Parsifal - CMS
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Nordbayerischer Kurier<br />
Eine Sonderveröffentlichung des<br />
NordbayerischenKURIERS am 25.Juli2008<br />
vonMarkSchachtsiekinZusammenarbeit<br />
mitdem Produktionsdramaturgen<br />
AlexanderMeier-Dörzenbach<br />
arsifal<br />
2008
Nordbayerischer Kurier<br />
2 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
rein ästhetisch gefragt: hat Wagner je etwas<br />
besser gemacht? Die allerhöchste<br />
psychologische Bewußtheit und Bestimmtheit<br />
in bezug auf das, was hier gesagt, ausgedrückt,<br />
mitgeteilt werden soll [...]. Ob je ein Maler<br />
einen so schwermütigen Blick der Liebe gemalt<br />
hat, als W. mit den letzten Akzenten seines<br />
Vorspiels? –<br />
Wozu das Ganze?<br />
Editorial zur „<strong>Parsifal</strong>“-Beilage 2008<br />
Mark Schachtsiek<br />
Wovon handelt es eigentlich,<br />
Richard Wagners Bühnenweihfestspiel<br />
„<strong>Parsifal</strong>“? Zumindest<br />
2008 in Bayreuth muss man<br />
auf diese komplexe Frage wohl<br />
(auch) eine ganz einfache<br />
Antwort geben: von einem<br />
kleinen Jungen, der seiner<br />
Mutter davongelaufen ist. Ritter<br />
mit glänzenden Rüstungen<br />
hat er gesehen; unbedingt will<br />
er wie sie sein! Eine Waffe tragen!<br />
Ein Mann werden! Er<br />
schnitzt sich einen Bogen,<br />
schießt auf Adler und tötet<br />
schließlich, ausgerechnet im<br />
heiligen Gebiet eines geheimnisvollen<br />
Grals, den Schwan.<br />
Die Welt, auf die er trifft, jene<br />
verschworene Gemeinschaft<br />
der Gralsritter, die seltsame<br />
Nöte haben und auf bizarre<br />
Weise durch den Anblick ihres<br />
heiligsten Besitzes ernährt<br />
werden, fasziniert ihn, doch er<br />
versteht sie nicht. Und er versteht<br />
auch seine eigene Handlung<br />
nicht, als der altgediente<br />
Gralsritter Gurnemanz ihm die<br />
Folgen der von ihm ausgeübten<br />
Gewalt vor Augen zu führen<br />
sucht. Er weiß nicht einmal,<br />
wie er heißt, nur an seine<br />
Mutter Herzeleide erinnert er<br />
sich noch, und als die undurchschaubare,<br />
aber wissende<br />
Gralsdienerin Kundry ihm<br />
klarmacht, dass sie vor Gram<br />
über seinen Verlust gestorben<br />
ist, ist er ernsthaft erschrocken.<br />
Gurnemanz ist fasziniert von<br />
diesem Jungen, der so<br />
(un-)schuldig-unwissend ist.<br />
Denn es wurde prophezeit,<br />
dass nur ein „reiner Tor, durch<br />
Mitleid wissend“ die Gralsritterschaft<br />
aus ihrer Verzweiflung<br />
erlösen und die Wunde,<br />
die ihren König Amfortas plagt,<br />
heilen könnte. Amfortas war<br />
mit dem heiligen Speer gegen<br />
den abtrünnigen Ritter Klingsor<br />
gezogen, der aus Rache,<br />
weil er das Keuschheitsgelübde<br />
der Gralsritter nur durch<br />
Selbstentmannung einhalten<br />
konnte, einen Zaubergarten<br />
mit verführerischen Blumenmädchen<br />
geschaffen hatte.<br />
Doch er hatte Klingsor nicht<br />
besiegen können, vielmehr war<br />
er der Verführungskunst der<br />
schönen Kundry erlegen, hatte<br />
dadurch den Speer an Klingsor<br />
verloren und war sogar damit<br />
verwundet worden. Doch die<br />
Begegnung mit Amfortas und<br />
seine Anwesenheit bei der<br />
Gralsspeisung, die die Ritter<br />
fröhlich und gestärkt in den<br />
Kampf ziehen lässt, machen<br />
ihn nicht wissend. Und so wirft<br />
Gurnemanz ihn hinaus. Das ist<br />
die Geschichte, die der erste<br />
Aufzug erzählt.<br />
Erst in der Zauberwelt<br />
Klingsors, nachdem sich die<br />
Blumenmädchen spielerisch<br />
um seine Gunst gestritten haben<br />
und Kundry, die um seine<br />
Identität weiß, ihn bei seinem<br />
Namen „<strong>Parsifal</strong>!“ ruft und ihm<br />
seine Geschichte erzählt, sich<br />
ihm zugleich als Mutter und<br />
Geliebte genähert hat und ihn<br />
küsst, beginnt er auf einmal zu<br />
Friedrich Nietzsche<br />
verstehen. Doch als Kundry<br />
ihm eine Nacht anbietet, stößt<br />
er sie von sich, denn er erinnert<br />
sich an Amfortas’ Wunde,<br />
die er plötzlich in sich spürt.<br />
Damit erwirbt er Bewusstsein<br />
von sich selbst und der Welt<br />
und kann Klingsor den Speer<br />
abnehmen – doch zwischen<br />
diesem Moment und der von<br />
allen ersehnten Erlösung liegen<br />
noch Jahre des sinnlosen<br />
Kampfes, der Suche und der<br />
Irre. Dann erst gelangt <strong>Parsifal</strong><br />
wieder ins Gralsgebiet, kann<br />
seine Waffen ablegen, den<br />
Speer zurückbringen und Amfortas<br />
und die Gralsritter, die<br />
nun nur noch Schatten ihrer<br />
selbst sind, erlösen. <strong>Parsifal</strong><br />
wird an Amfortas’ Stelle Gralskönig,<br />
dessen Wunde schließt<br />
sich bei Berührung mit dem<br />
heiligen Speer und selbst Kundry,<br />
die, weil sie einst Christus<br />
am Kreuz verlacht hatte, zum<br />
Dienen und Verführen gezwungen<br />
war, ist entseelt. Zuletzt<br />
künden sphärische Stimmen<br />
von „Erlösung dem Erlöser!“.<br />
Diesen Irrwegen einer Identitätsfindung<br />
zwischen Gewalt<br />
und Mitleid in den Fängen<br />
einer Kunsttraumwelt, aber mit<br />
Folgen für die außertheatrale<br />
Wirklichkeit spürt die Inszenierung<br />
von Stefan Herheim und<br />
seinem Team gleich auf mehreren<br />
Ebenen nach. Sie nehmen<br />
sie als märchenhaft-naives<br />
(Alb-)Traumerlebnis eines<br />
werdenden Mannes ernst, erzählen<br />
sie jedoch zugleich als<br />
kollektive Sinnsuche jener<br />
deutschen Nation, die sich als<br />
Deutsches Kaiserreich zu konstituieren<br />
suchte, während<br />
Wagner am „<strong>Parsifal</strong>“ arbeitete,<br />
und im Anschluss ebenso erlösungssüchtig<br />
wie kampfesfroh<br />
in die Katastrophen des 20.<br />
Jahrhunderts marschierte. Ein<br />
zentraler Kulminationspunkt<br />
auf diesem Irrweg war Bayreuth<br />
– mehr noch als das<br />
Festspielhaus Wagners Villa<br />
Wahnfried, wo sich nach dem<br />
Tode des Komponisten am<br />
Rande der Festspiele nicht nur<br />
die bessere wilhelminische Gesellschaft<br />
zu „<strong>Parsifal</strong>“-Andacht<br />
und Feier des deutschen Meisters<br />
zusammenfand, sondern<br />
sich auch – nach 1918 – die<br />
völkisch gesinnte Gegnerschaft<br />
der Weimarer Republik zum<br />
„Bayreuther Kreis“ um Wagners<br />
Schwiegersohn Houston<br />
Stewart Chamberlain sammelte.<br />
Wahnfried als Schauplatz<br />
deutscher Geschichte ist nicht<br />
zuletzt deshalb Ort, an dem<br />
sich das vielschichtige (Alb-)<br />
Traummärchen „<strong>Parsifal</strong>“ in<br />
der Inszenierung ereignet. Der<br />
Analyse, die das Regieteam zu<br />
diesem Schauplatz geführt hat,<br />
will diese Beilage mit theoretischen,<br />
aber auch vielfältigen<br />
assoziativen Texten und Bildern<br />
nachspüren –für diejenigen,<br />
die die Inszenierung sehen<br />
werden, aber auch für alle<br />
anderen Leser des Nordbayerischen<br />
Kuriers mit Interesse an<br />
„<strong>Parsifal</strong>“, dem Gralsort Bayreuth<br />
und deutscher Festspielgeschichte.<br />
Im Grunde ist alle Psychologie Entlarvung<br />
und ironisch-naturalistischer Scharfblick<br />
für das vexatorische Verhältnis von<br />
Geist und Trieb.<br />
Thomas Mann<br />
Hoffungen krönen, Ilusionen begraben<br />
Aus: Hans Mayer,<br />
„Richard Wagner in Bayreuth“<br />
Hier wo mein Wähnen<br />
Frieden fand –<br />
Wahnfried<br />
sei dieses Haus<br />
von mir benannt.<br />
Die Inschrift ist bekannt: am<br />
30. April 1874 bezog Richard<br />
Wagner in Bayreuth sein neuerbautes<br />
villenartiges Wohnhaus,<br />
dessen Gartenseite dank<br />
besonderer königlicher Erlaubnis<br />
durch ein Türchen mit dem<br />
angrenzenden Hofgarten verbunden<br />
werden konnte.<br />
Hier, in Haus Wahnfried, errichtete<br />
er sich den Herrschersitz:<br />
im Garten des Hauses befindet<br />
sich sein Grab. Seit 1930<br />
ruht Cosima neben dem Gatten.<br />
Wähnen und Wahn: darauf<br />
hatte Richard Wagner das Motto<br />
seiner letzten Lebenszeit ge-<br />
Aus:<br />
Nike Wagner,<br />
„Wagner Theater“<br />
Anfang April 1945 wird Bayreuth<br />
bombardiert. Während<br />
das Festspielhaus intakt bleibt<br />
– angeblich von kulturbewußten<br />
Alliierten ausgespart -, wird<br />
Wahnfried von einer Bombe<br />
getroffen, die ins Zentrum, in<br />
den Saal fällt. Wagners Flügel<br />
wird vom Luftdruck hinausgeschleudert,<br />
die in Öl gemalten<br />
Wappen der ersten Wagnervereins-Städte<br />
flattern zerfetzt<br />
von den Wandresten, die kostbaren<br />
japanischen Négligées<br />
von Frau Cosima sind verbrannt,<br />
in den einstigen<br />
Kindersaal hängt das zerstörte<br />
Dach herab wie sonst nur der<br />
Wotanschlapphut über das tote<br />
Gottesauge. Während die Gartenseite<br />
in Trümmern liegt,<br />
bleibt die Fassade unverletzt:<br />
Wahnfried war in eine hohle<br />
Kulisse verwandelt. [...]<br />
In den ersten Jahren nach<br />
der „Stunde Null“ wird die<br />
Wahnfriedruine provisorisch<br />
zusammengeflickt. Debatten<br />
um die Dachpappe und die<br />
Schwierigkeiten ihrer Beschaffung<br />
beherrschen den Brief-<br />
Haus Wahnfried in Bayreuth<br />
stellt. Bei der Benennung des<br />
Bayreuther Alterssitzes versteht<br />
Wagner sein einstiges und<br />
nunmehr befriedigtes Wähnen<br />
als begründete und erfüllte<br />
Hoffnung. Als eine Erwartung,<br />
der Erfüllung zuteil wurde. Allein,<br />
wir kennen auch den<br />
Wahnmonolog des Hans Sachs<br />
aus den „Meistersingern“, der<br />
mit den Worten beginnt:<br />
„Wahn, Wahn! Überall Wahn!“<br />
Hier ist Wahn verstanden als<br />
sinnloses Menschenleid, als<br />
eine Daseinsqual der Menschen,<br />
„in unnütz toller Wut!“<br />
Es ist jener Wahn, den es zu<br />
heilen, jene Illusion, die es zu<br />
zerstreuen gilt.<br />
Ein merkwürdiges Motto, das<br />
sich für Haus Wahnfried fand.<br />
Hier wurde die Erwartung und<br />
Hoffnung eines leidenschaftlichen,<br />
ebenso hartnäckigen wie<br />
ichsüchtigen großen Künstlers<br />
erfüllt. Hier wurden Hoffnun-<br />
gen gekrönt. Aber wurden hier<br />
nicht auch Illusionen begraben?<br />
Bedeutet das Haus Wahnfried<br />
nicht zugleich, vom Erbauer<br />
des Hauses her gesehen,<br />
die Aussperrung und Verbannung<br />
einstigen „Wähnens“ im<br />
Sinne irriger Vorstellungen,<br />
phantastischer Annahmen, gegenstandsloser<br />
Illusionen? Man<br />
muß es vermuten; denn Richard<br />
Wagner war mit der<br />
Übersiedelung nach Bayreuth<br />
aus dem Exil zurückgekehrt,<br />
und hier in Wahnfried wurde er<br />
zum ersten Mal in Deutschland<br />
wirklich seßhaft, hatte sich alle<br />
früheren Träume und falschen<br />
Hoffnungen aufgelöst und der<br />
neuen Wirklichkeit, dem Begriff<br />
„Richard Wagner in Bayreuth“,<br />
Platz gemacht. [...]<br />
