Kontakt 3/05 - Öffentliche Versicherungen Oldenburg
Kontakt 3/05 - Öffentliche Versicherungen Oldenburg
Kontakt 3/05 - Öffentliche Versicherungen Oldenburg
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
NACHGE?RAGT NACHGE?RAGT<br />
LERNORT<br />
Seit über einem Jahr arbeiten die<br />
Bäuerinnen Heike Oncken und Dorit<br />
Gerdes dafür als „Botschafterin-<br />
nen“. Die „<strong>Öffentliche</strong>“, die der Re-<br />
gion verpflichtet ist, verfolgt mit<br />
besonderem Interesse auch die Ent-<br />
wicklungen in der Landwirtschaft.<br />
Peter Diers führte das Interview zu<br />
diesem beachtenswerten Projekt.<br />
8 | KONTAKT 3.20<strong>05</strong><br />
Bauernhof<br />
Die Milch kommt aus der Tüte, die Wurst aus dem Kühlregal im Supermarkt –<br />
Kinder haben kaum mehr Wissen über Landwirtschaft und landwirtschaftliche Erzeugnisse.<br />
Deswegen wurde das pädagogische Projekt „Lernort Bauernhof“ in der Wesermarsch aufgelegt.<br />
KONTAKT: Wie kam es zum Projekt „Lernort<br />
Bauernhof“?<br />
Dorit Gerdes: Die BSE-Krise hat gezeigt,<br />
wie wenig die Bevölkerung eigentlich<br />
von der Lebensmittelproduktion weiß.<br />
Das hat uns im Kreislandvolkverband<br />
Wesermarsch und in der Kreisarbeitsgemeinschaft<br />
der Landfrauenvereine zu<br />
denken gegeben, und wir haben überlegt,<br />
was wir von unserer Seite da ändern<br />
könnten. Und wir kamen zum Ergebnis,<br />
dass man mit der Aufklärungsarbeit eigentlich<br />
bei den Kindern beginnen muss.<br />
Wenn wir mehr Bewusstsein schaffen<br />
wollen, müssen wir die Kinder direkt zu<br />
uns in die Betriebe holen.<br />
Heike Oncken: Ohne feste Strukturen wäre<br />
das natürlich nicht möglich gewesen.<br />
Das Projekt kostet ja auch Geld. Es wird<br />
gefördert vom Landkreis Wesermarsch,<br />
den Städten und Gemeinden im Kreis<br />
und von der Leader-plus-Initiative „Wesermarsch<br />
in Bewegung“. Außerdem<br />
wurde ein Arbeitskreis gebildet, der das<br />
Projekt begleitet. In ihm sind die Berufsbildenden<br />
Schulen in der Wesermarsch,<br />
der Rüstringer Heimatbund, die Niedersächsische<br />
Milchwirtschaft, die Wirtschaftsförderung<br />
des Kreises, die Ländliche<br />
Erwachsenenbildung sowie die örtlichen<br />
Landfrauen, Landwirte und viele<br />
Lehrkräfte vertreten.<br />
KONTAKT: Wen sprechen Sie genau an<br />
mit dem Projekt?<br />
Heike Oncken: „Lernort Bauernhof“ ist<br />
ein Projekt der Erlebnispädagogik. Damit<br />
konzentrieren wir uns auf Grundschulen.<br />
Wir haben das Programm vorgestellt,<br />
die Schulen sind informiert. Die<br />
Lehrerinnen und Lehrer vereinbaren bei<br />
uns jeweils einen Termin und können<br />
mit ihren Kindern dann eine Lerneinheit<br />
aus vier Modulen bei uns absolvieren.<br />
KONTAKT: Was erwartet die Sechs- bis<br />
Zwölfjährigen?<br />
Dorit Gerdes: Das ganze Projekt geht jeweils<br />
über zwei Wochen, also zwei Mal<br />
zwei Tage. Wir arbeiten mit den Kindern<br />
zum einen in der Schule und zum anderen<br />
in den Betrieben. Die Kinder werden<br />
von uns im Unterricht vorbereitet, erfahren<br />
in einem theoretischen Vorlauf viel<br />
Wissenswertes. Zurzeit geht es um drei<br />
Themen „Vom Kalb zur Kuh“ und „Der<br />
Weg der Milch“. Auf dem Bauernhof<br />
durchlaufen sie dann verschiedene Stationen,<br />
wie zum Beispiel Melken oder<br />
Kälber füttern. Sie sollen eine Vorstellung<br />
über die Arbeitsabläufe auf dem Hof<br />
bekommen.<br />
Der Besuch dauert meist einen ganzen<br />
Vormittag. Die Kinder bekommen dann<br />
eben nicht nur viel erläutert, sie können<br />
auch in die Ställe schauen, oder zum Beispiel<br />
selber versuchen, eine Kuh zu melken.<br />
Den Abschluss dieser Maßnahme<br />
bildet ein gemeinsames Milch-Frühstück,<br />
bei dem Butter und Quarkspeisen<br />
selbst hergestellt werden.<br />
Nach dem Besuch gibt es noch einmal die<br />
Nachbereitung im Schulunterricht. Wir<br />
achten natürlich darauf, dass die vier Module<br />
zeitnah ablaufen.<br />
Heike Oncken: Seit Anfang dieses Jahres,<br />
das möchte ich gerne ergänzen, bieten<br />
wir auch das Thema „ Vom Schaf zum<br />
Pullover“ an, denn Schafe spielen<br />
