Yolanda Feindura - Frauennotruf Bremen
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<strong>Yolanda</strong> <strong>Feindura</strong>: Letzte Worte zum Trauma Seite<br />
Ausstellungseröffnung am 24.09.2010<br />
Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen <strong>Bremen</strong> ~ Dr. Gabriele Treu<br />
politischen Geschichte vor 1945, namentlich den Krieg, seine ebenfalls transformatorische,<br />
wenngleich überaus zerstörerische Kraft, sowie die NS-Verbrechen, über die nur allzu häufig<br />
der Mantel des Schweigens gebreitet wurde. Das dargestellte Mädchen akzeptiert die<br />
Gegenwärtigkeit von Angst und Destruktion, die wie isoliert am rechten unteren Bildrand<br />
verbleiben, es verleugnet sie nicht. Mit dem Schreib- und Zeichengerät und dem Buch, das<br />
sie zur Hand nimmt, greift es jedoch nach den konstruktiveren Möglichkeiten der<br />
Dokumentation und Sublimation, um das Unverstandene wenigstens ausdrücken und<br />
vielleicht verstehen zu können. Augenscheinlich hat das Mädchen seinen Weg durch die<br />
Wirren äußerlicher Bedrohungen und innerer Bewältigungsversuche gefunden, selbst wenn<br />
es vermutlich einen gewissen Preis dafür bezahlen muss. Auch darauf richtet sich unser<br />
Blick als Betrachter.<br />
Vermutlich ist es kein Zufall, dass die Kunst von <strong>Yolanda</strong> <strong>Feindura</strong> in gewisser Weise auch<br />
politisch ist. Sie werden, werte Gäste, bei sorgfältiger Betrachtung der Bilder Hinweise auf<br />
Täter und Taten finden, etwa in den roten Schuhen des Papstes vor einer angedeuteten<br />
Blutpfütze. Ist er doch Oberhaupt einer Kirche, in der Missbrauch und Misshandlung von<br />
Kindern jahrzehntelang, jahrhundertelang geduldet und gedeckt wurde. Und natürlich werden<br />
Taten und Opfer sichtbar gemacht: Ein immer wiederkehrendes Motiv scheinen mir die<br />
Kinder zu sein, zweifellos Traumatisierte, mit greisenhaften Zügen und alptraumhaften<br />
Augen. Aber auch das entblößte, schutzlose weibliche Genital wie im Bild Tränendes Herz<br />
aus dem Jahr 1998, kastriert, der weiblichen Potenz beraubt, übrig geblieben ein fruchtloses<br />
Loch und tränende Herzen. Immer wieder findet sich das Kreuz, die bigotte Kirchlichkeit der<br />
päpstlichen Schuhe konterkarierend. Mal mehr, mal weniger im Vordergrund scheint es wie<br />
ein Symbol aus dem kulturellen Unbewussten auf und verweist den Betrachter auf das<br />
widerrechtlich zerstörte, auf das leidende Opfer. Die geschundene Kreatur.<br />
So bildet das Kreuz auch den Hintergrund für jenes Exponat, das den Titel dieser<br />
Ausstellung trägt, das Bild Trauma aus dem Jahr 2003. Das Bild bezieht sich auf eine<br />
Zeitungsmeldung mit dem Photo des zwölfjährigen Jungen Ali Ismail Abbas, der im Irakkrieg<br />
schwerste Verbrennungen erlitt. Die Bomben des Feldzugs Iraqi Freedom rissen ihm beide<br />
Arme ab. Darüber hinaus verlor er seine schwangere Mutter, seinen Vater und seinen<br />
Bruder. Und so meint man in dem abgebildeten Gesicht auf dem Photo den Ausdruck eines<br />
verlorenen Kindes zu erkennen, das der Tod vergessen hat abzuholen und zu seiner Familie<br />
zurückzubringen, damit er in dieser Welt nicht so furchtbar allein sein muss. Die Künstlerin<br />
nimmt, so könnte man meinen, mit ihrem Bild des Jungen Ali Bezug auf die Passion Christi<br />
und fächert die Aspekte des kindlichen Leidens in einem Triptychon auf. Die<br />
Traumatisierungen des Jungen Ali, die Verbrennungen, die Verstümmelung, der Verlust,<br />
wiegen offenkundig zu schwer, sind zu groß für ein einziges Bild.<br />
Die Künstlerin unterlegt dieses Triptychon mit zwei weiteren Bildern, zwei Kinder, beide<br />
ebenfalls traumatisierte Zeugen des furchtbaren Ereignisses. Wiederum in auffälliger<br />
Farbigkeit, gibt sie ihnen jedoch Arme und Hände, mit denen sie sich die Augen und die<br />
Ohren zuhalten können. Diese beiden Kinder können somit die Wahrnehmung des<br />
Geschehens dosieren; sie können sich ein Stück weit davon abschotten. Die Betonung von<br />
Armen und Händen, angezeigt durch die abweichende Maltechnik, verweist auf ihre<br />
besondere Bedeutung, sind es doch gerade die Arme und Hände, die dem zwölfjährigen Ali<br />
abgerissen wurden. Nehmen wir also an, die Künstlerin habe in Bild 4 und 5 dem Jungen Ali<br />
seine Möglichkeit, wegzuhören und wegzuschauen, zurückgeben wollen. Sie hätte zwar<br />
nicht seine körperliche Unversehrtheit wiederherstellen können, aber sie hätte seinen<br />
seelischen Schutz, seine Fähigkeit zur psychischen Abwehr, die bei Traumatisierungen so<br />
nachhaltig angegriffen ist, erneuert. Nach dieser Lesart würde es sich also auch um einen<br />
Heilungswunsch oder einen Heilungsversuch handeln.<br />
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