Familien- <strong>und</strong> Kinderarmut werden<br />

gesehen?<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

129<br />

5. Was bedeutet es in der täglichen Praxis bzw. aus den Erfahrungen der<br />

jeweiligen Institution/Einrichtung insbesondere <strong>für</strong> Kinder, arm zu sein?<br />

Welches Gesicht hat Familien/Kinderarmut in Berlin <strong>und</strong> wie zeigt sie<br />

sich im Alltag der Menschen/Kinder?<br />

Zu Ursachen <strong>und</strong> den „Gesichtern“ von Armut, besonders bei Kindern, wird folgendes<br />

hervorgehoben:<br />

„das verfestigte Gesicht der Armut“ – im Sinne einer „vererbten Armut“, ganze Fami-<br />

lienlinien, -verbände <strong>und</strong> Generationen kennen es nur so, leben <strong>und</strong> lebten in armen<br />

Verhältnissen mit allen dazugehörenden Merkmalen.<br />

das „alleinerziehende Gesicht der Armut“ mit <strong>und</strong> ohne Migrationshintergr<strong>und</strong> ist auch<br />

sehr typisch, dabei gibt es aber teilweise einen sehr aktiven Umgang mit der Situation,<br />

d. h. trotz Einkommensarmut bemühen sich viele allein erziehende Hilfebedürftige, <strong>für</strong><br />

ihre Kinder da zu sein <strong>und</strong> sie die Armut nicht so spüren zu lassen.<br />

das „resignierte <strong>und</strong> resignierende Gesicht der Armut“ beruht auf der lähmenden<br />

Selbsteinschätzung der Familien/Mütter „ohne Selbstwirksamkeit“ zu sein. Das setzt<br />

sich vor allem aus folgenden Komponenten zusammen: kein Selbstvertrauen („woher<br />

soll es auch kommen?“), oft keine eigenen Aktivitäten mehr (Angst vor Auseinander-<br />

setzungen mit Behörden, kaum Ansätze, den eigenen Kindern neue kulturelle Hori-<br />

zonte, Bildungs- <strong>und</strong> Ausbildungsmöglichkeiten zu erschließen u. a. m.), da sowieso<br />

alles in Misserfolgen endet. Daraus ergibt sich eine stark resignierende Haltung vielen<br />

Fragen der eigenen Lebensgestaltung gegenüber, wie auch der der Kinder.<br />

das „ges<strong>und</strong>heitlich beeinträchtigende Gesicht der Armut“, d. h. ges<strong>und</strong>heitliche Fol-<br />

gen von Armut sind erkennbar in Übergewicht, schlechten Zähne, allgemeiner Unge-<br />

pflegtheit <strong>und</strong> mangelnder körperlicher Hygiene.<br />

das „schlecht gekleidete Gesicht der Armut“, häufig haben manche nur zwei Jacken,<br />

gleiche Kleidung wird auch beim zweiten, dritten Kind usw. wiederverwendet.<br />

Oftmals ist auch eine „gewisse Hilflosigkeit, Lebensuntüchtigkeit“ wahrnehmbar, solche<br />

Situationen zu verändern, z. B. durch Besuch der Kleiderkammern u. ä. Hier gibt es auch<br />

einen Zusammenhang zwischen Armut <strong>und</strong> Unwissenheit. Es wird viel Aufklärungsarbeit<br />

in der Beratungsstelle geleistet, auch ohne dass besonders gefragt wird („man sieht es


130<br />

einfach“). Bei vielen Besuchern der Beratungsstelle bewegt sich der Selbstwert „in der<br />

Nähe von Null“. Hinweise auf die bestehenden Hilfsmöglichkeiten werden stets gegeben,<br />

so wird z. B. in Beratungen verwiesen auf<br />

Stiftung Hilfe <strong>für</strong> Familien,<br />

<strong>Berliner</strong> Tafel<br />

Familiennothilfe<br />

Paritätischen Wohlfahrtsverband, der einen entsprechenden Fonds hat, u. a. m.<br />

In Berlin gibt es doch auch viel Gutes <strong>für</strong> arme Familien, z. B. ermöglicht der „Sozial- <strong>und</strong><br />

Familienpass“ die Teilhabe am kulturellen <strong>und</strong> sportlichen Leben.<br />

Insbesondere in den letzten 4 bis 6 Jahren nimmt Armut <strong>und</strong> Überschuldung zu, wobei<br />

Einkommensarmut sicher die dominierende ist, die Einkommensarmut erhöht alle anderen<br />

Risikofaktoren (Problem: prekäre Einkommensverhältnisse, Minijobs <strong>und</strong> Teilzeitarbeit<br />

<strong>und</strong> natürlich Arbeitslosigkeit. Familien mit 3 bis 5 Kindern können meist nicht voll arbeiten<br />

<strong>und</strong> werden auch noch schlecht bezahlt. „Kinder sind ein Armutsrisiko, so traurig wie es<br />

ist.“ Die schlechte Schul- <strong>und</strong> Berufsausbildung bei den Eltern ist natürlich zumeist auch<br />

Ursache <strong>für</strong> die schlecht bezahlten Jobs.).<br />

Aber es gibt weitere Ursachen <strong>und</strong> Arten von Armut: Chancenarmut, Bildungsarmut,<br />

Spracharmut <strong>und</strong> andere Entwicklungsverzögerungen bei Kindern (ADHS, Störungen der<br />

Feinmotorik <strong>und</strong> Beweglichkeit, u. a.), Armut an sozialer Kompetenz, „Armut an freiem<br />

unbelasteten kindlichen Spiel“. Kinder sind z. T. stark belastet durch „Hunger <strong>und</strong> Gewalt“.<br />

In der Schule geht es dann kumulierend weiter. Leider zeigt sich in Deutschland der Zu-<br />

sammenhang von Bildung <strong>und</strong> sozialer Herkunft am negativsten im europäischen Ver-<br />

gleich (laut Pisa-Studie). Der immer größere Anteil von Menschen ohne Schul- <strong>und</strong> Be-<br />

rufsausbildung (oftmals Ausländer <strong>und</strong> Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>) wird „im Sin-<br />

ne einer negativen Spirale ständig reproduziert.“<br />

Eine stärkere soziale Durchmischung aus vielen Elternbereichen wäre <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

der Kinder, auch in der Kindereinrichtung des Kinderschutzb<strong>und</strong>es, günstiger. Aber das<br />

kann eher durch die Schulpflicht in der Schule erreicht werden.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

131<br />

6. Sind bestehende (staatliche) Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote der Armutsprävention<br />

wirksam <strong>und</strong> erfolgversprechend? Welche anderen Maßnahmen,<br />

Leistungen <strong>und</strong> Angebote sollte <strong>und</strong> müsste es von Seiten der B<strong>und</strong>espolitik/<strong>Berliner</strong><br />

Landespolitik/bezirklichen Kommunalpolitik geben, um<br />

das Armutsrisiko von Kindern <strong>und</strong> Familien zu senken <strong>und</strong> die Gesamtsituation<br />

armer Familien zu verbessern?<br />

Ein gr<strong>und</strong>sätzlicher Standpunkt des Kinderschutzb<strong>und</strong>es ist die Forderung nach einer<br />

„eigenen Kindergr<strong>und</strong>sicherung“. Dazu gibt es einen ausführlichen Standpunkt des Bun-<br />

desverbandes im Internet. „Es sollte kein entweder oder geben“. Es wird verwiesen auf<br />

die Forderung des B<strong>und</strong>esverbandes nach der Kindergr<strong>und</strong>sicherung von 500€ je Kind. In<br />

den sozialen Brennpunkten/entsprechenden Gebieten <strong>und</strong> Regionen ist viel früher mit den<br />

Hilfen anzusetzen, d. h. auch „Eltern-Kind-Zentren“ etablieren, Kitas entsprechend regio-<br />

nal ansiedeln, eine Ballung/einen Konzentrationspunkt der Beratungsmöglichkeiten schaf-<br />

fen, um dadurch eine ganz enge Vernetzung, auch zur weiteren sozialen Beratung <strong>und</strong><br />

Betreuung, zu ermöglichen. In den Kitas sollten mehr Sozialarbeiter <strong>für</strong> Kind- <strong>und</strong> Eltern-<br />

beratung eingestellt werden. Hier „in KITAs gibt es ein ganz großes Anfangsvertrauen der<br />

Eltern“. Das sollte <strong>für</strong> die sozialen Beratungen genutzt werden. Das Anfangsvertrauen<br />

wird dann weniger <strong>und</strong> ist meist in der Schule weg. Dort geht es zumeist „nur“ um<br />

schlechte Leistungen der Kinder. Bei allen pädagogischen Fachkräften muss eine „Ar-<br />

mutskompetenz“ aufgebaut werden. Es muss vielmehr <strong>für</strong> die „Armutsprävention“ getan<br />

werden. Für die „bürokratiefre<strong>und</strong>liche“ Nutzung von Kitas könnte den Eltern z. B. ein<br />

„KITA-Gutschein“ übergeben werden, der eine kostenfreie Nutzung zusagt.<br />

Eine distanzierte Haltung besteht gegenüber dem Betreuungs-/Erziehungsgeld. „Das ge-<br />

plante Betreuungsgeld ist schrecklich, zumindest <strong>für</strong> Berlin. Dazu gibt es eine entspre-<br />

chende Stellungnahme des Kinderschutzb<strong>und</strong>es im Internet.“


132<br />

2.6 Protokoll des Experteninterview mit Frau Werth, Vorsitzende der <strong>Berliner</strong><br />

Tafel Stiftung<br />

Termin: 26.01.2009<br />

Gesprächsführer: Dr. Volker Schulz, (IFAD Berlin)<br />

Protokollant: Herr Uve Berndt, (IFAD Berlin)<br />

Inhalt:<br />

Zunächst wird der Gr<strong>und</strong> des Experteninterviews (Auftrag an das IFAD durch den <strong>Berliner</strong><br />

Familienbeirat/Mitarbeit am <strong>Berliner</strong> Familienbericht) umrissen. Der Schwerpunkt liegt<br />

dabei auf Fragen der Armutsgefährdung bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen sowie Familien.<br />

Die Auswahl der Gesprächspartner basiere auf den Wünschen des Auftraggebers.<br />

1. Welche konkrete Verantwortung trägt der Interviewpartner in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

Die Gesprächspartnerin ist Vorsitzende <strong>und</strong> Gründerin der ersten Tafel in Deutschland,<br />

z. Zt. gibt es gibt 860 Tafeln in Deutschland. Der B<strong>und</strong>esverband hat seinen Sitz in Berlin<br />

<strong>und</strong> führt übergeordnete Verhandlungen, z. B. mit Unternehmen, wie Lidl oder Mercedes.<br />

Jede Tafel ist autonom, es gibt Landesvertretungen (z. B. Berlin-Brandenburg) <strong>und</strong> den<br />

B<strong>und</strong>esverband. Die <strong>Berliner</strong> Tafel besteht 17 Jahre.<br />

2. Welche speziellen Strukturen/Inhalte/Angebote gibt es zur Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung<br />

von durch Armut bedrohten Kindern <strong>und</strong> Familien in der jeweiligen<br />

Institution/Einrichtung?<br />

Die <strong>Berliner</strong> Tafel arbeitet im wesentlichen in drei Bereichen (“Säulen“ bzw. „Standbeine“):<br />

Erstens: die „klassische Tafel“, d. h. Lieferung von Lebensmitteln an ca. 300 soziale Ein-<br />

richtungen, davon 100 Einrichtungen <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche (u. a. auch Schulen).<br />

Hier werden alle Einrichtungen gleichermaßen versorgt („alle Bedürftigen“), hier gibt es<br />

keine speziellen Gruppen.<br />

Zweitens: die Aktion „Laib <strong>und</strong> Seele“, eine Aktion der Tafel, der Kirchen <strong>und</strong> des rbb. 45<br />

Ausgabestellen in Kirchen werden beliefert. Hier werden pro Monat über 45.000 Men-<br />

schen mit gespendeten Lebensmitteln versorgt. Jeder kann einmal pro Woche die Ausga-<br />

bestelle seines Wohnbezirks besuchen, weist seine Bedürftigkeit nach (weniger als 900€<br />

Einkommen monatlich) <strong>und</strong> erhält Lebensmittel, wenn er 1€ zahlt. Zur Aktion „Laib <strong>und</strong><br />

Seele“ gehört die Aktion „Eins mehr“. Ehrenamtliche bitten K<strong>und</strong>en in Supermärkten, ein<br />

Teil mehr zu kaufen <strong>und</strong> dies zu spenden. 1/3 der Empfänger sind Kinder <strong>und</strong> Jugendli-<br />

che, die Tafel bietet auch ergänzende Angebote in sozialen Einrichtungen an mit hohem<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


pädagogischen Wert (z. B. Nachhilfeunterricht im Kinderrestaurant). Die Tafel erreicht ca.<br />

125.000 Menschen im Monat über diese beiden Säulen.<br />

Drittens: der Bereich Kinder <strong>und</strong> Jugend der <strong>Berliner</strong> Tafel – es gibt drei Restaurants in<br />

Berlin („fünf Jahreszeiten“ in der gelben Villa in Kreuzberg, Motto: „Bildung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e<br />

Ernährung“, „Talmarant“ in Reinickendorf, Motto: „Bewegung <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Ernährung“)<br />

<strong>und</strong> diese stehen allen Kindern offen, ob arm oder reich. Für 1 EURO gibt es ein dreigän-<br />

giges Menü, gemeinsam mit Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en, an gedecktem Tisch, mit Messer<br />

<strong>und</strong> Gabel. Alle Kinder sollen erreicht werden, unabhängig vom sozialen Status, sie ler-<br />

nen hier u. a. auch ges<strong>und</strong>heitsbewusstes Kochen, das sie dann zu Hause anwenden<br />

können, sowie die Bedeutung des Essens als soziale Komponente (unabhängig vom so-<br />

zialen Status werden Essgewohnheiten ausgeprägt, die z. T. nicht oder nur schwach aus-<br />

geprägt vorhanden sind, z. B. Essen mit Messer <strong>und</strong> Gabel).<br />

In diesem Bereich gibt es noch die Aktion „Frühstücksbeutel“. Damit sollen die Kinder <strong>für</strong><br />

ein Schulbrot begeistert werden <strong>und</strong> auch ihre Eltern dazu bringen, sie selbst damit zu<br />

versorgen. Die Beutel (Käse/Wurstbrot/Obst/Getränk) werden an neun Gr<strong>und</strong>schulen<br />

(Kreuzberg, Schöneberg, Tempelhof <strong>und</strong> Friedrichshain) einmal in der Woche auf dem<br />

Schulhof in der Pause <strong>für</strong> 20 Cent verkauft. Ca. 450 Beutel werden so wöchentlich ver-<br />

kauft. Geplant ist auch das Projekt „Kimba“, der neue Kinder- <strong>und</strong> Jugendimbiss der Berli-<br />

ner Tafel. Idee: junge Menschen bereiten unter professioneller Anleitung ihr Essen selber<br />

zu, ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> im richtigen Umgang mit Haushaltsgeräten (Doppelstockbus, ausgestattet<br />

mit moderner Küchentechnik, geht ab Frühjahr 2010 auf Tour <strong>und</strong> wird Schulen im ge-<br />

samten Stadtgebiet anfahren). Auch hier, wie im gesamten Bereich Kinder <strong>und</strong> Jugend<br />

der Tafel, steht die Förderung des ges<strong>und</strong>en Ernährungsbewusstseins von Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen im Vordergr<strong>und</strong>, wie auch das Übertragen des im Kinderimbiss Erlernten<br />

auf die täglichen Ernährungsgewohnheiten bzw. die Aktivierung der Eltern.<br />

3. Welches ist die konkrete Zielgruppe, die angesprochen wird (z. B.<br />

Mehrkindfamilien, Alleinerziehende, Migranten o. ä.)?<br />

Generell werden alle Bedürftigen, die das nachweisen können, angesprochen, spezielle<br />

Zielgruppen (bis auf den Bereich Kinder <strong>und</strong> Jugend) gibt es nicht. Aber auch Familien mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong> holen sich Angebote z. B. aus Kirchen. Hier ist aber zu beobachten,<br />

dass die Männer nicht in die Kirchen gehen, sie schicken die Frauen <strong>und</strong> warten draußen.<br />

Generell ist das Armutsklientel durchmischt, es gibt keine großen Unterschiede zwischen<br />

Bevölkerungsgruppen nach ihrer ethnischen Herkunft. So sind auch zu Migranten keine<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

133<br />

separaten Aussagen möglich, alle Bedürftigen werden bedient <strong>und</strong> es gibt keine besonde-


134<br />

ren Angebote oder Aktionen <strong>für</strong> bestimmte Zielgruppen. Motto der Tafel ist „Integration<br />

statt Differenzierung“.<br />

4. Welche gr<strong>und</strong>legenden Ursachen <strong>für</strong> Familien- <strong>und</strong> Kinderarmut werden<br />

gesehen?<br />

5. Was bedeutet es in der täglichen Praxis bzw. aus den Erfahrungen der<br />

jeweiligen Institution/Einrichtung insbesondere <strong>für</strong> Kinder, arm zu sein?<br />

Welches Gesicht hat Familien/Kinderarmut in Berlin <strong>und</strong> wie zeigt sie<br />

sich im Alltag der Menschen/Kinder?<br />

In Bezug auf Armut entwickeln Kinder <strong>und</strong> Jugendliche „imposante Überlebensstrategien“,<br />

die bis dahin gehen, dass in den Köpfen eine „Hartz IV-Perspektive“ fest verankert ist,<br />

bereits im Kindesalter in den Familien nichts anderes erlebt wird <strong>und</strong> sich daraus eigene<br />

Lebensvorstellungen <strong>und</strong> -entwürfe entwickeln. Perspektivlosigkeit der Jugendlichen er-<br />

öffnet nur die Chance auf Hartz IV.<br />

Arbeitslosigkeit ist natürlich eine Hauptursache <strong>für</strong> Armut, darüber muss „gar nicht geredet<br />

werden“. Eine ganz wesentliche Ursache liegt aber auch in der Bildungsferne in Familien,<br />

dies ist jedoch nicht vordergründig eine Frage der Einkommensverhältnisse („es wird zu<br />

wenig vorgelesen, Seniorengruppen lesen Kindern vor“). Bildungsferne ist in der gesam-<br />

ten Gesellschaft verbreitet, das Niveau der Ausbildung (siehe PISA) spricht <strong>für</strong> sich, Aus-<br />

weise in Bibliotheken müssen bezahlt werden.<br />

Generell kann beobachtet werden, dass Armut bei den Leuten ankommt, sie „landet in<br />

den Köpfen“. Auch im Alter kommt Armut an („nach 40 Jahren Arbeit hat man oft nur das<br />

Notwendigste“). Die Menschen lernen mit der Armut umzugehen in unterschiedlichen<br />

Formen: es gibt Armut allgemein; es gibt Menschen, die ihre Armut verheimlichen <strong>und</strong><br />

Menschen, die zu ihrer Armut stehen (es öffentlich sichtbar machen). Es gibt generations-<br />

übergreifende Armut: Großeltern, Eltern, Kinder, Enkel. Es gibt eine emotionale Armut<br />

<strong>und</strong> viel Resignation, die verhindert, der Armut etwas entgegenzusetzen.<br />

