05.09.2013 Aufrufe

Bewusstseinsstörungen – Diagnose und Prognose - Coma Science ...

Bewusstseinsstörungen – Diagnose und Prognose - Coma Science ...

Bewusstseinsstörungen – Diagnose und Prognose - Coma Science ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Nosologie der <strong>Bewusstseinsstörungen</strong><br />

Die Erweckbarkeit wird unterstützt durch neuronale<br />

Populationen im Bereich des Hirnstamms<br />

(z. B. das retikuläre Aktivierungssystem), die direkt<br />

oder über nicht-spezifische Thalamuskerne<br />

mit kortikalen Neuronen kommunizieren. Deshalb<br />

können sowohl ein fokaler Schaden des Hirnstamms,<br />

als auch ein diffuser Schaden der Hirnhemisphären<br />

zu Erweckbarkeitsstörungen führen.<br />

Die Beurteilung des Augenöffnens <strong>und</strong> der Hirnstammreflexe<br />

sind ein Schlüssel zur klinischen<br />

Einschätzung der funktionellen Integrität der<br />

neuronalen Systeme der Erweckbarkeit. Wahrnehmung<br />

hängt von der Unversehrtheit des zerebralen<br />

Cortex <strong>und</strong> seiner subkortikalen Verbindungen ab<br />

(Schädigungen in teilweise verschiedenen Hirnregionen<br />

sind verantwortlich für die verschiedenen<br />

Wahrnehmungsstörungen, die wir hier beschrieben<br />

haben), wobei ihr präzises neuronales Korrelat<br />

noch aufzuklären bleibt. Deshalb gibt es zurzeit<br />

auch kein validiertes objektives Messinstrument<br />

für das Bewusstsein.<br />

Die Einschätzung der multiplen Dimensionen<br />

des Bewusstseins <strong>und</strong> ihrer Störungen erfordern<br />

die Interpretation von klinischen Zeichen, die<br />

hauptsächlich auf der Beurteilung der Reaktionen<br />

des Patienten (<strong>und</strong> ihrer Abwesenheit) auf<br />

den Untersucher oder die Umgebung beruhen.<br />

Hirntod, Koma, VS, MCS <strong>und</strong> LIS werden ausschließlich<br />

über klinische Kriterien definiert. Aus<br />

diesem Gr<strong>und</strong> wurden Punktesysteme für eine<br />

standardisierte Beurteilung des Bewusstseins bei<br />

hirngeschädigten Patienten entwickelt (s. u.).<br />

Nosologie der <strong>Bewusstseinsstörungen</strong><br />

Hirntod<br />

Hirntod bedeutet menschlicher Tod, festgelegt anhand<br />

neurologischer Kriterien. Die aktuelle Definition<br />

von Tod ist der dauerhafte <strong>und</strong> globale Stillstand<br />

der entscheidenden Funktionen des Organismus<br />

(z. B. neuroendokrine <strong>und</strong> homöostatische<br />

Regulation, Kreislauf, Atmung <strong>und</strong> Bewusstsein).<br />

Um den Hirntod feststellen zu können, verlangen<br />

die meisten Länder den Tod des ganzen Gehirns,<br />

einschließlich des Hirnstamms, aber einige (z. B.<br />

Großbritannien <strong>und</strong> Indien) beziehen sich nur auf<br />

5 1<br />

den Tod des Hirnstamms, da der Hirnstamm die<br />

Durchgangsstation für fast alle hemisphärischen<br />

Ein- <strong>und</strong> Ausgänge darstellt, <strong>und</strong> das Zentrum<br />

für die Atemfunktionen <strong>und</strong> die Erzeugung von<br />

Erweckbarkeit (eine essentielle Bedingung für bewusste<br />

Wahrnehmung) beinhaltet. Die klinische<br />

Beurteilung des Hirntods ist dennoch einheitlich<br />

<strong>und</strong> beruht auf dem Verlust aller Hirnstammreflexe<br />

<strong>und</strong> dem Beweis des dauerhaften Atemstillstandes<br />

(nach standardisierten Apnoetests) bei<br />

einem anhaltend komatösen Patienten (⊡ Tab. 1.1).<br />

Die Ursache des Komas sollte geklärt sein <strong>und</strong><br />

andere beeinflussende Faktoren wie Hypothermie,<br />

Drogen, Elektrolyt- <strong>und</strong> endokrine Störungen sollten<br />

ausgeschlossen worden sein.<br />

Der Hirntod ist klassischerweise durch eine<br />

massive Gehirnläsion (z. B. Trauma, intrakranielle<br />

Blutung oder Anoxie) verursacht, welche den intrakraniellen<br />

Druck auf Werte über den arteriellen<br />

Blutdruck anhebt, die intrakranielle Durchblutung<br />

damit zum Stillstand bringt <strong>und</strong> den Hirnstamm<br />

durch Einklemmung schädigt. Unter Verwendung<br />

der Hirnstammformulierung des Todes können<br />

demnach außergewöhnliche, aber existierende<br />

Fälle massiver Hirnstammläsionen (meist eine<br />

Blutung), die den Thalamus <strong>und</strong> zerebralen Kortex<br />

verschonen, als Hirntod trotz intakter intrakranieller<br />

Zirkulation deklariert werden. Folglich kann<br />

ein Patient mit einer primären Hirnstammläsion<br />

(welche keinen erhöhten intrakraniellen Druck<br />

entwickelt) theoretisch nach den in England <strong>und</strong> in<br />

Indien geltenden Kriterien als tot erklärt werden,<br />

⊡ Tab. 1.1. Hirntod kriterien (Richtlinien der American<br />

Academy of Neurology)<br />

▬ Vorliegen eines Komas<br />

▬ Nachweis der Ursache des Komas<br />

▬ Ausschluss anderer Ursachen wie Hypothermie,<br />

Drogen, Störung der Elektrolyten, endokrine Störungen<br />

u.a<br />

▬ Fehlende Hirnstammreflexe<br />

▬ Fehlende motorische Antworten<br />

▬ Apnoe<br />

▬ Eine wiederholte Beurteilung in 6 St<strong>und</strong>en wird<br />

empfohlen, wobei diese Zeitspanne willkürlich zu<br />

sehen ist<br />

▬ Bestätigende Labortests nur bei unklarer klinischer<br />

Beurteilung

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!