Richard Wagner in Bayreuth:<br />
das ist von nun an die Geschichte<br />
eines Sieges. Es bedeutet<br />
den Höhepunkt im Prozeß<br />
Wahn/Fried/Hof<br />
Wahnfried zwischen 1945 und der Rekonstruktion 1974/46<br />
wechsel der Brüder Wieland<br />
und Wolfgang damals in jener<br />
Zeit, die für ihre Tatkraft und<br />
Gedankenarmut notorisch geworden<br />
ist. Während Wolfgang<br />
als Schuttarbeiter den Wiederaufbau<br />
und die weiteren Bergungen<br />
des vor den anrückenden<br />
Amerikanern bereits ausgelagerten<br />
Archivs in die Hand<br />
nimmt, macht Wieland, der mit<br />
seiner Familie in der französischen<br />
Zone am Bodensee festsitzt,<br />
den Versuch, sich neben<br />
der Existenzsicherung durch<br />
Klauen und Bestechen auf<br />
einen denkbaren Wiederbeginn<br />
der Festspiele geistig vorzubereiten.<br />
1949 kehrt er zurück<br />
[...]. Gewohnt wird in einem<br />
winzigen Atelier im Wahnfriedgarten,<br />
das es seit jeher<br />
gab. Familiär sind es idyllische<br />
Zeiten, denn gleich daneben im<br />
Gartenhäuschen wohnt Bruder<br />
Wolfgang. Der Kohleofen führt<br />
zusammen, aus den Ruinen<br />
wieder aufzuerstehen, ist das<br />
gemeinsame Ziel. [...]<br />
Die Nachkriegsarmut hatte<br />
auch dieses Gute: sie führte zu<br />
baulicher Ehrlichkeit. Wo das<br />
Halbrund des Hauses sich einst<br />
in den Garten schob, unten der<br />
Bibliothekssaal, oben der<br />
Kindersaal, blieb die ausgebombte<br />
Innenkurve bestehen;<br />
erst in den Jahren des wachsenden<br />
privaten und allgemeinen<br />
Wohlstands wurde dieses<br />
Bombenloch mit einer hohen,<br />
dichten Pflanzenwelt ausgefüllt,<br />
als trompe-l’œil einer fernen<br />
südlichen Insel. Dieser Zug<br />
zur Leugnung der Geschichte<br />
griff auch auf die Gartengestaltung<br />
über. Ausgelöscht wurden<br />
Springbrunnenrund und die<br />
rührenden Wanderwege, eine<br />
große leere Wiesenfläche entstand,<br />
die nur am Rande, dort<br />
wo das Wagnergrab beginnt,<br />
die Bäume beließ. [...]<br />
Analog zum historisch verspäteten<br />
‚Neubayreuther Stil‘<br />
auf der Festspielbühne, der an<br />
Abstraktionstendenzen der<br />
zwanziger Jahre anknüpfte,<br />
wurden im erneuerten Wahnfried<br />
jetzt die letzten Reste von<br />
Pietät hinweggefegt. [...] Die<br />
verbliebenen Familienbilder,<br />
auch das Museumsstück einer<br />
Ingres-Silberstiftzeichnung von<br />
Franz Liszt, verschwanden in<br />
der Besenkammer, vor den Tapeten<br />
und Teppichen hatte<br />
man sich ohnehin nicht mehr<br />
zu fürchten, sie waren gnädig<br />
verbrannt. Wohltaten des Krie-<br />
einer Verwandlung von Wahn<br />
in Wirklichkeit. Vergleichbar ist<br />
eine Formel, die Wagner und<br />
Bayreuth zusammenschließt, in<br />
ihrer historischen Tragweite<br />
höchstens mit der Parallelformel<br />
„Goethe in Weimar“. Allein,<br />
Goethe hat keine Nachfolge<br />
begründet oder auch nur<br />
begründen wollen. [...]<br />
Richard Wagner hingegen<br />
ging stets darauf, eine Nachfolge<br />
zu begründen. Der Goetheaner<br />
ist auch seinerseits inkommensurabel:<br />
er verharrt<br />
auf der eigenen und unverwechselbaren<br />
Subjektivität. Der<br />
Wagnerianer jedoch integriert<br />
sich in aller Bewußtheit einer<br />
Gemeinschaft mit Ordenscharakter.<br />
Es bedurfte keiner Suche<br />
voll bleichen Eifers: der<br />
Gral hatte sich auf dem fränkischen<br />
Hügelgebirge niedergelassen.<br />
Bayreuth war von nun<br />
an Gralsgebiet.<br />
ges: Ohne die Zerstörung<br />
Wahnfrieds wären die Emanzipationswünsche<br />
vom Wagnerplunder<br />
unweigerlich im<br />
Zwang zur Bewahrung erstickt<br />
worden. Erst dank der Bombe<br />
war eine Ahnen-Entrümpelung<br />
hier denkbar geworden.<br />
Weil aber das Individuelle<br />
dem Typischen einer Zeit immer<br />
erstaunlich nahe kommt,<br />
kann nicht übersehen werden,<br />
daß es in diesem äußerst progressiven<br />
Raum Relikte von<br />
Bürgerlichkeit gab, die damals<br />
zwar den Sprung aus dem Nazigeschmack<br />
der Mutter bezeugen<br />
mochten, heute aber als<br />
Zeichen jener neudeutschen<br />
Spießigkeit gelten müssen, die<br />
den Anschluß Westdeutschlands<br />
an die Vereinigten Staaten<br />
spiegeln: Während sich<br />
draußen unter den alten<br />
Wahnfried-Bäumen plötzlich<br />
ein Swimmingpool befand und<br />
auf der Gartenterrasse eine<br />
Hollywoodschaukel, gab es<br />
drinnen doch tatsächlich einen<br />
Gummibaum, den Paravant mit<br />
Stichen der spanischen Hofreitschule,<br />
die Barocksäule als<br />
Stütze eines Durchgangsbogens<br />
und das mit blumigem Chintzstoff<br />
bezogene Sofa.
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 3<br />
Die Engel<br />
Rainer Maria Rilke<br />
Sie haben alle müde Münde<br />
und helle Seelen ohne Saum.<br />
Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)<br />
geht ihnen manchmal durch den Traum.<br />
Fast gleichen sie einander alle;<br />
in Gottes Gärten schweigen sie,<br />
wie viele, viele Intervalle<br />
in seiner Macht und Melodie.<br />
Nur wenn sie ihre Flügel breiten,<br />
sind sie die Wecker eines Winds:<br />
als ginge Gott mit seinen weiten<br />
Bildhauerhänden durch die Seiten<br />
im dunklen Buch des Anbeginns.<br />
Die deutsche Geschichte verzeichnet<br />
Resonanzen, Reprisen, Reinszenierungen<br />
Wagners, die eine ganze Skala vom<br />
einfachen Zitat bis hin zur grauenhaften<br />
Travestie musikdramatischer Szenen<br />
durchlaufen.<br />
Manfred Schneider<br />
Dichtung und Musik des „<strong>Parsifal</strong>“ klaffen in den Zeitstrukturen, die<br />
ihnen zugrunde liegen, auseinander. Die Dichtung ist auf ein Ziel und<br />
Ende gerichtet, dem alles Frühere zustrebt und in dem es aufgehoben<br />
und gerettet ist: Das „Erlösungsdrama“, als das der „<strong>Parsifal</strong>“ von<br />
Wagner entworfen wurde, hat eine „Finalstruktur“, in der die Akzente<br />
auf den Schluß fallen. Anders die Musik, in der es die Vergangenheit<br />
ist, von der alle Gewalt auszugehen scheint. Nicht die Gegenwart, die<br />
Vergangenes in sich aufnimmt, sondern die Vergangenheit, die ihren<br />
Schatten oder ihr Licht auf das Gegenwärtige wirft,<br />
ist in der Musik die entscheidende Instanz.<br />
Der Engel<br />
der Geschichte<br />
Aus: Walter Benjamin, „Über den Begriff der Geschichte“<br />
Mein Flügel ist zum Schwung bereit<br />
ich kehrte gern zurück<br />
denn blieb' ich auch lebendige Zeit<br />
ich hätte wenig Glück.<br />
Gerhard Scholem,<br />
„Gruß vom Angelus“<br />
Es gibt ein Bild von Klee, das<br />
„Angelus Novus“ heißt. Ein Engel<br />
ist darauf dargestellt, der<br />
aussieht, als wäre er im Begriff,<br />
sich von etwas zu entfernen,<br />
worauf er starrt. Seine<br />
Carl Dahlhaus<br />
Augen sind aufgerissen, sein<br />
Mund steht offen und seine<br />
Flügel sind ausgespannt. Der<br />
Engel der Geschichte muß so<br />
aussehen.<br />
Er hat das Antlitz der Vergangenheit<br />
zugewendet. Wo<br />
eine Kette von Begebenheiten<br />
vor uns erscheint, da sieht er<br />
eine einzige Katastrophe, die<br />
unablässig Trümmer auf<br />
Trümmer häuft und sie ihm vor<br />
die Füße schleudert. Er möchte<br />
wohl verweilen, die Toten we-<br />
Ich stehe auf dem Standpunkte, daß ich das deutsche Element Wagnerscher Musik,<br />
verkörpert in den feststehenden Festspielen zu Bayreuth, für eine Kräftigung des<br />
nationalen Bewußtseins halte, deren der Deutsche mehr bedarf, als andere Nationalitäten.<br />
Deshalb ist es nicht nur politisch wichtig, die Festspiele zu erhalten,<br />
sondern sie zu fördern bedeutet auch eine deutsche Kultur-Aufgabe.<br />
Philipp Graf zu Eulenburg-Hertefeld<br />
Was war geschehn? –Man hatte Wagner ins Deutsche übersetzt! Der Wagnerianer war Herr<br />
über Wagner geworden! –Die deutsche Kunst! der deutsche Meister! das deutsche Bier! [...]<br />
Der arme Wagner! Wohin war er gerathen! –Wäre er doch wenigstens unter die Säue gefahren!<br />
Aber unter Deutsche!<br />
Friedrich Nietzsche<br />
Ich bin der deutsche Geist!<br />
Richard Wagner<br />
cken und das Zerschlagene zusammenfügen.<br />
Aber ein Sturm<br />
weht vom Paradiese her, der<br />
sich in seinen Flügeln verfangen<br />
hat und so stark ist, daß<br />
der Engel sie nicht mehr<br />
schließen kann. Dieser Sturm<br />
treibt ihn unaufhaltsam in die<br />
Zukunft, der er den Rücken<br />
kehrt, während der Trümmerhaufen<br />
vor ihm zum Himmel<br />
wächst. Das, was wir den Fortschritt<br />
nennen, ist dieser<br />
Sturm.<br />
Stadt ohne Kinder<br />
Max Hermann-Neisse<br />
Historischer<br />
Höhepunkt<br />
Aus: Stefan Kunze, „Der Kunstbegriff<br />
Richard Wagners“<br />
Es ist kaum übertrieben in Wagners<br />
Werk den Kulminationspunkt<br />
jener Ideen um einen kultisch<br />
überhöhten Kunstbegriff<br />
festzumachen. In der Institution<br />
Bayreuth, wohl dem gewaltigsten<br />
Unternehmen, das je von<br />
einem Künstler zu seinen Zwecken<br />
in die Tat umgesetzt wurde,<br />
hat er seinen Ort gefunden. Sakralisierung,<br />
das Kultische ist<br />
nicht bloß eine Wirkung der<br />
Wagnerschen Musik und des<br />
Musikdramas gewesen, über die<br />
man sich, weil sie heute nicht<br />
mehr vollziehbar ist, ohne weiteres<br />
hinwegsetzen könnte, um zur<br />
Tagesordnung musikalisch-technischer<br />
Untersuchungen überzugehen<br />
(die freilich vordringlicher<br />
sind), sondern gehört zu den<br />
Grundintentionen des Wagnerschen<br />
Dramas, des Wagnerschen<br />
Kunstbegriffs, und zum geschichtlichen<br />
Phänomen selbst.<br />
So tot sind Plätze, Gärten jetzt und Gassen<br />
wie Hameln nach des Rattenfängers Rache:<br />
die Kinder haben alle uns alle verlassen,<br />
ein Mutterherz bangt unter jedem Dache.<br />
Läuft unser Leben noch im alten Gleise,<br />
so ist ihm sein Verderben schon bereitet;<br />
die Kinder aber werden auf der Reise<br />
von ihren Engeln liebevoll begleitet.<br />
Aber die Oper ist ein<br />
Abbild unserer<br />
historischen<br />
Wirklichkeit; und<br />
dieser Spiegel<br />
zerbricht an den<br />
Stellen, wo das Bild<br />
sich teilt, sich plötzlich<br />
vervielfacht.<br />
Catherine Clément<br />
Uns hat der Friedensengel längst verlassen,<br />
sein Flügelschlag ist nicht mehr sanft zu hören;<br />
mit dröhnenderem stürmt in unsre Gassen<br />
der Todesengel, alles zu zerstören.<br />
Verwandelt sind des Parkes Lieblings-Stellen,<br />
es fehlt das heitre Spielgeschrei der Knaben;<br />
statt dessen jagt uns der Sirenen Gellen<br />
wie wahngetrieben in den Luftschutzgraben.<br />
Das Paradies der Kinder ist verschwunden,<br />
die tote Stadt verlassen und verloren,<br />
das Mutterherz hat keinen Trost gefunden<br />
und mein Gebet vergebens Gott beschworen.