Es gibt im <strong>Berliner</strong> Stadtgebiet klar umrissene „Armutsregionen“ („Aktionsräume plus“ aus<br />

den Medien). Darüber hinaus gibt es aber in allen Bezirken Gegenden, wo es problema-<br />

tisch ist (z. B. „Düppel-Kredite“ müssen wegen gescheiterter Ehen „abgekindert“ werden,<br />

viele Ehen scheitern, es folgen Zwangsversteigerungen; „Thermometersiedlung“ in Lich-<br />

terfelde, „60er Jahre-Bauten“ im Märkisches Viertel, Marzahn-Nord u. a. m.). Auch gibt es<br />

in Gegenden mit hohen Ausländeranteilen keine Unterschiede zu Gegenden mit überwie-<br />

gend deutscher Bevölkerung.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


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135<br />

6. Wie entscheidend wirkt sich die soziale Herkunft/der Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

auf die Lebensqualität bzw. den weiteren Lebensweg der Kinder<br />

aus?<br />

Dabei sind kaum Unterschiede zwischen Deutschen <strong>und</strong> Migranten auszumachen, es ist<br />

immer eine Frage der Herkunft <strong>und</strong> des Vorbildes (Eltern als Vorbild, z. B. Akademiker).<br />

Kinder eifern ihren Eltern nach. Jugendliche aus „bildungsfernen“ Schichten, die von ihren<br />

Eltern zumindest dazu angeregt werden, etwas werden zu wollen (z. B. durch eine ent-<br />

sprechende Schulausbildung, eine Lehre oder ein Studium) fallen natürlich aus ihrem so-<br />

zialen Umfeld heraus. Die Kinder Alleinerziehender haben z. B., wenn überhaupt, dann<br />

nur ein schlechtes oder gutes Vorbild, bei Ehepaaren ist das schon anders. Erfahrungs-<br />

gemäß sind allein erziehende Mütter unwahrscheinlich bemüht, ihren Kindern eine positi-<br />

ve Zukunft zu ermöglichen (bei einem Kind). Ab zwei Kindern <strong>und</strong> in größeren Familien<br />

wird es wesentlich problematischer <strong>und</strong> ist kaum noch möglich.<br />

7. Sind bestehende (staatliche) Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote der Armutsprävention<br />

wirksam <strong>und</strong> erfolgversprechend? Welche anderen Maßnahmen,<br />

Leistungen <strong>und</strong> Angebote sollte <strong>und</strong> müsste es von Seiten der B<strong>und</strong>espolitik/<strong>Berliner</strong><br />

Landespolitik/bezirklichen Kommunalpolitik geben, um<br />

das Armutsrisiko von Kindern <strong>und</strong> Familien zu senken <strong>und</strong> die Gesamtsituation<br />

armer Familien zu verbessern?<br />

Das „Familiengeld“ bedeutet eine Fernhaltung der Kinder von den KITA’s <strong>und</strong> zwar nicht<br />

nur der „Migrationskinder“. Vorschläge <strong>und</strong> augenblickliche Maßnahmen des Senats sind<br />

ungeeignet, alle Verantwortlichen müssen an einen r<strong>und</strong>en Tisch. Frau Blum <strong>und</strong> Frau<br />

Junge-Reyer machen widersprüchliche Aussagen in der Öffentlichkeit, alle Disziplinen<br />

<strong>und</strong> Verwaltungen müssen miteinander reden. Es gibt ja positive Erfahrungen in Berlin (so<br />

z. B. die Verbesserungen in der Rütli-Schule, der Einsatz <strong>und</strong> die Arbeit der „Stadtteilmüt-<br />

ter“ in Neukölln), warum werden diese nicht auf ganz Berlin übertragen. „Familienhelfer“,<br />

wie noch vor Jahren, wurden abgeschafft. Diese Tätigkeit hat aber einen hohen pädago-<br />

gischen Anspruch <strong>und</strong> gute Effekte. Das geht nicht ehrenamtlich, wie vom Senat nun vor-<br />

gesehen. Das Ehrenamt hat in anderen Bereichen einen wichtigen Platz.<br />

Bestimmte Entscheidungen dürfen nicht nur rein politisch gefällt werden. Es müssen<br />

„R<strong>und</strong>e Tische“ <strong>und</strong> effektive Verwaltungsnetzwerke eingerichtet werden, die politisches<br />

Handeln wirksam beeinflussen können.<br />

Die <strong>Berliner</strong> Tafel muss weiterarbeiten wie bisher, der Bedarf wird noch wachsen.


136<br />

3. Ausgewählte Einrichtungen, Maßnahmen <strong>und</strong> Angebote in<br />

<strong>Berliner</strong> Bezirken zur Prävention <strong>und</strong> Bekämpfung von Kinder- <strong>und</strong><br />

Familienarmut<br />

Das Erscheinungsbild der Armut wird seitens der in Berlin tätigen sozialen Einrich-<br />

tungen in wünschenswerter Breite <strong>und</strong> auch Differenziertheit wahrgenommen, mit<br />

der Folge, dass deren zahlreiche Hilfsangebote immer zugleich einen Kontext aus finan-<br />

ziellen, beruflichen, familiären, psychologischen <strong>und</strong> sozialen Problemen mit umfassen,<br />

also „reine“ Einrichtungen, deren ausschließliches Tätigkeitsfeld dezidiert auf die Armuts-<br />

prävention bei Familien <strong>und</strong> Kindern ausgerichtet ist, sich nur in sehr begrenzter Zahl als<br />

solche finden lassen. Auch die zunächst als spezialisiert gegründeten Einrichtungen er-<br />

weitern gewöhnlich rasch nicht nur die Zahl ihrer Standorte <strong>und</strong> das Netz ihrer Kooperati-<br />

onen, sondern auch die Palette ihrer Kompetenzen <strong>und</strong> Angebote.<br />

Um dem breit gefächerten Angebot <strong>und</strong> dem mitunter auch nicht immer auf den ersten<br />

Blick erkennbaren Ansatz einer Armutsprävention im sozialen Betreuungs- <strong>und</strong> Unterstüt-<br />

zungsspektrum der verschiedensten <strong>Berliner</strong> Einrichtungen gerecht zu werden, wurden<br />

ca. 50 Organisationen, Vereine, soziale Träger u. ä. ermittelt. Diese konnten jedoch auf-<br />

gr<strong>und</strong> der kurzen Bearbeitungszeit, die <strong>für</strong> diese Studie zur Verfügung stand, nicht alle im<br />

Detail betrachtet <strong>und</strong> deshalb nur ansatzweise untersucht werden 40 . Abgesehen vom ra-<br />

schen Wandel, den Schließungen, Gründungen, Standortwechseln, von denen offensicht-<br />

lich auch die sozialen Einrichtungen nicht verschont bleiben, erschwerten dreierlei Um-<br />

stände die Bearbeitung <strong>für</strong> diesen Abschnitt der vorliegenden IFAD-Studie:<br />

Erstens: Die Zusammenlegung der <strong>Berliner</strong> Bezirke seit 2001 hat die eingesessenen<br />

Zuständigkeitsbereiche durcheinander gewürfelt. Eine Einrichtung, die beispielsweise im<br />

Altbezirk Prenzlauer Berg lag <strong>und</strong> sich <strong>für</strong> diese Gegend zuständig fand, gehört nun zum<br />

„Großbezirk“ Pankow <strong>und</strong> muss sich mit den dortigen Einrichtungen ins Vernehmen set-<br />

zen. Umgekehrt weist eine über verschiedene, benachbarte Altbezirke verteilte Einrich-<br />

tung jetzt nur eine einzige Adresse auf, unter deren Dach nun mehrere Einrichtungen<br />

gleichen Namens firmieren.<br />

Zweitens: Die Überführung von einer öffentlichen in private Trägerschaft war <strong>und</strong> ist oft<br />

mit einer Umstrukturierung, Umbenennung bzw. Auflösung verb<strong>und</strong>en.<br />

40 Eine detaillierte Auflistung der entsprechenden sozialen Einrichtungen <strong>und</strong> Träger (Kontakt, Standorte,<br />

Außenstellen <strong>und</strong> Adressen, Ansprechpartner, Telefonnummern, e-mail usw.), gegliedert nach den 12 <strong>Berliner</strong><br />

Bezirken, liegt am IFAD vor <strong>und</strong> kann auf Wunsch zur Verfügung gestellt werden. Die in dieser Studie exemplarisch<br />

ausgewählten <strong>und</strong> in ihrem Aufgabenfeld <strong>und</strong> Leitbild beschriebenen Einrichtungen <strong>und</strong> Projekte werden<br />

deshalb hier auch nur grob dem jeweiligen <strong>Berliner</strong> Bezirk, in dem sie vorwiegend tätig sind, zugeordnet<br />

bzw. als überregional (berlinweit tätig) gekennzeichnet.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Drittens: Manche in Berlin noch aus der DDR-Zeit stammende Organisation (z. B. Ju-<br />

gendaufbauwerk) wurde erst in jüngster Zeit in eine neue Trägerschaft überführt (RBO -<br />

Rehabilitationszentrum Berlin Ost).<br />

Die herangezogenen 50 Organisationen lassen sich grob in zwei Bereiche gliedern, aus<br />

denen im Rahmen dieser Studie jeweils einige hervorgehoben <strong>und</strong> in ihrem Tätigkeitspro-<br />

fil beschrieben werden:<br />

Bereich eins: Organisationen, Projekte, Einrichtungen, Verbände, Vereine usw., die auf<br />

dem „weiten (mehrdimensionalen) Feld“ der Armutsprävention (d. h. multivariate Familien-<br />

<strong>und</strong> Kinderbetreuung, Familienbildung, pädagogisch betreute Freizeitgestaltung, gesetzli-<br />

che Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe, Ausbildungsförderung, Alleinerziehenden- <strong>und</strong> Schwanger-<br />

schaftsberatung, Beschäftigungsförderung, Integration/Migranten usw.) tätig sind:<br />

1. Deutscher Kinderschutzb<strong>und</strong><br />

2. Deutscher Familienverband e. V.<br />

3. AWO (Vorm<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> Pflegschaften)<br />

4. Schildkröte (Jugendwohnen im Kiez)<br />

5. Der Notmütterdienst Familien- <strong>und</strong> Seniorenhilfe e. V. (NMD)<br />

6. SHIA e. V. SelbstHilfeInitiative Alleinerziehender Berlin<br />

7. „Müfü Mü (Mütter <strong>für</strong> Mütter) (Mitte)<br />

8. SOS-Kinderdorf Moabit (Mitte)<br />

9. Familienzentrum Mehringdamm (Friedrichshain-Kreuzberg)<br />

10. Stadtteilmütter in Kreuzberg (Friedrichshain-Kreuzberg)<br />

11. Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH (Pankow)<br />

12. OASE Berlin (Integrationsprojekte <strong>für</strong> MigrantInnen von OASE Pankow e. V.)<br />

(Pankow)<br />

13. Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e. V. (Pankow)<br />

14. Gruppe <strong>für</strong> Alleinerziehende Anaz-Berlin (Pankow ,Charlottenburg-Wilmersdorf)<br />

15. Nachbarschafts- <strong>und</strong> Selbsthilfe-Zentrum NUSZ ufafabrik (Tempelhof-Schöneberg)<br />

16. Kiek in e. V. Berlin (Marzahn-Hellersdorf)<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

137


138<br />

Bereich zwei: Organisationen, Projekte, Einrichtungen, Verbände, Vereine usw., die im<br />

„Kernbereich“ der Armutsbekämpfung (Verschuldung/Geldangebote/Microkredite, Schuld-<br />

nerberatung, Wohnungsangebote, Lebensmittel- <strong>und</strong> Kleiderversorgung, Kinder <strong>und</strong> Ju-<br />

gendliche in Notsituationen usw.) agieren:<br />

1. Microkreditwesen<br />

2. Schuldnerberatungen<br />

3. Schuldnerberatungs-Bus (Caritas)<br />

4. Casa nostra<br />

5. Gangway<br />

6. <strong>Berliner</strong> Tafel<br />

7. Arche (Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Reinickendorf)<br />

8. Notinseln in Berlin (Tempelhof-Schöneberg)<br />

9. Kinder-, Jugend- <strong>und</strong> Familientreff „Käseglocke“ (Steglitz-Zehlendorf)<br />

3.1 Bereich eins<br />

3.1.1 Deutscher Kinderschutzb<strong>und</strong> Landesverband Berlin e. V.<br />

(Bezirk Mitte/Wedding bzw. berlinweit tätig)<br />

Armut erzeugt in den Familien oftmals Zwistigkeiten, die zu körperlicher Gewalt führen,<br />

besonders gegenüber den Kindern. Die meisten Fälle, in denen die Kinder Opfer sind,<br />

ereignen sich in kinderreichen Familien, bei allein erziehenden Eltern oder in Familien mit<br />

Migrationshintergr<strong>und</strong>. Gegen diese Folgeerscheinungen verteidigt der Kinderschutzb<strong>und</strong><br />

das Recht der Kinder, gewaltfrei <strong>und</strong> sozial abgesichert aufzuwachsen. Der Kinderschutz-<br />

b<strong>und</strong> „klärt auf“ <strong>und</strong> „handelt“, er tritt lautstark in den Medien <strong>und</strong> gegenüber der Politik<br />

auf, andererseits arbeitet er direkt <strong>für</strong> <strong>und</strong> mit Kindern.<br />

Als „Säule“ seiner Verantwortung betrachtet er sich als der Ansprechpartner <strong>für</strong> die Eltern,<br />

Verwandten oder anderen Menschen, die sich um Kinder sorgen. So bietet er seit 1995<br />

den Kurs „Starke Kinder – Starke Eltern“ an, worin schwierige Alltagssituationen vorge-<br />

führt <strong>und</strong> analysiert werden. Der Kinderschutzb<strong>und</strong> berät Eltern, Angehörige, Kinder <strong>und</strong><br />

Menschen, die mit Kindern arbeiten, berlinweit <strong>und</strong> kostenlos nicht nur speziell in Angele-<br />

genheiten, die die „Prävention von Gewalt gegen Kinder“ oder „Hinweise auf Gewalt ge-<br />

gen Kinder“ betreffen, sondern auch allgemeiner in „Familienkonflikten“, die womöglich<br />

eine „Krisenintervention“ verlangen.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Der Kinderschutzb<strong>und</strong> sieht als Folge der Armut nicht nur die Gewalt gegen Kinder, son-<br />

dern auch deren verhinderte Entwicklungschancen. Arme Kinder haben geringere Bil-<br />

dungschancen, nehmen kaum an kulturellen sozialen Veranstaltungen teil <strong>und</strong> sind stär-<br />

keren ges<strong>und</strong>heitlichen Belastungen ausgesetzt. Die Familien leben oft aus Scham iso-<br />

liert. Die Jugendlichen haben wesentlich geringere Möglichkeiten, in der Gesellschaft Fuß<br />

zu fassen, <strong>und</strong> die Chancen, aus der Armutsspirale herauszukommen, werden immer<br />

geringer. Deshalb fordert der Kinderschutzb<strong>und</strong> seit Jahren ein Programm zur Bekämp-<br />

fung der Kinderarmut. Praktisch wird der Kinderschutzb<strong>und</strong> u. a. wie folgt tätig:<br />

„A13“ steht <strong>für</strong> „Amsterdamer Straße 13“ im <strong>Berliner</strong> Ortsteil Wedding. Dort bietet der Kin-<br />

derschutzb<strong>und</strong> den Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen unterschiedlichste Freizeit- <strong>und</strong> Bildungs-<br />

angebote. „A13“ umfasst eine Kindertagesstätte mit 45 Plätzen <strong>für</strong> Kinder im Alter von 1<br />

bis 6 Jahren. Besonderer Schwerpunkt der Betreuung liegt in der Stärkung des Selbstver-<br />

trauens <strong>und</strong> Selbstwertgefühls, in der heilpädagogischen, individuellen <strong>und</strong> sprachlichen<br />

Förderung sowie in der Elternarbeit.<br />

Außerdem betreibt der <strong>Berliner</strong> Kinderschutzb<strong>und</strong> eine offene Freizeitstätte <strong>für</strong> 6 bis<br />

18-Jährige <strong>und</strong> arbeitet in enger Kooperation mit der Erika-Mann-Gr<strong>und</strong>schule, wo Sozi-<br />

alarbeiter mit den Kindern die Konflikte in der Schule, zu Hause oder im sozialen Umfeld<br />

besprechen <strong>und</strong> lösen helfen.<br />

Verschiedene Kinderprojekte werden realisiert. Das Kinderprojekt „Ges<strong>und</strong>-Essen“ bietet<br />

mit Spendengeldern eine tägliche Mahlzeit <strong>für</strong> arme Kinder an. „Den Mädchen eine Chan-<br />

ce“ wendet sich an vorwiegend muslimische Mädchen, deren Selbstbewusstsein in der<br />

Regel nur sehr schwach ausgebildet ist. „Volle Fahrt voraus“ ist ein Reiseprojekt, das den<br />

Kindern die Vorbereitungen <strong>und</strong> Freuden des Reisens nahebringt.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

139<br />

3.1.2 Deutscher Familienverband e. V.<br />

(Kooperation mit der Erziehungs- <strong>und</strong> Familienberatung des Diakonischen<br />

Werkes in Reinickendorf, Bezirk Reinickendorf bzw. berlinweit<br />

tätig)<br />

Folgendes Leitbild liegt dem Deutschen Familienverband (DFV) zugr<strong>und</strong>e: Der DFV be-<br />

trachtet sich als freiwilliger Zusammenschluss engagierter Familien <strong>und</strong> vertritt seit vielen<br />

Jahrzehnten die Interessen von Familien. Der Verband setzt sich vor allem <strong>für</strong> eine „fami-<br />

lienbewusste“ <strong>und</strong> „kinderfre<strong>und</strong>liche“ Umwelt ein <strong>und</strong> fordert im Rahmen der aktuellen<br />

familienpolitischen Diskussion insbesondere einen gerechten Familienleistungsausgleich<br />

durch die Erhöhung des Kindergeldes <strong>und</strong> des Kinderfreibetrags bis zur Höhe des Exis-<br />

tenzminimums, verbesserte Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern bei der Ren-<br />

tenberechnung, eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Erwerbstätigkeit durch<br />

z. B. Angebote bedarfsgerechter Kindertagesstättenbetreuung, die Erhöhung des Erzie-


140<br />

hungsgeldes auf 600 Euro monatlich, die Erhöhung der Einkommensgrenzen <strong>und</strong> verbes-<br />

serte Förderung von Familien-Wohnraum <strong>und</strong> Wohneigentum.<br />

Neben seinen Aufgaben als Interessenverband realisiert der <strong>Berliner</strong> Landesverband des<br />

Deutschen Familienverbandes Aufgaben <strong>und</strong> Hilfen praktischer sozialer Arbeit <strong>für</strong> alle<br />

<strong>Berliner</strong>innen <strong>und</strong> <strong>Berliner</strong>, insbesondere <strong>für</strong> Familien in ihren unterschiedlichen Formen.<br />

Die Palette der praktischen Tätigkeit umfasst folgende Bereiche:<br />

In Seminaren <strong>und</strong> Kursen werden ausgewählte Themen der Familienbildung, der Erzie-<br />

hungs- <strong>und</strong> Familienberatung, des Lebens in der Familie <strong>und</strong> in der Partnerschaft angebo-<br />

ten, um beim Auftreten familiärer <strong>und</strong> individueller Krisen <strong>und</strong> Konflikte effektive Hilfe in<br />

Form von Beratung <strong>und</strong> Therapie leisten zu können. Angesprochen werden vor allem sol-<br />

che Zielgruppen wie Familien (auch Patchwork-Familien), Alleinerziehende, Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche <strong>und</strong> Paare (mit Kindern). Im Zentrum von Beratungen stehen die psychologi-<br />

sche <strong>und</strong> Erziehungsberatung bei kindlichen Verhaltensstörungen unterschiedlichster Art<br />

<strong>und</strong> deren Konsequenzen im Erziehungsverhalten der Eltern, Kinder- <strong>und</strong> Familienthera-<br />

pien <strong>und</strong> Trennungs- <strong>und</strong> Scheidungsberatung. Hierbei besteht die Möglichkeit, Gruppen<br />