schließlich eine wichtige Rolle in der<br />
Landwirtschaft der Wesermarsch. Wir<br />
sprechen mit den Kindern über die Schafe,<br />
deren Pflege und Nutzen, aber auch<br />
über den Deichschutz. Und es wird erklärt,<br />
wie aus der Schafwolle ein Pullover<br />
werden kann. Dazu besuchen wir auch<br />
eine Deichschäferei. Besonders die zweiten<br />
Klassen nutzen dieses Angebot zum<br />
Einstieg in die Textilkunde, während die<br />
vierten Klassen dann den Schwerpunkt<br />
Deichsicherheit nutzen.<br />
KONTAKT: Wie ist die Resonanz bei den<br />
Landwirten?<br />
Dorit Gerdes: Das Projekt ist sehr positiv<br />
angenommen worden. Wir hatten ganz<br />
schnell viele Anmeldungen. Wir suchen<br />
die Betriebe immer so aus, dass sie jeweils<br />
in der Nähe der Schule liegen, damit<br />
die Kinder keine langen Wege haben.<br />
Für die Höfe ist das ganze Projekt über<br />
das große Anliegen hinaus ja auch im<br />
Kleinen eine gute Werbung.<br />
KONTAKT: Wie kommt das Projekt bei den<br />
Lehrern und bei den Kindern an?<br />
Heike Oncken: Wir machen absolut positive<br />
Erfahrungen und werden auch von<br />
vielen Seiten unterstützt. Durch die bisherigen<br />
Veranstaltungen sind wir auch<br />
an vielen Orten der Wesermarsch bekannt<br />
– was ja wieder dem Projekt zugute<br />
kommt.<br />
KONTAKT: Wie fühlen Sie sich als „Botschafterinnen“?<br />
War das ein schwieriger<br />
Wechsel von der Tagesarbeit auf dem Hof<br />
in die Pädagogik, in die Schule?<br />
Heike Oncken: Vom Grundsatz her nicht,<br />
denn wir haben sofort erkannt, dass wir<br />
das landwirtschaftliche Leben lebendig<br />
darstellen können – schließlich sind wir<br />
ja selbst als Bäuerinnen tätig. Uns gibt es<br />
viel, dass sich die Kinder so intensiv für<br />
alles interessieren, da sind auch die vielen<br />
Stunden für die Vorbereitungen nicht<br />
vertan. Und gibt es etwas Schöneres, als<br />
die eigenen Erfahrungen berichten und<br />
darstellen zu können?<br />
KONTAKT: Gibt es in unserer Region weitere<br />
solche Projekte?<br />
Dorit Gerdes: Im Landkreis Friesland gibt<br />
es das Modell „Lernort Bauernhof“ schon<br />
seit zehn Jahren. Es läuft – sehr erfolgreich<br />
– in Zusammenarbeit mit dem<br />
Kreislandvolk und dem Regionalen Umweltzentrum<br />
(RUZ). Insgesamt hat man<br />
mit diesem Thema der Erlebnispädagogik<br />
schon breite Erfahrungen, andere<br />
Bundesländer sind auch schon lange dabei,<br />
es gibt bereits eine übergreifende<br />
Bundesarbeitsgemeinschaft Lernort<br />
Bauernhof e.V.<br />
KONTAKT: Wie sehen Sie die Zukunft Ihres<br />
Projektes?<br />
Heike Oncken: Wir wollen auf jeden Fall,<br />
dass das Thema Bauernhof als Lernstoff<br />
in die Schulbücher aufgenommen wird.<br />
Die aktuellen Schulbücher bringen Schülern<br />
zwar etwas über den Kaffeeanbau in<br />
Brasilien bei, nichts aber über die Milchwirtschaft<br />
vor unserer Haustür. Deshalb<br />
muss „Lernort Bauernhof“ in die Lehrpläne<br />
eingebunden werden. Durch unsere<br />
Arbeit können wir insgesamt enorme<br />
Öffentlichkeitsarbeit leisten für die Landwirtschaft.<br />
Wie groß der Informationsbedarf<br />
an Schulen ist, hat sich ja bereits gezeigt.<br />
Wir wollen auf jeden Fall nach den<br />
Grundschulen auch die Hauptschulen<br />
ansprechen. Wir können uns vorstellen,<br />
dass hier möglicherweise Praktikantenstellen<br />
angeboten/vermittelt werden.<br />
Dann können die Schülerinnen und<br />
Schüler wirklich einen fundierten Einblick<br />
in die Landwirtschaft, den Ablauf<br />
auf einem Bauernhof bekommen und<br />
entscheiden sich vielleicht sogar für die<br />
Berufsfelder Landwirtschaft oder Hauswirtschaft.<br />
KONTAKT: Frau Oncken, Frau Gerdes, wir<br />
wünschen Ihnen für Ihr Projekt gutes Gelingen,<br />
viele Interessierte und ein hoffentlich<br />
wachsendes Verständnis für die<br />
Landwirtschaft insgesamt.<br />
Wenn Sie <strong>Kontakt</strong> aufnehmen wollen:<br />
❚ NORD Wesermarsch: Dorit Gerdes, Stollhamm, Tel: 04735 / 8 71 02 22<br />
❚ SÜD Wesermarsch: Heike Oncken, Großenmeer , Tel: 04483 / 12 98<br />
❚ Kreislandvolkverband Wesermarsch: Ovelgönne, Tel: 04401 / 9 80 50<br />
KONTAKT 3.20<strong>05</strong> | 9