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STUDIA GERMANICA GEDANENSIA numer 13 - Instytut Filologii ...

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Danzig als Zauberberg 25<br />

Schlauheit wider. Vor sich selbst gesteht er, von den Kaschuben bisher noch<br />

nie gehört zu haben, da sein Geographieprofessor in den Vorträgen über exotische<br />

Völker diese Gruppe vom östlichen Ende des deutschen Staates nie<br />

erwähnt hat 8 . Er selbst wird auch nach längerem Aufenthalt in Danzig die<br />

Kaschuben von den Polen kaum unterscheiden können. Beide Gruppen bilden<br />

in seinen Augen eine graue Schicht, die nur selten, an ärmlichen Plätzen, wahrgenommen<br />

wird 9 . Ein schwaches Interesse an polnischer Geschichte wird erst<br />

später, dank einer platonischen Liebe zu einer Polin entstehen. Der Autor<br />

macht an manchen Stellen seines Buches auf die stereotype Wahrnehmung<br />

der Polen bzw. Slawen im Allgemeinen aufmerksam. Sein Umgang mit der<br />

Problematik ist sehr geschickt, keinesfalls aufdringlich. Er versucht das<br />

Negative durch den Meinungsaustausch der am Gespräch Beteiligten zu<br />

entkräften, die Objektivität wird u.a. mit Hilfe von beinahe wissenschaftlich<br />

formulierten Argumenten des Protagonisten erreicht.<br />

Castorps Haltung ist vorwiegend passiv. Er achtet übermäßig auf die<br />

Korrektheit seines Benehmens, was ihn auch von den anderen von Huelle geschaffenen<br />

Studentenfiguren unterscheidet. Spontaneität muss die Titelfigur<br />

erst lernen, das Planen und Sich-nach-dem-Plan-Richten hat er bereits im Blut.<br />

Konkret und zielstrebig, von den Mitstudenten wird Castorp der Praktische<br />

oder Praktiker genannt 10 , nutzt er kaum die Möglichkeiten, die ein Studienaufenthalt<br />

in einer fremden Stadt bietet. Studentenkorporationen und<br />

Burschenschaften üben auf ihn eine nur schwache Anziehungskraft aus, sie<br />

würden lediglich seine geordnete Lebensweise zerstören und somit seine<br />

Freiheit und Freizeit begrenzen 11 . Die Einladungen seiner Hauswirtin zu<br />

geselligen Abenden oder Feiertagen will er ebenfalls nicht annehmen, wobei<br />

er die Gründe dafür kaum erklären kann. Zum Teil resultiert diese<br />

Zurückhaltung aus seiner Bequemlichkeit, andererseits zeugt sie von seiner<br />

Angst vor Bindungen sowie davor, die Regelmäßigkeit seines Tagesablaufs<br />

aufgeben zu müssen. Durch die Stadt und Gegend schlendernd, knüpft er<br />

keine zufälligen Kontakte, auch wenn er keine Gelegenheit meidet, in einem<br />

Restaurant zu speisen. Hans Castorp – ein Einzelgänger oder ein Einsamer? 12<br />

Jedenfalls ein teilnahmsloser Beobachter, nur selten ein Mitmacher. Das sind<br />

charakteristische Persönlichkeitsmerkmale, die Thomas Mann der Gestalt verliehen<br />

hat. Zum Mitmachen bewegt ihn schließlich die platonische Liebe zu<br />

einer Unbekannten. Ein auf der Caféterrasse zufällig wahrgenommenes<br />

8 Vgl. ebenda, S. 29.<br />

9 Vgl. ebenda, S. 160.<br />

10 Vgl. ebenda, S. 77.<br />

11 Vgl. ebenda, S. 79.<br />

12 Vgl. ebenda, S. 80. Frau Wybe bezeichnet Castorp als unmenschlich einsam (nieludzki samotnik).

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