<strong>für</strong> Eltern <strong>und</strong>/oder Kinder einzurichten, die sich mit den Schwerpunkten Überforde-<br />

rung/Entlastung im Erziehungsalltag sowie Kindesentwicklung befassen.<br />

Darüber hinaus sind ges<strong>und</strong>heitsorientierte Kurse im Angebot (z. B. Eltern-Kind-Kurse,<br />

Krabbel- <strong>und</strong> Spielgruppen sind hier ein gemeinsames Angebot <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Eltern).<br />

Speziell junge Eltern können sich in einem themenzentrierten Bildungsprogramm zu sol-<br />

chen Themen wie Erziehungs- <strong>und</strong> Familienfragen, Mutter-Kind-Kuren, Familienerholung<br />

u. a. mit integriertem Bildungsangebot beraten <strong>und</strong> schulen lassen.<br />

Hinsichtlich einer gezielten Armutsprävention kann die Schuldner- <strong>und</strong> Insolvenzberatung<br />

des DFV wahrgenommem werden. Seit 1984 werden Familien <strong>und</strong> Einzelpersonen bera-<br />

ten, die ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Dabei unterstüt-<br />

zen Sozialarbeiter die Ratsuchenden in ihrem Bestreben um einen verantwortlichen Um-<br />

gang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten <strong>und</strong> um einen schrittweisen Schuldenabbau.<br />

Der <strong>Berliner</strong> Landesverband unterhält des weiteren eine Kleiderstube <strong>für</strong> sozial schwache<br />

Familien.<br />

3.1.3 AWO- Arbeiterwohlfahrt<br />

(Vorm<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> Pflegschaften, berlinweit tätig)<br />

Kinderarmut ist häufig die Folge innerfamiliärer Zwistigkeiten bzw. ungeklärter Rechte,<br />

insbesondere auch von Unterhaltsansprüchen. Die von der AWO angebotenen Vorm<strong>und</strong>-<br />

schaften <strong>und</strong> Pflegschaften beziehen sich vornehmlich auf ausländische Minderjährige.<br />

Diese sollen in die Lage versetzt werden, eine gute körperliche, soziale <strong>und</strong> geistige Ent-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


wicklung zu nehmen, eine ihren individuellen Fähigkeiten entsprechende schulische <strong>und</strong><br />

außerschulische Erziehung <strong>und</strong> Ausbildung zu durchlaufen <strong>und</strong> ihre Rechte wahren zu<br />

können bzw. bei deren Durchsetzung Unterstützung zu finden.<br />

Im Falle der Beistandschaften sollen die Minderjährigen bei der Geltendmachung von<br />

Unterhaltsansprüchen beraten <strong>und</strong> unterstützt werden, bei der Feststellung der Vater-<br />

schaft <strong>und</strong> bei sonstigen Unterhaltsverfahren, insbesondere bei der Einziehung <strong>und</strong> Kon-<br />

trolle von Unterhaltszahlungen <strong>und</strong> gegebenenfalls der Abrechnung mit den Sozialleis-<br />

tungsträgern. Außerdem werden die Jugendlichen in Fragen der elterlichen Sorge bera-<br />

ten.<br />

3.1.4 Schildkröte GmbH<br />

(Jugendwohnen im Kiez, berlinweit tätig)<br />

Schildkröte GmbH wurde 1988 von ihrem damaligen einzigen Gesellschafter Jugendwoh-<br />

nen im Kiez e. V. als erste gemeinnützige GmbH in Berlin gegründet. Hauptauftraggeber<br />

waren bis 2004 die Arbeitsämter, seither die JobCenter <strong>und</strong> Arbeitsagenturen in Berlin,<br />

die Senatsverwaltungen des Landes Berlin <strong>und</strong> der Europäische Sozialfond.<br />

Schildkröte GmbH ist ein gemeinnütziger Bildungs- <strong>und</strong> Beschäftigungsträger mit einem<br />

breiten Angebot beruflicher Qualifikationsmaßnahmen. Ziel ist es, unterstützungsbedürfti-<br />

ge Menschen unter 25 Jahren zu befähigen, ihre beruflichen Aufgaben erfolgreich zu er-<br />

füllen <strong>und</strong> ihre beruflichen Chancen zu erkennen <strong>und</strong> zu nutzen. Um auf dem Arbeits-<br />

markt erfolgreich zu sein, ist heute nicht mehr nur ein f<strong>und</strong>iertes Fachwissen nötig, son-<br />

dern auch die „Fähigkeit zu einem permanenten <strong>und</strong> selbstorganisierten Arbeiten <strong>und</strong><br />

Lernen“.<br />

Das Unternehmen gliedert die inhaltliche Arbeit in 7 Bereiche (Ausbildung, Beschäftigung,<br />

Akquise, Qualifizierung, Vermittlung, Projektarbeiten):<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

141<br />

1. „AzuBi“ bildet aus: Berufsorientierung, Berufsvorbereitung <strong>und</strong> Berufsausbildung<br />

zur Fachkraft im Gastgewerbe, Restaurantfachkraft, Koch, Konditor, Modenäher,<br />

Friseur, Kosmetiker;<br />

2. „MatchWork“ führt Beschäftigungsmaßnahmen durch mit dem Ziel einer langfristigen<br />

Ablösung von staatlicher Alimentierung;<br />

3. „B.EST“ akquiriert, betreut <strong>und</strong> besucht die Einsatz- <strong>und</strong> Beschäftigungsstellen der<br />

Maßnahmeteilnehmer in Berlin;<br />

4. „LernBar“ entwickelt <strong>und</strong> vermittelt Qualifikationsinhalte mit dem Ziel, die Lernbereitschaft<br />

der Teilnehmer zu stimulieren <strong>und</strong> sich Lerntechniken anzueignen in<br />

Kursen, die sich vorwiegend mit „Profiling, Bewerbungstraining, EDV, Sprachwerkstatt,<br />

Fachqualifizierung“ in diversen Berufsbildern beschäftigen;<br />

5. „Talent.Arena“ ist ein Erfahrungsort insbesondere <strong>für</strong> Schüler, die vor ihrer Berufswahl<br />

stehen <strong>und</strong> erste Ideen <strong>und</strong> Unterstützung erhalten;


142<br />

6. „JobLink“ bietet Hilfe bei der Suche nach Ausbildungs- <strong>und</strong> Arbeitsplätzen;<br />

7. „ProF<strong>und</strong>“ entwickelt <strong>und</strong> realisiert die Umsetzung von gemeinwesenorientierten<br />

Projektinhalten in eigenen <strong>und</strong> in öffentlichen oder nachbarschaftlichen Einrichtungen,<br />

z. B. : „KiKo (Kinderkost)“, hier verpflegt im Zuge der Ausbildung <strong>und</strong> Qualifizierung<br />

der Standort „Schildkröte“ (Kreuzberg) viele Kinder in Kitas <strong>und</strong> Schulen<br />

mit hochwertiger Kost als primäre Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge.<br />

Die Angebote „Küchenzauber (Ernährungspädagogische Gruppenarbeit)“, „KostBar (Ver-<br />

pflegung Bedürftiger)“, „Kiezblüte (Gärten <strong>für</strong> Kinder)“, „GestaltBar (Herstellung von texti-<br />

lem Dekorationsmaterial)“ werden ergänzt durch wechselnde Projektinhalte, insbesondere<br />

im Umfeld sozialer Brennpunkte (z. B. Unterstützung von Mieteraktivitäten,<br />

Migrantenbegegnungsgruppen, Hausaufgabenhilfe u. a. m.)<br />

3.1.5 Der Notmütterdienst Familien- <strong>und</strong> Seniorenhilfe e. V.<br />

(NMD, berlinweit tätig)<br />

Der Notmütterdienst bietet u. a. Hilfe auf folgenden Gebieten an: Familienhilfe, insbeson-<br />

dere hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie <strong>und</strong> Beruf, Kinderbetreuung (z. B. Notmut-<br />

ter, Kinderfrau, Tagesmutter, Eventbetreuung, Kinderbetreuung r<strong>und</strong> um die Uhr), Haus-<br />

haltshilfe (hauswirtschaftliche Versorgung), Hilfen <strong>für</strong> Alleinerziehende (Projekt Mutter &<br />

Job, Tagesmuttervermittlung, Babysitting) oder dementsprechende individuelle Beratun-<br />

gen.<br />

3.1.6 SHIA e. V. SelbstHilfeInitiative Alleinerziehender Berlin<br />

(Bezirke Pankow <strong>und</strong> Friedrichshain-Kreuzberg, teilweise auch berlinweit)<br />

SHIA geht von folgendem Leitbild aus: In Deutschland sind Alleinerziehende <strong>und</strong> deren<br />

Kinder besonders oft von Ausgrenzung <strong>und</strong> Armut betroffen. Vor diesem gesellschaftli-<br />

chen Hintergr<strong>und</strong> wurden 1990 stadtbezirklich organisierte Selbsthilfegruppen gegründet,<br />

die sich seitdem <strong>für</strong> die Stärkung, die Gleichstellung <strong>und</strong> Chancengleichheit von Eineltern-<br />

familien einsetzen, um ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben<br />

zu ermöglichen. Es wird ein verändertes Bild von Einelternfamilien angestrebt, das eine<br />

realistische Sicht auf ihre Stärken <strong>und</strong> Ressourcen beinhaltet, Interessen von Eineltern-<br />

familien auf allen politischen <strong>und</strong> gesellschaftlichen Ebenen werden wahrgenommen <strong>und</strong><br />

Alleinerziehende durch praktische Angebote unterstützt. In die Diskussionen um notwen-<br />

dige sozial- <strong>und</strong> familienpolitische Veränderungen wird aktiv eingegriffen, mit bezirklichen<br />

<strong>und</strong> überbezirklichen Trägern <strong>und</strong> Einrichtungen wird aktiv in frauen- <strong>und</strong> familienpoliti-<br />

schen Gremien mitgearbeitet. SHIA versteht sich insbesondere als Kontakt- <strong>und</strong> Bera-<br />

tungsstelle <strong>für</strong> Alleinerziehende <strong>und</strong> deren Kinder mit einer breiten Palette an Dienstleis-<br />

tungsangeboten. Ziel ist es vor allem, allein erziehenden Müttern <strong>und</strong> Vätern unmittelbare<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


<strong>und</strong> praktische Unterstützung bei der Alltagsbewältigung zu geben sowie auf die Erhal-<br />

tung <strong>und</strong> Verbesserung ihrer Erziehungskompetenz einzuwirken. Sozialberatung <strong>und</strong> An-<br />

gebote der Familienbildung sollen Alleinerziehende anregen, eigenverantwortlich Lö-<br />

sungsstrategien in schwierigen Situationen zu entwickeln <strong>und</strong> durchzusetzen. Bestandteil<br />

aller Veranstaltungsangebote ist die Kinderbetreuung, die eine Teilnahme ermöglicht <strong>und</strong><br />

der Isolation entgegenwirkt. Generell misst SHIA der besseren Vereinbarkeit von Familie<br />

<strong>und</strong> Erwerbstätigkeit eine besondere Bedeutung bei.<br />

Durch eine flexible <strong>und</strong> bedarfsgerechte Kinderbetreuung (außerhalb der Öffnungszeiten<br />

von Kita <strong>und</strong> Hort) wird die eigenständige Existenzsicherung von Alleinerziehenden ent-<br />

sprechend den zeitlichen Anforderungen ihres Arbeitsplatzes unterstützt. Dieses Angebot<br />

gilt <strong>für</strong> alle Alleinerziehenden, die die Kinderbetreuung oder den Begleitservice aufgr<strong>und</strong><br />

von Erwerbstätigkeit, Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung oder eigenen ges<strong>und</strong>heitlichen Belangen<br />

benötigen. SHIA hat langjährige Erfahrungen mit dem Angebot der ergänzenden, be-<br />

darfsgerechten Kinderbetreuung. Es werden Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren außer-<br />

halb der Öffnungszeiten von Kindereinrichtungen – auch nachts <strong>und</strong> am Wochenende –<br />

im Haushalt der jeweiligen Einelternfamilie betreut. Die Betreuer/innen holen die Kinder<br />

aus der Einrichtung ab <strong>und</strong> betreuen sie, bis die Mutter/der Vater von der Arbeit nach<br />

Hause kommt. Zusätzlich kann tagsüber ein Begleitservice <strong>für</strong> Kinder realisiert werden,<br />

wenn Mutter oder Vater die Kinder nicht selbst zum Sport, zur Musikschule, zu Therapien<br />

oder zu anderen Terminen bringen können. Bei Bedarf wartet die Betreuerin auf das Kind,<br />

bringt es anschließend nach Hause <strong>und</strong> betreut es dort weiter. Eine Kurzzeitbetreuung in<br />

den SHIA-Räumen (bei schönem Wetter auf dem Spielplatz) kann genutzt werden (unab-<br />

hängig vom Wohnbezirk) wenn z. B. Arztbesuche, Ämtergänge, Einkäufe oder andere<br />

Termine ohne Kind zu erledigen sind.<br />

Weiterhin bietet SHIA Sozialberatung <strong>für</strong> Alleinerziehende zu solchen Themen an wie<br />

Beantragung von laufenden <strong>und</strong> einmaligen Leistungen nach dem SGB II, Kindesunter-<br />

halt, Beistandschaft, Unterhaltsvorschuss, Kindergeld, Kinderzuschlag, Mutterschutz, El-<br />

ternzeit <strong>und</strong> Elterngeld, Arbeitslosengeld, Kindschaftsrecht, beispielsweise zum Um-<br />

gangsrecht <strong>und</strong> zum Sorgerecht (alleiniges elterliches Sorgerecht, Möglichkeiten <strong>und</strong><br />

Grenzen gemeinsamer elterlicher Sorge, Sorgeerklärung) <strong>und</strong> unterstützt bei der Formu-<br />

lierung von Widersprüchen gegen Bescheide von Behörden. In gewissen Abständen fin-<br />

den dazu Informationsveranstaltungen statt.<br />

SHIA fungiert als Beratungsstelle <strong>für</strong> Anträge an die Stiftung "Hilfe <strong>für</strong> die Familie". Es<br />

werden Familien bzw. schwangere Frauen unterstützt, die in Berlin wohnen <strong>und</strong> gemeldet<br />

sind <strong>und</strong> sich in finanziellen Notlagen, die im Zusammenhang mit der erwarteten Geburt<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

143<br />

eines Kindes stehen, befinden (aus Mitteln der B<strong>und</strong>esstiftung "Mutter <strong>und</strong> Kind – Schutz


144<br />

des ungeborenen Lebens" bzw. bei Familiennotlagen aus eigenen Mitteln der Landesstif-<br />

tung).<br />

Des weiteren können vor allem Alleinerziehende auch Beratungen in Krisen- <strong>und</strong> Konflikt-<br />

situationen nutzen (z. B. bei persönlichen oder beruflichen Problemen, die das Familien-<br />

leben belasten, bei Konflikten in der Erziehung oder mit dem Vater/der Mutter des Kindes,<br />

bei allen Fragen, die aus der Doppelbelastung als allein erziehendes Elternteil resultieren<br />

u. a. m.).<br />

3.1.7 „Müfü Mü“<br />

(Mütter <strong>für</strong> Mütter, Bezirk Mitte/Moabit)<br />

„Integration auf Augenhöhe“, wie im Projekt „Stadtteilmütter in Kreuzberg“, ist das Gr<strong>und</strong>-<br />

anliegen der „Müfü Mü“ im Bezirk Mitte, Ortsteil Moabit (ausgezeichnet mit dem dritten<br />

Platz des Hauptstadtpreises <strong>für</strong> Integration <strong>und</strong> Toleranz 2009). Derzeit 20 Frauen aus<br />

Einwandererfamilien begegnen anderen ausländischen Müttern in ihrer Landessprache<br />

<strong>und</strong> helfen den oftmals isoliert lebenden Frauen bei der Bewältigung von vielfältigen All-<br />

tagsproblemen (von ADHS bis zur Zahnpflege). Sie verstehen sich auch als Vermittlungs-<br />

stellen zu den Beratungs- <strong>und</strong> Hilfsangeboten des Bezirks bzw. der Stadt <strong>und</strong> erreichen<br />

Menschen, zu denen der Staat kaum oder keinen Zugang hat. 65 arabische, 30 türkische,<br />

10 persische <strong>und</strong> 14 kurdische Familien wurden 2009 betreut. Größtes <strong>und</strong> erstes Prob-<br />

lem sei immer die Sprachbarriere. Deshalb wird zunächst versucht, die Migrantinnen <strong>für</strong><br />

den Besuch von Deutschkursen zu gewinnen. Aber auch solche Themen wie häusliche<br />

Gewalt, das <strong>Berliner</strong> Bildungssystem oder der Umgang mit Schulden stehen auf der Ta-<br />

gesordnung. Das Projekt führte bisher auch dazu, dass sich das Netzwerk ständig erwei-<br />

terte. So werden durch das Christliche Jugendwerk wöchentlich Deutsch-, Englisch- <strong>und</strong><br />

Computerkurse angeboten, eine Familienpsychologin aus dem SOS-Kinderdorf steht zur<br />

Verfügung.<br />

3.1.8 SOS-Kinderdorf Moabit<br />

(Bezirk Mitte/Moabit)<br />

Das SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit ist das erste SOS-Kinderdorf in einer Großstadt <strong>und</strong><br />

liegt in einem <strong>Berliner</strong> Stadtgebiet mit großer kultureller <strong>und</strong> ethnischer Vielfalt. Soziale<br />

Konflikte, Arbeitslosigkeit, Isolation, hoher Bildungsbedarf kennzeichnen hier, wie auch in<br />

anderen <strong>Berliner</strong> Regionen, in besonderem Maße das Zusammenleben verschiedenster<br />

Nationen.<br />

Das Kinderdorf stellt eine Verb<strong>und</strong>einrichtung dar <strong>und</strong> umfasst Beratungs-, Betreuungs-,<br />

Unterstützungs-, Bildungs- <strong>und</strong> Versorgungsangebote. Im Dorf wohnen z. Zt. vier Fami-<br />

lien, in denen jeweils sechs Kinder <strong>und</strong> ihre Kinderdorfmutter leben. Kinder, die aus ver-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


schiedensten Gründen nicht bei ihren leiblichen Eltern leben können, werden hier in neue<br />

Familien integriert, haben aber weiterhin Kontakt zu ihrem gewohnten sozialen Umfeld.<br />

Neben den Kindern spielen in der Arbeit des Kinderdorfes die Eltern eine zentrale Rolle<br />

(EEC-Ansatz), sie werden in die Entwicklung ihrer Kinder intensiv eingeb<strong>und</strong>en. Zum Kin-<br />

derdorf gehört ebenfalls eine Kita, in der 70 Kinder bis zu ihrer Einschulung betreut wer-<br />

den.<br />

3.1.9 Familienzentrum Mehringdamm<br />

(Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg)<br />

Das Familienzentrum Mehringdamm ist Anlaufstelle <strong>für</strong> Familien, die nachbarschaftliche<br />

Kontakte, Freizeit-, Bildungs- <strong>und</strong> Beratungsangebote suchen. Zielgruppe sind Familien<br />

aus der näheren Umgebung, insbesondere mit Migrationshintergr<strong>und</strong>. Im Zentrum treffen<br />

sich Eltern-Kind-Gruppen, die aus unterschiedlichsten Herkunftsländern stammen (u. a.<br />

Türkei, Ukraine, Tschechien, verschiedene südamerikanische Länder). Das Zentrum för-<br />

dert interkulturelle Begegnungen beispielsweise durch die Gestaltung landestypischer<br />

