Bewusstseinsstörungen – Diagnose und Prognose - Coma Science ...
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Restfunktion des Gehirns<br />
Andererseits müssen Ergebnisse der funktionellen<br />
zerebralen Bildgebung mit großer Vorsicht<br />
als Beweis oder Gegenbeweis der bewussten<br />
Wahrnehmung bei ernsthaft hirngeschädigten<br />
Patienten bewertet werden, da ein umfassendes<br />
Verständnis der neuronalen Gr<strong>und</strong>lagen des Bewusstseins<br />
fehlt.<br />
Kürzlich hat Adrian Owen aus Cambridge versucht<br />
»Willen ohne Aktion« in nicht-kommunikativen<br />
hirngeschädigten Patienten zu identifizieren.<br />
Er hat Patienten während einer mentalen<br />
Bildgebungsaufgabe gescannt. Es ging darum, reproduzierbare<br />
<strong>und</strong> spezifische Aktivierungen bei<br />
Patienten zu beobachten, während sie Aufgaben<br />
durchführen. Wird diese spezifische Aktivierung<br />
beobachtet, dann bedeutet dies, dass der Patient<br />
fähig ist, die mentale Aufgabe durchzuführen,<br />
was wiederum eindeutig eine bewusste Wahrnehmungsfähigkeit<br />
zeigt. Negative Ergebnisse unter<br />
den gleichen Bedingungen können jedoch nicht<br />
als Beweis für eine fehlende bewusste Wahrnehmung<br />
dienen.<br />
In einem Ausnahmefall eines US-Patienten<br />
wurde eine aufgabenspezifische Aktivität beobachtet,<br />
was unzweifelhaft für eine bewusste Wahrnehmung<br />
spricht, trotz fehlenden verlässlichen<br />
verhaltensmotorischen Zeichen einer freiwilligen<br />
Interaktion mit der Umgebung. Interessanterweise<br />
erlangte der Patient etwas später sein Bewusstseinsvermögen<br />
wieder.<br />
Auch andere Studien konnten nachweisen,<br />
dass VS-Patienten mit untypischen Gehirnaktivitätsmustern<br />
in der funktionellen Bildgebung später<br />
klinische Zeichen der Wiedererlangung des<br />
Bewusstseins zeigten <strong>–</strong> wenn auch manchmal erst<br />
viele Monate später.<br />
Mit Hilfe der MRI-Diffusions-Tensor-Bildgebung<br />
kann die Integrität der weißen Substanz gemessen<br />
werden. Die Untersuchungen erweitern<br />
unser Verständnis von den Gehirnmechanismen,<br />
die der Wiedererlangung des Bewusstseins bei VS<br />
unterliegen. Ein Team um Nicholas Schiff von der<br />
Cornell University benutzte kürzlich die Diffusions-Tensor-Bildgebung<br />
um das erneute Wachsen<br />
von Axonen im Gehirn von Terry Wallis zu zeigen,<br />
einem Mann aus Arkansas, der in einem posttraumatischen<br />
MCS war <strong>und</strong> der 2003 nach 19 Jahren<br />
Stille wieder zu sprechen begann.<br />
Locked-in-Syndrom<br />
15 1<br />
Typischerweise ist bei LIS das EEG relativ normal<br />
(oder nur sehr wenig verlangsamt) <strong>und</strong> reagiert<br />
auf externe Reize, nur gelegentlich wurde auch<br />
ein nicht-reaktiver Alpha-Rhythmus (z. B. »Alpha-<br />
Koma«-Muster) beobachtet. Kognitive evozierte<br />
Potentiale <strong>und</strong> Gehirn-Computer-Schnittstellen<br />
können bewusste Wahrnehmung dokumentieren<br />
<strong>und</strong> erlauben Kommunikation in extremen Fällen<br />
von komplettem LIS. Die Frage nach dem Kognitionsvermögen<br />
im LIS war lange unklar. Kürzlich<br />
wurden standardisierte neuropsychologische<br />
Batterien verwendet <strong>und</strong> für ein augengesteuertes<br />
Kommunikations-verfahren validiert. Für das klassische<br />
LIS, verursacht durch eine Hirnstammläsion,<br />
haben diese Studien ein normales Vermögen<br />
im Bereich der Aufmerksamkeit, des Gedächtnis,<br />
der exekutiven Funktionen, <strong>und</strong> des Sprachverständnis<br />
gezeigt.<br />
Die PET Bildgebung hat eine signifikant höhere<br />
metabolische Aktivität in den Gehirnen von<br />
LIS-Patienten im Vergleich zu VS-Patienten nachgewiesen.<br />
Verfahren wie die »voxel-based morphometry«<br />
haben gezeigt, dass alle kortikalen Areale<br />
einen normalen Metabolismus beim klassischen<br />
LIS besitzen. Umgekehrt wurde eine Hyperaktivität<br />
in den bilateralen Amygdala bei akutem LIS<br />
beobachtet, aber nicht bei chronischem LIS. Die<br />
Amygdala Kerne sind beteiligt am Empfinden von<br />
Emotionen, vor allem an negativen Emotionen<br />
wie Furcht <strong>und</strong> Angst. Das Fehlen einer reduzierten<br />
metabolischen Funktion in allen Arealen der<br />
grauen Substanz unterstreicht die Tatsache, dass<br />
LIS-Patienten unter einer reinen zentralmotorischen<br />
Störung leiden <strong>und</strong> ihre komplette intellektuelle<br />
Kapazität wiedererlangt haben oder wiedererlangen<br />
werden.<br />
Die zunehmende Aktivität in den Amygdala<br />
kann mit der schrecklichen Situation einer intakten<br />
bewussten Wahrnehmung in einem stummen,<br />
aber fühlenden Menschen zusammenhängen. Bei<br />
der Betreuung dieser Patienten soll man sich dieses<br />
Zustandes stark bewusst sein, sein Verhalten<br />
am Patientenbett anpassen <strong>und</strong> eine pharmakologische<br />
angsthemmende Therapie in Erwägung<br />
ziehen.