03.10.2013 Aufrufe

Interview mit Regisseur Andreas Homoki - Opernhaus Zürich

Interview mit Regisseur Andreas Homoki - Opernhaus Zürich

Interview mit Regisseur Andreas Homoki - Opernhaus Zürich

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Was szenisch nicht einfach ist, weil die Banda­Musiker ja<br />

keine Figuren des Stücks sind. Schostakowitsch führt<br />

sie vor als ein zusätzliches Moment grotesker theatralischer<br />

Willkür. Logisch ist ihr Erscheinen nicht. Aber genau das<br />

auf die Bühne zu bringen, hat mich gereizt: Dass da plötzlich<br />

Leute kommen und zu tröten anfangen. Das ist auch<br />

ein Teil der Groteske, der szenisch viel zu selten gezeigt wird.<br />

In welcher Welt spielt Ihre «Lady Macbeth»<br />

-Inszenierung?<br />

Immer wenn ich ein Bühnenbild gemeinsam <strong>mit</strong> Hartmut<br />

Meyer entwickle, kommt am Ende ein freier, unbestimm ­<br />

ter, rätselhafter Raum dabei heraus. Wir wollten einen Innenraum<br />

zeigen, in dem die Leute eingesperrt sind und<br />

aus dem kein Weg nach draussen führt.<br />

Der tyrranische Schwiegervater singt im ersten Bild:<br />

«Der Zaun ist hoch, die Hunde sind los».<br />

Da<strong>mit</strong> ist doch schon einiges über den Ort gesagt, an dem<br />

das Stück spielt. Unser Raum hat eine industrielle Anmutung,<br />

es wirkt wie eine Art Kraftwerk, ohne dass sich<br />

Konkreteres benennen liesse. Und dieses Kraftwerk<br />

besitzt eine rätselhafte Mechanik. In ihm laufen bestimmte<br />

Zyklen ab wie beim Wechsel von Tag und Nacht. Als<br />

sässen alle im Inneren einer anonymen unmenschlichen<br />

Maschine, die sich immer wieder in Bewegung setzt.<br />

Einer übt darin die Macht aus, ihm scheint es möglich zu<br />

sein, die Mechanik zu steuern. Es ist eine Willkür­Herrschaft.<br />

Und jeder hat Angst in das grosse Räderwerk zu ge­<br />

raten. Da wird eine Verbindung zu dem totalitären<br />

System erkennbar, das herrschte, als Schostakowitsch die<br />

Oper komponierte – zum Stalinismus. Dessen Machtausübung<br />

war auch unberechenbar. Niemand wusste, was<br />

ihm blühte. Wer heute noch ein hohes politisches Amt<br />

bekleidete oder ein anerkannter Künstler war, konnte<br />

morgen schon auf dem Weg nach Sibirien sein. Stalins Terror<br />

hatte auch <strong>mit</strong> seiner Angst zu tun, dass man ihn<br />

stürzen könnte. In solch einer Situation gibt es keine gesellschaftliche<br />

Verbindlichkeit mehr ausser der brutalen<br />

Machtausübung des Herrschenden. Das kommuniziert der<br />

Raum, in dem die Oper bei uns spielt. Es gibt einen<br />

starken Text von Samuel Beckett: Der Verwaiser. Er beschreibt<br />

das Regelwerk einer Gesellschaft von hoffnungslos<br />

Eingeschlossenen. Sie stecken fest in einem grossen<br />

Zylinder. Und Beckett schildert Rituale des ausweglosen<br />

Miteinanders, die nach Gesetzen funktionieren, die<br />

nicht ausgesprochen, aber von jedem befolgt werden.<br />

In dieser Welt erscheint Katerina Ismailowa,<br />

eine starke Frau. Welche Energien treiben sie an?<br />

Katerina ist eine sehr sinnliche Frau <strong>mit</strong> grossem<br />

Freiheitsdrang. Auch eine fantasievolle Frau, die in der<br />

Welt, in der sie leben muss, völlig unterfordert ist. Sie sucht<br />

nach Liebe und sexueller Befriedigung. Sie ist Opfer<br />

der brutalen Lebensumstände, von denen sie umgeben ist.<br />

Aber ab einem bestimmten Moment fügt sie sich nicht<br />

mehr in die ihr zugewiesene Rolle und begehrt dagegen<br />

auf. Sie ergreift die Initaitive durch Mord und reisst

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!