Nachmittage. Mütter mit Migrationshintergr<strong>und</strong> können im Familienzentrum an Deutsch-<br />

kursen teilnehmen, dazu wird eine Kinderbetreuung angeboten.<br />

Das Herzstück des Familienzentrums ist sein Café, über das ein niederschwelliger Zu-<br />

gang zu den unterschiedlichsten Angeboten des Zentrums ermöglicht wird. Es ist <strong>für</strong> alle<br />

Besucher offen <strong>und</strong> befindet sich direkt neben dem großen Spielraum <strong>für</strong> Kinder. Täglich<br />

zwischen 16 <strong>und</strong> 18 Uhr werden Musik-, Spiel- <strong>und</strong> Bastelmöglichkeiten angeboten sowie<br />

ein Trödeltausch <strong>für</strong> Kinderkleidung <strong>und</strong> Spielsachen. Zu den Veranstaltungen gehören<br />

z. B. auch das Bilderbuchkino, Experimente <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Feste zu den verschiedenen<br />

Anlässen. Im Rahmen der Ferienbetreuung werden nachmittags Programme <strong>für</strong> Kinder<br />

veranstaltet.<br />

Im Familienzentrum werden Beratungen r<strong>und</strong> um das Thema Kind <strong>und</strong> Familie angebo-<br />

ten. Entsprechende Kursangebote in den Bereichen musischer Bildung, Bewegung oder<br />

ges<strong>und</strong>er Ernährung unterstützen die Erziehung <strong>und</strong> Bildung innerhalb der Familie. Eltern<br />

können auch in Eigeninitiative Gruppen im Familienzentrum gründen. Gr<strong>und</strong>lage der Fa-<br />

milienarbeit ist der Early Excellence Ansatz (EEC), d. h. die gemeinsame Erziehungspart-<br />

nerschaft mit den Eltern 41 . Die Angebote <strong>für</strong> die Kinder werden gemeinsam mit den Eltern<br />

abgestimmt (dabei interessiert, wie die Kinder zuhause leben, welche Interessen <strong>und</strong> Vor-<br />

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145<br />

41 Dieser Ansatz wurde in den 90er Jahren in Großbritannien entwickelt <strong>und</strong> beinhaltet neben der gezielten<br />

Einbindung der Eltern in den Entwicklungsprozess ihrer Kinder auch eine Reihe von Elternangeboten, die<br />

nicht direkt mit der unmittelbaren Erziehung im Zusammenhang stehen (z. B. Familienbildung, Familien- <strong>und</strong><br />

Erziehungsberatung). Der EEC-Ansatz beinhaltet im wesentlichen vier Säulen: 1. die kindliche Entwicklung<br />

beobachten, dokumentieren <strong>und</strong> fördern; 2. die Eltern mit in den Erziehungsprozess einbeziehen; 3. Vernetzung<br />

<strong>und</strong> Öffnung nach außen <strong>für</strong> Familie <strong>und</strong> Kindereinrichtungen aus der Nachbarschaft; 4. Ständige Fortbildung<br />

der Mitarbeiter, um eine hohe Betreuungsqualität zu erreichen. Vgl. dazu: http://www.earlyexcellence.de


146<br />

lieben sie haben <strong>und</strong> wie das Familienzentrum mit seinen Angeboten die Entwicklung der<br />

Kinder unterstützen kann).<br />

Den Übergang von der Kita in die Gr<strong>und</strong>schule zu erleichtern, darin besteht ein weiteres<br />

Ziel der Arbeit des Zentrums (Kooperation mit Gr<strong>und</strong>schulen in der näheren Umgebung).<br />

Es besteht ein Netzwerk aus umliegenden Kitas, Schulen <strong>und</strong> Jugendhilfeeinrichtungen,<br />

die sich gegenseitig unterstützen (z. B. durch Nutzung verschiedenster Funktionsräume<br />

wie Sporthalle, Küche, Spielraum usw.).<br />

Im Zentrum können Gruppenangebote <strong>für</strong> Eltern <strong>und</strong> Kinder (Eltern-Kind-Gruppe mit Kin-<br />

dern von der Geburt bis ein Jahr, Eltern-Kind-Gruppe mit Kindern von einem Jahr bis drei<br />

Jahre, musikalisches Spiel, Bewegung <strong>und</strong> Sport <strong>für</strong> Kinder, Ges<strong>und</strong>heitsförderung <strong>und</strong><br />

Ernährung, familienorientierte Sportgruppen) ebenso genutzt werden wie interkulturelle<br />

Angebote (Deutsch-Integrationskurs mit Kinderbetreuung an fünf Wochentagen, Familien-<br />

frühstück <strong>für</strong> türkische Familien, Frauenfrühstück <strong>für</strong> arabische Frauen, tschechische Mut-<br />

ter-Kind-Gruppe, ukrainische Spiel- <strong>und</strong> Begegnungsgruppe, Mutter-Kind-Gruppe <strong>für</strong><br />

Frauen türkischer Herkunft).<br />

Pädagogische <strong>und</strong> Beratungsangebote umfassen Elternkurse, soziale Beratungsangebote<br />

in arabischer <strong>und</strong> türkischer Sprache, Beratung r<strong>und</strong> um das Thema Arbeit, Rechts- <strong>und</strong><br />

Mieterberatung sowie Beratung in Fragen der Psychotherapie.<br />

Das Zentrum bietet auch Raum <strong>für</strong> Selbsthilfegruppen, z. B. anonyme Messies, Eltern-<br />

kreis drogenabhängiger Jugendlicher, Gesprächsgruppe Frauen mit Essstörungen,<br />

Selbsthilfegruppe <strong>für</strong> Alkohol-, Medikamenten- <strong>und</strong> Drogenabhängige, Gesprächsgruppe<br />

Adoptiveltern, Tagespflegegruppe Kreuzberg u. a.<br />

3.1.10 Stadtteilmütter in Kreuzberg<br />

(Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg)<br />

Dieses durch das Jugendamt des Bezirks geförderte Projekt soll Hilfsangebote <strong>für</strong> Fami-<br />

lien mit Problemen, die das Jugendamt nicht erreichen kann, zur Verfügung stellen. Ins-<br />

besondere geht es darum, die Bildungschancen von Kindern aus Migrationsfamilien zu<br />

verbessern. 50 Frauen mit türkischen <strong>und</strong> arabischen Wurzeln, selbst Mütter, arbeitslos,<br />

mit guten Deutschkenntnissen, wurden im vergangenen Jahr 6 Monate ausgebildet (Kin-<br />

dererziehung <strong>und</strong> -entwicklung, Ges<strong>und</strong>heits- <strong>und</strong> Sprachförderung, Kita-Konzepte,<br />

Schulanforderungen, Kinderschutz) <strong>und</strong> haben mit diesem Wissen <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> ihrer<br />

eigenen Lebenserfahrungen Familien Hilfe angeboten, die mit der Erziehung ihrer Kinder<br />

überfordert wirkten. Kontakte wurden fast immer über die Muttersprache hergestellt <strong>und</strong><br />

die Annäherung an diese Familien erfolgte auf gleicher Ebene, als Mutter, Fre<strong>und</strong>in oder<br />

Nachbarin. Die Bilanz <strong>für</strong> Kreuzberg scheint sehr erfolgreich zu sein, Kitaanmeldungen<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


seien deutlich gestiegen, die Sprachkenntnisse wie auch die motorischen Fähigkeiten der<br />

Kinder hätten sich gebessert. Das Programm soll 2010 fortgesetzt werden. Der Ausbil-<br />

dungsgang zur „Sozialassistentin“ soll vom Diakonischen Werk (Projektleitung) als EU-<br />

Programm zur „interkulturellen Familienbegleiterin“ erweitert werden. Damit sollen die<br />

„Kreuzberger Stadtteilmütter“ auch <strong>für</strong> sich selbst mehr Perspektiven bekommen.<br />

3.1.11 Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH<br />

(Bezirk Pankow/Prenzlauer Berg)<br />

Die gemeinnützige Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH ist ein soziales Dienstleistungsunter-<br />

nehmen mit Tätigkeitsschwerpunkten in den Bereichen Kinder-, Jugend- <strong>und</strong><br />

Gemeinwesenarbeit. Es werden vielfältige Projekte <strong>und</strong> Einrichtungen der sozialen Infra-<br />

struktur in der Region Berlin betrieben, gefördert <strong>und</strong> vernetzt. In den Einrichtungen finden<br />

Menschen neben den Möglichkeiten zur kreativen <strong>und</strong> kulturellen Freizeitgestaltung<br />

ebenso Hilfe bei der Entwicklung individueller Lebensentwürfe bzw. beruflicher Perspekti-<br />

ven wie auch bei der Bewältigung persönlicher Probleme <strong>und</strong> Schwierigkeiten. Der Ansatz<br />

in den Einrichtungen ist generationsübergreifend <strong>und</strong> multikulturell, das Zusammenleben<br />

der Kulturen <strong>und</strong> Generationen wird ausdrücklich gefördert. Als soziale Dienstleisterin<br />

kooperiert die Pfefferwerk Stadtkultur gGmbH in lokalen, regionalen <strong>und</strong> internationalen<br />

Netzwerken <strong>und</strong> arbeitet als Bestandteil der sozialen Infrastruktur eng mit anderen freien<br />

Trägern <strong>und</strong> öffentlich rechtlichen Institutionen zusammen. Als Mitglied der Qualitätsge-<br />

meinschaft Jugendhilfe des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes werden Quali-<br />

tätsstandards <strong>für</strong> die Kinder-, Jugend- <strong>und</strong> Gemeinwesenarbeit entwickelt.<br />

Im Rahmen der sozialpädagogischen Familienhilfe werden Hilfen zur Beratung <strong>und</strong> Un-<br />

terstützung von Familien bei der Erziehung <strong>und</strong> Förderung ihrer Kinder <strong>und</strong> in der Alltags-<br />

begleitung angeboten. Zielgruppen sind insbesondere Eltern, Alleinerziehende <strong>und</strong> ande-<br />

re Personensorgeberechtigte, deren Kinder sich in benachteiligten sozialen, psychosozia-<br />

len <strong>und</strong> individuellen Lebenssituationen befinden bzw. in ihrer sozialen, psychischen <strong>und</strong><br />

physischen Entwicklung gestört bzw. gehemmt <strong>und</strong> benachteiligt sind, die sich selbst in<br />

seelischen Krisenzuständen befinden, weil sie inner- <strong>und</strong> außerfamiliäre Konflikt- <strong>und</strong> Kri-<br />

sensituationen bewältigen müssen bzw. auch den Pflege- <strong>und</strong> Erziehungsansprüchen<br />

ihrer Kinder aus unterschiedlichsten Gründen nicht gerecht werden können <strong>und</strong> bei der<br />

Bewältigung des Familienalltags <strong>und</strong> der allgemeinen sozialen Lebenssituation Unterstüt-<br />

zung benötigen.<br />

Ziele dieser sozialpädagogischen Familienhilfe bestehen insbesondere in der Stärkung<br />

der Erziehungskompetenz <strong>und</strong> -verantwortung der Eltern, der Förderung der Kinder in<br />

ihrer sozialen, geistigen <strong>und</strong> körperlichen Entwicklung (auch Ges<strong>und</strong>heitsvorsorge), in der<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

147<br />

Lösung von inner- <strong>und</strong> außerfamiliären Konflikten <strong>und</strong> Krisen <strong>und</strong> der Bewältigung von


148<br />

Alltagsaufgaben, aber auch der Entwicklung von Lebensperspektiven (u. a. durch schuli-<br />

sche Förderung <strong>und</strong> berufliche Perspektivplanung) <strong>und</strong> der Erschließung familiärer, sozia-<br />

ler <strong>und</strong> sozialräumlicher Ressourcen. Damit soll den Familienmitgliedern Eigenkompetenz<br />

<strong>und</strong> selbstbestimmte Lebensführung erlebbar gemacht werden.<br />

Im Rahmen der Bildungsarbeit bzw. Eröffnung/Weiterführung von Bildungschancen <strong>für</strong><br />

Jugendliche nimmt das Projekt „Schulverweigerung – die 2. Chance“ einen besonderen<br />

Platz ein.<br />

Dieses Projekt konzentriert sich auf Schüler/innen der 6., 7. <strong>und</strong> 8. Klasse, die schuldis-<br />

tanziertes Verhalten zeigen, durch Schulunlust, durch mangelnde Lernmotivation oder<br />

häufige Fehlzeiten aufgefallen sind, die die Schule nicht regelmäßig besuchen, die Prob-<br />

leme mit Lehrern <strong>und</strong>/oder Mitschülern haben, die durch wiederholtes Fehlen im Unter-<br />

richt auffallen <strong>und</strong> die ihren Schulabschluss belegbar durch aktive oder passive Schulver-<br />

weigerung gefährden. Die Zielsetzung in der Projektarbeit besteht darin, über einen indi-<br />

viduellen Förderplan den Weg zurück in die Schule, zurück zu Bildungschancen, gemein-<br />

sam mit den Schüler/innen, den Lehrer/innen, den Eltern <strong>und</strong> pädagogischen Fachleuten<br />

zu ebnen. Die Projektteilnehmer sollen eine „2. Chance“ erhalten, sich mit dem erfolgrei-<br />

chen Schulabschluss die Basis <strong>für</strong> eine berufliche Zukunft <strong>und</strong> <strong>für</strong> gesellschaftliche Teil-<br />

habe zu schaffen <strong>und</strong> somit den Ausweg aus einer in vielen Fällen bereits begonnenen<br />

„Armutsspirale“ zu finden. In dieses Projekt sind z. Zt. fünf Schulen des Bezirks Pankow<br />

einbezogen.<br />

3.1.12 OASE Berlin<br />

(Integrationsprojekte <strong>für</strong> MigrantInnen von OASE Pankow e. V.,<br />

Bezirk Pankow)<br />

Die OASE Berlin konzentriert sich in ihrer Arbeit auf die Integration von Migranten <strong>und</strong><br />

Ausländern <strong>und</strong> bietet ein weitgefächertes Beratungsangebot zum Ausländer- <strong>und</strong> Asyl-<br />

recht an. Dieses umfasst solche Themenfelder wie Hilfe im Asylverfahren <strong>und</strong> im Klage-<br />

verfahren, Asylvorbereitung/Asylerstberatung, Fragen zum Aufenthaltsrecht, Bleiberecht<br />

oder zu Härtefallanträgen, Fragen zum Asylbewerberleistungsgesetz, Fragen zu Fami-<br />

liennachzug <strong>und</strong> -zusammenführung, Hilfe bei Fragen zur Einbürgerung <strong>und</strong> sonstige auf-<br />

enthaltsrechtliche Fragen.<br />

Darüber hinaus werden von OASE Berlin generell Beratungen angeboten, die sich auf die<br />

Themenkreise Sozialrecht, Sozialarbeit <strong>und</strong> Einzelfallhilfen beziehen. In den Beratungen<br />

zum Sozialrecht <strong>und</strong> zur Hilfe bei sozialen Problemen aller Art geht es insbesondere um<br />

Problemlösungen bei Sozialhilfe <strong>und</strong> ALG II, um Fragen zu Sozialleistungen nach SGB II,<br />

Familienleistungen, Kindergeld, Wohngeld etc., um Hilfe bei Widerspruchsverfahren <strong>und</strong><br />

Klagen, um die Vermittlung bei Problemen mit den Behörden, um Unterstützung beim<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Schriftverkehr <strong>und</strong> Behördenbegleitung in schwierigen Situationen. In der konkreten Sozi-<br />

alarbeit <strong>und</strong> beratungsintensiven Einzelfallhilfe unterstützen Sozialarbeiter bei der Woh-<br />

nungssuche, der Jobsuche, bei Bewerbungen, stehen im Rahmen der Familienhilfe (El-<br />

tern, Kinder, Jugendliche) zur Verfügung, helfen bei Überschuldung <strong>und</strong> bei sonstigen<br />

sozialen Problemen aller Art.<br />

All diese Beratungen <strong>und</strong> Hilfen werden bei kostenloser Sprachmittlung in derzeit folgen-<br />

den Sprachen angeboten: Russisch, Englisch, Französisch, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch,<br />

Ungarisch, Arabisch, Türkisch, Armenisch, Polnisch, Persisch-Farsi (<strong>für</strong> das Übersetzen<br />

umfangreicher Briefe, Texte <strong>und</strong> Dokumente müssen nach Absprache mit den Sprachmitt-<br />

lern je nach Zeitaufwand Gebühren verlangt werden).<br />

Psychologische Beratung kann bei OASE Berlin ebenfalls wahrgenommen werden, in<br />

Form von Gesprächstherapie, Kindergesprächstherapie, bei posttraumatischen Belas-<br />

tungsstörungen, die bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen insbesondere aus Migrantenfamilien<br />

auftreten. Traumaverarbeitung u. ä., Spieltherapie <strong>und</strong> kreative Ansätze ergänzen das<br />

Angebot <strong>für</strong> die Behandlung von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen.<br />

3.1.13 Netzwerk Spiel/Kultur Prenzlauer Berg e. V.<br />

(Bezirk Pankow/Prenzlauer Berg)<br />

Das Netzwerk (Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, in der Landes-<br />

vereinigung Kulturelle Jugendbildung LKJ, der Arbeitsgemeinschaft (nach §78 KJHG)<br />

Mitbestimmung von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen des Landes Berlin <strong>und</strong> im B<strong>und</strong>es- <strong>und</strong><br />

Landesverband der pädagogisch betreuten Spielplätze bdja <strong>und</strong> AKIB) versteht sich als<br />

Lobby <strong>für</strong> Kinder- <strong>und</strong> Jugendinteressen mit praktischem Engagement <strong>und</strong> offensiver Öf-<br />

fentlichkeitsarbeit zur Verbesserung der Lage der Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen vor allem im<br />

Bezirk Pankow von Berlin/Prenzlauer Berg. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

verschiedene Tätigkeitsfelder einrichtungsbezogen im Jugendhilfebereich aufzubauen, zu<br />

entwickeln <strong>und</strong> zu vernetzen. Seine Tätigkeitsfelder umfassen die Bereiche Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendarbeit (§11 KJHG), Hilfen zur Erziehung/Jugendsozialarbeit (§§13 u 29) <strong>und</strong> Kin-<br />

dertagesbetreuung. Inhaltlich konzentriert sich die Arbeit des Vereins auf die Offene Kin-<br />

der- <strong>und</strong> Jugendarbeit, die Freizeit- <strong>und</strong> Kulturpädagogik sowie die Kinder- <strong>und</strong> Jugend-<br />

kulturarbeit, auf politische <strong>und</strong> ökologische Bildung, auf Kleinkindpädagogik, die außer-<br />

schulische Kinder- <strong>und</strong> Jugendbildung <strong>und</strong> die Integration von Benachteiligten.<br />

In den vergangenen Jahren baute der Verein viele Einrichtungen <strong>und</strong> Projekte in eigener<br />

Trägerschaft auf, leistete bei weiteren Projekten Aufbauhilfe <strong>und</strong> Entwicklungsunterstüt-<br />

zung <strong>und</strong> ist derzeit Träger mehrerer Spielplätze <strong>und</strong> Kinderprojekte. Bei der Konzipierung<br />

von Elterninitiativ-Kindertagesstätten, -Schulen war Netzwerk Spiel/Kultur ebenfalls beteiligt.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

149


150<br />

Vernetzung steht im Focus des Vereins. Eine enge regionale Vernetzung von unter-<br />

schiedlichen, also mit verschiedenen materiellen <strong>und</strong> personellen Ressourcen ausgestat-<br />

teten Einrichtungen, war <strong>und</strong> ist eine sinnvolle Voraussetzung <strong>für</strong> effektive Vereinsarbeit.<br />

