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STUDIA GERMANICA GEDANENSIA numer 13 - Instytut Filologii ...

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Danzig als Zauberberg 29<br />

gelungen, die Wirren der Seele des künftigen Patienten zu rekonstruieren.<br />

Er behält auch scheinbar unbedeutende Details 22 , wie etwa die beliebte<br />

Zigarrenmarke „Maria Mancini”, bei. Nach längerer Kur in Davos wird der<br />

Protagonist die Marke aufgeben, um den Kontakt mit der Außenwelt des<br />

Tals zu beschränken. In Danzig wird die Suche nach der Zigarrenmarke zu<br />

einer Antriebskraft der Handlung, denn sie ist der Grund der Fahrt nach<br />

Zoppot und der anschließenden ersten Begegnung mit Pilecka und Dawydow.<br />

Nicht das Meiden der Außenwelt, sondern das Öffnen für die<br />

Außenwelt verbindet sich hier mit den Zigarren „Maria Mancini”, deren<br />

Rauchen dem verwirrten Studenten die Wiederherstellung der inneren<br />

Ruhe ermöglicht.<br />

Ein Vergleich der Castorp-Figuren und -Welten von Mann und Huelle ist<br />

unausweichlich. Trotz der Alters- oder auch Erfahrungsunterschiede ist es<br />

im Prinzip die selbe Figur. Der Danziger Schriftsteller konstruiert seinen<br />

Helden in Anlehnung an das bereits bekannte Muster von Mann. Die Ereignisse<br />

werden aus der Perspektive der Titelperson geschildert. Bei beiden<br />

Autoren gibt es wichtige Szenen mit Winterlandschaft. Bei Mann, im Kapitel<br />

„Schnee”, bringt der Schneesturm eine Erlösung, eine Befreiung vom Tode<br />

und die Erkenntnis, dass der Mensch um der Güte und Liebe willen dem Tode<br />

keine Herrschaft […] über seine Gedanken einräumen [soll] 23 . Das Pendant<br />

bildet bei Huelle die Szene an der Schlittenbahn, wohin Castorp in einem<br />

Wachtraum gelangt und Tote auf Bobschlitten den Berg hinuntergleiten<br />

sieht. Diesmal bringt die Vision keine Befreiung. Er verwechselt Traum und<br />

Wirklichkeit, vor seinen Augen erscheinen in unverständlichen Zusammenhängen<br />

der Großvater, die Mutter, der Kanzlist der Technischen Hochschule<br />

sowie seine unbekannte Liebe. Das Versinken in den Traum folgte<br />

seinen Erwägungen über die Zeit als mathematische Funktion, die das Leben<br />

von der Geburt an bis in die Unendlichkeit hinein beschreibt, was den<br />

Moment des Todes nicht feststellen und somit den Sinn des Lebens nicht<br />

ergründen lässt 24 . Diese Überlegungen erinnern an die des Patienten Castorp,<br />

der Zeit als Funktion des Raumes, als Ruhe und Stillstand zu interpretieren<br />

22 Zu diesen Details könnte noch das Fotoatelier in Danzig gehören. In Der Zauberberg erinnert<br />

den „Berghof”-Patienten Dr. Krokowskis Halskragen an einen Fotografen in Danzig<br />

(Vgl. T. Mann, Der Zauberberg, a. a. O., S. 25). An dieser Stelle von Manns Roman taucht<br />

der Stadtname zum ersten Mal auf. Huelle lässt seinen Protagonisten vor einem Fotoatelier<br />

in Zoppot anhalten und das Schaufenster bestaunen. Vgl. P. Huelle, Castorp, a. a. O.,<br />

S. 100–101.<br />

23 T. Mann, Der Zauberberg, zit. nach der Ausgabe: Aufbauverlag, Berlin und Weimar 1968,<br />

S. 701. Vgl. dazu das Nachwort zur polnischen Ausgabe: T. Mann, Czarodziejska góra, Bd. 1<br />

übersetzt von J. Kramsztyk; Bd. 2 übersetzt von J. Łukowski, PIW, Warszawa 1961, hier Bd. 2,<br />

S. 506–507.<br />

24 Vgl. P. Huelle, Castorp, a. a. O., S. 106 – 107.

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