Nordbayerischer Kurier<br />
4 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
Alexander Meier-Dörzenbach<br />
„Alles, was man gemeinhin Vergangenheit<br />
nennt, ist im Grunde<br />
nur eine leiser und dunkler<br />
gewordene Art von Gegenwart“,<br />
definierte einst Gertrud<br />
von Le Fort –unsere Inszenierung<br />
will nun die Vergangenheit<br />
lauter und heller werden<br />
lassen, um damit Wagners „<strong>Parsifal</strong>“<br />
zu vergegenwärtigen.<br />
Schon das Stück selbst thematisiert<br />
Vergegenwärtigung: das<br />
individuelle Erkennen der leiser<br />
und dunkler, aber nicht weniger<br />
signifikant gewordenen Schichten<br />
von Vergangenheit, die sich<br />
mit Menschlichkeit, Göttlichkeit<br />
und deren Perversionen auseinandersetzt.<br />
Erzählungen und<br />
Reflexionen der Figuren sind<br />
hierbei oft bedeutender als die<br />
Bühnenhandlung, denn dramatisch<br />
effektvolle Momente –angefangen<br />
bei Kundrys Auslachen<br />
des gekreuzigten Christus<br />
und der himmlischen Überreichung<br />
von Gral und Speer an Titurel<br />
über Klingsors Selbstkastration,<br />
<strong>Parsifal</strong>s kindliche Ritterfaszination<br />
und Amfortas<br />
sündiges Erliegen sind zu Gunsten<br />
einer epischen Konzentration<br />
theatral nicht ausgestaltet.<br />
So wie aber die subjektiven Erfahrungen<br />
von Vergangenheit<br />
auf die Gegenwart der Bühnenfiguren<br />
wirken, so bestimmt<br />
auch das leiser und dunkler gewordene<br />
Präsens von Wagners<br />
Bühnenweihfestspiel unsere<br />
Kunsterfahrung im Hier und<br />
Jetzt. Selbst wenn vergangene<br />
Konstruktionen in Historiographien,<br />
Biographien, Mythologien<br />
und Philosophien dabei<br />
immer gröber verpixelt und<br />
verzerrt werden, so formieren<br />
sie sich doch zu einem klingenden<br />
Bild der Sehnsucht nach<br />
diesem so schmerzlich bedeutungsblutenden<br />
Begriff Erlösung.<br />
Seine letzte Oper bezeichnet<br />
Wagner als Bühnenweihfestspiel<br />
und vereint damit terminologisch<br />
vier Elemente, die zu<br />
unterschiedlichen Gewichtungen<br />
geführt haben: Während<br />
die Rahmenworte Bühne und<br />
Spiel auf den theatralen Rahmen<br />
der Aufführung verweisen,<br />
stehen mit Weihe und Fest<br />
überhöhte und überhöhende<br />
Elemente im Zentrum. Das letzte<br />
Werk Richard Wagners wurde<br />
musikalischer Kunstreligionsstiftung<br />
geweiht, als musizierte<br />
Eucharistie gespielt, auf<br />
Bühnen als Kompensationsritual<br />
asketischer Sexualität kritisiert,<br />
als Fest radikalen Antisemitismus’<br />
verdammt –darüber<br />
hinaus ist das Bühnenweihfestspiel<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ in der spöttischen<br />
Etikettierung Friedrich<br />
Nietzsches der „Operettenstoff<br />
par excellence“; Nietzsche stellt<br />
nicht nur die Frage „war dieser<br />
,<strong>Parsifal</strong>‘ überhaupt ernst gemeint?“,<br />
sondern beantwortet<br />
sie auch gleich im Wunsch, dass<br />
es ein „Exzess höchster und<br />
mutwilligster Parodie auf das<br />
Tragische selbst, auf den ganzen<br />
schauerlichen Erden-Ernst<br />
und Erden-Jammer von ehedem,<br />
auf die endlich überwundene<br />
dümmste Form in der Widernatur<br />
des asketischen<br />
Ideals“ sei. Dabei ist die<br />
Schlussformel weniger terminiert,<br />
als sie einen mit verklärenden<br />
Klängen erfüllten Raum<br />
des Ungewissen öffnet: „Höchsten<br />
Heiles Wunder: /Erlösung<br />
dem Erlöser!“ Dieses rätselhafte<br />
Diktum, das sich noch nicht in<br />
Wagners Prosaentwurf von<br />
1865 findet, kann sich auf den<br />
durch den Speer erlösten Amfortas<br />
beziehen, auf Christus, da<br />
sein Blut nun aus den sündigen<br />
Händen Amfortas’ befreit ist<br />
oder auf <strong>Parsifal</strong> als Erlöser, der<br />
ja nach langer irrender Wanderschaft<br />
fortan seiner Bestimmung<br />
nachgehen kann. Bedeutet<br />
der finale Erlösungsruf nun<br />
Kritik an allen Systemen, die<br />
das Leiden des individuellen<br />
Menschen nicht wahrnehmen?<br />
Dieser am Ende postulierte Erlösungsimperativ,<br />
der im akustisch<br />
weiß strahlenden Klanglicht<br />
motivisch nichts Neues<br />
Die reine Wahrheit und die Ware Reinheit<br />
Konzeptrahmen der Bayreuther Neuinszenierung des Bühnenweihfestspiels durch Stefan Herheim<br />
postuliert, hat die bekannten<br />
Themen harmonisch gereinigt<br />
und entlässt sie widerspruchslos<br />
in sphärisch lichte Höhen.<br />
Dabei ist dieser „<strong>Parsifal</strong>“ in<br />
ein irdisch enges Netz aus Geschichte<br />
verstrickt, das einschnürende<br />
Knotenpunkte aufweist:<br />
Einerseits wird ihm beispielsweise<br />
von Hans Küng religiös<br />
innere Friedensbotschaft<br />
und erlösende Versöhnung attestiert,<br />
die dann zum „Mitleid<br />
mit den leidenden Menschen<br />
[…] zum neuen Dienst in der<br />
Welt führen“, andererseits<br />
wurden Hitlers Verbrechen als<br />
reale Umsetzung des reinen<br />
Blut-Kultes (miss-)verstanden:<br />
„Sein Millionenmord an den<br />
europäischen Juden wurde zur<br />
bleibenden Spur, die Wagners<br />
,<strong>Parsifal</strong>‘ in der Geschichte hinterlassen<br />
hat“, schreibt Joachim<br />
Köhler in seinem reißerisch titulierten<br />
Buch „Wagners Hitler.<br />
Der Prophet und sein Vollstrecker“.<br />
Überzeitliche Utopie<br />
einer besseren Welt versus ideologische<br />
Wegbereitung der historischen<br />
Katastrophe: Die Kluft<br />
der Lesarten könnte nicht gewaltiger<br />
sein –doch in genau<br />
diesem Spannungsriss liegt das<br />
Kraftfeld des Werkes. Es ist eine<br />
vierköpfige Chimäre: ein Bühnen-Weih-Fest-Spiel,<br />
das irgendwo<br />
zwischen phantastischem<br />
Theater, religiösem Kult,<br />
mythischer Feier und lehrreicher<br />
Unterhaltung oszilliert,<br />
aber auf keinen Fall eine gemeine<br />
Oper werden sollte. Die<br />
Nachwirkungen dieser „<strong>Parsifal</strong>“-Aspekte<br />
beeinflussen bis<br />
heute das Hören von Wagners<br />
Musik und manifestieren in der<br />
Formel „Erlösung dem Erlöser!“<br />
daher auch eine auf das Werk<br />
selbst zu beziehende Notwendigkeit.<br />
Mit Wagners letztem Bühnenwerk<br />
soll eine radikale<br />
Legierung von Kunst und Religion,<br />
Ethik und Gesellschaft<br />
angestrebt werden. Während<br />
Wagner noch in seinen Zürcher<br />
Kunstschriften 1849/51 erst<br />
einen sozial-radikal-demokratischen<br />
Wandel und dann einen<br />
ästhetischen forderte, meint er<br />
nun in seinen Regenerationsschriften,<br />
dass Musik nicht nur<br />
zur „Erkenntnis der Erlösungsbedürftigkeit“<br />
beitragen kann,<br />
sondern die „Erlösung“ in gewissem<br />
Maße bereits vorwegzunehmen<br />
versteht. Also Wagner<br />
als Erlöser? Es geht ihm um<br />
eine besondere Erlösung –von<br />
Lügen befreit soll eine reine<br />
Wahrheit entstehen, wie schon<br />
der erste Satz seiner Schrift<br />
„Religion und Kunst“ belegt:<br />
„Man könnte sagen, dass da wo<br />
die Religion künstlich wird, der<br />
Kunst es vorbehalten sei den<br />
Kern der Religion zu retten, indem<br />
sie die mythischen Symbole,<br />
welche die erstere im eigentlichen<br />
Sinne als wahr geglaubt<br />
wissen will, ihrem sinnbildlichen<br />
Werthe nach erfasst, um<br />
durch ideale Darstellung derselben<br />
die in ihnen verborgene<br />
tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.“<br />
Während die romantische<br />
Oper „Lohengrin“ ein Bühnenspiel<br />
über menschliche Macht<br />
und Ohnmacht von Glauben<br />
und Vertrauen ist, wird „<strong>Parsifal</strong>“<br />
oft als ideenreiches Weihefest<br />
des vertrauten Glaubens<br />
verstanden. Die reine Wahrheit<br />
mutiert zur Ware Reinheit. Diese<br />
ist nun im besonderen Maße<br />
im „<strong>Parsifal</strong>“ zu finden –nicht<br />
nur weil Kundry Wagners Privatetymologie<br />
formuliert: „Dich<br />
nannt’ ich, tör’ger Reiner, /,Fal<br />
parsi‘, / Dich, reinen Toren:<br />
,<strong>Parsifal</strong>‘.“ Auch über die Erlöserfigur<br />
hinaus wurde und wird<br />
das Werk mit einem Anspruch<br />
an Wahrheit und Reinheit befrachtet,<br />
der lediglich seine<br />
Wurzeln bei Richard Wagner<br />
hat, aber nun seit über 125 Jahren<br />
Früchte trägt und Blüten<br />
treibt.<br />
Im Jahre 1882 lässt Richard<br />
Wagner seinen „<strong>Parsifal</strong>“ mit<br />
einem ausgedehnten Vorspiel<br />
beginnen, indem eine erhaben<br />
irisierende Klangaura über der<br />
durch Synkopen bewegten Ruhe<br />
und schwebenden Unbestimmtheit<br />
im As-Dur des<br />
Abendmahlmotivs strahlt. Der<br />
mystische Abgrund des verdeckten<br />
Orchestergrabens in<br />
Bayreuth mischt die schillernden<br />
Klangfarben zu einer Vision<br />
für die Ohren, die Wagner dann<br />
in einer Notiz für eine Privataufführung<br />
für Ludwig II. (12.<br />
November 1880 München) mit<br />
„Liebe –Glaube–: Hoffen?“ versprachlicht<br />
hat. Dieser Mischklang<br />
ist nicht verortbar; doch<br />
die sinnliche Wahrnehmung ist<br />
beseelt und es verlangt einen<br />
nicht nach der Analyse, die Instrumente<br />
individuell herauszuhören.<br />
Dieses eröffnende Moment<br />
ist lediglich musikalischer<br />
Ausdruck eines vielschichtigen<br />
Synkretismus, einer Vermischung<br />
von philosophischen<br />
Voraussetzungen und religiös<br />
symbolischen Bedingungen, die<br />
Wagners letztes Werk auf vielfache<br />
Art bestimmen – oder<br />
vielmehr im Unbestimmbaren<br />
vergegenwärtigen.<br />
Vergegenwärtigung impliziert<br />
eine Auflösung der Grenzen<br />
von Vergangenheit und<br />
Gegenwart, von Symbol und<br />
Konkretem, von Tod und Leben.<br />
Im christlichen Kontext<br />
steht dabei die Abendmahlfeier<br />