Im Laufe der Jahre hat sich im südlichen Prenzlauer Berg dadurch ein stabiles Geflecht<br />

von Beziehungen zwischen den Kinder- <strong>und</strong> Jugendeinrichtungen gleich welcher Träger-<br />

schaft <strong>und</strong> welcher inhaltlichen oder pädagogischen Aufgabenstellung entwickelt, zu dem<br />

auch die Schulen, Kitas <strong>und</strong> die sozialpädagogischen Dienste des Bezirks zählen.<br />

Darüber hinaus gibt es ein dichtes Informationsnetz im Gesamtbezirk Pankow, das durch<br />

die Einbindung der Einrichtungen des Vereins in solche Gremien wie Pankeb<strong>und</strong> <strong>und</strong> be-<br />

zirkliche Arbeitsgemeinschaften nach §78 KJHG nicht unwesentlich gefördert wird. Das<br />

gemeinsame Nutzen von knappen Ressourcen wird also ergänzt durch Informationsver-<br />

netzung zu Finanzierungsstrategien, pädagogischen Weiterbildungen <strong>und</strong> konkretem<br />

Handeln in den Einrichtungen vor Ort.<br />

3.1.14 Gruppe <strong>für</strong> Alleinerziehende Anaz-Berlin<br />

(Bezirke Pankow/Prenzlauer Berg <strong>und</strong> Charlottenburg-Wilmersdorf)<br />

Die Anaz-Berlin ist eine Selbsthilfegruppe von allein erziehenden Müttern <strong>und</strong> Vätern <strong>und</strong><br />

ihren Kindern, die sich kontinuierlich treffen. Bei diesen Treffen stehen der regelmäßige<br />

Austausch <strong>und</strong> die Beratung im Vordergr<strong>und</strong>, ebenso wie gegenseitige Hilfe <strong>und</strong> gemein-<br />

same Unternehmungen. Bei den Treffen in den Gruppenräumen wird eine Kinderbetreu-<br />

ung angeboten.<br />

3.1.15 Nachbarschafts- <strong>und</strong> Selbsthilfe-Zentrum NUSZ ufafabrik<br />

(Bezirk Tempelhof-Schöneberg)<br />

Das Zentrum ist Teil der ufafabrik <strong>und</strong> definiert sich als Raum <strong>für</strong> aktives Miteinander, <strong>für</strong><br />

kommunale Einmischung im Stadtteil, <strong>für</strong> kulturelle <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitliche Eigenbetätigung<br />

(Tanz, Bewegung, Selbstverteidigung, Sport), <strong>für</strong> Nachbarschafts- <strong>und</strong> Selbsthilfe, Bera-<br />

tung, konkrete Hilfen <strong>und</strong> soziale Dienste <strong>für</strong> alle Altersgruppen. Gefördert wird das NUSZ<br />

im Rahmen des Fördervertrages "Stadtteilzentren" durch den Paritätischen Wohlfahrts-<br />

verband Berlin <strong>und</strong> den <strong>Berliner</strong> Senat. Infrastruktur, soziale Angebote <strong>und</strong> die Förderung<br />

bürgerschaftlichen Engagements können dadurch gesichert <strong>und</strong> weiter entwickelt werden.<br />

Hinsichtlich der Familienförderung <strong>und</strong> Unterstützung von Familien in den unterschied-<br />

lichsten Problemsituationen unterhält NUSZ ein umfangreiches Familiennetzwerk. Fami-<br />

lien (verstanden als soziales Netzwerk von Menschen unterschiedlicher Generationen, in<br />

gemeinsamen oder getrennten Haushalten, verb<strong>und</strong>en durch Kontakt <strong>und</strong> Hilfebeziehun-<br />

gen) finden hier vielfältige Begegnungs-, Erlebnis-, Kommunikations- <strong>und</strong> Beratungsmög-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


lichkeiten in Gruppen, in Kursen, auf Veranstaltungen usw. <strong>und</strong> erfahren praktische Hilfe<br />

<strong>und</strong> Unterstützung in (fast) allen Lebenssituationen.<br />

Zum Familiennetzwerk gehören u. a. diverse Angebote zu Fragen der Familienbildung<br />

<strong>und</strong> -förderung, der Familientreffpunkt (Offener Eltern-Kind-Treff, wo andere Eltern ken-<br />

nengelernt werden <strong>und</strong> Kindern die Gelegenheit gegeben wird, mit anderen Kindern in<br />

Kontakt zu kommen usw.), das Bücher-Café (offen <strong>für</strong> alle, hier können in gemütlicher<br />

Atmosphäre Bücher gelesen, getauscht <strong>und</strong> ausgeliehen werden). Das NUSZ unterhält 2<br />

Kindertagesstätten, 1 Kinderhotel (dieses Kinderhotel ist offen <strong>für</strong> alle Kinder im Alter von<br />

drei bis zehn Jahren), das Horthaus "Schulburg" auf dem Tempelhofer Feld, die Schulsta-<br />

tion "W<strong>und</strong>erinsel", die Nachbarschaftstreffpunkte Britzer Straße (der Treff Britzer Straße<br />

ist ein Treffpunkt mit vielfältigen Angeboten <strong>für</strong> Kinder <strong>und</strong> Jugendliche <strong>und</strong> auch ein Ort<br />

der Begegnung unterschiedlicher Generationen) <strong>und</strong> Lichtenrade/Waschhaus.<br />

Weiterführende Fachdienste <strong>und</strong> praktische Hilfs- <strong>und</strong> Unterstützungsmaßnahmen ergän-<br />

zen das Angebot, z. B. ein ambulanter Pflegedienst, flexible Hilfen zur Erziehung, Ju-<br />

gendgerichtshilfe, individuelle Kinderbetreuung (z. B. Familienservice <strong>für</strong> Firmen bei<br />

Schichtarbeit, Arbeitszeit an Wochenenden oder in den Ferien, d. h. Versorgung <strong>und</strong> Be-<br />

treuung der Kinder r<strong>und</strong> um die Uhr, Betreuung der Kinder zu Hause oder in den eigenen<br />

Räumen – st<strong>und</strong>enweise, den ganzen Tag, über Nacht, an Wochenenden oder in den<br />

Ferienzeiten).<br />

Im Rahmen des Familiennetzwerkes werden diverse Angebote <strong>und</strong> Beratungen <strong>für</strong> ver-<br />

schiedene Zielgruppen vorgehalten, die neben bereits erwähnten Hilfen <strong>und</strong> Angeboten<br />

auch der gezielten Armutsprävention dienen: Angebote <strong>für</strong> Schwangere, Babybetreuung,<br />

Kleinkind <strong>und</strong> Familie, pädagogisch betreute Freizeitgestaltung <strong>für</strong> bestimmte Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendaltersgruppen (z. B. der Kinderbauernhof in der ufafabrik, mobiler Winterspielplatz,<br />

multikultureller Jugendtreff , PC-Führerschein <strong>für</strong> Kinder u. v. m.),<br />

Familienbildungsangebote tragen den verschiedenen Lebenssituationen unterschiedlicher<br />

Familienformen Rechnung. Sie richten sich an alle Erziehungsberechtigten. Im Rahmen<br />

der Elternberatung <strong>und</strong> von Elterngesprächskreisen wird zur Klärung von Erziehungsfra-<br />

gen beigetragen, es finden Elternkurse, z. B. „entspannter Familienalltag“ statt, in denen<br />

Anregungen <strong>für</strong> den Alltag mit den Kindern gegeben <strong>und</strong> Gesprächstechniken <strong>für</strong> den<br />

Umgang mit Kindern erlernt werden, Ernährungsberatungen <strong>und</strong> -informations-<br />

veranstaltungen, z. B. zu Fragen einer vollwertigen <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>en Ernährung, werden<br />

durchgeführt u. a. m.<br />

Eine umfangreiche sozialpädagogische Familienhilfe bzw. sozialpädagogische Beratung<br />

<strong>und</strong> Begleitung <strong>für</strong> Familien wird angeboten mit dem Ziel, die Erziehungskompetenzen<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

151<br />

von Eltern zu stärken <strong>und</strong> die Entwicklungschancen von Kindern zu verbessern (speziell


152<br />

auch Beratung <strong>für</strong> Väter). Psychosoziale Lebensberatungen können wahrgenommen<br />

werden in Form von personenorientierten Einzel-, Partner- sowie familientherapeutischen<br />

Gesprächen. Rechtsberatungen (zu Fragen des Arbeits-, Miet-, Familien- <strong>und</strong> Sozialhilfe-<br />

rechts) <strong>und</strong> Sozialberatungen (Probleme aller Art werden individuell <strong>und</strong> vertraulich be-<br />

sprochen, es wird an die zuständigen Stellen weitervermittelt <strong>und</strong> es wird unterstützt bei<br />

allen Fragen zu ALG II/Hartz IV, Mutterschutz, Erziehungsgeld, Bafög-Anträge, Wohn-<br />

geldanträge, Gr<strong>und</strong>sicherung <strong>für</strong> psychisch oder physisch Kranke <strong>und</strong> Senioren). Diese<br />

Beratung erfolgt in den Sprachen deutsch <strong>und</strong> russisch. Es werden Kurse zu gewaltfreier<br />

Kommunikation angeboten <strong>und</strong> es finden Orientierungs- <strong>und</strong> Sprachtrainingsmaßnahmen<br />

<strong>für</strong> Migranten/innen (geschultes Sprachtraining, gesellschaftliche Integration in Bezug auf<br />

die Heranführung an das Leben <strong>und</strong> Zusammenleben in Deutschland, Maßnahmen beruf-<br />

licher Integration u. a. m.) statt.<br />

3.1.16 Kiek in e. V. Berlin<br />

(Bezirk Marzahn-Hellersdorf)<br />

Der Verein versteht sich als gemeinnütziges soziales Dienstleistungsunternehmen, das<br />

die regionale Arbeitsmarktstruktur <strong>und</strong> soziale Infrastruktur mit prägt. Kontinuierlich <strong>und</strong><br />

nachhaltig werden stadtteilorientierte Projekte in den Bereichen Beschäftigungsförderung,<br />

Familien- <strong>und</strong> Nachbarschaftsarbeit, Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe sowie Bürgerschaftliches<br />

Engagement in mehreren Einrichtungen im Bezirk realisiert. Hier wird gemeinwesen-<br />

orientierte Sozialarbeit <strong>für</strong> <strong>und</strong> mit Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürgern geleistet, der Verein ist an<br />

der Entwicklung der stadtteilorientierten Nachbarschafts- <strong>und</strong> Sozialarbeit im Land Berlin<br />

in Zusammenarbeit mit anderen freien Trägern maßgeblich beteiligt, fördert das generati-<br />

onsübergreifende <strong>und</strong> interkulturelle Miteinander <strong>und</strong> ist aktives Mitglied in Verbänden<br />

<strong>und</strong> Verb<strong>und</strong>systemen (Paritätischer Wohlfahrtsverband Berlin, Verband <strong>für</strong> sozial-<br />

kulturelle Arbeit Berlin, Verb<strong>und</strong> der Stadtteilzentren Marzahn-Hellersdorf) sowie Koopera-<br />

tionspartner <strong>für</strong> andere Vereine <strong>und</strong> deren Einrichtungen.<br />

Insbesondere werden Arbeit suchende Menschen unterstützt (z. B. durch deren Befähi-<br />

gung in Beschäftigungsmaßnahmen, durch berufliche Qualifizierung <strong>und</strong> soziale Betreu-<br />

ung werden die Chancen zur Wiedereingliederung in den 1. Arbeitsmarkt gefördert). Es<br />

werden flexible Rahmenbedingungen <strong>für</strong> bürgerschaftliches Engagement geschaffen <strong>und</strong><br />

Hilfe zur Selbsthilfe bei der Lösung sozialer Probleme <strong>und</strong> Konflikte gegeben.<br />

Durch die sozialpädagogische Familienhilfe sollen im Rahmen der Vereinsarbeit Familien<br />

im Interesse ihrer Kinder in ihren Erziehungsaufgaben unterstützt werden, vor allem bei<br />

der Bewältigung von Alltagsproblemen <strong>und</strong> der Lösung von Konflikten <strong>und</strong> Krisen (Be-<br />

treuung <strong>und</strong> Begleitung im Auftrag des Jugendamtes gemäß § 31 KJHG. Diese Beglei-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


tung ist in der Regel auf längere Dauer angelegt <strong>und</strong> erfordert die Mitarbeit der ganzen<br />

Familie).<br />

Vom Verein wird das Projekt Nachbarschaftshilfe <strong>für</strong> Frauen Hellersdorf getragen: Dieses<br />

Projekt ist ein Beratungs- <strong>und</strong> Begegnungsprojekt <strong>für</strong> Frauen aller Altersgruppen, insbe-<br />

sondere auch mit den Zielgruppen allein stehende Frauen <strong>und</strong> Seniorinnen. Hier können<br />

sich Frauen Rat <strong>und</strong> Hilfe in Konfliktsituationen <strong>und</strong> Informationen zu verschiedenen All-<br />

tagsproblemen holen. Neben den vielfältigen Beratungs- <strong>und</strong> Begegnungsmöglichkeiten<br />

werden auch praktische Hilfen, wie handwerkliche Hilfen <strong>und</strong> Begleitdienste <strong>für</strong> Seniorin-<br />

nen, angeboten. Ein kleines Café ist Treffpunkt <strong>für</strong> verschiedene Frauengruppen.<br />

Im Haus ANLAUF des Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfezentrums Marzahn Nord (in Kooperation<br />

mit Jugendwerk Aufbau Ost e. V. / Haus „Windspiel“) bilden die übernommenen Pflicht-<br />

aufgaben nach dem Kinder <strong>und</strong> Jugendhilfegesetz mit den Hilfen zur Erziehung in Form<br />

von Sozialer Gruppenarbeit den Schwerpunkt der Arbeit. Hier ist es möglich, die Hilfen als<br />

"Flexible Hilfen", z. B. eine Kombination aus Gruppenarbeit <strong>und</strong> zusätzlichen Einzelfall-<br />

st<strong>und</strong>en oder Familienhilfest<strong>und</strong>en, zu gestalten. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Vereins<br />

in den Hilfen ist neben der sozialpädagogischen Arbeit in den Gruppen bzw. Projekten die<br />

intensive Eltern- <strong>und</strong> Familienarbeit. Alle Hilfen zur Erziehung kooperieren sowohl träger-<br />

intern wie auch extern mit anderen Projekten <strong>und</strong> Angeboten im Stadtteil, um so bedarfs-<br />

gerecht auf die unterschiedlichen Problemlagen eingehen zu können.<br />

Mit dem Präventionsprojekt „Der erste Schritt – Prävention vor Eskalation“ soll dazu bei-<br />

getragen werden, Konflikteskalationen in Familien zu vermeiden <strong>und</strong> Hilfen <strong>für</strong> Kinder,<br />

Jugendliche <strong>und</strong> deren Eltern frühzeitig auf den Weg zu bringen. Hier werden insbesonde-<br />

re Kinder <strong>und</strong> Jugendliche angesprochen, die unter problembelasteten Familiensituatio-<br />

nen leiden <strong>und</strong> Eltern, die ihre Alltags- <strong>und</strong> Erziehungskompetenzen stärken wollen.<br />

3.2 Bereich zwei<br />

3.2.1 Microfinanz-Institutionen<br />

(im Aufbau)<br />

Microfinanz-Institutionen wollen private Geldverleiher erübrigen. Als Microfinanz-Institute<br />

werden Organisationen bezeichnet, die finanzielle Basisdienstleistungen wie Kredite,<br />

Sparbücher oder Versicherungen auch solchen Personen zur Verfügung stellen, die von<br />

herkömmlichen Banken aus verschiedenen Gründen nicht bedient werden.<br />

Oft haben diese Menschen lediglich ihre Arbeitskraft <strong>und</strong> viele Ideen, jedoch zu wenig<br />

Geld <strong>und</strong> unternehmerisches Know-how, um diese Ideen umzusetzen. Weil diese meist<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

153<br />

keinerlei Vermögenssicherheiten bieten können, erhalten sie von herkömmlichen Banken


154<br />

keine Kredite. Microfinanzinstitute versuchen nun, diese Lücke zu füllen, indem sie<br />

Kredite vergeben, die sie auf andere Weise absichern. Ein häufiger Ansatz ist die Bildung<br />

von Genossenschaften, in denen sich die Kreditnehmer gegenseitig bei der Produktion<br />

<strong>und</strong> der Kreditrückzahlung unterstützen („Soziale Beziehungen als Kreditsicherheit“).<br />

Dabei werden die Kreditnehmer von den Microkreditinstituten beraten <strong>und</strong> unterstützt. In<br />

Deutschland baut die B<strong>und</strong>esregierung derzeit das Microfinanzangebot aus. Hier<strong>für</strong> hat<br />

sie Anfang 2010 den Microkreditfonds Deutschland eingerichtet, auf dessen Basis die<br />

GLS Bank Kredite an Kleinstunternehmungen <strong>und</strong> Gründungen vergibt in Kooperation mit<br />

dem Deutschen Microfinanz-Institut. Sie hat den Auftrag, bis Ende 2010 ein<br />

flächendeckendes Angebot in der B<strong>und</strong>esrepublik zu schaffen. Die Ethikbank bietet <strong>für</strong><br />

Menschen in der Schuldenfalle unter bestimmten Voraussetzungen ein Online- Girokonto<br />

auf Guthaben-Basis an.<br />

Vermutlich werden neuartige genossenschaftliche Banken entstehen <strong>und</strong> private<br />

Stiftungen; vielleicht werden auch die Schuldnerberatungsstellen in die Tätigkeit der<br />

Microfinanz-Vergabe einbezogen. Wegen der sozial intensiven, genossenschaftlichen<br />

Funktionsweise der Microfinanz-Struktur könnte sich außerdem herausstellen, dass<br />

besonders die familienbasierten Einrichtungen geeignet wären, als Microfinanz-Institute<br />

aufzutreten.<br />

3.2.2 Schuldnerberatungen<br />

(berlinweit tätig)<br />

Viele <strong>Berliner</strong> Einrichtungen (z. B. Arbeiterwohlfahrt, Caritas, Deutscher Familienverband,<br />

Diakonisches Werk Berlin, „Casa nostra“, Verbraucherzentrale usw.) unterhalten Stellen<br />

<strong>für</strong> die Schuldnerberatung in Fällen einer finanziellen Hilflosigkeit, wenn der Überblick<br />

verloren gegangen ist über die Art <strong>und</strong> Höhe der Schulden, wenn Zahlungsverpflichtun-<br />

gen nicht mehr bedient werden können, wenn trotz regelmäßiger Zahlungen die Schulden<br />

weiter wachsen oder wenn der Lohn <strong>und</strong> das Konto gepfändet werden. Zunächst zielt die<br />

Beratung darauf, einen Haushaltsplan zu entwickeln <strong>und</strong> nachzuprüfen, ob seitens des<br />

Betroffenen eventuelle Ansprüche auf soziale Leistungen bestehen. Wert gelegt wird auf<br />

die prinzipielle Bereitschaft des Klienten, seine Schuldverpflichtungen offenzulegen <strong>und</strong><br />

keine neuen Schulden aufzunehmen. Zusätzlich wird eine Insolvenzberatung angeboten,<br />

der mögliche Ablauf eines Insolvenzverfahrens <strong>und</strong> eine Strategie zu einer außergerichtli-<br />

chen Schuldenbereinigung besprochen. Auch bieten die Beratungsstellen an, den Klien-<br />

ten bei den Verhandlungen mit seinen Gläubigern zu unterstützen <strong>und</strong> Hilfe zu leisten,<br />

falls ein außergerichtlicher Vergleich scheitern sollte. Schuldnerberatungsstellen sehen es<br />

mitunter auch als ihre Aufgabe an, ihre Klienten vor den Betrugsmanövern seitens privater<br />

