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Mueller/FO<strong>101</strong>/rezensionen/film/"The Game"<br />
boten wird. Er muß seinem Bruder versprechen,<br />
bei diesem seltsamen Institut vorbeizuschauen,<br />
obwohl Nicholas schon vorher<br />
einem Geschäftspartner am Telefon klipp<br />
und klar sagte, daß er „kein Mann ist, der<br />
Versprechen gibt“. Es ist die erste seiner<br />
Lebensregeln, die er gezwungenermaßen<br />
bricht – und nicht die letzte.<br />
Den Abend an seinem Geburtstag verbringt<br />
er allein in seiner Villa. Seine ExFrau<br />
ruft ihn an und beglückwünscht ihn und<br />
erzählt ihm auch, daß sie von ihrem neuen<br />
Mann schwanger ist, was Nicholas mit einer<br />
zynischen Bemerkung kommentiert. Am<br />
nächsten Morgen schaut er bei CRS vorbei,<br />
erfährt nicht so recht um was es bei der<br />
„Lebenserfahrung“ geht, aber aus Neugierde<br />
erklärt sich bereit einen umfangreichen<br />
Fragebogen auszufüllen und einen medizinischen<br />
Gesundheitscheck zuzulassen. Im<br />
Umkleideraum lauscht er einem Gespräch<br />
zweier Herren, die sich über CRS und das<br />
lebensverändernde „Spiel“ unterhalten. Am<br />
Tag darauf wird ihm während einer<br />
Konferenz telefonisch mitgeteilt, daß er für<br />
CRS und das „Spiel“ nicht in Frage käme.<br />
Nicholas Van Orton ist verärgert über die<br />
Ablehnung. Am Abend findet er vor seinem<br />
Haus eine Clownspuppe vor, in deren<br />
Kleidung sich ein Schlüssel von CRS befindet.<br />
Er bringt die Puppe in sein Wohnzimmer<br />
und schaut CNNNachrichten. Plötzlich<br />
spricht ihn der Nachrichtensprecher persönlich<br />
an. Es stellt sich heraus, daß man<br />
Nicholas beobachtet. Nicholas entdeckt im<br />
Kopf der Clownspuppe eine Kamera. Er<br />
dreht der Puppe den Hals um. Das „Spiel“<br />
hat begonnen…<br />
Ursprünglich war Douglas gar nicht für die<br />
Hauptrolle vorgesehen. Fincher sah in ihm<br />
zwar die perfekte Besetzung, ging aber<br />
davon aus, daß Douglas kein Interesse<br />
haben würde, da die Figur des Nicholas Van<br />
Orton oberflächlich betrachtet zu sehr an<br />
seine oscargekrönte Darstellung des<br />
Finanzhais Gekko in Oliver Stones „Wall<br />
Street“ erinnert. Aber da hatte er Douglas<br />
wohl unterschätzt – der las das Skript und<br />
erkannte die schauspielerische Herausforderung<br />
in der Hauptfigur.<br />
Der Film beginnt mit grobkörnigen Super8<br />
Aufnahmen aus Nicholas Kindheit, speziell<br />
von einem Kindergeburtstag. Im Mittelpunkt<br />
der Filmschnipsel steht aber immer der<br />
scheinbar alles beherrschende, beruflich<br />
erfolgreiche Vater, der schließlich im Alter<br />
von 48 Jahren Selbstmord beging, indem er<br />
sich vom Dach seines Hauses stürzte. Er war<br />
nur äußerlich stark und der Verantwortung<br />
seines Lebens nicht mehr gewachsen.<br />
Mittlerweile ist Nicholas auch 48 und trägt<br />
immer noch im Unterbewußtsein die Angst<br />
mit sich herum, ähnlich zu enden wie sein<br />
Vater. Wohl deshalb hat er seine<br />
Persönlichkeit abgeschottet und läßt keine<br />
Gefühle zu, die ihm die perfekte Kontrolle<br />
über sein Leben abspenstig machen würden.<br />
Er ist der Ansicht, er kann nur überleben,<br />
wenn er sein Leben ausschließlich<br />
nach seinen Regeln führt.<br />
Van Orton hat ein festgefügtes Weltbild,<br />
daß durch CRS und das „Spiel“ vollständig<br />
zerstört wird – er wird einer persönlichen<br />
und finanziellen Unsicherheit ausgesetzt. Er<br />
verliert die Kontrolle über sein Leben und<br />
gewinnt an Persönlichkeit hinzu. Er muß<br />
eingefahrene Bahnen verlassen, um die<br />
kommenden Situation meistern zu können.<br />
Und Michael Douglas schafft es, seine innere<br />
Wandlung glaubhaft zu machen, ohne ins<br />
Overacting zu rutschen. Natürlich ist Van<br />
Orton mit seinem Reichtum und der Macht<br />
ein sehr plakatives Beispiel, aber schließlich<br />
haben wir es nun mal mit einem HollywoodFilm<br />
zu tun. Unglaubwürdig ist da<br />
schon eher die Annahme, daß Van Orton<br />
überhaupt erst mit dem „Spiel“ beginnt. Der<br />
eiskalte Geschäftsmann steigt doch nicht in<br />
eine Sache ein, deren Regeln er nicht kennt.<br />
Er spielt doch nur nach seinen Regeln – das<br />
hat ihm (geschäftlichen) Erfolg und Sicherheit<br />
gebracht. Der Kniff mit dem Versprechen<br />
an den Bruder kann mich trotzdem nicht<br />
völlig davon überzeugen.<br />
Nicht nur Nicholas Van Orton, auch der<br />
Zuschauer wird ständig verunsichert. Alles<br />
wird im Verlauf des Films immer unklarer –<br />
was ist die Inszenierung der Drahtzieher von<br />
CRS, was ist Realität? Auch die letztendliche<br />
Auflösung wirkt doppelbödig, aber ohne<br />
Unzufriedenheit beim Zuschauer hervorzurufen<br />
– es bleibt eben nur ein kleines<br />
Fragezeichen zurück.<br />
Fincher, dessen SerienmörderFilm<br />
„Seven“ Vorbild für eine ganze Reihe von<br />
TVProduktionen wie z. B. „Profiler“ und<br />
„Millenium“ wurde, bietet natürlich auch in<br />
„The Game“ die eine oder andere visuelle<br />
Spielerei. Auch die üblichen religiösen<br />
Aspekte, die sich durch Finchers Filme wie<br />
ein roter Faden ziehen, sind hier zu finden.<br />
Van Orton durchlebt eine Läuterung seines<br />
Ichs und eine Schlüsselszene ist wohl die,<br />
wo er einer Madonnenfigur den abgefallenen<br />
Kopf aufsetzt. Sogar die „barmherziger<br />
Samariter“Thematik wird das eine oder<br />
andere mal angeschnitten, ohne aber in<br />
unangenehmes Pathos zu verfallen.<br />
Die Organisation CRS ist ein faszinierendes<br />
Vehikel, um die Frage aufzuwerfen, was bei<br />
jedem einzelnen passieren müßte, um die<br />
Korsettstangen der eigenen Persönlichkeit<br />
zu zerbrechen. Wie man selbst damit umgehen<br />
würde. Inwieweit sind die Methoden<br />
von CRS moralisch vertretbar? „The Game“<br />
ist nicht der erste Film, der diese Frage aufwirft<br />
– aber es ist erfreulich, daß es doch<br />
noch teure HollywoodProduktionen gibt,<br />
die nicht nur unterhalten, sondern auch<br />
noch zum Nachdenken anregen.<br />
28 FO <strong>101</strong> · 11/97<br />
TOM