im Zentrum; bei Wagner erklingt<br />
diese Verschränkung von<br />
menschlichem Tod und Teilhabe<br />
am ewigen Leben durch die<br />
Enthüllung des Grales in symbolträchtiger<br />
Umkehrung: „Blut<br />
und Leib der heil’gen Gabe /<br />
wandelt heut’ zu eurer Labe /<br />
sel’ger Tröstung Liebesgeist /in<br />
den Wein, der euch nun floß, /<br />
in das Brot, das heut’ ihr<br />
speist.“ Diese Wandlung stärkt<br />
die irdische Kraft der Ritter<br />
durch konkrete Nahrung und<br />
nicht deren geistige durch spirituelle<br />
Zeichen. Die geheiligten<br />
Maßnahmen stehen hier im<br />
Dienst des Kompensationsprogramms<br />
eines korrumpierten<br />
Glaubens, der auch musikalisch<br />
mitreißend marschiert.<br />
Leben und Tod sind bei Richard<br />
Wagner biographisch auf<br />
besondere Weise miteinander<br />
verknüpft. Er betonte in einem<br />
Brief an König Ludwig II. die<br />
Bedeutung, „die Stätte genau<br />
zu kennen und täglich zu pflegen,<br />
die uns zur göttlichen Ruhe<br />
empfangen soll“. Damit war<br />
das Grab für ihn und Cosima<br />
gemeint, das sich von Anfang<br />
an hinter dem großen Rund im<br />
Garten seiner dreigeschossigen<br />
luxuriösen Familienvilla am<br />
Bayreuther Hofgarten befand.<br />
Wagner hatte das Domizil für<br />
seine Familie selbst entworfen<br />
und mit abgeänderten Plänen<br />
des Architekten Wilhelm Neumann<br />
vom Baumeister Carl<br />
Wölfel bis zum Frühjahr 1874<br />
errichten lassen. Über dem<br />
Hauseingang ließ Wagner eine<br />
Erlösung verheißende Inschrift<br />
anbringen: „Hier wo mein<br />
Wähnen Frieden fand –Wahnfried<br />
–sei dieses Haus von mir<br />
benannt.“ Im Zentrum war die<br />
oft als Konzertraum dienende<br />
Halle angelegt, in der über viele<br />
Jahre auch die Festspielproben<br />
stattfanden. Daran schloss sich<br />
der große Saal an, der als re-<br />
präsentativer Wohn-, Bibliotheks-<br />
und gerade zu Festspielzeiten<br />
illustrer Empfangsraum<br />
diente und dessen Rotunde den<br />
Blick in den Garten freigab, in<br />
dem sich die Stätte zur göttlichen<br />
Ruhe, das zunächst noch<br />
leere Grab, befand und nun<br />
seiner Bestimmung gehorchend<br />
immer noch befindet.<br />
Als musiktheatraler Reifungsprozess<br />
über Leben und<br />
Tod erzählt „<strong>Parsifal</strong>“ die Geschichte<br />
eines reinen Toren, der<br />
Auswirkungen von Gewalt zu<br />
erkennen und somit seine eigene<br />
Biographie zu reflektieren<br />
lernt. Betrachtet man diese Reflektion<br />
als einen kulturgeschichtlichen<br />
Prozess im Spiegel<br />
einer kollektiven Identitätsund<br />
Heilssuche, so erscheint<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ als die Geschichte<br />
einer Nation, die sich auch politisch<br />
immer wieder Erlöserfiguren<br />
verschrieben hat und nun<br />
Vergangenheiten aufarbeiten<br />
muss, soll die Zukunft zu einer<br />
scheinbar erlösten Gegenwart<br />
werden. Das Bühnenweihfestspiel<br />
löst am Ende alle Subjektivität<br />
auf und strahlt so in absoluter<br />
Reinheit, doch die<br />
Sehnsucht nach Identität treibt<br />
das Prinzip der mitleidigen Erlösung<br />
auf immer wieder neue<br />
Weise aus. Somit ist „<strong>Parsifal</strong>“<br />
auch die Geschichte einer globalen<br />
Gesellschaft, die sich bis<br />
auf den heutigen Tag kollektive<br />
Erlösung und Frieden vom individuellen<br />
Wähnen in Bayreuth<br />
erhofft.<br />
Das Scharnier dieser vermeintlich<br />
erlösenden Opernkonstruktion,<br />
die Wagner als<br />
Bühnenweihfestspiel zusammengeschraubt<br />
hat, ist der<br />
Gral. Auf <strong>Parsifal</strong>s Frage „Wer<br />
ist der Gral?“ antwortet Gurnemanz:<br />
„Das sagt sich nicht; /<br />
doch bist du selbst zu ihm erkoren,<br />
/ bleibt dir die Kunde<br />
unverloren. –/Und sieh’! –/<br />
Mich dünkt, dass ich dich recht<br />
erkannt: / kein Weg führt zu<br />
ihm durch das Land /und niemand<br />
könnte ihn beschreiten, /<br />
den er nicht selber möcht’ geleiten.“<br />
Jenseits von Sprache<br />
hat sich also das Wunder des<br />
Grals zu vollziehen; das Nicht-<br />
Sagbare nimmt Gestalt für den<br />
Auserwählten an. Mehr noch –<br />
die physische Welt des tatsächlichen<br />
Schreitens entspricht<br />
nicht mehr der Erfahrung,<br />
wenn <strong>Parsifal</strong> staunt: „Ich<br />
schreite kaum, –/doch wähn’<br />
ich mich schon weit.“ Gurnemanz<br />
bestätigt ihm diese Auflösung<br />
der uns seit Kant als<br />
reine Anschauungen vertrauten<br />
Kategorien, die für unser Denken<br />
konstituierend sind: „Du<br />
sieh’st mein Sohn, /zum Raum<br />
wird hier die Zeit. /Nun achte<br />
wohl; und lass mich seh’n, /<br />
bist du ein Tor und rein, /<br />
welch Wissen dir auch mag beschieden<br />
sein. –“ Das rationale<br />
Denken ist nicht die angestrebte<br />
Art der Erfahrung, sondern<br />
vielmehr ein Verschmelzen von<br />
Ästhetik und Ethik: Die Entgrenzung<br />
der Rationalität ist<br />
die Voraussetzung für eine Begegnung<br />
mit dem Gral. Gurnemanz’<br />
Antwort verquickt<br />
sprachlich das Sehen mit dem<br />
Wissen –eine zentrale Zusammenfügung,<br />
da es im ganzen<br />
Stück nicht nur um die sinnliche<br />
Wahrnehmung durch die<br />
Augen, das visuelle Sehen,<br />
geht, sondern auch um „visio“,<br />
die Erkenntnis –dem etymologischen<br />
Ursprung des Wortes<br />
„Wissen“. Das Sehen und Verstehen,<br />
die Perspektivierung<br />
und die daraus destillierte Erkenntnis<br />
strukturieren das gesamte<br />
Werk, doch besonders<br />
eng ist das Netz aus Sehen und<br />
Erkennen zwischen <strong>Parsifal</strong><br />
und den ihn belehrenden Gurnemanz<br />
geknüpft. Als der junge<br />
Held den Schwan erlegt hat,<br />
schlicht weil er es vermag, ermahnt<br />
ihn Gurnemanz: „Hier –<br />
schau’ her! –hier traf’st du ihn:<br />
/dastarrt noch das Blut, matt<br />
hängen die Flügel; / das<br />
Schneegefieder dunkel befleckt,<br />
–/gebrochen das Aug’,<br />
siehst du den Blick? / Wirst<br />
deiner Sündentat du inne? –/<br />
Sag’, Knab’! Erkennst du deine<br />
große Schuld? /Wie konntest<br />
du sie begeh’n?“ <strong>Parsifal</strong> soll<br />
sich seine Tat ansehen („schau’<br />
her!“), die ebenfalls mit einer<br />
visuellen Metaphorik versinnbildlicht<br />
wird: das gebrochene<br />
Auge des toten Tieres, der starre<br />
Blick. Aus dieser optisch<br />
sinnlichen Erfahrung soll sich<br />
nun eine ethische Erkenntnis<br />
gewinnen lassen – die von<br />
Sünde und Schuld. <strong>Parsifal</strong> be-<br />
Fortsetzung auf Seite 5
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 5<br />
Fortsetzung von Seite 4<br />
antwortet Gurnemanz’ Frage<br />
nach dem Erkennen von Schuld<br />
wie auch alle weiteren nach<br />
Herkunft und Name mit „Das<br />
weiß ich nicht.“ Sehen und<br />
Wissen haben sich bei ihm<br />
noch nicht verbunden. Das ändert<br />
sich auch durch die folgende<br />
Gralsenthüllung nicht.<br />
Bloßes Sehen genügt nicht; so<br />
hofft Gurnemanz am Ende des<br />
ersten Aufzugs vergeblich, die<br />
optische Wahrnehmung und<br />
das intellektuelle Verstehen<br />
<strong>Parsifal</strong>s gleichzusetzen:<br />
„Weißt du, was du sah’st?“<br />
Wissen und Vision sind noch<br />
zwei Kreise, deren Schnittmenge<br />
<strong>Parsifal</strong> bislang nicht betreten<br />
hat. Im Erleben der Aufführung<br />
wird genau dieses Moment<br />
an den Zuschauer weitergegeben:<br />
Das Sehen und das<br />
Erkennen müssen sich erst annähern;<br />
das Auge wird zur<br />
Membran, durch die Vision und<br />
Wissen verbunden sind: Das<br />
Auge als Seelenspiegel, durch<br />
den wir in das Innere blicken<br />
können und das Auge als Sinnesorgan,<br />
mit dem wir die Welt<br />
erkennen können.<br />
Wagner ist davon überzeugt,<br />
mit seiner Kunst hinderliche<br />
Kategorien ausrotten zu können.<br />
Er schreibt bereits 1859 an<br />
Mathilde Wesendonk:<br />
„Nun denken Sie meine Musik,<br />
die mit ihren feinen, feinen,<br />
geheimnisvoll-flüssigen<br />
Säften durch die subtilsten<br />
Poren der Empfindung bis auf<br />
das Mark des Lebens eindringt,<br />
um dort alles zu überwältigen,<br />
was irgend wie Klugheit und<br />
selbstbezogene Erhaltungskraft<br />
sich ausnimmt, alles hinwegschwemmt,<br />
was zum Wahn der<br />
Persönlichkeit gehört, und nur<br />
den wunderbar erhabenen<br />
Seufzer des Ohnmachtsbekenntnisses<br />
übrigläßt –: wie<br />
soll ich ein weiser Mann sein,<br />
wenn ich nur in solch rasendem<br />
Wahnsinn ganz zu Hause<br />
bin?“<br />
Aus der Macht des wahnsinnigen<br />
Wissens wird so die<br />
Ohnmacht des erhabenen<br />
Glaubens, Liebens, Hoffens.<br />
<strong>Parsifal</strong> wird daher auch nicht<br />
durch Belehrung eines Wissenden<br />
welthellsichtig, sondern<br />
durch Empathie; der Kuss wirkt<br />
als Katalysator. Wagner notiert<br />
nach 1880 folgende Erläuterung:<br />
„Nicht das Licht, welches<br />
von außen die Welt beleuchtet,<br />
ist Gott, sondern das Licht,<br />
welches wir aus unserem Inneren<br />
auf sie werfen: d. i. Erkenntnis<br />
durch Mitgefühl.“<br />
Nachdem er durch den Kuss die<br />
Wunde Amfortas’ fühlte und<br />
eine Verbindung von Vision<br />
und Wissen spürt, fragt <strong>Parsifal</strong><br />
deutlich: „Erlöser! Heiland!<br />
Herr der Huld! /Wie büß ich<br />
Sünder meine Schuld?“ Doch<br />
Kundry antwortet ihm mit<br />
einer Perspektivverschiebung:<br />
„Gelobter Held! Entflieh’ dem<br />
Wahn! /Blick’ auf! Sei hold der<br />
Huldin Nah’n!“ Es ist nicht der<br />
gesenkte Blick des reuigen<br />
Sünders, sondern das mutige<br />
Aufschauen zur sich hingebenden<br />
Frau, das <strong>Parsifal</strong> von der<br />
Verknüpfung von Sehen und<br />