Anbieter einer Schuldnerberatung zu warnen <strong>und</strong> bieten auch eine Online-Beratung an.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Der Bereich der „Mietschulden“ scheint in den letzten Jahren derart angewachsen zu sein,<br />

dass es inzwischen immer häufiger zur Einrichtung spezifischer „Mietschulden-<br />

beratungsstellen“ kommt (z. B. „Casa nostra“).<br />

Die Verbraucherzentrale am Hardenbergplatz hat ebenfalls eine Schuldnerberatung<br />

eingerichtet <strong>für</strong> die von Überschuldung bedrohten Bürger Berlins aus dem Bezirk<br />

Tempelhof-Schöneberg. Die Verbraucherzentrale geht im Unterschied zu den üblichen<br />

Schuldnerberatungsstellen vom allgemeineren Kontext eines falschen oder fehlgeleiteten<br />

Verbraucherverhaltens aus. Entsprechend gilt Ihre Beratung vor allem der ausreichend<br />

frühen Prävention gemäß einer „Aufklärung von Verbrauchern zur Schuldenvermeidung“.<br />

Ansonsten bietet sie weitgehend dieselben Dienste wie die sonstigen Beratungsstellen:<br />

„Hilfe bei der Antragstellung im gerichtlichen Insolvenzverfahren“, „Prüfung <strong>und</strong> Hilfe bei<br />

der Einlegung von Rechtsmitteln“, „Begleitung bei der Vergleichserfüllung“, „Begleitung im<br />

gerichtlichen Verfahren“.<br />

Der paritätische Wohlfahrtsverband tritt zudem nach außen auf <strong>und</strong> fordert nicht nur<br />

generell die Anzahl <strong>und</strong> Leistung von Beratungsstellen zu erhöhen, sondern speziell auch<br />

öffentliche Anstrengungen aufzubringen, die das Leben der Schuldner erleichtern <strong>und</strong> den<br />

Betroffenen „nachhaltig aus der Abwärtsspirale von Armut <strong>und</strong> Ausgrenzung hinaus<br />

helfen“. Er kritisiert, dass es noch immer keinen allgemeinen gesetzlichen Anspruch auf<br />

ein Bankkonto gäbe.<br />

3.2.3 Schuldnerberatungs-Bus<br />

(berlinweit tätig)<br />

Unter dem Titel „Monat der Beratung“ wird eine Schuldnerberatung <strong>und</strong> Wohnhilfe im<br />

Rahmen einer gemeinsamen Aktion der Wohlfahrtsverbände (Caritas etc.) angeboten.<br />

Das Besondere an dieser Aktion ist der Umstand, dass die Beratung in einem Bus<br />

stattfindet. Der Bus ist 4 Wochen lang unterwegs. Im Januar 2010 beginnt er seine Tour<br />

mit drei Terminen zum Thema der Schuldnerberatung. Drei Rechtsanwälte beraten<br />

kostenlos. Später sollen dann die verschiedensten Organisationen zum Thema der<br />

Wohnhilfen, Wohnungslosigkeit, Mietschulden beraten.<br />

3.2.4 Casa nostra e. V.<br />

(berlinweit tätig)<br />

Der Verein bietet über mehrere Teams in <strong>Berliner</strong> Bezirken seit mehr als 15 Jahren <strong>für</strong><br />

Hilfesuchende eine kostenfreie Beratung <strong>und</strong> Betreuung r<strong>und</strong> um den Problemkomplex<br />

drohende Wohnungslosigkeit, Mietschulden, Rechte auf behördliche Maßnahmen oder<br />

Hilfen an.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

155


156<br />

Bei der Mietschuldnerberatung geht „Casa nostra“ davon aus, dass der Verlust von<br />

Wohnraum in vielen Fällen vermeidbar ist <strong>und</strong> durch eine rechtzeitige Beratung verhindert<br />

werden kann. Gegebenenfalls unterstützt „Casa nostra“ die Durchsetzung von Ansprü-<br />

chen gegenüber Arbeitgebern <strong>und</strong>/oder Sozialleistungsträgern (Jobcenter, Krankenkasse)<br />

<strong>und</strong> verhandelt mit Vermietern oder Gerichtsvollziehern, um eine Begleichung der Schul-<br />

den in Raten zu erwirken. Die Mietschuldnerberatung erfolgt in den Büros des Betreuten<br />

Einzelwohnens.<br />

„Casa nostra“ berät nicht nur, sondern bietet in Notfällen auch schnell einsetzende Hilfe<br />

besonders mit seinem Bestand an Wohnungen in fast jedem <strong>Berliner</strong> Bezirk an.<br />

„Casa nostra“ bietet Menschen ab dem 18. Lebensjahr, die von Wohnungslosigkeit betrof-<br />

fen oder bedroht sind, ein „Betreutes Wohnen“ an. Die Betreuung besteht in dem Ange-<br />

bot, sie weiterhin zu beraten <strong>und</strong> zu unterstützen bei Ämtern, bei der Berufsfindung oder<br />

bei persönlichen Problemen. Die nötige Hilfe findet im eigenen Wohnraum statt oder im<br />

Bedarfsfall in einer der trägereigenen möblierten Wohnungen.<br />

Mit seinem Angebot an möblierten Einzelzimmern richtet sich „Casa nostra“ an woh-<br />

nungslose „Hilfesuchende, die ihr Umfeld individuell gestalten möchten <strong>und</strong> das Wohnen<br />

in der Gruppe als Unterstützung empfinden“ (Betreutes Gruppenwohnen). Die Betreuung<br />

erfolgt durch ein Team von Sozialpädagogen. Daneben bietet „Casa nostra“ eine „Wohn-<br />

gemeinschaft <strong>für</strong> Frauen“. Aufgenommen werden Frauen oder auch Mütter mit ihren Kin-<br />

dern, die sich aufgr<strong>und</strong> ihrer besonderen sozialen oder auch ges<strong>und</strong>heitlichen Situation<br />

momentan nicht in der Lage fühlen, ohne unterstützende Hilfen zu leben. Des weiteren<br />

realisiert der Verein ein „Wohnprojekt <strong>für</strong> Männer“ in der Villa Alsen nahe dem Wannsee.<br />

Dieses Projekt ist ausschließlich <strong>für</strong> junge Männer konzipiert, die Abstand von der Szene<br />

oder ihrem bisherigen Leben gewinnen wollen.<br />

3.2.5 Gangway e. V.<br />

(berlinweit tätig)<br />

Gangway ist ein Zusammenschluss von Streetworkern mit Teams in allen <strong>Berliner</strong> Bezir-<br />

ken, die sich den im öffentlichen Raum vagab<strong>und</strong>ierenden Jugendlichen (Trebern) wid-<br />

men. Fast in jedem <strong>Berliner</strong> Bezirk hat Gangway einen Standort, an dem ihre Mitglieder in<br />

der Regel zu dritt <strong>und</strong> nur <strong>für</strong> wenige St<strong>und</strong>en in der Woche anzutreffen sind, denn ihr<br />

Arbeitsort ist vornehmlich die Straße.<br />

Ihre Arbeit bezeichnen sie als „Aufsuchende Jugendsozialarbeit“, die sich an junge Men-<br />

schen wendet, „die von den herkömmlichen sozialen Institutionen nicht mehr erreicht wer-<br />

den bzw. erreicht werden wollen, deren Situation aber durch Jugendsozialarbeit zu ver-<br />

bessern wäre“. Gangway betrachtet also den öffentlichen Straßenraum nicht als einen<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Raum, den die Jugendlichen möglichst reibungslos verlassen sollten, sondern als einen<br />

erstrebenswerten Lebensraum, der lediglich durch manche Verhaltensänderung weniger<br />

gefährlich <strong>und</strong> gefährdend ausfiele: „Aufsuchende Jugendsozialarbeit ist eine<br />

niedrigschwellige <strong>und</strong> lebensweltorientierte sozialpädagogische Unterstützungs-, Vermitt-<br />

lungs- <strong>und</strong> Integrationsdrehscheibe“.<br />

Gangway versteht sich als Interessensvertretung <strong>für</strong> ausgegrenzte <strong>und</strong> schwer erreichba-<br />

re Jugendliche. Entsprechend agiert sie auch nach außen mit „adressatenbezogenen“,<br />

gesellschafts-, jugend-, bezirkspolitisch <strong>und</strong> stadtteilorientierten infrastrukturellen Leistun-<br />

gen.<br />

Prinzipiell verläuft die Hilfe der Streetworker in drei aufeinanderfolgenden Schritten: An-<br />

fangs wird Kontakt aufgenommen im Zusammenhang mit „Aktionen zum Erhalt von Räu-<br />

men“. In der Folge kommt es zu einer – niedrigschwelligen – Unterstützung ohne Vorbe-<br />

dingung <strong>und</strong> zu Angeboten, deren Verhandlung eine erste Beziehung zwischen dem Ju-<br />

gendlichen <strong>und</strong> dem Streetworker <strong>und</strong> allmählich ein Vertrauensverhältnis schafft. Mitun-<br />

ter kommt es zu Konfliktberatung, Krisenintervention <strong>und</strong> Moderation im Stadtteil. Der<br />

zweite Handlungsschritt bildet die „Kernphase“. Er besteht darin, Vermittlungshilfen „nach<br />

Innen“ zu leisten, den Jugendlichen zu unterstützen beim Erwerb sozialer Kompetenzen<br />

<strong>und</strong> entsprechende Lernerfahrungen zu machen in Gruppen <strong>und</strong> Projekten. Jetzt kann es<br />

darum gehen, seine eventuell vorhandenen kreativen Potentiale zu entdecken, zu fördern<br />

<strong>und</strong> nicht zuletzt auf seine Selbsthilfe zu lenken. Von hier aus sollte der schwierige Über-<br />

gang von der Gruppen- zur Projektarbeit gelingen, der eine höhere, <strong>für</strong> den Betroffenen<br />

ungewohnte Verbindlichkeit fordert. Zur Erleichterung sollte die Gruppenarbeit sich nur<br />

auf wenige Themen beschränken <strong>und</strong> den leichten Wechsel von Gruppen- zu Einzelbe-<br />

treuung erlauben.<br />

Der dritte Handlungsschritt besteht darin, den Jugendlichen abzulösen vom bisherigen<br />

Milieu <strong>und</strong> ihn auf andere Integrationsfelder zu bringen unter Mithilfe von angrenzenden<br />

Arbeitsfeldern (Jugendberufshilfe, Drogenhilfe, therapeutische Hilfe jeder Art, Leistungen<br />

der Kranken- <strong>und</strong> Rentenversicherung, Schulen, Schulamt, Vereine zum Schutz vor se-<br />

xuellem Missbrauch, Betreutes Wohnen, Notschlafstellen, Sozialpädagogische Dienste,<br />

Jugendgerichtshilfe, Arbeitsamt, Sozialhilfe). Zuletzt endet die Vermittlungsarbeit mit der<br />

Nachbetreuung.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

157


158<br />

3.2.6 Die <strong>Berliner</strong> Tafel Stiftung<br />

(berlinweit tätig)<br />

Die <strong>Berliner</strong> Tafel Stiftung wurde 2005 gegründet, um die seit 1993 erfolgreiche Arbeit der<br />

„<strong>Berliner</strong> Tafel“ langfristig finanziell sicherzustellen. Wie bei einer Stiftung gesetzlich vor-<br />

geschrieben, dienen dabei ausschließlich die Zinserträge der Unterstützung des Vereins,<br />

während das Stiftungskapital unangetastet bleibt. Da<strong>für</strong> sind mittel- bis langfristig eine<br />

Einlage von mindestens 3.500.000€ notwendig.<br />

In der täglichen Vereinsarbeit der „<strong>Berliner</strong> Tafel“ wird deutlich: Die Kluft zwischen reich<br />

<strong>und</strong> arm wird immer größer – die Zahl der Bedürftigen steigt stetig <strong>und</strong> damit der Bedarf<br />

nach dem, was der Verein sich zur Aufgabe gemacht hat: Überschüssige Lebensmittel<br />

werden eingesammelt <strong>und</strong> an bedürftige Menschen <strong>und</strong> soziale Einrichtungen weiterge-<br />

geben. Das Prinzip ist einfach: Es werden Lebensmittel dort abgeholt, wo sie übrig sind<br />

<strong>und</strong> dorthin gebracht, wo sie gebraucht werden. Lebensmittelbetriebe, Lokale <strong>und</strong> Super-<br />

märkte sortieren oft Waren aus, die als Überkapazitäten nicht mehr gebraucht werden,<br />

deren Verpackungen beschädigt sind oder deren Verfallsdatum bald abläuft. All diese im<br />

Prinzip einwandfreien Waren würden auf dem Müll landen – die Tafel holt sie ab.<br />

1999 begann man mit 40.000 Kilo, heute sind es – dank zahlreicher Sponsoren – bis zu<br />

650 Tonnen Lebensmittel monatlich, die von den 600 ehrenamtlichen Helfern abgeholt<br />

<strong>und</strong> verteilt werden. Sie werden direkt zu sozialen Einrichtungen wie Suppenküchen,<br />

Wärmestuben, Beratungsstellen, Kindereinrichtungen usw. gebracht <strong>und</strong> dort verarbei-<br />

tet – gegenwärtig in r<strong>und</strong> 300 Einrichtungen. Ein Drittel der Verbraucher sind Kinder <strong>und</strong><br />

Jugendliche.<br />

Zugunsten des dringend benötigten Spendenaufkommens appelliert die Stiftung an „ritter-<br />

liche“ Gefühle: Als Auslöser dient ihr die assoziative Verknüpfung von „Tafel“ <strong>und</strong> „Tafel-<br />

r<strong>und</strong>e“ der Artus-Legende. Die Ritter der Tafelr<strong>und</strong>e galten im Mittelalter als großzügige<br />

Beschützer der Armen <strong>und</strong> Bedrängten. Ansonsten lebt die Tafel von vielen Spenden <strong>und</strong><br />

den Monatsbeiträgen (2,75€) ihrer inzwischen 1.300 Mitglieder. Außerdem setzt der Ver-<br />

ein von Anfang an darauf, von Sponsoren nicht unbedingt Geld zu bekommen, sondern<br />

deren Waren <strong>und</strong> Fertigkeiten. Eine Firma macht z. B. seit Jahren kostenlos die Beschrif-<br />

tungen der Autos, eine andere spendet Brot, wieder eine andere Mobiltelefone. Ehrenamt-<br />

liche engagieren sich in unterschiedlichem Maß. Die einen sind einmal im Jahr dabei,<br />

wenn bei einer großen Obst- <strong>und</strong> Gemüse-Messe in kurzer Zeit Kisten gefüllt <strong>und</strong> trans-<br />

portiert werden müssen, die anderen sind jede Woche mit dem Transporter unterwegs zu<br />

Supermärkten <strong>und</strong> sozialen Einrichtungen, wieder andere bieten jede Woche im Kinder-<br />

restaurant Nachhilfeunterricht an.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Den Aktionsradius der Tafel erweiternd gibt es seit Weihnachten 2004 die Aktion „Laib<br />

<strong>und</strong> Seele“. Ihre Besonderheit besteht darin, die gesammelten oder gestifteten Waren<br />

nicht weiter zu verarbeiten, sondern das Zubereiten <strong>und</strong> Kochen den einzelnen Haushal-<br />

ten zu überlassen. Von Anfang an zielte diese Aktion darauf, besonders diejenigen zu<br />

unterstützen, die gerne wieder mehr <strong>und</strong> anders kochen wollen, so dass auch Menschen<br />

mit wenig Geld mehr Essen zu Hause zubereiten, weniger Fertiggerichte aufwärmen <strong>und</strong><br />

die Familien wieder gemeinsam am Tisch sitzen (strukturierte Alltags- <strong>und</strong> Essgewohnhei-<br />

ten herausbilden bzw. fördern). Die 45 Ausgabestellen in Kirchengemeinden versorgen<br />

pro Monat etwa 45.000 Bedürftige. Es genügt, an der nächstgelegenen Ausgabestelle<br />

einen Hartz IV-, Arbeitslosen-, Rentenbescheid oder Einkommensnachweis <strong>und</strong> den Per-<br />

sonalausweis vorzulegen, um <strong>für</strong> einen Euro pro Erwachsenen Lebensmittel zu erhalten.<br />

Über die sozialen Einrichtungen <strong>und</strong> die Ausgabestellen erreicht die <strong>Berliner</strong> Tafel<br />

125.000 Menschen.<br />

Als drittes Standbein ist seit März 2004 die Arbeit mit Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen hinzuge-<br />

kommen. Bisher sind drei Kinderrestaurants eröffnet worden, die allen Kindern, egal ob<br />

reich oder arm, zur Verfügung stehen. Jedes Spiel-, Lern-, Betreuungsangebot <strong>für</strong> Kinder<br />

lässt sich als Leistung gegen die Armut verstehen. Sollten die Empfänger der Angebote,<br />

wie häufig, keineswegs arm sein, so ist doch der stillschweigende Umgang mit ihnen den<br />

wirklich Armen nützlich zur eigenen Sozialisierung. Umgekehrt kann nicht armen Kindern<br />

der Umgang mit den Armen nützen, weil diese ihre womöglich früh entwickelte Resilienz<br />

einbringen könnten. Der Hauptakzent dieser Einrichtungen liegt auf der altersgerechten<br />

Sensibilisierung <strong>für</strong> eine ausgewogene <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Ernährung. Zugleich sollen Esskultur<br />

<strong>und</strong> Tischsitten vermittelt werden, die im Rahmen von Fingerfood, Dönerbuden <strong>und</strong> Fast-<br />

food mitunter auf der Strecke bleiben. Das Projekt „Fünf Jahreszeiten“ wurde im März<br />

2004 in Kooperation mit der „gelben Villa“ (Kreuzberg) gegründet, wohin täglich etwa 80<br />

bis 120 Kinder zum Essen kommen. Hier frühstücken z. B. auch Schulklassen während<br />

ihrer Projektwochen. Im Januar 2007 eröffnete die <strong>Berliner</strong> Tafel unter dem Motto „Ge-<br />

s<strong>und</strong>es Essen <strong>und</strong> Bewegung“ im Centre Talma in Reinickendorf ihr zweites Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendrestaurant – das „Talmarant“.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

159<br />

3.2.7 Christliches Kinder-<strong>und</strong> Jugendwerk: Die Arche<br />

(Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte <strong>und</strong><br />

Reinickendorf)<br />

Seit 1995 existiert die Arche, gegründet im <strong>Berliner</strong> Bezirk Marzahn-Hellersdorf<br />

(inzwischen auch in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, in Mitte <strong>und</strong> in Reinickendorf,<br />

sowie in Hamburg, München <strong>und</strong> Potsdam). Das Ziel der Arche besteht darin, Kinder von<br />

der Straße holen, ihre individuellen Fähigkeiten zu fördern, ihnen vor allem viel


160<br />

Aufmerksamkeit zu schenken, gegen soziale Defizite anzugehen sowie Kinder wieder ins<br />

Zentrum der Gesellschaft zu stellen. Es werden z. B. täglich warme Mahlzeiten angeboten<br />

<strong>für</strong> ca. 300 bis 600 Kinder in einem ehemaligen Schulgebäude in Marzahn-Hellersdorf.<br />

Gekocht wird auch <strong>für</strong> Speisungen von Straßenkindern <strong>und</strong> Obdachlosen. Angeboten<br />

werden weiterhin Hausaufgabenhilfe, sinnvolle Freizeitbeschäftigungen, Sport <strong>und</strong> Musik.<br />

In der Arche wird davon ausgegangen, dass Kinder trotz Armut „in Wohlergehen“<br />

aufwachsen können, obwohl eine Verlagerung des Armutsrisikos von den klassischen<br />

