Kontakt 3/05 - Öffentliche Versicherungen Oldenburg
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ZURSACHE<br />
Ex-Minister Norbert Blüm war Redner bei der Jahrestagung<br />
der <strong>Öffentliche</strong>n <strong>Versicherungen</strong> <strong>Oldenburg</strong> im Mai.<br />
Er plädiert engagiert für mehr Gerechtigkeit in der<br />
Altersversorgung. Auch die Fleißigen hätten Anspruch<br />
auf die Leistungen des Sozialstaates.<br />
4 | KONTAKT 3.20<strong>05</strong><br />
desrepublik Deutschland müsse es auch<br />
weiterhin ein ergänzendes Nebeneinander<br />
von gesetzlich und privat geben –<br />
ganz gleich, ob es sich dabei um Renten<br />
oder Gesundheits-Versorgung handele.<br />
In punkto <strong>Versicherungen</strong> stehe außer<br />
Frage, so Blüm, dass „die Kapitaldeckung<br />
das Umlageverfahren nicht vollständig<br />
ersetzen“ könne und dürfe. Aber auch<br />
umgekehrt würde das Umlageverfahren<br />
ohne die kapitalgedeckten Modelle der<br />
privaten Versicherungswirtschaft nicht<br />
funktionieren.<br />
Der Sozialpolitiker betonte, dass er auch<br />
weiterhin an sichere Renten glaube: „Das<br />
hat weniger mit der Höhe der monatlichen<br />
Zahlungen an die Rentner zu tun,<br />
sondern vielmehr mit dem Versprechen,<br />
Leistung<br />
muss mehr zählen<br />
dass es auch künftig eine staatliche Rente<br />
für langgediente Arbeitnehmer in unserem<br />
System geben muss!“<br />
Auch wenn die gesetzlichen Rentenkas-<br />
”<br />
Wir brauchen einen neuen Stellenwert<br />
für menschliche Dienstleistung“,<br />
forderte der CDU-Politiker. Der<br />
Kunden zuzulassen. Loyalität und Rücksichtnahme<br />
bilden nach Blüms Ansicht<br />
die grundsätzliche Basis, wie Sozialstaat<br />
sen heutzutage nicht mehr so prall gefüllt<br />
seien wie früher, dürfe man nicht<br />
gleich das gesamte Altersversorgungs-<br />
System über Bord werfen. Der Sozialstaat<br />
ehemalige Bundesminister für Arbeit und eine funktionierende Marktwirt- dürfe sich nicht nur auf die Bedürftigen<br />
und Sozialordnung (1982 bis 1998) verschaft unter einen Hut gebracht werden konzentrieren. Auch die Fleißigen hätten<br />
misst, was früher die Dienstleistung von können. Beratung gehöre als besonderes ein Anrecht auf Errungenschaften des<br />
Mensch zu Mensch ausmachte, nämlich Schwergewicht dazu. Dieses Element Sozialstaates. „Jemand der ein Leben<br />
die Zuwendungen durch das persönliche müsse allerdings noch weiter ausgebaut lang gearbeitet hat, hat ein Anrecht auf<br />
Gespräch. Den Damen und Herren von werden. Der Grundsatz „Beitrag für Leis- eine angemessene Rente.“ Das dürfe nie<br />
Außen- und Innendienst schrieb er ins tung“ müsse oberste Priorität behalten – vergessen werden. Es sei geradezu gro-<br />
Stammbuch, dass Menschen nicht nur insbesondere dann, wenn es um Risiko- tesk, dass Leute, die wenig geleistet hät-<br />
Informationen benötigen, sondern auf Absicherungen – und ganz speziell um ten, vom Staat versorgt werden, und dass<br />
ausführliche Beratung und Betreuung <strong>Versicherungen</strong> gehe. Insgesamt müsse Arbeiter, die vierzig Jahre und mehr ma-<br />
angewiesen seien. Das erst mache die die Leistung wieder mehr zählen. locht und auch in die Rentenkasse einbe-<br />
Dienstleistung in einem Sozialstaat kom- Blüm betonte, dass er sich auch heute zahlt haben, nichts herausbekommen.<br />
plett.<br />
noch an seinem Ausspruch „Die Rente ist „Mein Sozialstaat ist das nicht“, resü-<br />
Dazu gehörten auch mehr Loyalität und sicher“ aus den achtziger Jahren messen mierte Blüm. Deshalb will er „mit Zäh-<br />
gegenseitige Rücksichtnahme im Ge- lassen müsse. Und so lange es einen Sonen und Klauen“ die beitragsfinanzierte<br />
schäftsalltag. Die persönliche Ansprache zialstaat, wie er ihn versteht, gebe, sei die Altersversorgung weiterhin verteidigen<br />
sei unerlässlich. Es gehe aber auch dar- Rente auch tatsächlich sicher. An der und an ihr festhalten.<br />
um, weniger Egoismus und Eitelkeiten staatlichen Rente müsse auf jeden Fall<br />
im Umgang miteinander und mit den festgehalten werden. Im Sozialstaat Bun-<br />
Ellen Bocquel<br />
I<br />
nsbesondere angelsächsische Investmentgesellschaften<br />
und Banken agieren<br />
mit Milliardenbeträgen in diesem<br />
Geschäftsfeld, das ganz offensichtlich lukrativ<br />
für sie ist. So hat beispielsweise<br />
die US-Fondsgesellschaft Fortress von<br />
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte<br />
