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Freizeit-TIPPS Das neue FIPPS Innovation & Weltklasse Die ...

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www.fipps-freiburg.de Der BEWEGUNGSMELDER<br />

Bühne | Film | Kinder | Klassik | Live Musik | Nightlife | Varia<br />

Goethes „Werther“ am Theater Basel<br />

Rückwärts aus dem Pathos<br />

Verführung zum Suizid<br />

und Störung des Ehefriedens<br />

hatten konservative<br />

Theologen Goethe vorgeworfen,<br />

nachdem dessen<br />

Briefroman „<strong>Die</strong> Leiden des jungen<br />

Werther„ erschienen war.<br />

Unter der zeitgenössischen Jugend<br />

hingegen, fand der tragische<br />

Romanheld eine begeisterte<br />

Anhängerschaft, die sich<br />

gar im Stil des gesellschaftlichen<br />

Außenseiters kleidete. <strong>Die</strong><br />

pathetischen Sturm und Drang-<br />

Sätze waberten in Folge durch<br />

zahllose Deutschstunden und<br />

mussten in Abiturprüfungen bewältigt<br />

werden. Auch an diesem<br />

Basler Theaterabend belebt eine<br />

muntere Schar Gymnasiasten<br />

den Zuschauerraum der Kleinen<br />

Bühne. Doch in der Inszenierung<br />

des jungen Schweizer Regisseurs<br />

Thom Luz wird die vertraute<br />

Geschichte vom unglücklich<br />

verliebten Freigeist auf den<br />

Darsteller: Vera von Gunten, Joanna Kapsch, Cathrin Störmer.<br />

Kopf gestellt. „I am a story backwards<br />

told“ untertitelt man am<br />

Rheinknie Goethes Klassiker<br />

und so beginnt das Schauspiel<br />

mit einem Zitatengewitter und<br />

dem finalen Schuss, den sich der<br />

seelengepeinigte Werther in die<br />

Stirne jagt. Nun treibt die Kaskade<br />

aus Textfragmenten und musikalischen<br />

Miniaturen dem berühmten<br />

Augenblick entgegen,<br />

da der empfindsame Jüngling<br />

der brotschneidenden Charlotte<br />

ansichtig wird und ihr hoffnungslos<br />

verfällt. Durch diese<br />

Umkehrung der Handlungsrichtung<br />

wird dem Liebesdrama auf<br />

frappierende Weise das Pathos<br />

entzogen, da die Geschichte nun<br />

mit einem liebestollen und euphorisierten<br />

Romanhelden endet.<br />

Werthers erste Begegnung<br />

mit der bereits vergebenen Lotte<br />

wird von herzschlagartigen<br />

Tönen untermalt, die sich zum<br />

„finalen Beginn“ hymnisch stei-<br />

gern. Im Basler Theater interpretieren<br />

„Herausgeberinnen“ fragmentarisch<br />

aus den fiktionalen<br />

Briefen des tragischen Helden,<br />

während die Bühne fortwährend<br />

von weißem Nebel umhüllt wird.<br />

<strong>Das</strong> wallende Weiß kontrastiert<br />

mit der Schärfe, die der Goethesche<br />

Text durch das Wortkonzert<br />

der schwarz gewandeten<br />

Protagonistinnen erhält. Trotz<br />

aller Auf- und Abgänge, der Wolkenbeutel<br />

und Nebelkanonen<br />

bleibt die Basler Inszenierung<br />

des Liebesdramas ein Ohrentheater,<br />

welches bisweilen die Aufmerksamkeit<br />

strapaziert. Durch<br />

die mutige Neuinterpretation<br />

des Textes ist es Thom Luz allerdings<br />

gelungen, allem Pathos zu<br />

entfliehen und ein wohlbekanntes<br />

Stück Literatur in entstaubter<br />

Form zugänglich zu machen.<br />

Rüdiger Binkle<br />

P Weitere Aufführungen: Di 2.4. u. Di<br />

23.4., Theater Basel, Kleine Bühne, 20 Uhr.<br />

<strong>FIPPS</strong> April 2013 11<br />

Foto: Simon Hallström

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