Risikogruppen auf Kinder <strong>und</strong> junge Erwachsene konstatiert wird. Arme Kinder sind oft<br />

schlechter in der Schule, außerdem werden sie oft ausgegrenzt, weil sie im „Rivalisieren“<br />

(Mangel z. B. an Markenkleidung) nicht mithalten <strong>und</strong> sich keine Sonderaktivitäten leisten<br />

können (z. B. ins Kino gehen, an einer Klassenfahrt teilnehmen u. a. m.).<br />

3.2.8 Notinseln in Berlin<br />

(Deutsche Polizeigewerkschaft im DBB Landesverband Berlin, Projekt<br />

Notinsel, Bezirk Tempelhof-Schöneberg)<br />

Im Projekt „Notinseln“ bieten Geschäfte <strong>und</strong> deren Inhaber/Besitzer/Betreiber Kindern in<br />

Not einen ersten Zufluchtsort <strong>und</strong> Hilfe. Dieses Projekt steht unter der Schirmherrschaft<br />

des Bezirksbürgermeisters <strong>und</strong> wird von der Deutschen Polizeigewerkschaft im DBB ge-<br />

leitet. Jedes Partnergeschäft ist durch einen Aufkleber als „Notinsel“ gekennzeichnet <strong>und</strong><br />

signalisiert Kindern: "Wo wir sind, bist Du sicher!". Die Beteiligten in den Geschäften er-<br />

halten kostenfrei Informationsmaterial <strong>und</strong> eine Schulung, wie sie auf hilfesuchende Kin-<br />

der reagieren können. In Schulen <strong>und</strong> öffentlichen Einrichtungen werden die Kinder über<br />

die „Notinseln“ informiert. Mit den „Notinseln“ setzt die Stiftung „Hänsel <strong>und</strong> Gretel“ seit<br />

2002 nicht nur in Berlin, sondern auch b<strong>und</strong>esweit, ein Zeichen <strong>für</strong> Zivilcourage <strong>und</strong> bür-<br />

gerliches Engagement im Kinderschutz <strong>und</strong> in der Armutsprävention. Bisher konnten über<br />

100 Standorte b<strong>und</strong>esweit eingeführt werden, von der kleinen Gemeinde bis hin zur<br />

Hauptstadt. „Notinsel“ ist somit das meist verbreitete öffentliche Zeichen <strong>für</strong> den Kinder-<br />

schutz in Deutschland. In Berlin haben sich bereits in 6 Bezirken über 160 Geschäfte an-<br />

geschlossen.<br />

3.2.9 Kinder-, Jugend- <strong>und</strong> Familientreff „Käseglocke“<br />

(Bezirk Steglitz-Zehlendorf)<br />

Der Kinder-, Jugend- <strong>und</strong> Familientreff „Käseglocke“ realisiert ein einfaches, familienna-<br />

hes Konzept. Es wird der Versuch unternommen, die Einrichtung so effektiv <strong>und</strong> besu-<br />

cherorientiert wie möglich zu nutzen <strong>und</strong> dabei alle Altersgruppen einzubeziehen.<br />

Der Schwerpunkt liegt jedoch in der Kinder- <strong>und</strong> Jugendarbeit, vor allem in Angeboten <strong>für</strong><br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche zwischen 5 <strong>und</strong> 18 Jahren aus sozial schwachen Haushalten. Es<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


wird davon ausgegangen, dass die Förderung nur einer begrenzten Altersgruppe in der<br />

„offenen Türarbeit“ nur wenig Sinn macht. Eine Familie besteht in der Regel nicht aus<br />

Gleichaltrigen, sondern im Idealfall aus mehreren Generationen, die einander helfen kön-<br />

nen <strong>und</strong> sich so gegenseitig an Erfahrungen <strong>und</strong> Erlebnissen bereichern. Da die Entwick-<br />

lung immer mehr zu Kleinstfamilien, Alleinerziehenden oder Kindern in Wohngruppen<br />

geht, erscheint eine Einrichtung, die durch die unterschiedlichsten Alters- <strong>und</strong> Erfahrungs-<br />

strukturen eine großfamilienähnliche Situation simuliert, als sehr sinnvoll. Zu Kindern <strong>und</strong><br />

Jugendlichen, die die Einrichtung besuchen, gehören beispielsweise Elternteile, die teil-<br />

weise auch Betreuung, Beratung oder Ansprechpartner brauchen, wie z. B. Großeltern,<br />

die ihre Enkel in Pflege betreuen <strong>und</strong> sozial schwache Anwohner aus der Region, die zum<br />

normalen Einzugsgebiet gehören.<br />

Die Angebote der Einrichtung umfassen solche Versorgungsaktivitäten wie Frühstücks-<br />

café <strong>für</strong> alle Altersgruppen <strong>und</strong> eine Suppenküche <strong>für</strong> Kinder, aber auch verschiedene<br />

Bildungsangebote (z. B. Nachhilfe <strong>und</strong> Hausaufgabenhilfe <strong>für</strong> Kinder, Bewerbungstraining<br />

<strong>und</strong> Qualifizierungen <strong>für</strong> Erwachsene), diverse Kunst- <strong>und</strong> Kulturprojekte <strong>für</strong> jede Alters-<br />

gruppe, wie auch „offene Türen“ <strong>für</strong> alle Altersgruppen mit unterschiedlichen Möglichkei-<br />

ten der Freizeitgestaltung (z. B. Internetcafé <strong>für</strong> Kinder, sportliche Angebote). Beratungen<br />

<strong>und</strong> Hilfe in allen Lebenslagen r<strong>und</strong>en die Angebote ab. Alle Angebote (Frühstückscafé,<br />

Suppenküche, Nachhilfe, Beratungen, Kurse <strong>und</strong> Workshops, Internetcafé, Spiel-, Bastel-<br />

<strong>und</strong> Sportangebote) sind kostenlos <strong>und</strong> richten sich besonders auch an sozial schwache<br />

Familien. Damit soll mehr soziale Gerechtigkeit geschaffen <strong>und</strong> allen Besuchern glei-<br />

chermaßen die Chance auf Weiterbildung, Freizeitvergnügen, soziale Kontakte, ges<strong>und</strong>es<br />

Essen <strong>und</strong> Trinken gegeben werden – unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten<br />

oder denen der Eltern.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

161


162<br />

4. Armutsprävention – Handlungsansätze <strong>und</strong> -erfordernisse<br />

Aus der durchgeführten Daten- <strong>und</strong> Dokumentenanalyse, der Betrachtung <strong>Berliner</strong> Ein-<br />

richtungen der Armutsbekämpfung <strong>und</strong> -prävention sowie den durchgeführten Expertenin-<br />

terviews sind Handlungsansätze abzuleiten. Diese können <strong>und</strong> sollten u. a. Anregungen<br />

<strong>für</strong> langfristig angelegte, zielgerichtete <strong>und</strong> planvolle kommunalpolitische Aktivitäten zur<br />

Verbesserung der von Armut gekennzeichneten Lebenssituation von Familien <strong>und</strong> Kin-<br />

dern geben, wobei diese Aktivitäten, Projekte <strong>und</strong> Maßnahmen weder aktionistischen<br />

noch z. B. durch die Medien provozierten Charakter tragen sollten. Worauf ist besonders<br />

hinzuweisen?<br />

Chancengleichheit, Stärkung <strong>und</strong> Gleichstellung von Einelternfamilien<br />

Weiterer Ausbau gesellschaftlicher bzw. kommunalpolitischer Rahmenbedingungen, die<br />

es in Problemregionen lebenden Alleinerziehenden mit einem <strong>und</strong> insbesondere mehre-<br />

ren Kindern ermöglichen, eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen bzw. wieder aufzunehmen,<br />

damit sie ihr Recht auf Arbeit wahrnehmen können <strong>und</strong> ein die Existenz sicherndes Er-<br />

werbseinkommen erhalten. Da<strong>für</strong> sind die Bedingungen zur Vereinbarkeit von Erziehung,<br />

Kinderbetreuung sowie Familienleben <strong>und</strong> Berufstätigkeit zu verbessern. Erwerbslosen,<br />

aber erwerbsfähigen, Alleinerziehenden sollten nach dem Sozialgesetzbuch II <strong>und</strong> III in<br />

ganzer Breite <strong>und</strong> vorrangig arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Eingliederung in den<br />

Arbeitsmarkt angeboten werden. Dabei sollte der individuelle Eingliederungsbedarf <strong>und</strong><br />

die entsprechende Familiensituation (vor allem die Notwendigkeit der Kinderbetreuung)<br />

berücksichtigt sowie eine existenzsichernde Perspektive geboten werden.<br />

Präventive Schulden- <strong>und</strong> Schuldnerberatung junger Menschen bereits in<br />

der Schule <strong>und</strong> finanzielle Absicherung der nichtkommerziellen Schuldnerberatung<br />

Ein besonderer Handlungsbedarf besteht in der präventiven Schulden- <strong>und</strong> Schuldnerbe-<br />

ratung, vor allem bei jüngeren Altersgruppen. Gerade im Bereich der präventiven Bera-<br />

tung greift das generelle Prinzip einer Kosten-Leistungs-Rechnung (das oftmals bei finan-<br />

zieller Ausstattung der nichtkommerziellen Beratung durch den B<strong>und</strong> bzw. die Länder zu<br />

Gr<strong>und</strong>e gelegt wird) nicht, weil bei der Prävention die Verhinderung bzw. Beratung vor<br />

einer Verschuldung das Ziel ist. Wichtig ist auf jeden Fall die präventive Beratung Jugend-<br />

licher bzw. junger Erwachsener in Bildungs- bzw. Ausbildungseinrichtungen, am besten<br />

obligatorisch ab der 8. Klasse. Damit könnte auch demonstriert werden, dass Schulden-<br />

berater „ganz normale Menschen“ sind <strong>und</strong> Schwellenängste können abgebaut werden. In<br />

solchen „Präventivberatungen“ muss auf die Hauptgefahren <strong>für</strong> Verschuldung aufmerk-<br />

sam gemacht werden. Das sind <strong>für</strong> junge Leute insbesondere Handys mit ihren hohen<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Vertragskosten, die erste eigene Wohnung <strong>und</strong> das erste Auto. Im Lehrplan der Schulen<br />

sollte die Schuldenproblematik fest verankert werden. Dazu gibt es bisher in Berlin leider<br />

keine Ansätze, keine Konzepte <strong>und</strong> keine Ausbildung bei Lehrern.<br />

Wegen des großen Unterschiedes zwischen anwaltlicher <strong>und</strong> ganzheitlicher sozialer<br />

Schuldnerberatung muss die staatliche Schuldnerberatung auf eine solide Finanzierungs-<br />

basis gestellt werden. In Berlin gibt es nicht einmal sicher die <strong>für</strong> den Ortsteil Berlin-Mitte<br />

(alt) ursprünglich geplanten 90.000€. Schuldenprävention muss gerade im Jugendbereich<br />

ohne „Kosten-Leistungs-Druck“ finanziell realisierbar sein.<br />

Erlernen der Gr<strong>und</strong>lagen einer wirtschaftlichen Haushaltsführung<br />

Seit den letzten Jahren zeigt sich als ein Hauptgr<strong>und</strong> <strong>für</strong> Verschuldung bzw. erhöhtes Ar-<br />

mutsrisiko z. B. auch in der Schuldnerberatung folgendes: Viele Betroffene (in der<br />

Schuldnerberatung jeder 5.) geben als einen wesentlichen Gr<strong>und</strong> <strong>für</strong> „Verarmung“ bzw.<br />

Verschuldung „eine unwirtschaftliche Haushaltsführung“ an. Es stellt sich heraus, dass<br />

insbesondere bei jungen Altersgruppen die elementarsten Gr<strong>und</strong>lagen zur Führung eines<br />

eigenständigen Haushaltes (vor allem Einnahmen- <strong>und</strong> Ausgabenrechnungen bzw. die<br />

Fähigkeiten zu einer wirtschaftlichen Rechnungsführung) fehlen. Da<strong>für</strong> konnten früher<br />

Angebote in sogenannten Elternzentren genutzt werden wie Kochkurse, Haushaltspla-<br />

nung usw. Solche „praktischen“ Lebenshilfen sollten unbedingt wieder Eingang in die An-<br />

gebotspalette entsprechender Beratungs- <strong>und</strong> Betreuungseinrichtungen, Freizeitclubs,<br />

Eltern- <strong>und</strong> Familientreffs, Mehrgenerationenhäuser usw. finden. Hauswirtschaftliche Bil-<br />

dung <strong>für</strong> Eltern, Kinder, Jugendliche <strong>und</strong> Erwachsene ist ein Schlüssel zur Armutspräven-<br />

tion <strong>und</strong> Wohlstandsförderung.<br />

„Betreuungsgeld“ nach § 16 Absatz 4 SGB VIII<br />

Das geplante sogenannte „Betreuungsgeld“ nach § 16 Absatz 4 SGB VIII (Kinderbe-<br />

treuungsgeld bei Kleinkindbetreuung im eigenen Haushalt) wirkt kontraproduktiv. Die Rol-<br />

le dieses Geldes wird im Lichte einer modernen Auffassung von Frühpädagogik kritisch<br />

<strong>und</strong> distanziert gesehen 42 . Die finanzielle Förderung der Betreuung zu Hause ist unver-<br />

nünftiger bzw. “familienpolitischer Unsinn“. Dieses „Familiengeld“ bedeutet eine Fernhal-<br />

tung der Kinder von den Kita’s <strong>und</strong> zwar nicht nur der „Migrationskinder“. Außerdem be-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

163<br />

42 Zitat aus einem Expertengespräch: „Das geplante Betreuungsgeld ist schrecklich, zumindest <strong>für</strong> Berlin.<br />

Dazu gibt es eine entsprechende Stellungnahme des Kinderschutzb<strong>und</strong>es im Internet.“ Ein gr<strong>und</strong>sätzlicher<br />

Standpunkt des Kinderschutzb<strong>und</strong>es ist die Forderung nach einer „eigenen Kindergr<strong>und</strong>sicherung“. Auch<br />

dazu gibt es einen ausführlichen Standpunkt des B<strong>und</strong>esverbandes im Internet. „Es sollte kein entweder oder<br />

geben“. Es wird verwiesen auf die Forderung des B<strong>und</strong>esverbandes nach der Kindergr<strong>und</strong>sicherung von 500€<br />

je Kind.


164<br />

steht auch immer die Möglichkeit der „Zweckentfremdung des Geldes“, daher ist die Zah-<br />

lung dieses Erziehungsgeldes an Eltern nicht sinnvoll.<br />

Einführung von Mindestlöhnen<br />

Mindestlöhne, die ein Einkommen über 900€ Netto stabil gewährleisten, sind sinnvoll, um<br />

z. B. auch die Verschuldungsproblematik zu entschärfen. Die Regelsätze <strong>für</strong> „Hartz IV“<br />

(besonders <strong>für</strong> Kinder) sind zu gering bemessen, um eine vernünftige Teilnahme am ge-<br />

sellschaftlichen Leben zu erlauben. Ganz allgemein betrachtet, müsste ein Gr<strong>und</strong>ein-<br />

kommen eingeführt <strong>und</strong> der „Marginalisierung ganzer Bevölkerungsschichten“ entgegen-<br />

gearbeitet werden.<br />

Kindergärten als Familienzentren, als Zentren der Betreuung <strong>und</strong> frühkindlichen<br />

Ausbildung<br />

Wünschenswert ist der weitere Auf- <strong>und</strong> Ausbau von „Familienzentren“. Insbesondere<br />

Kindertagesstätten sollten als integrale Einrichtung fungieren, in denen eine multiprofessi-<br />

onelle, vernetzte <strong>und</strong> kooperative Arbeit geleistet wird. Mehr Angebote sind notwendig,<br />

um die Isolation gerade von erwerbslosen Familien mit <strong>und</strong> ohne M igrationshintergr<strong>und</strong><br />

aufzulösen, z. B. über Eltern-Kind-Cafés. Oftmals erreichen die im Sozialraum befindli-<br />

chen sozialen <strong>und</strong> Nachbarschaftseinrichtungen betroffene Familien nicht, da sie häufig<br />

Berührungsängste haben. Kindereinrichtungen hingegen müssen aufgesucht werden,<br />

deshalb ist der Ausbau dieser Einrichtungen zu „multiprofessionellen“ Zentren sinnvoll,<br />

gerade in sozialräumlich belasteten Gebieten. Dies ist ein Ort vertrauensvoller Beziehun-<br />

gen, hier können Sozialarbeiter, Psychologen, sozial belastete Familien <strong>und</strong> Erzie-<br />

her/innen unter ein Dach gebracht werden. In den „sozialen Brennpunkten“ bzw. entspre-<br />

chenden Gebieten <strong>und</strong> Regionen ist viel früher mit den Hilfen anzusetzen, d. h. hier sind<br />

verstärkt „Eltern-Kind-Zentren“ zu etablieren, Kitas entsprechend regional anzusiedeln,<br />

eine Ballung bzw. Konzentration von Beratungsmöglichkeiten zu schaffen, um dadurch<br />

eine ganz enge Vernetzung, auch zu weiterführender sozialer Beratung <strong>und</strong> Betreuung,<br />

zu ermöglichen. In den Kitas sollten mehr Sozialarbeiter <strong>für</strong> Kind- <strong>und</strong> Elternberatung ein-<br />

gestellt werden, denn gerade hier gibt es ein ganz großes Anfangsvertrauen der Eltern,<br />

das <strong>für</strong> die sozialen Beratungen genutzt werden könnte. Für die „bürokratiefre<strong>und</strong>liche“<br />

Nutzung von Kitas könnte armen bzw. armutsgefährdeten, sozial schwachen Eltern z. B.<br />

ein „KITA-Gutschein“ übergeben werden, der eine kostenfreie Nutzung zusagt. Wenn fa-<br />

milienunterstützende bzw. -ergänzende Einrichtungen (wie z. B. Familienzentren, Kitas,<br />

Familienbildungsstätten <strong>und</strong> Schulen sowie deren Personal) Eltern <strong>und</strong> ihren Kindern in<br />

problematischen <strong>und</strong> belasteten Lebenssituationen so etwas wie eine „strukturelle zweite<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


Heimat“ bieten, erweisen sie sich als „Schutzfaktor“ gegen Armut, der sich auch volkswirt-<br />

schaftlich rechnet. 43<br />

Bedeutung der Frühpädagogik, Eröffnung von Bildungschancen <strong>und</strong> erhöhte<br />

Anforderungen an die Bildung<br />

Bildungschancen über die Frühpädagogik können im späteren Leben nicht nachgeholt<br />

werden, sie sind bereits im frühen Kindesalter „essentiell“, aber berufstätigen Eltern fehlt<br />

oft die da<strong>für</strong> notwendige Zeit. Es ist wichtig, dass Kinder zeitig in ein pädagogisches Um-<br />

feld kommen. Leider zeigt sich generell in Deutschland der Zusammenhang von Bildung<br />

<strong>und</strong> sozialer Herkunft sehr negativ im europäischen Vergleich (siehe „PISA-Studie“). Ein<br />

wachsender Anteil von Menschen ohne Schul- <strong>und</strong> Berufsausbildung (oftmals Ausländer<br />

<strong>und</strong> Personen mit Migrationshintergr<strong>und</strong>) wird „im Sinne einer negativen Spirale ständig<br />

reproduziert.“<br />

Gerade die Frühpädagogik hat heute eine andere Wertigkeit, auch im internationalen Ver-<br />

gleich, als es früher der Fall war. Der Stellenwert der Frühpädagogik ist gestiegen, die<br />

Relevanz sehr groß, gerade <strong>für</strong> den Spracherwerb – <strong>und</strong> Spracherwerb ist Gr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong><br />

Bildung. Die frühkindliche Bildung hat noch nicht den ausreichenden Stellenwert in<br />

Deutschland, obwohl sie sehr wichtig z. B. auch <strong>für</strong> die neurologische Entwicklung ist. Das<br />

heißt, Bildung unter 6 Jahren unterscheidet sich f<strong>und</strong>amental von den Bildungsanforde-<br />

rungen im Schulbereich. Gerade der Kita-Bereich umfasst das Schaffen von gr<strong>und</strong>legen-<br />

den Erfahrungsräumen <strong>für</strong> Kinder. Kognitive Begabungen zu fördern, ist dagegen schwie-<br />

rig. Eher muss auf die fein- <strong>und</strong> grobmotorische Förderung, sowie die sozial-emotionale<br />

Förderung Wert gelegt werden <strong>und</strong> Kinder sollten in ihren eventuell bestehenden frühen<br />

Fähigkeiten (z. B. Leseinteresse) bestärkt werden. Es geht nicht erster Linie darum,<br />

„Schulvorbereitung“ umzusetzen, Kinder haben das „Recht auf Spiel“, zentraler Lernraum<br />

ist daher der Spielraum. Besonders im Bereich der Familienunterstützung <strong>und</strong> frühkindli-<br />

che Betreuung ist erheblich mehr finanzielles gesamtgesellschaftliches Engagement not-<br />

wendig. Der Gruppen- bzw. Betreuungsschlüssel muss sich ändern, um eine qualitativ<br />

hochwertige pädagogische Arbeit leisten zu können. Heute besteht folgender Gruppen-<br />

schlüssel 1 : 12 bis15, wünschenswert wäre in der Krippe ein Schlüssel 1 : 4 oder 5 <strong>und</strong><br />

im Kindergarten 1 : 6 bis 8. Nur so kann langfristig allen betreuten Kindern eine gleichbe-<br />

rechtigte Teilhabe ermöglicht werden. Die „Frühpädagogik“ soll möglichst „einkommens-<br />

unabhängig“ gestaltet sein.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

165<br />

43 Vgl. dazu: Meier-Gräwe, U.: Familienarmut hat viele Gesichter – warum wir differenzierte Handlungskonzepte<br />

brauchen. Vortrag auf der 30. Jahrestagung der AGEV in Kooperation mit dem aid infodienst: „Abgehängt<br />

<strong>und</strong> allein gelassen? Herausforderung Ernährungsarmut.“ Wissenschaftszentrum Bonn, 25. Und 26.<br />

November 2008.


