Bewusstseinsstörungen – Diagnose und Prognose - Coma Science ...
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8 Kapitel 1 · <strong>Bewusstseinsstörungen</strong> <strong>–</strong> <strong>Diagnose</strong> <strong>und</strong> <strong>Prognose</strong><br />
⊡ Tab 1.4. Kriterien des Locked-in-Syndroms (American<br />
Congress of Rehabilitation Medicine)<br />
▬ Aufrechterhaltene Augenöffnung (bilaterale Ptosis<br />
sollte als komplizierender Faktor ausgeschlossen<br />
werden)<br />
▬ Tetraplegie oder Tetraparese<br />
▬ Aphonie oder Hypophonie<br />
▬ Kommunikation durch vertikale oder laterale Augenbewegungen<br />
oder Blinzeln des oberen Augenlids<br />
um Ja/nein-Antworten zu signalisieren<br />
▬ Erhaltene Wahrnehmung der Umgebung<br />
äußerer Reize mitzuteilen. Akute, vaskuläre, bilaterale<br />
<strong>und</strong> ventrale Ponsläsionen sind die häufigste<br />
Ursache. Diese Patienten bleiben oft für einige Tage<br />
oder Wochen komatös, bedürfen einer künstlichen<br />
Beatmung <strong>und</strong> wachen dann allmählich auf. Sie<br />
bleiben jedoch gelähmt <strong>und</strong> stimmlos, <strong>und</strong> ähneln<br />
oberflächlich beobachtet einem Koma oder vegetativen<br />
Status. ⊡ Tab. 1.4 beinhaltet die klinischen<br />
Kriterien des LIS. Das Syndrom kann auf der Basis<br />
der Ausdehnung der motorischen Schädigung unterteilt<br />
werden als<br />
▬ klassisches LIS (charakterisiert durch die totale<br />
Immobilität bis auf vertikale Augenbewegungen<br />
oder Blinzeln);<br />
▬ inkomplettes LIS (einige freiwillige Restbewegungen<br />
sind möglich); <strong>und</strong><br />
▬ totales LIS (bestehend aus kompletter Immobilität<br />
einschließlich aller Augenbewegungen, verb<strong>und</strong>en<br />
mit intaktem Bewusstseinsvermögen).<br />
Klinische Beurteilung, <strong>Diagnose</strong><br />
<strong>und</strong> <strong>Prognose</strong><br />
Bewusstseinsskalen<br />
1974 veröffentlichten Graham Teasdale <strong>und</strong> Bryan<br />
Jennett die »Glasgow <strong>Coma</strong> Scale « (GCS). Dieses<br />
standardisierte Instrument zur Diagnostik von Erweckbarkeit<br />
<strong>und</strong> Wahrnehmung gilt als Standard<br />
in der Komaforschung. Die GCS hat drei Komponenten:<br />
▬ Öffnen der Augen,<br />
▬ verbale Reaktionen <strong>und</strong><br />
▬ motorische Reaktionen.<br />
Einige Experten sind der Meinung, dass die Beurteilung<br />
der spontanen <strong>und</strong> stimulationsausgelösten<br />
Augenöffnung die Integrität des Hirnstamms <strong>und</strong><br />
der Erweckbarkeitssysteme nicht ausreichend untersucht<br />
<strong>und</strong> haben Komaskalen, welche die Untersuchung<br />
von Hirnstammreflexen beinhalten, vorgeschlagen.<br />
Diese Skalen sind in der Regel jedoch<br />
komplexer <strong>und</strong> weniger verbreitet als die GCS.<br />
Zum Beispiel vervollständigt die »Glasgow-Liège<br />
Scale « (GLS) die GCS mit fünf Hirnstammreflexen<br />
(z. B. frontoorbikulare, okkulozephalische, Pupillen-<br />
<strong>und</strong> okkulokardiale Reflexe). Die zunehmende<br />
Anwendung von Intubation <strong>und</strong> mechanischer Beatmung<br />
erlauben keine Beurteilung der verbalen<br />
Komponente der GCS bei vielen Komapatienten.<br />
Vor kurzem wurde daher die Full Outline of Un-<br />
Responsiveness scale (FOUR; ein Akronym für<br />
die Anzahl der getesteten Komponenten: Augen-,<br />
motorische Funktion, Atemfunktion <strong>und</strong> Hirnstammreflexe)<br />
vorgeschlagen; diese Skala beinhaltet<br />
einen Handpositionstest (z. B. den Patienten<br />
auffordern eine Faust, »Daumen hoch«-Zeichen<br />
oder »Sieges«-Zeichen zu machen) als Alternative<br />
für die verbale Komponente der GCS.<br />
GCS, GLS <strong>und</strong> FOUR-Skalen sind bei der<br />
Einschätzung chronischer <strong>Bewusstseinsstörungen</strong><br />
nicht verlässlich. Für diese Patienten sind die<br />
<strong>Coma</strong> Recovery Scale-Revised (CRS-R), Sensory<br />
Modality Assessment and Rehabilitation Technique<br />
(SMART) oder Wessex Head Injury Matrix<br />
(WHIM) empfindlichere Skalen. Die CRS-R ist<br />
eine kürzlich entwickelte Skala <strong>und</strong> erlaubt, speziell<br />
zwischen VS <strong>und</strong> MCS zu differenzieren. Die<br />
Struktur der CRS-R ist der der GCS ähnlich, ihre<br />
Subskalen sind jedoch detaillierter, um subtilere<br />
Zeichen der Wiedererlangung der Wahrnehmung<br />
zu erfassen.<br />
Hirntod<br />
Da viele Regionen des supratentoriellen Gehirns,<br />
einschließlich Neocortex, Thalamus <strong>und</strong> Basalganglien<br />
nicht genau hinsichtlich ihrer klinischen<br />
Funktionen bei einem komatösen Patienten getestet<br />
werden können, messen die meisten Bedsidetests<br />
zur Diagnostik des Hirntods nur die Funktionen<br />
des Hirnstamms (wie kranielle Nervenreflexe