PTB-Mitteilungen 2013 Heft 1
PTB-Mitteilungen 2013 Heft 1
PTB-Mitteilungen 2013 Heft 1
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Die PTR in Thüringen<br />
18<br />
Auch während des Krieges drangen Informationen<br />
über Rüstungsaufträge der PTR nicht nach<br />
draußen. An den neutral formulierten Forschungsthemen<br />
der Kriegsjahre ist aber durchaus deren<br />
Bedeutung für die Rüstungsindustrie zu erkennen.<br />
So schimmern in einem Artikel für das Jahrbuch<br />
der Metalle 1943 von Alfred Schulze, Leiter<br />
des Laboratoriums für elektrische Werkstoffe und<br />
metallkundliche Untersuchungen (Abteilung II –<br />
Elektrizität und Magnetismus), bei der Auflistung<br />
der aktuellen Projekte deutlich kriegswichtige<br />
Forschungsthemen durch: „Unter den Arbeiten<br />
der neueren Zeit nehmen auch die Forschungen<br />
über den Atomkern sowie die hiermit in Zusammenhang<br />
stehenden Untersuchungen in den tiefen<br />
und tiefsten Temperaturen (Supraleitung usw.)<br />
den ihr gebührenden breiten Raum ein. Spektralanalyse,<br />
Radioaktivität, Photochemie und andere<br />
Wissenszweige suchen hier gemeinsam, die letzten<br />
Geheimnisse der Natur zu entschleiern.<br />
Die Wiederaufnahme der akustischen Forschung<br />
als wichtiges Arbeitsgebiet, nachdem diese viele<br />
Jahre im Hintergrund stand, knüpft an die Tradition<br />
der klassischen Physik aus der Gründerzeit<br />
der Reichsanstalt an.<br />
Nicht unerwähnt soll zum Schluß die in letzter<br />
Zeit immer mehr um sich greifende Werkstoff-<br />
Forschung bleiben. Hier sind es einmal die magnetischen<br />
Werkstoffe, die aufgrund besonderer<br />
thermischer Behandlung hervorragende Eigenschaften<br />
erlangen, ferner die elektrotechnischen<br />
metallischen Werkstoffe, wie Kontaktwerkstoffe,<br />
Widerstandswerkstoffe, Leitungswerkstoffe, die vor<br />
allem im Laufe des letzten Jahrzehnts eine nicht<br />
unwesentliche Förderung durch die Reichsanstalt<br />
erhalten haben. Auch auf dem Gebiete der Schmierstoffe<br />
sucht die Reichsanstalt in einem besonderen<br />
Laboratorium die physikalischen Grundlagen des<br />
Schmiervorganges zu klären.“ ([28], S. 370).<br />
Auch kriegswichtig: die Prüfung der Viskosität von Flüssigkeiten an der PTR. Der<br />
Weltkrieg forcierte die Entwicklung hochwertiger Öle. Die Motoren in Flugzeugen,<br />
LKW und Panzer brauchten Höchstleistungsöle im Einsatz bei Temperaturen von<br />
– 40°C bis + 50 °C. 1938 begann man in Deutschland mit der Entwicklung synthetischer<br />
Öle, deren Eigenschaften geprüft werden mussten. Es gab zu dieser Zeit<br />
keine verbindlichen Maßstäbe zur Messung von Öleigenschaften.<br />
(Quelle: Bundesarchiv Berlin, R1519-397)<br />
<strong>PTB</strong>-<strong>Mitteilungen</strong> 123 (<strong>2013</strong>), <strong>Heft</strong> 1<br />
Berücksichtigt man, dass beispielsweise die<br />
Abteilung VI (Mechanik und Akustik) unter<br />
Martin Grützmacher fast ausschließlich für militärische<br />
Stellen arbeitete, dann lässt sich erahnen,<br />
dass auch in den anderen angeführten Gebieten<br />
ein hoher Anteil der Forschung militärischen<br />
Projekten gewidmet war. Die Abteilung Mechanik<br />
und Akustik befasste sich u. a. mit dem Schallfeld<br />
fahrender Schiffe, dessen Messung für die Entwicklung<br />
von akustischen Minen und akustisch<br />
gesteuerten Torpedos von erstrangiger Bedeutung<br />
war ([18], S. 267).<br />
Torpedokrise –<br />
Die PTR und die AG Cornelius<br />
Am 3. September 1939, zwei Tage nach Ausbruch<br />
des Zweiten Weltkrieges, wurde dem Befehlshaber<br />
der Unterseeboote, Karl Dönitz, der erste Torpedoversager<br />
gemeldet. Trotz idealer Schussposition<br />
verfehlte ein U-Boot in der Ostsee ein polnisches<br />
Kriegsschiff, der Torpedo versank weit vor dem<br />
feindlichen Ziel. Und solche Versager wiederholten<br />
sich ständig. Die Torpedo-Krise erreichte ihren<br />
Höhepunkt ein halbes Jahr nach dem Beginn des<br />
Krieges, als Deutschland und Großbritannien im<br />
April 1940 um die Vorherrschaft in den norwegischen<br />
Gewässern kämpften. Unter anderem auch<br />
das Versagen der von den deutschen U-Booten<br />
bei diesen Kämpfen abgefeuerten Torpedos führte<br />
dazu, dass diese Schlacht für die Deutschen verloren<br />
ging ([29], S. 13).<br />
Torpedowerkstatt in Deutschland 1942. Die deutschen<br />
Torpedos hatten in den ersten Kriegsjahren viele Versager.<br />
Eine spezielle Arbeitsgruppe, die Arbeitsgemeinschaft<br />
Cornelius (AGC), wurde gegründet, an der auch<br />
die PTR beteiligt war. (Quelle: Bundesarchiv)<br />
Wie war es möglich, dass die wegen ihrer Perfektion<br />
gerühmte und gefürchtete Rüstungsmaschinerie<br />
des Dritten Reiches ausgerechnet bei der Torpedokonstruktion<br />
schwere Fehler gemacht hatte?<br />
Die Ursache für die Versager war zunächst nicht<br />
eindeutig zu bestimmen. So gab es technische<br />
Mängel bei den Torpedos, es spielten aber auch<br />
Randbedingungen wie Wetter und Fehleinschätzung<br />
durch den Kommandanten eine Rolle. Die