Yolanda Feindura - Frauennotruf Bremen
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<strong>Yolanda</strong> <strong>Feindura</strong>: Letzte Worte zum Trauma Seite<br />
Ausstellungseröffnung am 24.09.2010<br />
Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen <strong>Bremen</strong> ~ Dr. Gabriele Treu<br />
Vorwürfe, dass sie sich und ihre Familie gefährdet hatte, als sie damals zur Friedens-Demo<br />
gegangen war. Sie beharrte darauf, dass sie einen schlimmen Fehler begangen hatte, den<br />
sie niemals würde gut machen können. Sie wusste nicht, wie sie jemals damit würde leben<br />
können. Ebenso unerträglich war es für sie, dass sie in einem sicheren Land angekommen<br />
war, während sie ihre Verwandten in der gefährlichen Heimat zurückgelassen hatte. Sie<br />
hatte das Gefühl, ihre Familie im Stich gelassen oder sogar verraten zu haben.<br />
Nachdem wir einige Wochen mit den schweren Selbstvorwürfen der jungen Frau zu tun<br />
gehabt hatten, war ich selbst sehr bedrückt und niedergeschlagen, weil sich diese junge<br />
Frau so quälte und alles so hoffnungslos schien. Ich nahm dieses Gefühl auf und sagte ihr,<br />
dass es so traurig sei, dass ausgerechnet sie, die vergewaltigt und gefoltert worden war, so<br />
sehr auf ihrer Schuld bestand. Die junge Frau war für einen Augenblick still und fing dann an<br />
zu weinen. Rückblickend glaube ich, dass sich in diesem Moment etwas zu lösen begann.<br />
Seit dieser Sitzung brachte sie Schritt für Schritt auch ihre Gefühle mit in die Stunden. Die<br />
Angst, die Wut, die Scham, den Schmerz.<br />
Als die junge Frau, die jetzt 21 Jahre alt ist, vor einem halben Jahr in die Beratungsstelle<br />
kam, wirkte sie wieder so jung, wie sie in Wirklichkeit ist. Sie hatte sich in ihrer Haltung<br />
aufgerichtet und schaute uns offen ins Gesicht. Wir konnten ihre strahlenden Augen sehen.<br />
Leider weiß sie bis heute nicht, ob sie in diesem Land bleiben kann oder ob sie doch eines<br />
Tages abgeschoben werden wird. Das stellt immer wieder eine schwere Belastung für sie<br />
dar.<br />
[GT:] Dennoch gibt es also Hoffnung, so wie es <strong>Yolanda</strong> <strong>Feindura</strong> in ihrem gleichnamigen<br />
Bild dargestellt hat. Mit diesen letzten Worten zum Trauma möchte ich auf ein Schlusswort<br />
zur Kunst zurückkehren.<br />
Schlusswort<br />
<strong>Yolanda</strong> <strong>Feindura</strong> kommuniziert, indem sie eine Ausstellung wie diese anbietet, ihre inneren<br />
Bilder und deren äußerlichen Entsprechungen, die Exponate dieser Ausstellung, mit Ihnen,<br />
werte Gäste, die diese Exponate betrachten werden. Abschließend möchte ich mit den<br />
folgenden Sätzen einige Ausführungen des oben bereits erwähnten Psychoanalytikers<br />
Ekkehard Gattig aus dem Jahr 2008 aufgreifen: „Beim Eintritt in den Raum … haben Sie<br />
versucht, sich in einem ersten, noch flüchtigen Rundblick eine schnelle Orientierung, eine<br />
Übersicht zu verschaffen. Zunächst noch ziellos, ließen Sie Ihren Blick umherziehen, die<br />
Wahrnehmung war noch ungerichtet, verteilte sich wie zerstreut über den gesamten Raum.<br />
Bald aber hielt der umherwandernde Blick inne, kehrte zurück zu bereits Gesehenem, blieb<br />
an einzelnen Exponaten hängen, fand Neues, bisher noch nicht Entdecktes, zog schließlich<br />
weiter und kehrte doch, wie von magischer Kraft angezogen, zurück, bis er sich erneut auch<br />
anderen Exponaten zuwendete. Der Vorgang wird sich wiederholen. Es vollzieht sich ein<br />
unbewusst bleibender Austauschprozess, in dem vorhandenes, gefühltes Wissen in ein Bild<br />
hineinprojiziert wird, mit Einzelheiten des Bildes in Kontakt gerät, verändert, wieder nach<br />
innen genommen, also reintrojiziert wird, und auf diese Weise die Wahrnehmung und das<br />
eigene Erleben insgesamt verändern kann. Das ausgewählte Bild ist Ab-Bild geworden,<br />
bekommt eine intrapsychische Repräsentanz, kann also erinnert werden. Dies gilt auch dann<br />
noch, wenn Sie sich bereits wieder abgewendet und das Bild aus dem Blick verloren haben.<br />
Eine Empfindung der Gegenwärtigkeit von Vergangenem, von der Existenz des Göttlichen<br />
im Menschen, ist Teil des Vorgangs. Transitive Aspekte, also: Ich erkenne und identifiziere<br />
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