166<br />

Arbeitslosigkeit ist heute eine der Hauptursachen <strong>für</strong> Armut. Aber eine weitere ganz we-<br />

sentliche Ursache liegt in der Bildungsferne in Familien. Dies ist jedoch nicht immer vor-<br />

dergründig eine Frage der Einkommensverhältnisse, Bildungsferne ist in der gesamten<br />

Gesellschaft verbreitet. Kostenlose Bildungsangebote (wie z. B. der Besuch von Biblio-<br />

theken oder Museen, Ausstellungen usw.) sollten gerade Transferleistungsempfängern<br />

(vor allem Familien mit mehreren Kindern <strong>und</strong> Alleinerziehenden) verstärkt angeboten<br />

werden. Wichtig ist aber stets auch die Vorbildrolle der Eltern. Dabei sind kaum Unter-<br />

schiede zwischen Deutschen <strong>und</strong> Migranten auszumachen, es ist immer eine Frage der<br />

Herkunft <strong>und</strong> des Vorbildes (Eltern als Vorbild, z. B. Akademiker). Kinder eifern ihren El-<br />

tern nach. Jugendliche aus „bildungsfernen“ Schichten, die von ihren Eltern zumindest<br />

dazu angeregt werden, etwas werden zu wollen (z. B. durch eine entsprechende Schul-<br />

ausbildung, eine Lehre oder ein Studium) fallen natürlich aus ihrem sozialen Umfeld her-<br />

aus, andere verlassen ihr sozial belastetes Milieu <strong>und</strong> ihre Regionen nie.<br />

Integration als ethnisch übergreifende, alle sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen<br />

erfassende gesellschaftpolitische Aufgabe<br />

Integration darf nicht nur auf den Migrationshintergr<strong>und</strong> bezogen, sondern muss weiter<br />

gefasst werden. Jede soziale „Durchmischung“ (aus vielen Elternbereichen) wirkt integra-<br />

tiv <strong>und</strong> ist <strong>für</strong> die Entwicklung der Kinder, besonders auch in den Kindereinrichtungen,<br />

wichtig.<br />

Generell ist das Armutsklientel durchmischt, es gibt keine großen Unterschiede zwischen<br />

Bevölkerungsgruppen nach ihrer ethnischen Herkunft, alle Bedürftigen sollten diesbezüg-<br />

lich gleichberechtigt behandelt <strong>und</strong> nicht stigmatisiert werden, „Integration statt Differen-<br />

zierung“ wäre das geeignete Motto. Soziale Integration stellt einen Schlüsselfaktor im<br />

Kampf gegen Armut dar <strong>und</strong> dieser muss in den sozialen Lebensräumen, im Quartier, in<br />

der Region angelegt sein. Das können nicht allein die Politik des Landes Berlin oder seine<br />

Bezirke bewältigen. Für die praktisch wirksame Armutsprävention, die ja wie die Armut<br />

selbst, mehrdimensionalen Charakter trägt <strong>und</strong> eine Vielzahl von gesellschaftlichen Berei-<br />

chen erfassen muss, ist das Vernetzen mit den unterschiedlichsten Organisationen der<br />

Zivilgesellschaft, mit privaten <strong>und</strong> geförderten Trägern, Organisationen <strong>und</strong> Hilfswerken,<br />

mit Kirchen, Firmen <strong>und</strong> Unternehmen, Ehrenamtlichen <strong>und</strong> Freiwilligen unverzichtbar.<br />

Diese haben oftmals eine größere Nähe zu armutsgefährdeten Familien oder Kindern <strong>und</strong><br />

können schneller oder unmittelbarer intervenieren.<br />

Beratung in Landessprache<br />

Hinsichtlich der Verschuldungs- bzw. Rechts- <strong>und</strong> sozialen Beratung entstehen immer<br />

wieder komplizierte (Verständnis-)Situationen bei Einwohnern mit Migrationshintergr<strong>und</strong><br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


zw. Ausländern, weil keine (oder zu wenig) Berater in den jeweiligen Landessprachen<br />

(vor allem türkisch oder arabisch) zur Verfügung stehen. Eine größere Ausstrahlung vieler<br />

Beratungsstellen wäre theoretisch denkbar, wenn es entsprechende Beratungen in Lan-<br />

dessprache gäbe. Allerdings sollte dies im Einklang mit der berechtigten Forderung,<br />

Deutsch als Landessprache zu akzeptieren <strong>und</strong> zu erlernen, erfolgen, um die unbedingt<br />

notwendigen Integrationsbemühungen nicht zu konterkarieren.<br />

Erweiterte Auffassung von Gewalt gegen Kinder <strong>und</strong> Armutskompetenz in<br />

der Ausbildung von pädagogischen Fachkräften<br />

Eine verstärkte Gewaltprävention <strong>und</strong> mehr gesamtgesellschaftliches Engagement in der<br />

Verhinderung von „Gewalt gegen Kinder“ sind notwendig. Dabei sollte Gewalt in einem<br />

umfassenden Sinn verstanden werden. Gewalt ist nicht nur die körperliche Gewalt, son-<br />

dern auch psychisch-soziale, strukturelle Gewalt durch Armut, durch Mangel, durch Ver-<br />

zicht u. a. Es sind also nicht nur die Eltern, sondern es ist auch die gesamte Gesellschaft<br />

gefordert. Die Politik befindet sich hier in besonderer Verantwortung. In der Aus- <strong>und</strong> Wei-<br />

terbildung aller pädagogischen Fachkräfte muss wesentlich stärker eine „Armutskompe-<br />

tenz“ aufgebaut werden <strong>und</strong> viel mehr Gr<strong>und</strong>lagenwissen in Bezug auf eine differenzierte,<br />

sozialraumorientierte „Armutsprävention“ vermittelt werden.<br />

Positive Erfahrungen nutzen <strong>und</strong> Informationssysteme ausbauen<br />

Positive Erfahrungen in der Armutsprävention in Berlin (so z. B. die Verbesserungen <strong>und</strong><br />

Veränderungen in der Rütli-Schule, der Einsatz <strong>und</strong> die Arbeit der „Stadtteilmütter“ in<br />

Neukölln) sind zu nutzen. Warum werden diese nicht auf ganz Berlin übertragen? „Fami-<br />

lienhelfer“, wie noch vor Jahren im Einsatz, wurden abgeschafft. Gerade diese Tätigkeit<br />

hat einen hohen pädagogischen Anspruch <strong>und</strong> erzielte gute Effekte, kann aber nicht eh-<br />

renamtlich erfolgen. Das Ehrenamt hat in anderen Bereichen einen wichtigen Platz.<br />

In Berlin gibt es z. T. gute Möglichkeiten, der Isolation durch Armut entgegenzuwirken,<br />

z. B. ermöglicht der „Sozial- <strong>und</strong> Familienpass“ die Teilhabe am kulturellen <strong>und</strong> sportli-<br />

chen Leben. Zur Nutzung dieser Möglichkeiten muss jedoch stärker angeregt <strong>und</strong> diese<br />

sollten auch öffentlichkeitswirksamer dargestellt werden (z. B. in den Medien, gutes Bei-<br />

spiel: „Familiensuite“ in der <strong>Berliner</strong> Morgenpost). Generell scheint es so zu sein, dass<br />

einer gezielten <strong>und</strong> frühzeitigen Unterstützung armutsgefährdeter bzw. in Armut lebender<br />

Familien, Kinder <strong>und</strong> Jugendlicher verschiedener Faktoren entgegenstehen: z. B. Gren-<br />

zen der Informiertheit, mangelnde „Professionalität“ bei der Beurteilung der Lebenssituati-<br />

on, unzureichende Vernetzung von Angeboten <strong>und</strong> Einrichtungen in problembelasteten<br />

Sozialräumen <strong>und</strong> fehlende Bestandssicherheit. Es zeigt sich auch die Tendenz in der<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

167<br />

Gesellschaft, Armut nicht wahrnehmen zu wollen bzw. dem Einzelnen (dem Ausländer,


168<br />

dem Migranten) die alleinige Verantwortung da<strong>für</strong> zuzuschreiben. Dies wiederum führt bei<br />

den Betroffenen (auch schon bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen) zu sozialem Rückzug, Isola-<br />

tion, schamhaftem Verschweigen der „ärmlichen“ Lebensverhältnisse, etabliert <strong>und</strong> ver-<br />

festigt in sich geschlossene Milieus <strong>und</strong> Gruppen (sozialräumliche <strong>und</strong> sozialstrukturelle<br />

Segregation) <strong>und</strong> entzieht existierenden Hilfs- <strong>und</strong> Unterstützungsangeboten oftmals de-<br />

ren Interventionsmöglichkeiten. 44<br />

Informationsbörse Armutsprävention aufbauen<br />

Eine „Projektbörse Familienbezogene Armutsprävention“ (nach dem Vorbild der Zentrale<br />

des Sozialdienstes katholischer Frauen) sollte aufgebaut werden, um Armutspräventions-<br />

projekte unterschiedlichster Art zu dokumentieren. Diese Informationsquelle (Multiplika-<br />

torenfunktion) könnte Bestandteil im Rahmen der Sozialberichterstattung in den einzelnen<br />

Bezirken Berlins bzw. der zu erstellenden Bezirksregionenprofile sein. Folgende Bereiche<br />

könnten Gliederungspunkte sein: Vermittlung in Arbeit <strong>und</strong> Ausbildung mit gleichzeitiger<br />

Vermittlung von Kinderbetreuung; Beschäftigungs- <strong>und</strong> Qualifizierungsprojekte (mit<br />

Schwerpunkt Alleinerziehende); Bekleidungsversorgung <strong>und</strong> Babyläden, Kinder- <strong>und</strong> Ju-<br />

gendhilfeprojekte, Gefährdetenhilfe, Schuldenprävention <strong>und</strong> Schuldenberberatung, Pro-<br />

jekte mit, von <strong>und</strong> <strong>für</strong> Alleinerziehende, Projekte im Rahmen der Schwangerschaftsbera-<br />

tung, Stadtteil- <strong>und</strong> Wohnprojekte, Integrations- <strong>und</strong> Migrationsarbeit <strong>für</strong> unterschiedliche<br />

Altersgruppen u. a. m.<br />

Nachbarschaftliche Ressourcen, bürgerschaftliches <strong>und</strong> politisches Engagement<br />

Nachbarschaftliche Ressourcen sind zu stärken <strong>und</strong> Tätigkeitsstrukturen so zu etablieren,<br />

dass „dauerhaft erwerbslose Schichten“ unterstützt <strong>und</strong> nicht stigmatisiert werden. Es<br />

geht um „Sinnvermittlung“ <strong>und</strong> um einen allübergreifenden Ansatz <strong>und</strong> somit um ein Paket<br />

an Reformen. Alle Verantwortlichen müssen an einen r<strong>und</strong>en Tisch, alle Disziplinen <strong>und</strong><br />

Verwaltungen müssen miteinander reden. Bestimmte Entscheidungen dürfen nicht nur<br />

rein politisch gefällt werden. Es müssen solche „R<strong>und</strong>en Tische“ <strong>und</strong> effektive Verwal-<br />

tungsnetzwerke eingerichtet werden, die politisches Handeln wirksam beeinflussen kön-<br />

nen.<br />

Gerade private Hilfseinrichtungen müssen <strong>und</strong> können dezentral arbeiten <strong>und</strong> sollten an<br />

den Brennpunkten des Bedarfs flächendeckend präsent sein. Insgesamt gilt: Hilfseinrich-<br />

tungen sollten nicht zentral <strong>und</strong> abstract agieren <strong>und</strong> auf den Besuch der Bedürftigen war-<br />

44 Vgl. dazu: Gute Kindheit – Schlechte Kindheit. Armut <strong>und</strong> Zukunftschancen von Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />

in Deutschland. Abschlussbericht des Instituts <strong>für</strong> Sozialarbeit <strong>und</strong> Sozialpädagogik Frankfurt a. M. zum AWO-<br />

Forschungsprojekt „Armut bei Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen“ (AWO-ISS-Studie).<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N


ten bzw. auf deren Entscheidung, die räumliche Distanz zu überwinden. Hilfseinrichtun-<br />

gen sollten sich nicht nur als Büros oder als Verwaltungsräume verstehen. Sie müssen<br />

die Herausbildung solcher öffentlicher Räume begünstigen, die die Hilfesuchenden, gera-<br />

de die Armen oder von Armut Bedrohten aufsuchen, wo sie sich treffen <strong>und</strong> wo sie allein<br />

durch ihre Anwesenheit auf Hilfe <strong>und</strong> Zuwendung rechnen können, d. h. sie sollten an den<br />

Orten des Bedarfs liegen <strong>und</strong> sich auf die dortigen, jeweils verschiedenen Bedingungen<br />

<strong>und</strong> Anforderungen einlassen.<br />

Armutsprävention mehrdimensional <strong>und</strong> kindbezogen! 45<br />

Gr<strong>und</strong>sätzlich wichtig bei der Armutsprävention ist immer die Differenzierung nach Ver-<br />

hältnis- <strong>und</strong> Verhaltensprävention. Es ist unzureichend, nur am Verhalten armer oder ar-<br />

mutsgefährdeter Familien <strong>und</strong> ihrer Kindern etwas ändern zu wollen oder nur dort anzu-<br />

setzen. Gleichzeitig müssen die strukturellen Rahmenbedingungen (sozialräumlich, sozi-<br />

al- <strong>und</strong> wirtschaftspolitisch, ges<strong>und</strong>heits-, bildungs- <strong>und</strong> wohnpolitisch usw.), also die Ver-<br />

hältnisse, positiv gestaltet bzw. beeinflusst werden. In diesem Kontext trägt zur Armuts-<br />

prävention vor allem bei:<br />

Entwicklung <strong>und</strong> Ausgestaltung guter <strong>und</strong> harmonischer Eltern-Kind-Beziehungen, die<br />

Aneignung sozialer <strong>und</strong> hauswirtschaftlicher Kompetenzen <strong>und</strong> aktives Konflikt- <strong>und</strong><br />

Problembewältigungsverhalten (auch über Familienbildung <strong>und</strong> -beratung), Kontakte<br />

<strong>und</strong> Kontaktfreudigkeit, gemeinsame <strong>und</strong> abwechslungsreiche Eltern-Kind Aktivitäten<br />

in der Freizeit;<br />

Erhöhung bzw. Ausbau der finanziellen Ressourcen der Eltern/Familie, z. B. durch<br />

Integration in den Arbeitsmarkt, berufliche Qualifizierung, Aus- <strong>und</strong> Weiterbildung,<br />

durch Sozialtransfers, effektive <strong>und</strong> wirtschaftliche Haushaltsführung, Beitragsfreiheit<br />

bei kindbezogenen Ausgaben (z. B. bei Betreuung <strong>und</strong> Bildung, Ges<strong>und</strong>heit, soziale<br />

<strong>und</strong> kulturelle Teilhabe), durch angemessenen preiswerten Wohnraum u. a. m.<br />

Mobilisierung <strong>und</strong> weitere Entwicklung der Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfe <strong>und</strong> anderer sozia-<br />

ler Dienste (auch Kinderschutz) in den Sozialräumen, ausreichend vernetzte Dienste<br />

aus Kinder- <strong>und</strong> Jugendhilfeeinrichtungen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen,<br />

sozialen Trägern <strong>und</strong> Projekten <strong>und</strong> Stärkung derer Handlungskompetenzen;<br />

Arbeit mit jüngeren Kindern (frühkindliche Bildung) unter Einbeziehung <strong>und</strong> aktiver<br />

Beteiligung der Eltern gegen Bildungsarmut (so früh wie möglich sport-, kultur-, erleb-<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N<br />

169<br />

45 Vgl. dazu: Holz, G.: Kindbezogene Armutsprävention – Warum <strong>und</strong> was bedeutet das?...a. a. O.; G. Holz<br />

u. a. unterscheidet hinsichtlich der kindbezogenen Armutsprävention im wesentlichen drei Ansätze bzw. Maßnahmenpakete:<br />

familien- bzw. elternorientierte Maßnahmen (indirekter Ansatz), kindorientierte <strong>und</strong> sozialraumorientierte<br />

Maßnahmen (direkte Ansätze).


170<br />

nis- <strong>und</strong> medienpädagogische Aktivitäten), Nutzung der Angebote von Kinder- <strong>und</strong><br />

Jugendfreizeiteinrichtungen, Schulen oder ehrenamtlichen Initiativen;<br />

Gute Erreichbarkeit <strong>und</strong> Niederschwelligkeit aller Angebote <strong>und</strong> mobilen Dienste, auf-<br />

suchende, begleitende <strong>und</strong> beratende Familienbetreuung;<br />

Sozialraumorientierte Gestaltung des Lebensumfeldes im Sinne einer kinder- <strong>und</strong> fa-<br />

milienfre<strong>und</strong>lichen Lebensraumatmosphäre <strong>und</strong> entsprechender Wohnbedingungen,<br />

Konzentration wohn- <strong>und</strong> stadteilpolitischer Aktivitäten <strong>und</strong> Vorhaben auf soziale<br />

„Brennpunktgebiete“ in den Bezirksregionen <strong>und</strong> Planungsräumen – da<strong>für</strong> auch konti-<br />

nuierliche, datengestützte Analyse der Sozial- bzw. Planungsräume <strong>und</strong> ihrer Men-<br />

schen.<br />

I/F/A/D/B/E/R/L/I/N

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