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Stotax Portal - Stollfuß Medien

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<strong>Stotax</strong> <strong>Portal</strong><br />

Das Bundesverfassungsgericht<br />

und das häusliche<br />

Arbeitszimmer<br />

Univ.-Prof. Dr. Bert Kaminski 1<br />

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 6.7.2010 (2 BvL<br />

13/09, <strong>Stotax</strong>-First) die durch das StÄndG 2007 (vom<br />

19. 7. 2006, BGBl. I 2006 S. 1652) in § 4 Abs. 5 Satz 1<br />

Nr. 6b EStG erfolgte Einschränkung der steuerlichen<br />

Berücksichtigung von Aufwendungen für das häusliche<br />

Arbeitszimmer für verfassungswidrig erklärt, soweit das<br />

Abzugsverbot Aufwendungen für einhäusliches Arbeitszimmer<br />

auch dann umfasst, wenn für die betriebliche oder<br />

berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung<br />

steht. Das Gericht sieht hierin einen Verstoß gegen<br />

Art. 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber wird verpflichtet, rückwirkend<br />

zum 1. 1. 2007 diesen verfassungswidrigen Zustand<br />

zu beseitigen.<br />

Bereits im Urteil vom 7. 12. 1999 (2 BvR 301/98, BVerfGE<br />

101 S. 297) hatte sich das Gericht mit den durch das JStG<br />

1996 (vom 11. 10. 1995, BGBl. I 1995 S. 1250) geschaffenen<br />

erstmaligen Einschränkungen zu beschäftigen. Danach<br />

waren entsprechende Aufwendungen grundsätzlich<br />

nicht abzugsfähig. Eine Ausnahme galt, wenn die betriebliche<br />

oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr<br />

als 50 % der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten<br />

ausmachte oder wenn für die betriebliche oder berufliche<br />

Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung<br />

stand. Ein unbeschränkter Abzug war ferner nur zugelassen,<br />

wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten<br />

betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildete. Das damalige<br />

Urteil bejahte die Verfassungsmäßigkeit dieser Einschränkung.<br />

Die seit dem 1. 1. 2007 geltende Regelung zum Mittelpunkt<br />

der Betätigung erklärte das BVerfG nun für unvereinbar<br />

mit dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz. Dieser<br />

verlange eine an der finanziellen Leistungsfähigkeit ausgerichtete<br />

hinreichend folgerichtige Ausgestaltung der Belastungsentscheidungen<br />

des Gesetzgebers. Zur Bemessung<br />

der Leistungsfähigkeit wird auf das objektive Nettoprinzip<br />

rekurriert, ohne die Frage zu beantworten, ob<br />

dieses Verfassungsrang hat. Vielmehr erfolgt nur ein Verweis<br />

auf die bisherige Rechtsprechung, wonach Ausnahmen<br />

von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven<br />

Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung<br />

einer besonderen, sachlichen Rechtfertigung bedürfen.<br />

Ein Erkenntnisgewinn ist hiermit nicht verbunden.<br />

Nach dem objektiven Nettoprinzip sind betrieblich oder<br />

beruflich veranlasste Aufwendungen als Betriebsausgaben<br />

oder Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage abziehbar.<br />

Einen besonderen, sachlich zu rechtfertigenden<br />

Grund für eine Ausnahme erkennt das Gericht in den in<br />

der Gesetzesbegründung genannten fiskalischen Motiven<br />

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nicht, denn letztlich diene jede Steuermehrbelastung diesem<br />

Einnahmeziel.<br />

Das Gericht sieht in dem Verbot der Berücksichtigung von<br />

Aufwendungen auch in den Fällen, in denen kein anderer<br />

Arbeitsplatz zur Verfügung steht, einen Verstoß gegen das<br />

Gebot einer hinreichend realitätsgerechten Typisierung.<br />

Dabei hält es die Begrenzung der Höhe nach wegen bestehender<br />

Abgrenzungsprobleme für zulässig. Dies gilt jedoch<br />

nicht für das Merkmal „kein anderer Arbeitsplatz“.<br />

Nach dieser Rechtsprechung sind die Möglichkeiten einer<br />

Pauschalierung für denGesetzgebergrößer, wenn sich ein<br />

Sachverhalt nur aufwendig ermitteln und sich eine die Anforderungen<br />

der Gleichmäßigkeit der Besteuerung erfüllende<br />

Regelung nur schwer überwachen lässt.<br />

Das BVerfG lässt erkennen, dass es sich sehr eingehend mit<br />

den Zielen des Gesetzgebers auseinandergesetzt hat.<br />

Diese bilden gewissermaßen die Richtschnur, um eine Beurteilung<br />

vor dem Hintergrund der Folgerichtigkeit und der<br />

Bedeutung von Ausnahmetatbeständen zu schaffen. Insoweit<br />

bleibt zu hoffen, dass künftig Gesetzesbegründungen<br />

sorgfältiger abgefasst werden. Die zunehmende Tendenz<br />

zur reinen Wiederholung des Gesetzeswortlauts und der<br />

Wiedergabe von allgemeinen Aussagen genügt diesen verfassungsrechtlichen<br />

Vorgaben nicht.<br />

Der 2. Senat hat nicht die in der Vergangenheit häufig<br />

praktizierte Möglichkeit genutzt, eine Weitergeltung der<br />

Norm bis zu einer gesetzlichen Neuregelung zuzulassen,<br />

sondern eine rückwirkende Korrektur zum 1. 1. 2007 verlangt.<br />

Er begründet dies mit dem vergleichsweise kurzen<br />

Anwendungszeitraum der verfassungsrechtlich stets umstrittenen<br />

Regelung und mit der bereits erfolgten Reaktion<br />

durch die Finanzverwaltung (Gewährung von AdV). Für die<br />

Steuerpflichtigen ist hieraus die Lehre zu ziehen: Regelungen,<br />

gegen die verfassungsrechtliche Bedenken bestehen,<br />

möglichst schnell zum BVerfG zu tragen, andernfalls vergrößert<br />

sich – unter Hinweis auf die entstehenden Auswirkungen<br />

auf die Haushalte – die Gefahr eines verfassungsrechtlichen<br />

Freibriefs für denGesetzgeber.<br />

Das BMF hat bereits mit Schreiben vom 12. 8. 2010<br />

(IV A 3 – S 0338/07/10010–03, <strong>Stotax</strong>-First) Regelungen<br />

bis zu einer gesetzlichen Neufassung erlassen. Diese soll<br />

kurzfristig erfolgen.<br />

1 Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Helmut-Schmidt-Universität<br />

– Universität der Bundeswehr Hamburg<br />

und Schriftleiter „Der Steuerberatung“. M1<br />

Stbg 9|10 EDITORIAL

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