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Gitarre & Laute XXIX/2007/Nº 2

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nen Beweis für einen expressiven, emotionalen<br />

Gesangsstil.<br />

Die Aufführung von Liedern um 1600<br />

„That which was onely privately compos‘d<br />

For your delight, Faire Ornament of Worth,<br />

Is here, come, wo bee publikely discbos‘d:<br />

And to an universal! view put forth.<br />

Which having beene but yours and mine<br />

before,<br />

(Or but of few besides) is made hereby To<br />

bee the worlds and yours and mine no more<br />

…“<br />

(John Danyel, Songs for the Lute, Viol and<br />

Voice, 1609) 19<br />

“ … partly at the request of friends, partly<br />

for my owne recreation … These Ayres were<br />

for the most part framed at first for one<br />

voyce with the Lute, or Viol …“<br />

Thomas Campion, Two Bookes of Ayres, ca.<br />

1613/3)<br />

Vermutlich sind die meisten „Ayres“ so<br />

entstanden: Sololieder für das private<br />

Amusement der Sänger oder Komponisten.<br />

Als eine Publikation dann geplant wurde,<br />

wurden die Bücher auf die Amateur-Musiker<br />

zugeschnitten: Viele der Lieder hatten<br />

dann zusätzliche Alt-, Tenor- und Bass-<br />

Stimmen und die Druckanordnung als „table-books“<br />

weist auch auf häuslich-private<br />

Anwendung<br />

hin. Um das aufgeschlagene Buch saß man<br />

und sang (siehe Abbildung rechts oben).<br />

„These Ayres … have since beene filled<br />

with more parts, which who so please may<br />

use, who like not may leave.“<br />

(Thomas Campion, Two Bookes of Ayres ca.<br />

1613/3)<br />

“ … so made that all partes together, or<br />

either of them severally may be song to<br />

the Lute, Orpherian or Viol de gambo.“<br />

(John Dowland, The First Booke of Songes<br />

or Ayres, 1597) 20<br />

Ich denke, dass die meisten dieser vierstimmigen<br />

Arrangements nichts anderes als<br />

Antworten auf die Bedürfnisse des Marktes<br />

waren — eher jedenfalls als künstlerische<br />

Konzeptionen. Die Flexibilität bot Material<br />

für jedwede Besetzungen, die verfügbar<br />

war.<br />

Was die Bass-Viola angeht, muss man in<br />

Betracht ziehen, dass die <strong>Laute</strong> bis etwa<br />

1660 mit blanken Darmsaiten bezogen<br />

war, 21 so dass die lediglich auf der <strong>Laute</strong><br />

gezupfte Bass-Linie der Begleitung das, was<br />

die Bass-Viola hervorbrachte, nicht darstellen<br />

konnte. Auch überließen viele Komponisten<br />

den Aufführenden folgende Entscheidung:<br />

„… for one Voyce alone, or to<br />

the Lute, the Basse Viole, or to both if you<br />

please … “<br />

(Robert Jones, A Musical Drearne, 1609) 22<br />

Als in Frankreich nach 1608 die mit den<br />

„Ayres“ vergleichbaren „Airs de Cour“ herauskamen,<br />

waren sie nur für eine Stimme<br />

und <strong>Laute</strong> konzipiert — keine Stimme für<br />

Bass-Viola. Die vier- und fünfstimmigen<br />

Vokalpartituren (normalerweise die origina-<br />

le Konzeption) wurden als separate Veröffentlichungen<br />

in Form kleiner Stimmbücher,<br />

wie bei englischen Madrigalen, gedruckt.<br />

In Italien schrieb Giulio Caccini<br />

1602: „Der Chitarrone … ist besser geeignet,<br />

den Gesang zu begleiten, besonders<br />

den eines Tenors, als jedes andere lnstrument.“<br />

23 Wieder wird kein gestrichenes<br />

Bass- Instrument erwähnt.<br />

Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass „Ayres“<br />

oft von Sängern, sich selbst begleitend, gesungen<br />

worden sind. Das kann größere Flexibilität<br />

und damit Ausdruckskraft mit sich<br />

gebracht haben. Der Zuhörer konzentrierte<br />

sich auch nur auf einen Interpreten und<br />

nicht auf zwei. Thomas Hoby ermutigte<br />

1561 in „The Courtyer“ (einer Ubersetzung<br />

von Castigliones „Il Cortegiano“ von 1528)<br />

die Amateure: „But to sing to the lute<br />

(‘viola [da mano]‘) is muche better, because<br />

al the sweetenesse consisteth in one<br />

alone.“ 24 Königin Anne Boleyn und Mary,<br />

Queen of Scots, sind bekannt dafür, daß sie<br />

gesungen und sich selbst begleitet haben.<br />

Der Komponist Thomas Whythorne (1528–<br />

1596) schrieb in seiner Autobiographie: „I<br />

would sing … two or three pretty ditties<br />

made of love … oftentimes [ca. 1556] unto<br />

her on the virginals or lute. I … began [ca.<br />

1564] to teach her to sing to lute also.“ 26<br />

Am Ende des Jahrhunderts hinterließ ein<br />

gewisser John Ramsey Anweisungen, dass<br />

sein Sohn im Alter von sieben bis zehn Jahren<br />

im <strong>Laute</strong>nspiel unterrichtet werden sollte,<br />

und „to sing to it with Dytte“ und er<br />

empfiehlt die Bücher von Dowland. 27 In<br />

Theaterstücken der Zeit wimmelt es von<br />

selbstbegleiteten Liedern. In Shakespeares<br />

Tempest steht zum Beispiel folgende Regieanweisung:<br />

„Enter Ariel, playing and singing<br />

… Come unto these yellow sands …“ 28<br />

Aber typischer noch für die geübte Praxis<br />

ist, da Ariel kaum als normaler Bürger angesehen<br />

werden kann, als in Shakespeares<br />

Henry VIII Queene Katharine eine ihrer<br />

Frauen anweist: „Take thy lute, wench: my<br />

soul grows sad with troubles; Sing, and disperse‘em,<br />

if thou canst: leave workin (Song:<br />

»Orpheus with his lute made trees...« 29<br />

Man beachte: Der Sänger sollte die Stimmung<br />

der Königin verändern, ihre Gefühle<br />

berühren. Die Form, wie die Liederbücher<br />

gedruckt worden sind — die <strong>Laute</strong>nbegleitung<br />

unter der Gesangsstimme — legt auch<br />

nahe, dass das Selbstbegleiten zumindest<br />

als eine Möglichkeit nicht ausgeschlossen<br />

werden sollte. Es ist eigenartig, dass Morley<br />

in seinen „Canzonets or Little Short Aers“<br />

1597 schrieb: „I have also set them Tablature<br />

wise to the Lute in the Cantus booke<br />

for one to sing and plaie alone when your<br />

Lordship would retire your selfe and bee<br />

more private...“ 30 , die Gesangs- und die<br />

<strong>Laute</strong>nstimme aber auf gegenüberliegenden<br />

Seiten anordnete und es damit unmöglich<br />

machte, sich selbst zu begleiten. Obwohl<br />

seine „Canzonets“ und Dowlands „First<br />

Booke“ am gleichen Tag im „Stationers‘ Register“<br />

angemeldet worden sind, am 31. Oktober<br />

nämlich 31 , kannte Morley unter Umständen<br />

Dowlands neue Art der Druckanordnung<br />

mit Gesangsund <strong>Laute</strong>nstimme auf<br />

<strong>Gitarre</strong> & <strong>Laute</strong>-ONLINE <strong>XXIX</strong>/<strong>2007</strong> <strong>Nº</strong> 2 19

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