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Yolanda Feindura - Frauennotruf Bremen

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<strong>Yolanda</strong> <strong>Feindura</strong>: Letzte Worte zum Trauma Seite<br />

Ausstellungseröffnung am 24.09.2010<br />

Notruf für vergewaltigte Frauen und Mädchen <strong>Bremen</strong> ~ Dr. Gabriele Treu<br />

kein Aufenthaltsrecht hatte, hielt sie sich einige Monate in einer 5 qm großen Kammer bei<br />

Freunden versteckt. Als sie jedoch nachts nicht mehr schlafen konnte, als sie anfing, ihre<br />

Unterarme so lange zu reiben, bis ihre Haut ganz dünn wurde und schließlich zu bluten<br />

begann, als sie nicht mehr aufhören konnte zu weinen, brachten ihre Angehörigen sie<br />

schließlich in die Beratungsstelle.<br />

Die Vergewaltigung als traumatische Situation<br />

[GT:] Eine Vergewaltigung wird nicht allein als ein Angriff von außen erlebt.<br />

Unerwartete Gewalt oder plötzliche Bedrohung lösen beim Opfer massive Affekte aus,<br />

die weder abreagiert noch innerpsychisch integriert werden können.<br />

Ein wesentlicher Faktor einer Vergewaltigung ist die Aggression, das gilt umso mehr,<br />

wenn sie mit gezielter Folter einhergeht. Der Angriff auf den Körper und dessen<br />

Grenzen wird zugleich als Angriff auf die Persönlichkeit des Opfers erlebt. Was weiter<br />

geschehen wird, ist nicht antizipierbar. Der überwältigende Zugriff führt zu<br />

ohnmächtigem Ausgeliefertsein, bis hin zur Todesangst. Die Seele wird von<br />

unbeherrschbarer Angst überflutet. Auf den Angriff von außen folgt die<br />

Überschwemmung mit überstarken Emotionen von innen.<br />

Der Angriff von außen, die Überschwemmung mit überstarken Emotionen von innen<br />

haben zur Folge, dass bestimmte Fähigkeiten des Ichs – Realitätsbewusstsein, die<br />

Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsfähigkeiten – geschwächt werden. Die Grenze<br />

zwischen bewussten und unbewussten Vorgängen wird durchlässig. Dieser Umstand<br />

macht das Opfer später für Flashbacks anfällig, bei denen unsteuerbare<br />

Sinneswahrnehmungen in das Bewusstsein einbrechen können. Gerüche lassen sich<br />

nicht mehr abschütteln. Oder wenn das Opfer die Augen schließt, tauchen<br />

Erinnerungsbilder auf. Opfer beschreiben hinterher Erinnerungslücken. Ihr Zeiterleben<br />

ist nicht mehr so geordnet, wie wir es kennen, das Zeiterleben kann sich ausdehnen<br />

oder auch zusammenziehen, dabei entstehen Gefühle von Unwirklichkeit. Um sich zu<br />

retten, distanziert sich das Opfer und sieht alles „wie von außen“; es setzt ein überaus<br />

unangenehmes Dissoziations- oder auch Depersonalisationserleben ein. Manche<br />

Opfer wirken regelrecht amüsiert, wenn sie kurz danach über die Tat sprechen. Dazu<br />

kommen Ängste vor körperlicher und psychischer Infektion. Viele Opfer schildern, dass<br />

sie sich „wie Schmutz oder Dreck“ gefühlt hätten. Eine Vergewaltigung ist ein Akt der<br />

Entwertung. Zu Angst und Ohnmacht gesellen sich unerträgliche Schamgefühle<br />

angesichts der erniedrigenden Situation.<br />

Was von den Opfern außerdem oft als sehr schlimm empfunden wird, ist der Umstand,<br />

dass die reale Todesdrohung zu einem Akt der Unterwerfung führen kann.<br />

Das Individuum ist dem Aggressor ausgeliefert wie damals das Kind den<br />

Erwachsenen. Frühe Angstphantasien scheinen plötzlich Wirklichkeit geworden zu<br />

sein. Längst überwundene infantile Beziehungsmodi, bei denen die primären<br />

Bezugspersonen die Macht haben, dem Kind Zuneigung zu geben oder zu entziehen,<br />

es zu lieben oder zu bestrafen, werden aktualisiert. Beim Opfer entsteht gar nicht<br />

selten die Hoffnung, der übermächtige Aggressor möge seine Macht zum Guten walten<br />

lassen, möge gnädig sein und das Opfer verschonen.<br />

Vor diesem Hintergrund kann es vorkommen, dass das Opfer auf einen psychischen<br />

Mechanismus zurückgreift, den Anna Freud 1936 als »eines der wichtigsten Mittel im<br />

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