(BfA) die Wohnungsgesellschaft<br />
GAGFAH in Essen mit rund 82.000<br />
Wohneinheiten für 3,5 Milliarden Euro<br />
erworben. Die US-Fondsgesellschaft Cerberus<br />
hat zusammen mit dem Whitehall-<br />
Fonds der US Investmentbank Goldman<br />
Sachs die landeseigene Berliner Siedlungs-<br />
und Wohnungsbaugesellschaft<br />
(GSW) mit rund 66.000 Wohneinheiten<br />
für über zwei Milliarden Euro gekauft.<br />
Jüngst ging die Immobiliengesellschaft<br />
Viterra mit 152.000 Wohneinheiten vom<br />
Düsseldorfer Energiekonzern Eon an die<br />
Deutsche Annington Immobilien Gruppe,<br />
hinter der das Britische Beteiligungsunternehmen<br />
Terre Firma und die Immobilieninvestmentsparte<br />
der Citigroup<br />
(CPI) stehen. Rund 7 Milliarden Euro<br />
wurden gezahlt. Es gibt weitere Beispiele,<br />
auch im <strong>Oldenburg</strong>er Land.<br />
Nach Einschätzung von Experten wird<br />
die Entwicklung anhalten und es werden<br />
in den nächsten Jahren etwa drei Millionen<br />
Wohneinheiten bundesweit zum<br />
Verkauf stehen. Die Umwälzung im wohnungswirtschaftlichen<br />
Sektor hat Folgen<br />
für die deutsche Versicherungswirtschaft<br />
und dabei insbesondere für die öffentlichen<br />
Versicherer, die in Deutschland<br />
fast jedes zweite Wohngebäude versichert<br />
haben. Die etablierten Geschäftsmodelle<br />
werden durchbrochen und<br />
durch neue ersetzt. Die Rahmenbedingungen<br />
für die Entscheidung des Geschäftsführers,<br />
welchen Versicherer er<br />
wählt, ändern sich; sie werden von den<br />
Vertretern der Investmentfondsgesellschaften<br />
oder der kreditgebenden Ban-<br />
ken aus anderen Ländern formuliert. Für<br />
die regional ausgerichteten öffentlichen<br />
Versicherer findet eine Internationalisierung<br />
des Versicherungsgeschäfts statt.<br />
Ratings gewinnen an Bedeutung<br />
In diesem Zusammenhang werden Finanzratings<br />
für Versicherungsunternehmen<br />
in Deutschland noch wichtiger als<br />
bisher: Um einen objektiven Eindruck<br />
über die finanzielle Lage eines Versicherers<br />
zu bekommen, greifen insbesondere<br />
die Investoren und kreditgebenden Banken<br />
aus den angelsächsischen Ländern<br />
auf Finanzratings zurück. Um im Geschäft<br />
zu bleiben, müssen Versicherer<br />
entsprechend ihre Position im Markt<br />
über Ratings definieren, gegebenenfalls<br />
gleich durch mehrere namhafte Rating-<br />
Agenturen. Insbesondere sind hier die<br />
Agentur Standard & Poor’s, die zur Verlagsgruppe<br />
McGraw Hill gehört, sowie<br />
die Agenturen Moody’s, AM Best und die<br />
zum französischen Mischkonzern Fimalac<br />
gehörenden Agentur FitchRatings<br />
einflussreich.<br />
Ein interaktives Rating kann teuer sein,<br />
zudem ist die Geltungsdauer begrenzt.<br />
Das heißt, die Ratings müssen in regel-<br />
ZURSACHE<br />
INTERNATIONALEKÄUFER<br />
Die deutsche Wohnungswirtschaft erlebt seit gut<br />
einem Jahr einen Umbruch. Die öffentliche Hand<br />
verkauft zum Teil ihre Wohnungsbaugesellschaften,<br />
um ihre Kassen zu füllen, Unternehmen verkaufen<br />
ehemalige Werkswohnungen, um Geschäftsfelder<br />
zu arrondieren und Schulden abzubauen.<br />
mäßigen Abständen erneuert werden.<br />
Wenn die geforderten Ratings nicht vorliegen,<br />
muss der Versicherer entscheiden,<br />
ob er selbst Geld dafür ausgibt. Mit<br />
Blick auf die Geschäftsverbindungen<br />
muss er eine Risiko-Chancen-Abwägung<br />
vornehmen. Für die Abwägung sind die<br />
Zusammensetzung der Versicherungsbestände<br />
des Versicherers und die strategische<br />
Ausrichtung in dem Geschäftsfeld<br />
von Bedeutung. Andererseits muss auch<br />
die Kapitalanlageseite der Versicherungsunternehmen<br />
berücksichtigt werden.<br />
Der Produktionsprozess bei Versicherungsunternehmen<br />
führt zum Aufbau<br />
umfangreicher Kapitalanlagebestände.<br />
Im Einzelfall könnte es die günstigere<br />
und bessere Alternative sein, sich im<br />
Rahmen der Kapitalanlage an einer Wohnungsbaugesellschaft<br />
zu beteiligen.<br />
Dies wäre in dem veränderten Umfeld besonders<br />
für regional tätige Versicherungsunternehmen<br />
von Vorteil, denn die<br />
Wohnungsbaugesellschaften sind in der<br />
Regel ja auch regional tätig. Eine solche<br />
Investition in die heimische Wohnungswirtschaft<br />
ist mit einer nachhaltigen<br />
Bündelung regionaler Kräfte verbunden.<br />
J.L.<br />
KONTAKT 3.20<strong>05</strong> | 5