Wissen emanzipieren könnte.<br />
Doch diese Möglichkeit wird<br />
nicht als solche klar definiert –<br />
erotische Liebeserfüllung als<br />
Schlüssel zur männlichen Erlösung<br />
oder als Aufhebung des<br />
Sündenfalls durch weibliche<br />
Emanzipation bleiben weitgehend<br />
unkomponierte Andeutungen.<br />
Es gilt vielmehr, in der<br />
Schnittmenge von Vision und<br />
Wissen zur Tat zu schreiten,<br />
daher schließt der Aufzug mit<br />
den von <strong>Parsifal</strong> an die abgewiesene<br />
Kundry gerichteten<br />
Worten: „Du weißt – wo du<br />
mich wieder finden kannst!“<br />
Dieses „wo“ ist allerdings offen<br />
zu lesen, denn in Titurel,<br />
Gurnemanz, Klingsor, Amfortas,<br />
<strong>Parsifal</strong> und den Knappen<br />
wird eine Männlichkeit aufgefächert,<br />
die sich bewusst<br />
glaubt, doch immer wieder ihre<br />
eigene Unzulänglichkeit erfährt<br />
in dem Wunsch nach Erlösung.<br />
Nietzsche notiert in seinem<br />
„Fall Wagner“: „Wagner hat<br />
über nichts so tief wie über die<br />
Erlösung nachgedacht: seine<br />
Oper ist die Oper der Erlösung.<br />
Irgendwer will bei ihm immer<br />
erlöst sein: bald ein Männlein,<br />
bald ein Fräulein –dies ist sein<br />
Problem.“ Dabei wird es bei jeder<br />
Aufführung dieser Werke<br />
zu unserem Problem! Das romantische<br />
Kunstideal ist längst<br />
versunken, die Kultur des Bürgertums<br />
ist in zwei Weltkriegen<br />
zusammengebrochen, eine<br />
maßlose Aufklärung in der Zuschauerrealität<br />
steht der verzaubernden<br />
Verklärung der<br />
Bühnenidealität entgegen. Und<br />
in dieser Kluft von Historie und<br />
Gegenwart wird die Geschichte<br />
des und um „<strong>Parsifal</strong>“ positioniert.<br />
Kaiser Wilhelm II. fertigte<br />
bereits 1901 nach einer Begegnung<br />
mit Houston Stewart<br />
Chamberlain eine ergänzende<br />
Zeichnung für das von Gustav<br />
Heinrich Eberlein erbaute<br />
Wagner-Denkmal im Berliner<br />
Tiergarten an: Der Kaiser fügte<br />
die Figur Wolfram von Eschenbachs,<br />
Autor des mittelalterlichen<br />
Epos „Parzival“, mit seiner<br />
Lyra aus „Tannhäuser“ zu<br />
Füßen des über Lorbeerkranz<br />
und Eichenzweig thronenden<br />
Richards hinzu. Während Figuren<br />
aus „Der Ring des Nibelungen“<br />
und „Tannhäuser“ das<br />
monumentale Denkmal am Sockel<br />
verzieren, mag die Abwesenheit<br />
jeder Referenz an den<br />
Kosmos des letzten Meisterwerkes<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ überraschend<br />
sein. Doch noch ist dieses ja<br />
nicht in die Welt hinausgezogen,<br />
sondern nur im Bayreuther<br />
Festspielhaus zu erleben.<br />
Mit dem Erlöschen der Schutzfrist<br />
am 1. Januar 1914 setzt<br />
eine <strong>Parsifal</strong>omanie unmittelbar<br />
vor Ausbruch des Ersten<br />
Weltkrieges ein. Schon in der<br />
Silvesternacht wurde das Werk<br />
in Barcelona auf Italienisch<br />
aufgeführt, es folgten Vorstellungen<br />
in Berlin, Prag, Bremen,<br />
Breslau, Kiel und in rasanter<br />
Folge auf über 40 Bühnen im<br />
In- und Ausland –künstlerisch<br />
verbrüderte sich die europäische<br />
Welt, um das Bühnenweihfestspiel<br />
zu zelebrieren,<br />
doch anstelle eines neuen Zeitenanbruchs<br />
wurde mit dem<br />
Kriegsausbruch eine kulturelle<br />
Bankrotterklärung unterzeichnet.<br />
Am 4. August 1914 versammelte<br />
Kaiser Wilhelm II. in Berlin<br />
die Führer der Parteien des<br />
Reichstages um sich und erklärte<br />
in seiner Thronrede: „…<br />
uns beseelt der unbeugsame<br />
Wille, den Platz zu bewahren,<br />
auf den Gott uns gestellt hat,<br />
für uns und alle kommenden<br />
Geschlechter.“ Die sakralisierte<br />
Formulierungslust wird sogar<br />
noch weitergeführt, wenn er<br />
von „brüderlichem Zusammenstehen“<br />
schwärmt und sich in<br />
steigender Mehrsilbigkeit Paarausdrücke<br />
bedient: „Nach dem<br />
Beispiel unserer Väter, fest und<br />
getreu, ernst und ritterlich,<br />
demütig vor Gott und kampfesfroh<br />
vor dem Feind, so vertrauen<br />
wir der ewigen Allmacht,<br />
die unsere Abwehr stärken und<br />
zu gutem Ende lenken wolle!“<br />
Der Sprachgestus hat durch<br />
Begriffe wie „beseelt“, „brüderlich“,<br />
„kampfesfroh“, „fest und<br />
getreu“, „ernst und ritterlich“<br />
sowie „demütig vor Gott“ einen<br />
kräftigen Beigeschmack der<br />
ernsten Ritter im ersten<br />
„<strong>Parsifal</strong>“-Aufzug, die vom Gral<br />
gestärkt mit den Worten: „froh<br />
im Verein, /brudergetreu /zu<br />
kämpfen mit seligem Mute!“ in<br />
die Welt ziehen, „treu bis zum<br />
Tod, /fest jedem Müh’n, /zu<br />
wirken des Heilands Werke!“<br />
Die mit christlichen Symbolen<br />
aufgefüllte Sendungswelt der<br />
Ritter dient dem Kaiser ebenso<br />
wie Wagner als Folie einer<br />
Aufgabenstellung. Ebenso wie<br />
Wilhelms deutsche Ritter mit<br />
den national geweihräucherten<br />
Worten in die Katastrophe des<br />
Ersten Weltkriegs geführt wurden,<br />
marschieren die Gralsritter<br />
hinaus in die Welt. Diese<br />
umgibt aber durch den Rahmen<br />
von Wagners avantgardistisch<br />
komplexer Musik eine<br />
moderne Brüchigkeit, die in<br />
Spannung zu dem weich wabernden<br />
Text steht. Das<br />
schwülstige Libretto ist der<br />
Versuch, in sprachlicher Heiligkeit<br />
etwas festzuhalten, dessen<br />
Grenzen musikalisch längst<br />
aufgelöst sind. Der Erste Weltkrieg<br />
beendet die Festspiele<br />
1914 vorzeitig: Nachdem am<br />
28. Juli Österreich Serbien den<br />
Krieg erklärte, folgte Deutschland<br />
mit einer Kriegserklärung<br />
an Russland am 1. August. An<br />
diesem Tag wurden die damaligen<br />
Festspiele mit „<strong>Parsifal</strong>“<br />
nach nur acht Abenden abgebrochen.<br />
Bei den Kriegserklärungen<br />
Deutschlands an Frankreich<br />
am 3. August und Englands<br />
an Deutschland am 4.<br />
August ist schon alles im Aufbruch:<br />
Das letzte und vermeintlich<br />
heiligste Werk Wagners<br />
untermalt den Untergang einer<br />
Gesellschaft; die Gralsglocken<br />
läuten zum millionenfachen<br />
Totengebet.<br />
Nach den gescheiterten Emanzipationsversuchen<br />
der Götter,<br />
Helden und Zwerge in der „Götterdämmerung“<br />
wird nun im<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ anstelle der Menschendämmerung<br />
die Erlösungsgeschichte<br />
des Mannes<br />
vermittelt. Dabei ist eine relevante<br />
Unterscheidung zu machen:<br />
Emanzipation bezieht<br />
sich begrifflich auf die Selbstbefreiung<br />
aus akzeptierter Autorität<br />
und strebt damit eine<br />
Freiheit vom gesellschaftlichen<br />
Zwang an: „Alle Emanzipation<br />
ist Zurückführung der menschlichen<br />
Welt, der Verhältnisse,<br />
auf den Menschen selbst“, definierte<br />
Karl Marx 1844. Erlösung<br />
hingegen bezieht sich auf<br />
eine Fremdbefreiung aus einer<br />
Not – der ersehnte Heilszustand<br />
wird durch eine höhere<br />
Macht gnädig gewährt. Vision<br />
und Wissen sind also nur bedingt<br />
deckungsgleich geworden<br />
–anstelle des Klärens tritt das<br />
Verklären. Daher wird am Ende<br />
des Werkes das Gralsthema<br />
musikalisch widerspruchslos in<br />
einer harmonischen Auflösung<br />
gereinigt: Der Glauben in seiner<br />
entmenschlichen Transzendenz<br />
ist gerettet. Aus der<br />
Erlösungsnot erwächst der<br />
Gegenstand der Hoffnung, der<br />
nun im letzten orchestralen<br />
Höhepunkt in irisierenden<br />
Klangfarben schillert. Diese<br />
entschwinden den irdischen<br />
Blicken und Erkenntnissen so<br />
wie ein Regentropfen, der sich<br />
in die Wolke zurückzieht und<br />
in dem sich trotz seiner Winzigkeit<br />
die Höhe des Himmels<br />
und die Weite der Ozeane spiegeln.<br />
Das kulturell verunreinigte<br />
Wasser der Religion meint<br />
Wagner durch den Ritus seiner<br />
Kunst geklärt zu haben – aus<br />
den mythischen Quellen<br />
scheint so die wahre Reinheit<br />
der Erlösung zu sprudeln.<br />
Das heiligste seiner Werke<br />
klingt ohne Frage phänomenal<br />
in Bayreuth, da es in genauer<br />
Kenntnis der Festspielhausakustik<br />
geschrieben wurde.<br />
Heilig ist „<strong>Parsifal</strong>“ in Bayreuth<br />
von daher im etymologischen<br />
Sinne des Wortes: Es bezeichnet<br />
eigentlich etwas Heiles, etwas<br />
Ganzes. Doch die Verknüpfung<br />
von Heiligkeit, Bestimmung<br />
und weltlicher Korruption<br />
bedrängt die handelnden<br />
Personen im „<strong>Parsifal</strong>“ der<br />
Bühnenidealität ebenso wie die<br />
Menschen einer historischen<br />
Realität und des ästhetischen<br />
Präsens. Es besteht allerdings<br />
die eine ungebrochene Hoffnung,<br />
dass die soziale Funktion<br />
von Kunst in ethischer und ästhetischer<br />
Hinsicht den Menschen<br />
erneuern kann. Damit<br />
wäre Erlösung eine bühnenweihfestspielige<br />
Form des Revolutionsbegriffes,<br />
den Wagners<br />
Denken von jeher geprägt<br />
hat – eine ästhetisch sakralisierte<br />
Umwälzung, die mit<br />
einem Hoffen im Vorspiel beginnt<br />
und einem anderen Hoffen<br />
endet. Es beginnt mit der<br />
Ware Reinheit, für die Opfer<br />
gebracht werden, und endet<br />
mit der wahren Hoffnung auf<br />
Reinheit, deren ungebrochener<br />
Liebesgedanke Erlösung bringen<br />
kann. Nimmt man nun <strong>Parsifal</strong><br />
nicht als eine künstliche<br />
Ersatz-Erlösung, sondern vielmehr<br />
die Ausgestaltung dieser<br />
Erlösungsbedürftigkeit, Erlösungsmöglichkeit<br />
und Erlösungsfähigkeit<br />
als Potenzial der<br />
entfremdeten Menschen untereinander<br />
trotz Mythen, Ideologien,<br />
Religionen, Historie –und<br />
trotz des gesamtkunstwerklichen<br />
Bühnenweihfestspiels,<br />
dann erst kommen wir bei uns<br />
an. Und das im Theater.
