Marke Caritas - Caritas NRW
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caritas in <strong>NRW</strong> · 4/05<br />
Blickpunkt<br />
Zufl ucht im Fernwärmekanal<br />
Wie die <strong>Caritas</strong> Obdachlosen, Müttern und Kindern in Sibirien hilft<br />
Von Ralph Allgaier<br />
„Nach Sibirien? Freiwillig?“ Als die Aachener Franziskanerin Schwester Maria<br />
Ursula Schneider bekannt gab, dass sie demnächst 6 200 Kilometer von der<br />
Heimat entfernt Dienst tun wolle, erntete sie vielfach ungläubiges Staunen.<br />
Doch sie wagte den Schritt in ein ihr völlig fremdes Land, dessen Sprache sie<br />
erst lernen musste. In eine Region, in der das Thermometer an Wintertagen<br />
manchmal auf minus 40 Grad purzelt.<br />
Die 44-Jährige, die sich im Aachener <strong>Caritas</strong>rat verdient<br />
gemacht und die „Franziska-Schervier-Stube“ für<br />
Nichtsesshafte gegründet hatte, bereut den Umzug in<br />
die russische Millionenstadt Omsk keine Sekunde. Die<br />
Arbeit mit Obdachlosen und sozial Schwachen erfüllt<br />
die gelernte Krankenschwester spürbar.<br />
Erst vor 14 Jahren konnten nach dem Fall des Eisernen<br />
Vorhangs in Russland Diözesan-<strong>Caritas</strong>verbände<br />
gegründet werden. Schon bald waren diese Organisationen<br />
aus dem öffentlichen Leben nicht mehr wegzudenken.<br />
Dabei waren die Anfänge schwer. Die fünf deutschen<br />
Ordensschwestern, die 1995 in Omsk ein Netz der<br />
Hilfe aufzubauen begannen, schliefen zunächst in einer<br />
winzigen Wohnung auf Luftmatratzen. Heute ist das<br />
im Gebäude einer ehemaligen Näherei untergebrachte<br />
<strong>Caritas</strong>-Haus das größte Sozialzentrum der Stadt.<br />
Die <strong>Caritas</strong> füllt mit ihren vielfältigen, unentgeltlichen<br />
Blick auf das nackte Elend:<br />
Diözesan-<strong>Caritas</strong>direktorin<br />
Schwester Elisabeth Jakubowitz<br />
schaut in einen Fernwärmeschacht<br />
in Nowosibirsk, in<br />
dem sich Menschen notdürftig<br />
häuslich eingerichtet haben.<br />
Angeboten jene großen Lücken, die im staatlichen russischen<br />
Sozialsystem nach wie vor klaffen – von der<br />
Allgemeinen Sozialen Beratungsstelle über den Kinder-<br />
und Jugendklub bis hin zu Psychiatrie oder Hilfen<br />
bei der häuslichen Krankenpfl ege.<br />
Unterwegs mit Schwester Maria Ursula im <strong>Caritas</strong>-Ambulanzbus,<br />
der einmal ein Paketwagen der Deutschen<br />
Post war: Am Bahnhof von Omsk wird das Fahrzeug<br />
bereits sehnsüchtig erwartet. Die Gesichter der etwa<br />
70 Obdachlosen sprechen Bände: Ausgemergelt, verwahrlost,<br />
von Leberzirrhose und Infektionen gepeinigt,<br />
betteln sie um Nahrung, Medikamente und etwas<br />
Zuwendung. Olga Wertjelko verteilt Suppe, Brot und<br />
Tee – für viele wahrscheinlich die einzige vernünftige<br />
Mahlzeit an diesem Tag. Und drinnen im Bus leistet Maria<br />
Ursula medizinische Akut-Hilfe. Auffallend häufi g<br />
kommen Personen mit starken Verbrennungen zu ihr.<br />
Ein ganz normaler Sonnenbrand entwickelt sich bei<br />
ihnen zur ernsthaften Krankheit, weil das von Alkohol<br />
geschwächte Immunsystem keinen Widerstand mehr<br />
leistet. Sie kommen zur <strong>Caritas</strong>, weil es in Russland keine<br />
Krankenversicherung gibt. Außer der Notversorgung<br />
müssen Bürger alle Behandlungen einschließlich des<br />
medizinischen Materials und sämtlicher Medikamente<br />
selbst bezahlen. Für viele ist das angesichts ihres geringen<br />
Einkommens unmöglich.<br />
Nicht selten haben sich die Nichtsesshaften, die Schwester<br />
Maria Ursula verarztet, an Fernwärmeleitungen