Nordbayerischer Kurier<br />
6 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
Daniel Roche<br />
Das Bett ist kein Möbelstück<br />
wie jedes andere. Seitdem er<br />
das harte Lager des Nomaden<br />
verlassen hat, verbringt der<br />
Mensch ein Drittel seines Lebens<br />
im Bett – bei 60 Jahren<br />
sind das etwa 20.000 Stunden<br />
– und im allgemeinen spielen<br />
sich dort auch die ersten und<br />
letzten Augenblicke seines Daseins<br />
ab. Von der Wiege bis<br />
zum Grab –die Ethnologen haben<br />
seit langem schon die<br />
Hauptetappen dieses Weges,<br />
der Arm und Reich gemeinsam<br />
ist, abgesteckt: die Schaukelbettchen<br />
und Brutkästen der<br />
Geburtsstunden, die improvisierte<br />
Schlafgelegenheit und<br />
das Prunkbett, das Liebeslager<br />
und das Ehebett, die Matratzengruft<br />
des Kranken und das<br />
Sterbelager. Aber Bett ist nicht<br />
gleich Bett. Das Schicksal kann<br />
einen in ein weiches Himmelbett<br />
verschlagen oder auf einen<br />
unförmigen Strohsack, auf eine<br />
lieblose Pritsche oder in ein<br />
ausgesprochenes Lotterbett, in<br />
eine Koje oder eine Falle. Kurz,<br />
für ein derart gebräuchliches<br />
Möbelstück wie das Bett steht<br />
eine Vielzahl von Wörtern bereit,<br />
die die Vorstellungskraft in<br />
Gang setzen.<br />
Seine Geschichte allerdings<br />
bleibt noch zu schreiben, denn<br />
seiner Verwendung sind kaum<br />
Grenzen gesetzt. [...] Das Bett<br />
ist ein Dreh- und Angelpunkt<br />
der Existenz. Schlaf, Liebe und<br />
Tod –alles spielt sich hier ab.<br />
Innerhalb der urbanen Zivilisation<br />
ist es die unverzichtbare<br />
Stätte der Erholung, unabding-<br />
Der Mutterkuss<br />
Aus: Dietmar Holland, „Die paradoxe Welt des ,<strong>Parsifal</strong>‘“<br />
Zunächst [...] tritt <strong>Parsifal</strong> als<br />
„blöder, taumelnder Tor“ auf,<br />
wie er sich (im zweiten Aufzug)<br />
einmal selbst nennt. Erkennbar<br />
wird von Anfang an<br />
seine intensive Mutterbindung,<br />
und gerade von Kundry muß<br />
er sich sagen lassen [...], daß<br />
seine Mutter aus Gram über<br />
sein Weggehen gestorben sei.<br />
Wie er dieses Schuldgefühl am<br />
wirksamsten kompensieren<br />
kann –und das scheint wichtiger<br />
zu sein als seine Funktion<br />
des „Erlösers“ –, das ist der<br />
Gegenstand des doppelten Bodens<br />
der Verführung durch<br />
Kundry in der Mitte des zweiten<br />
Aufzugs und damit im<br />
Zentrum der Handlung. Hier<br />
ist es die spezielle Aufgabe der<br />
Verführerin, ihm, dem unerfahrenen<br />
Knaben, zugleich<br />
Mutter und Hure zu sein, um<br />
zum Ziel zu kommen. Unter<br />
dem Deckmantel der Moral<br />
spielt Kundry ein böses Spiel:<br />
Sie ruft ihn bei seinem Namen,<br />
also bei seiner verschütteten<br />
Identität, provoziert damit sein<br />
Erlebnis des déjà vu, aber nicht<br />
um seiner selbst willen, auch<br />
nicht als Mutterersatz, sondern<br />
aus ihrem egoistischen Trieb<br />
heraus, den sie nach außen hin<br />
so rechtfertigt: „Das Wehe, das<br />
dich reut, die Not nun büße im<br />
Trost, den Liebe dir beut!“ Was<br />
sie aber wirklich will und warum<br />
sie sich des Mittels bedient,<br />
die Verführung sowohl<br />
auf psychischer wie auf physischer<br />
Ebene durchzuführen –<br />
sie „weiss die zartesten Saiten<br />
seiner Empfindung durch trau-<br />
Erster Aufzug<br />
lich-feierliches Berühren seiner<br />
Kindheitserinnerungen erzittern<br />
zu machen“ (Prosaentwurf)<br />
und gibt ihm den ersten<br />
Kuß seines Lebens „als Muttersegens<br />
letzten Gruß“ (!) –<br />
weshalb sie also gerade den<br />
unbescholtenen Toren die körperliche<br />
Liebe lehren will, ist<br />
die Ahnung, daß <strong>Parsifal</strong> derjenige<br />
sein könnte, dessen<br />
Keuschheit nicht Schwäche,<br />
sondern Stärke bedeutet. Dennoch<br />
ist sie nicht bereit, den<br />
Verzicht <strong>Parsifal</strong>s auf das Ausleben<br />
der sinnlichen Begierde<br />
mit ihr anzunehmen, obwohl<br />
das ihre einzige Erlösungsmöglichkeit<br />
ist. Die Verführungsszene<br />
gerät zur Paradoxie<br />
einer sinnlich-geistigen Erleuchtung<br />
<strong>Parsifal</strong>s und zwar<br />
bezeichnenderweise bei dem<br />
Eingang zur Erfüllung körperlicher<br />
Liebe: dem Kuß der<br />
Kundry. Es gehört zu Wagners<br />
ingeniösesten Vorwegnahmen<br />
Freudscher Psychoanalyse, daß<br />
er genau diesen Moment ausnutzt,<br />
um die Verquickung von<br />
Mutter- und Frauenliebe zu<br />
Ein Bett für zwei<br />
bar für die Wiederherstellung<br />
der Arbeitskraft; stellt doch die<br />
psychologische Bedeutung der<br />
Nachtruhe die Existenzberechtigung<br />
des Heimes permanent<br />
unter Beweis, die Notwendigkeit<br />
eines Refugiums, das Bedürfnis<br />
nach einer Enklave der<br />
Sicherheit und Ruhe. Das Bett,<br />
ein nicht wegzudenkendes Möbelstück,<br />
wird in der breiten<br />
Bevölkerung, wo der Platz begrenzt<br />
und das Zusammenleben<br />
vieler die Regel ist, zu<br />
einem Symbol der ehelichen<br />
Verbindung, zur letzten Zufluchtstätte<br />
der Intimität, zum<br />
einzigen Ort, wo man dem familiären<br />
Chaos, der ganzen<br />
zeigen. Um so krasser ist die<br />
jähe Wendung des dumpfen<br />
Toren zum Durchschauer des<br />
tragischen Weltengrundes: der<br />
Verstrickung in die blinden<br />
Triebe, wie Schopenhauer sagen<br />
würde. Für Kundry wäre<br />
die gelungene Verführung <strong>Parsifal</strong>s<br />
das Unheil, weiterhin<br />
zum Verführen der Männer<br />
verdammt zu sein. <strong>Parsifal</strong> widersetzt<br />
sich ihrem Liebeswerben<br />
aber nicht eigentlich deswegen,<br />
sondern weil er im<br />
Moment der Sünde blitzartig,<br />
ja suggestiv leibhaftig die<br />
„Wunde“ des Amfortas verspürt,<br />
sich in seine Qualen<br />
hineinversetzt fühlt und geschlechtlich<br />
gesehen, zum Neutrum<br />
erstarrt. Er verspürt drastisches<br />
Mit-Leid mit Amfortas.<br />
Das ist aber kein rationales<br />
Verstehen der Situation, sondern<br />
Identifikation. Damit findet<br />
<strong>Parsifal</strong> seine Identität, und<br />
die ist ihm Ersatz für die Liebe<br />
zwischen Mann und Frau und<br />
zugleich Kompensation der<br />
schuldbeladenen Mutterbindung.<br />
Ich trage dich wie eine Wunde<br />
auf meiner Stirn, die sich nicht schließt.<br />
Sie schmerzt nicht immer. Und es fließt<br />
das Herz sich nicht draus tot.<br />
Nur manchmal plötzlich bin ich blind und spüre<br />
Blut im Munde.<br />
Gottfried Benn: „Mutter“<br />
Unordnung, dem lästigen Lärm<br />
entkommen kann und der den<br />
Namen ‚Privatsphäre‘ wirklich<br />
verdient. [...]<br />
Wenn es auch ganz allgemein<br />
zutreffen mag, daß ein<br />
weiches Bett einen harten<br />
Schlaf bringen kann – die<br />
Spruchweisheit entbehrt nicht<br />
einer gewissen materiellen<br />
Grundlage –, so ist die Qualität<br />
des Schlafes und der Träume<br />
doch in ein Ensemble gesellschaftlich<br />
bedingter Vorstellungen<br />
und Lebensweisen eingebunden.<br />
Wenn die finanziellen<br />
Mittel fehlen, bleibt immer<br />
noch das Hilfsmittel des ‚wilden‘<br />
Komforts, wie ihn die kör-<br />
Der Knabe, den es aus der Enge zu Hause in<br />
den Wald hinaustrieb, um, wie er glaubte,<br />
zu träumen und allein zu sein, erlebte dort die<br />
Aufnahme ins Heer voraus. Im Wald standen<br />
schon die anderen bereit, die treu und wahr<br />
und aufrecht waren, wie er sein wollte, einer<br />
wie der andere, weil jeder gerade wächst, und<br />
doch ganz verschieden an Höhe und Stärke.<br />
perliche Nähe, das –nach Ansicht<br />
der [im 18. Jahrhundert]<br />
um eine Reform der Ideen und<br />
Sitten bemühten Denker –anstößige<br />
Zusammen-Schlafen in<br />
einem Familien- oder Gemeinschaftsbett<br />
verschafft. Der Fortschritt<br />
in den Verhaltensweisen<br />
hängt hierbei eng mit Umbrüchen<br />
zusammen, die ihre<br />
Durchschlagskraft aus der religiösen<br />
und moralischen Neuorientierung<br />
beziehen: Man<br />
vertreibt die Kinder aus dem<br />
Bett der Eltern, die Brüder aus<br />
dem Bett ihrer Geschwister und<br />
aus deren Zimmer; diese materielle<br />
Revolution aber, die eine<br />
‚dritte Wärmesphäre‘, die eigene<br />
Stube nämlich, mit sich<br />
bringt, bedeutet eine tiefgreifende<br />
Umgestaltung im Leben<br />
aller.<br />
Die Erfahrung einer eigenen<br />
Intimsphäre bleibt diesem neuen<br />
historischen Entwicklungsabschnitt<br />
vorbehalten. Man begreift<br />
nun aber, weshalb in früheren<br />
Zeiten die familiäre Bindung<br />
ans Bett verlassene Ehefrauen<br />
und betrogene Gatten<br />
dazu bringen konnte, diesen<br />
unersetzlichen Verlust bei der<br />
Polizei mit den Worten zu monieren:<br />
„Er hat sogar noch sein<br />
Bett versetzt“; „sie hat mich um<br />
mein Bett gebracht“. Im Rahmen<br />
der prekären Intitmität<br />
des Familienlebens breiter<br />
Schichten bedeutete dies, vor<br />
aller Augen deutlich zu bekunden,<br />
daß man mehr verloren<br />
hat, als einfach nur ein Möbelstück:<br />
den eigentlichen Sinn<br />
des zwischenmenschlichen<br />
Kontakts, den Boden des gemeinsamen<br />
Schicksals.<br />
Elias Canetti<br />
Der Knabe<br />
Rainer Maria Rilke<br />
Ich möchte einer werden so wie die,<br />
die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,<br />
mit Fackeln, die gleich aufgegangenen Haaren<br />
in ihres Jagens großem Winde wehn.<br />
Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,<br />
groß und wie eine Fahne aufgerollt.<br />
Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,<br />
der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht<br />
zehn Männer aus derselben Dunkelheit<br />
mit Helmen, die, wie meiner, unstät sind,<br />
bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.<br />
Und einer steht bei mir und bläst uns Raum<br />
mit der Trompete, welche blitzt und schreit,<br />
und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,<br />
durch die wir rasen wie ein rascher Traum:<br />
Die Häuser fallen hinter uns ins Knie,<br />
die Gassen biegen sich uns schief entgegen,<br />
die Plätze weichen aus: wir fassen sie,<br />
und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.<br />
Kindlich-erhaben<br />
Aus: Thomas Mann,<br />
„Leiden und Größe<br />
Richard Wagners“<br />
Das Kindliche mit dem Erhabenen<br />
zu vereinigen, mag großer Kunst<br />
auch sonst wohl gelungen sein;<br />
die Vereinigung aber des Märchentreuherzigen<br />
mit dem Ausgepichten,<br />
der Kunstgriff, das<br />
Hochgeistige als Orgie des Sinnenrausches<br />
zu verwirklichen<br />
und „populär“ zu machen, die Fähigkeit<br />
das Tiefgroteske in<br />
Abendmahlsweihe und klingenden<br />
Wandlungszauber zu kleiden,<br />
Kunst und Religion in einer<br />
Geschlechtsoper von größter Gewagtheit<br />
zu verkoppeln und derlei<br />
heilige Künstlerunheiligkeit<br />
mitten in Europa als Theater-<br />
Lourdes und Wundergrotte für<br />
die Glaubenslüsternheit einer<br />
mürben Spätwelt aufzutun, –dies<br />
alles ist nur romantisch, es ist in<br />
einer klassisch-humanen, der<br />
eigentlich vornehmen Kunstsphäre<br />
durchaus undenkbar. Der Personenzettel<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“ –was<br />
für eine Gesellschaft im Grunde!<br />
[...] Ein von eigener Hand entmannter<br />
Zauberer; ein desparates<br />
Doppelwesen aus Verderberin<br />
und büßender Magdalena mit kataleptischenÜbergangszuständen<br />
zwischen beiden Existenzen;<br />
ein liebessicherer Oberpriester,<br />
der auf Erlösung durch einen keuschen<br />
Knaben harrt; dieser reine<br />
Tor und Erlöserknabe selbst, [...]<br />
[–] nur die mythisierenden und<br />
heiligenden Kräfte der Musik<br />
verhüllen die Verwandtschaft<br />
[mit der Romantik in extremis]<br />
und ihr pathetischer Geist ist es,<br />
aus dem das Ganze sich nicht [...]<br />
als schaurig-scherzhafter Unfug,<br />
sondern als hochreligiöses Weihespiel<br />
gebiert.<br />
Wagners Albtraum<br />
Aus: Oliver Hilmes, „Herrin des Hügels“<br />
Wollte Richard Wagners „Gesamtkunstwerk“<br />
ursprünglich<br />
das Volk in seiner gesamten<br />
Breite und Vielfalt ansprechen,<br />
hatte Cosima Wagners Bayreuth<br />
mit dieser Vorstellung<br />
nicht mehr viel zu tun. Der<br />
Grüne Hügel wurde zum<br />
Tummelplatz der Reichen und<br />
Mächtigen –eswar die große<br />
Welt, es waren Cosimas Kreise:<br />
Aristokraten und gekrönte<br />
Häupter, Politiker, Diplomaten<br />
und hohe Militärs und nicht<br />
zuletzt der internationale<br />
Geldadel. Richard Wagner hatte<br />
für die von seiner Frau so<br />
geliebten Fürstenhäuser zeitlebens<br />
nur Spott übrig: „Das<br />
sind alles mehr als Gespenster,<br />
Nachkommen von Gespenstern“,<br />
hielt er ihr einmal ent-<br />
gegen. Gleichwohl schien er<br />
den Einzug dieser „Gespenster“<br />
vorausgesehen zu haben –<br />
zumindest im Traum. Cosimas<br />
Tagebuch vom 8. September<br />
1882: „R. hat eine unruhige<br />
Nacht; er träumt von dem<br />
Haus Wahnfried, welches ganz<br />
umgeändert wäre; überall Anordnungen<br />
zu Empfang, und<br />
er, befragt, wer er wäre, worauf<br />
er laut ärgerlich seinen<br />
Namen sage, zugleich in<br />
einem Nebensaal mich lachen<br />
hört, worauf er erwacht.“<br />
Wagners Traum lässt vermuten,<br />
dass er sich insgeheim<br />
gegen diese Entwicklung gewehrt<br />
hätte. Ob sie aufzuhalten<br />
gewesen wäre, wenn er<br />
länger gelebt hätte? Wir wissen<br />
es nicht.<br />
Da ihm die erznen Flügel<br />
dröhnend vor die Füße klirrten,<br />
Fernhin der Gral entwich und Brodem<br />
feuchter Herbstnachtwälder aus dem Dunkel<br />
sprang,<br />
Sein Mund in Scham und Schmerz verirrt,<br />
indessen die Septemberwinde ihn<br />
umschwirrten,<br />
Mit Kindesstammeln jenes Traums<br />
entrückte Gegenwart umrang [...].<br />
Ernst Stadler:<br />
„Parzival vor der Gralsburg“
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 7<br />
Das aus dem Jahre 1862 datierte<br />
Vorwort zur Dichtung des<br />
„Nibelungenrings“ schließt mit<br />
höchst pessimistischen Bemerkungen<br />
über die Möglichkeit,<br />
daß die deutsche Nation aus<br />
eigener Kraft fähig sein könnte,<br />
dem nationalen Kunstwerk, das<br />
Wagner für sie schuf, zum Leben<br />
zu verhelfen. Er hofft –ohne<br />
rechte Überzeugung – auf<br />
eine „Vereinigung kunstliebender,<br />
vermögender Männer und<br />
Frauen“: ein grotesker Zwiespalt<br />
zwischen diesem Plan und<br />
diesem Werk! Er hofft vor allem<br />
auf einen deutschen Fürsten<br />
und schließt mit der Frage:<br />
„Wird dieser Fürst sich finden?“<br />
Man weiß, daß er sich zwei<br />
Jahre später in dem jungen<br />
Bayernkönig Ludwig II. gefunden<br />
hat. Man weiß aber auch,<br />
daß sich Richard Wagner damit<br />
in seinem künstlerischen Wollen<br />
und seinem persönlichen<br />
Handeln von allen Gedanken<br />
und Bestrebungen abgewandt<br />
hatte, die noch bis etwa 1852<br />
seine Weltanschauung und sein<br />
Werk genährt hatten.<br />
Da auch für den Schopenhauerianer<br />
Richard Wagner<br />
trotz aller Weltflüchtigkeitsbewegungen<br />
das gesellschaftliche<br />
Geschehen im Mittelpunkt seiner<br />
Gedanken bleibt, da der<br />
Künstler Richard Wagner undenkbar<br />
wäre ohne diese unaufhaltsame<br />
und fast überscharfe<br />
Reaktion auf die Zeitereignisse,<br />
wirkt sich die neue<br />
Konstellation seines persönlichen<br />
Lebens ebenso entscheidend<br />
auf seine Gedankenwelt<br />
Weißt du, was du<br />
sah’st?<br />
Gurnemanz,<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ I. Aufzug<br />
An<br />
Richard Wagner<br />
Luise Otto<br />
Von einer neuen Oper sprach<br />
man lang,<br />
Voll rauschender Musik und<br />
holdem Sang,<br />
Die Deinen Namen uns<br />
verkündet;<br />
Und alles Neue lockte mich<br />
herbei,<br />
Wenn eines deutschen Namens<br />
Weih'<br />
Sich deutschem Werk verbündet<br />
[...].<br />
Todtbleich und bebend fand ich<br />
mich am Schluß –<br />
Eins wußt ich nur: Es war ein<br />
Genius,<br />
Der mich mit Gottesmacht<br />
bezwungen.<br />
Ein Genius, der mit Titanenkraft<br />
Das Alte stürzte und ein Neues<br />
schafft,<br />
Ein neues Reich errungen. [...]<br />
Dir winkt der Tempel der<br />
Unsterblichkeit,<br />
Die jeden Genius der Zukunft<br />
weiht,<br />
Der seinem Volk vorangegangen.<br />
Es folgt Dir nach zum Reich,<br />
das Du erschaut,<br />
Der Zukunft Kunstwerk wird<br />
einst hoch erbaut<br />
Und Dir geweihet prangen.<br />
Deutscher Komponist seiner Zeit<br />
Aus: Hans Mayer ,„Richard Wagners geistige Entwicklung“<br />
aus wie die neue gesellschaftlich-politische<br />
Konstellation<br />
Deutschlands seit der Mitte der<br />
sechziger Jahre. [...]<br />
Der Deutsch-Französische<br />
Krieg 1870/71 mit der Gründung<br />
des Bismarckschen Reiches<br />
zeigt Richard Wagner als<br />
begeisterten deutschen Patrioten,<br />
aber zugleich auch als entfesselten<br />
deutschen Nationalisten.<br />
Sein im Januar 1871 geschriebenes<br />
Gedicht „An das<br />
deutsche Heer vor Paris“ ist<br />
nicht bloß der Form nach ein<br />
schlechtes Gedicht, sondern<br />
gleichzeitig ein Aufruf zur<br />
schrankenlosen Eroberungspolitik<br />
auf Kosten Frankreichs.<br />
Richard Wagner, der Barrikadenkämpfer<br />
von 1849, komponiert<br />
einen „Kaisermarsch“ für<br />
Wilhelm von Hohenzollern.<br />
[...]<br />
Auch in den letzten Lebens-<br />
Erlösungspause<br />
Hermann Bahr<br />
Nach dem zweiten Akt <strong>Parsifal</strong>;<br />
große Pause. An einem Tisch<br />
die Königin von Württemberg<br />
mit ihren Damen, nebenan ein<br />
munteres Rudel deutscher<br />
Malmädchen, hier Schwenninger<br />
und die Seinen [...], dort<br />
Ludwig v. Hofmann mit den<br />
deutschen Augen, des streitbaren<br />
Michel Georg Conrad wuchtige<br />
Wikingergestalt, Wolzogens<br />
andächtiger Johanneskopf,<br />
Chamberlains fragend<br />
schweigende Miene, Frau von<br />
jahren nimmt Richard Wagner<br />
– er ist nun Sieger, Meister,<br />
Haupt einer Schule, künstlerischer<br />
Diktator des Wagnerianismus<br />
–noch einmal zu großen<br />
weltanschaulichen Fragen<br />
Stellung. Wiederum handelt es<br />
sich um die Zusammenhänge<br />
von „Kunst und Religion“. [...]<br />
Abermals steht das Problem<br />
des Volkes im Mittelpunkt, was<br />
nicht wundernehmen kann,<br />
denn „Volk“ bedeutet für Wag-<br />
ner „Publikum“: daß er sich mit<br />
einem Publikum aus deutschen<br />
Fürsten, Aristokraten und Patriziern<br />
nicht begnügen kann,<br />
hat ihm der finanzielle Mißerfolg<br />
der ersten Bayreuther Festspiele<br />
1876 zu genüge bewiesen.<br />
[...] Also beschäftigt sich<br />
Richard Wagner mit der Erneuerung<br />
des Publikums, was<br />
identisch sein muß mit der Erneuerung<br />
des gesamten kultu-<br />
Heyking, Bettinas Enkelin, der<br />
Erbprinz Hohenlohe, Gräfin<br />
Wydenbruck mit Jesko v. Puttkamer<br />
plaudernd [...], der<br />
hochgewachsene Prinz Max von<br />
Baden [...]. Aber allen ist dies<br />
gemein, dass sie bekennen<br />
müssen, hier etwas ganz Einziges,<br />
mit nichts anderem auf der<br />
Welt zu vergleichendes, nirgends<br />
sonst heute mögliches erlebt<br />
zu haben. [...] Sie haben<br />
ihre tiefe innere Verwandlung,<br />
sie haben die Vereinigung der<br />
empfangenden Gemeinde mit<br />
dem schaffenden Genius erlebt.<br />
Überhaupt Bayreuth, ein leerer Wahn –! Wenn<br />
es nicht um den unvergesslichen „<strong>Parsifal</strong>“<br />
wäre, nach dem meine Sehnsucht ungeheuer<br />
ist, sähe mich wohl Bayreuth nie wieder, und<br />
ich bin sicher, wenn sich Wagner nicht schon<br />
längst in seinem Grab umgedreht hätte,<br />
angeekelt vom Treiben in und um Wahnfried,<br />
er stiege heute noch heraus und flüchtete aus<br />
diesem Ort und erkennte, daß der Frieden<br />
seiner Seele, den er hier zu finden wähnte,<br />
doch nur ein Wahn ––ein Wahnfriede ist!<br />
Alban Berg<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ [...] ist eben, wie das vollendete<br />
Kunstwerk sein soll, jeder Analyse enthoben ...<br />
Malwida von Meysenbug<br />
rellen Lebens. „Publikum und<br />
Popularität“ und „Publikum in<br />
Zeit und Raum“ sind daher für<br />
ihn entscheidende Themen geworden.<br />
Erneuerung des Publikums<br />
bleibt also die Grundfrage.<br />
Aber Wagner sucht sie in<br />
einer Erneuerung der Gesellschaft<br />
durch religiöse Erneuerung<br />
zu finden. Sonderbar<br />
vermischen sich dabei christliche<br />
und schopenhauerianische<br />
Gedankengänge. Ausgerechnet<br />
der diesseitsgerichtete Künstler<br />
und Theatergründer Wagner<br />
bekennt sich zu Schopenhauers<br />
Prinzip, wonach Glückseligkeit<br />
nur dort wohne, „wo es kein<br />
Wo und kein Wann gibt“. Und<br />
so gelangt er zu der höchst widerspruchsvollen<br />
Forderung<br />
einer Erneuerung von Gesellschafts-<br />
und Kunstleben aus<br />
dem Geiste Arthur Schopenhauers!<br />
[...]<br />
Dennoch ist Richard Wagner<br />
– glücklicherweise – immer<br />
wieder nicht bloß schreibender<br />
Kulturkritiker, Essayist, Politiker,<br />
Ratgeber eines Königs,<br />
sondern genialer Künstler, dem<br />
es vor allem um sein Werk<br />
geht. Dieses Werk aber triumphiert<br />
über alle werkgefährdenden<br />
Theorien und weltanschaulichen<br />
Kompromisse. Ein<br />
vollständiger Sieg freilich kann<br />
nicht möglich sein. Die subjektive<br />
Reaktion und philosophische<br />
Wirklichkeitsfeindschaft<br />
hinterlassen seit der Wende<br />
von 1854 auch im künstlerischen<br />
Schaffen des großen<br />
Meisters ihre unverkennbaren<br />
Spuren.<br />
Gesellschaftliche<br />
Festspielbedürfnisse<br />
Aus Michael Karbaums Festspielgeschichte<br />
Die Richard Wagner Festspiele<br />
waren zu jedem Zeitpunkt ihrer<br />
Ideengeschichte, ihrer Praxis<br />
und Wirkung nach Manifest<br />
eines präzisen künstlerischen<br />
Willens und Kunstbetrieb wie<br />
andere Theater auch, zugleich<br />
aber auch auf charakteristische<br />
Weise Widerspiegelung ein es<br />
ganz bestimmten Stufe gesellschaftlichen<br />
Seins – und eben<br />
hier, in der für Bayreuth eigentümlichen<br />
politisch reaktionären<br />
Qualität dieses Urteils liegt<br />
das Unterscheidende und Prekäre.<br />
[...] So fest und sicher das<br />
Werk Richard Wagners dem<br />
Ideengut deutscher Romantik<br />
und des „magischen“ Idealismus,<br />
den Wertvorstellungen<br />
des Liberalismus und –wenigstens<br />
bis 1848 – des romantischen<br />
Antikapitalismus verhaftet<br />
ist, Traditionen, die den<br />
Unser Lohengrin-Walther-<strong>Parsifal</strong><br />
Aus einem Zeitungsartikel von Marcel Habert, 1909<br />
Kaiser Wilhelm hält enschieden<br />
darauf, den ganzen Wagnerzyklus<br />
durchzuprobieren. Im Beginn<br />
seiner Herrschaft ließ er<br />
sich mit dem Ritter Lohengrin<br />
vergleichen, dem geheimnisvollen<br />
Befreier der blonden Elsa,<br />
in der sich Germanien personifiziert.<br />
Nach einem kurzen Abstecher<br />
aufs Kunstgebiet, wo er<br />
sich durch seine vielseitigen Anlagen<br />
zum Maler, Dichter und<br />
Musiker nach Kräften bemüht<br />
zeigte, die Erinnerung an den<br />
Kunsterneuerer Walther aus<br />
den „Meistersingern“ wachzurufen,<br />
sah er sich im Gefolge<br />
des „Fliegenden Holländers“<br />
auf die wogende See hinausgelockt,<br />
in deren Tiefe er durch<br />
seine phantastischen Schiffsbauunternehmungen<br />
einen<br />
tüchtigen Batzen der deutschen<br />
Ersparnisse versenkte. Dann<br />
kam die Reihe an „<strong>Parsifal</strong>“,<br />
den gottbegnadeten Helden<br />
<strong>Parsifal</strong>, den Vertreter Gottes<br />
auf Erden, den mystischen<br />
Schwärmer, den alleinigen Hüter<br />
der hehrsten Wahrheit. Und<br />
nun sehen wir ihn am letzen<br />
Tage des Nibelungenrings! [...]<br />
Götterdämmerung dunkelt herauf!<br />
An das deutsche Volk!<br />
Seit der Reichsgründung ist es<br />
durch 43 Jahre Mein und Meiner<br />
Vorfahren heißes Bemühen gewesen,<br />
der Welt den Frieden zu<br />
erhalten und im Frieden unsere<br />
kraftvolle Entwickelung zu fördern.<br />
Aber die Gegner neiden<br />
uns den Erfolg unserer Arbeit.<br />
Alle offenkundige und heimliche<br />
Feindschaft von Ost und<br />
West, von jenseits der See haben<br />
wir bisher ertragen im Bewußtsein<br />
unserer Verantwortung und<br />
Kraft. Nun aber will man uns<br />
demütigen. Man verlangt, daß<br />
wir mit verschränkten Armen<br />
zusehen, wie unsere Feinde sich<br />
zu tückischem Ueberfall rüsten,<br />
man will nicht dulden, daß wir<br />
in entschlossener Treue zu<br />
unserem Bundesgenossen stehen,<br />
der um sein Ansehen als<br />
Großmacht kämpft und mit dessen<br />
Erniedrigung auch unsere<br />
Macht und Ehre verloren ist.<br />
So muß denn das Schwert<br />
entscheiden. Mitten im Frieden<br />
überfällt uns der Feind. Darum<br />
auf! zu den Waffen! Jedes<br />
Schwanken, jedes Zögern wäre<br />
Verrat am Vaterlande.<br />
Um Sein oder Nichtsein unseres<br />
Reiches handelt es sich, das<br />
unsere Väter sich neu gründeten.<br />
Um Sein oder Nichtsein<br />
deutscher Macht und deutschen<br />
Wesens.<br />
Wir werden uns wehren bis<br />
zum letzten Hauch von Mann<br />
und Roß. Und wir werden diesen<br />
Kampf bestehen auch gegen<br />
eine Welt von Feinden. Noch nie<br />
ward Deutschland überwunden,<br />
wenn es einig war.<br />
Vorwärts mit Gott, der mit<br />
uns sein wird, wie er mit den Vätern<br />
war!<br />
Berlin, den 6. August 1914.<br />
Wilhelm.<br />
zeitüblichen Geniebegriff und<br />
seine individualistischen Denkmuster<br />
ausprägten, so unzweifelhaft<br />
ist es als notwendige<br />
Reaktion im gesamtgesellschaftlichen<br />
Prozeß verankert<br />
und begründet. Gerade deshalb<br />
kann die Geschichte der Wagnerschen<br />
Festspiele nicht länger<br />
als eine isoliert dastehende Erscheinung<br />
mit eigenen Maßstäben<br />
und Gesetzen dargestellt<br />
werden, die außerhalb aller<br />
kulturellen und gesellschaftlichen<br />
Bezugssysteme angesiedelt<br />
sind. Bayreuth war gerade<br />
wegen und trotz seiner exponierten<br />
Stellung stets abhängig<br />
von den realen Bedingungen<br />
und Beziehungen der herrschenden<br />
Gesellschaft und letzten<br />
Endes Verkörperung und<br />
ideologischer Reflex ihrer besonderen<br />
Interessen.<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ 1882 bis 1914<br />
Ungeheuergeburt<br />
Igor Strawinsky<br />
Es ist unmöglich, sich einen<br />
Gläubigen vorzustellen, der sich<br />
dem Gottesdienst gegenüber<br />
kritisch verhält. Das wäre Contradictio<br />
in adjecto, der Gläubige<br />
wäre nicht mehr gläubig. Die<br />
Haltung des Zuschauers aber ist<br />
dem völlig entgegengesetzt,<br />
denn sie wird eben nicht durch<br />
Glauben oder blinde Unterwerfung<br />
bestimmt. Ein Schauspieler<br />
begeistert oder stößt ab, und<br />
das erfordert zunächst, daß man<br />
urteilt. Auch unbewußt nimmt<br />
man nichts ohne Urteil auf und<br />
die Rolle, die dabei der kritische<br />
Sinn spielt, ist sehr wesentlich.<br />
Wer diese Dinge miteinander<br />
verwechselt, beweist nur, daß er<br />
nicht die geringste Unterscheidungsgabe<br />
und untrüglich einen<br />
schlechten Geschmack besitzt.<br />
Aber wie soll man sich über eine<br />
solche Verwechselung in unserer<br />
Zeit wundern, da die siegreich<br />
fortschreitende Verweltlichung,<br />
indem sie unsere geistigen<br />
Werte herabwürdigt und<br />
den menschlichen Geist erniedrigt,<br />
uns unweigerlich zum völligen<br />
Stumpfsinn führt? Allem<br />
Anschein nach wird man sich<br />
indes doch des Ungeheuers bewußt,<br />
das die Welt da bald gebären<br />
soll, und mit Unwillen<br />
stellt man fest, daß der Mensch<br />
ohne einen Kult nicht zu leben<br />
vermag!<br />
Typisches Telegramm<br />
aus Bayreuth:<br />
bereits bereut.<br />
Friedrich Nietzsche
Nordbayerischer Kurier<br />
8 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
Die Kunst ist nur der Spiegel, der einer Zeit vorgehalten ist.<br />
Hermann Raschning<br />
Kunst ist wie ein Spiegel, der „vorausgeht“ wie eine Uhr –manchmal.<br />
Franz Kafka<br />
Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern<br />
ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.<br />
Zweiter Aufzug<br />
Karl Marx<br />
Hymne an die Schönheit<br />
Charles Baudelaire<br />
Kommst Du vom Himmel herab, entsteigst Du den Schlünden?<br />
Aus Deines teuflischen, göttlichen Blickes Schein<br />
Strömen in dunkler Verwirrung Tugend und Sünden,<br />
Schönheit, und darin gleichst Du berauschendem Wein.<br />
Du trägst im Aug‘ der Sonne Sinken und Steigen,<br />
Du birgst den Duft gewitterschwüler Nacht,<br />
Deine Lippen sind leuchtende Schalen, und wenn sie sich neigen,<br />
Haben sie Helden schwach und Kinder zu Helden gemacht.<br />
Entfliehst Du zum Abgrund, steigst auf Du zu himmlischen<br />
Strahlen.<br />
Der bezauberte Geist folgt hündisch der Spur Deines Lichts!<br />
Du schüttest nach Laune Freuden aus oder Qualen,<br />
Beherrschst uns alle und verantwortest nichts.<br />
Du trittst auf Leichen, Schönheit, und lachst unsrer Qualen,<br />
Entsetzen umschmiegt Deine Brust wie Juwelen und Gold,<br />
Auf dem stolzen Leib seh‘ ich zärtlich tanzen und strahlen<br />
Den Meuchelmord, kostbar Geschmeid, dem vor allem Du hold.<br />
Die scheuen Falter Dein Leuchten, Kerze, umschweben,<br />
Die Flamme segnend büßen sie ihr Gelüst,<br />
So gleicht, wer sein Lieb umarmt mit Keuchen und Beben,<br />
Dem Todgeweihten, der seine Bahre küßt.<br />
Ob Du vom Himmel kommst, ob aus nächtigen Orten,<br />
Gleichviel, oSchönheit, dem Dämon, dem Kinde verwandt,<br />
Öffnet Dein Auge, Dein Lächeln mir nur die Pforten<br />
Des unendlichen Alls, das ich liebe, doch nimmer gekannt.<br />
Von Gott oder Satan, Engel oder Sirene,<br />
Gleichviel, nur gib mir, oHerrin, samtäugige Fee,<br />
Du Wohlklang und Leuchten und Duft, daß verschönert ich<br />
wähne<br />
Die häßliche Erde und leichter den Augenblick seh‘.<br />
Wie in diesem Akt aus dem frommen<br />
Mönchsgewand der alte prächtige<br />
Theaterteufel herausspringt, der Wagner des<br />
Venusberges, das ist übrigens gar zu reizend.<br />
Eduard Hanslick<br />
Sinnliche Sünde und sündiger Sinn<br />
Aus: Egon Voss, „Wagners ,<strong>Parsifal</strong>‘ –das Spiel von der Macht der Schuldgefühle“<br />
Das zentrale Problem der<br />
Männer im „<strong>Parsifal</strong>“ ist ihr<br />
Umgang mit der eigenen Sexualität,<br />
ganz unabhängig von<br />
den Frauen, ihren Reizen und<br />
der Verführung, die von ihnen<br />
ausgeht. Das Verlangen nach<br />
Sinnlichkeit, nach sexueller<br />
Lust wird buchstäblich am<br />
eigenen Leib erfahren. Klingsor<br />
spricht von „ungebändigten<br />
Sehnens Pein! Schrecklichster<br />
Triebe Höllendrang.“<br />
Die Formulierungen zeigen,<br />
wie heftig und überwältigend<br />
dieses Verlangen nach Sinnlichkeit<br />
ist, wie selbstverständlich<br />
strikt aber auch die Über-<br />
zeugung von seiner Verwerflichkeit,<br />
und wie quälend, ja<br />
existenzbedrohend es in Konsequenz<br />
dessen erlebt wird.<br />
Die Sehnsucht nach dem Ausleben<br />
der Sinnlichkeit, nach<br />
Befriedigung der sexuellen<br />
Bedürfnisse und Wünsche<br />
kann ja nur dann als Hölle erlebt<br />
werden, wenn diese Sehnsucht<br />
für böse und verwerflich<br />
gehalten wird.<br />
<strong>Parsifal</strong>, der die eigene Sexualität<br />
zum ersten- und vermutlich<br />
auch zum einzigen<br />
Mal bewußt nach Kundrys Kuß<br />
zu spüren bekommt, charakterisiert<br />
das Verlangen nach<br />
Hass als Treibmittel der Gesellschaft<br />
Aus: Hannah Arendt, „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“<br />
Die Opfer fügten dem Zynismus einen kaum<br />
verborgenen, schwelenden Haß auf den normalen<br />
Lauf der Welt hinzu, der umso gefährlicher<br />
war, als weder sie, noch ihre Umgebung verstanden,<br />
was eigentlich passiert war. An Haß hat<br />
es wohl vermutlich niemals in der Welt gefehlt;<br />
aber in diesen Nachkriegsjahren wuchs er zu<br />
einem entscheidenden politischen Faktor in allen<br />
öffentlichen Angelegenheiten heran. [...]<br />
Denn der Haß konnte sich auf niemand und<br />
Sinnlichkeit noch treffender,<br />
wenn er feststellt: „Wie alles<br />
schauert, bebt und zuckt in<br />
sündigem Verlangen!“ Analog<br />
heißt es von Klingsor, der sich<br />
entmannte, weil er aus dem<br />
Zwiespalt zwischen Sinnlichkeit<br />
und Schuldgefühl keinen<br />
anderen Ausweg wußte, er<br />
sein unfähig gewesen, „in sich<br />
selbst die Sünde zu ertöten“.<br />
Der Sinnlichkeit nachzugeben,<br />
ist also nicht nur ein Vergehen<br />
im Sinne einer strafbaren<br />
Handlung oder zumindest für<br />
unmoralisch geltenden Handlung,<br />
die denjenigen, der sie<br />
begeht, gesellschaftlich in<br />
Im ersten Akt bin ich sehr sparsam<br />
mit sensitiven Intervallen gewesen,<br />
jetzt aber greife ich zu meinem alten Farbtopf.<br />
Richard Wagner<br />
Mißkredit bringt, sondern es<br />
ist eine Sünde, eine Schuld<br />
von religiöser, existentieller<br />
Bedeutung. [...]<br />
Der Begriff der Sünde erscheint<br />
im „<strong>Parsifal</strong>“ geradezu<br />
reduziert auf die Hingabe an<br />
die Sexualität. Es duldet jedenfalls<br />
keinen Zweifel, daß einzig<br />
und allein die Keuschheit<br />
die Voraussetzung für die Mitgliedschaft<br />
in der Gralsgemeinschaft<br />
bildet. Wer nicht<br />
keusch ist, findet den Weg<br />
zum Gral nicht; zu ihm gelangt<br />
man nur „auf Pfaden, die<br />
kein Sünder findet“. Andere<br />
Vergehen dagegen hindern<br />
nicht daran, Knappe, Ritter<br />
oder gar König des Grals zu<br />
werden. Wagner hat an einer<br />
ganzen Reihe von Verfehlungen,<br />
die im Laufe der Handlung<br />
vorgeführt oder erzählt<br />
werden, deutlich gezeigt, daß<br />
allein der Verstoß gegen das<br />
Gebot der Keuschheit von Gewicht<br />
ist. [...] Das unfaßbare<br />
Ausmaß der Schuld, die die<br />
Hingabe an Sinnlichkeit und<br />
Sexualität darstellt, wird<br />
schließlich daran ablesbar,<br />
daß derjenige, der sie auf sich<br />
geladen hat, Amfortas, völlig<br />
außerstande ist, selbst etwas<br />
zur Sühne zu tun. Ein anderer<br />
muß kommen, um ihn zu befreien,<br />
dieser andere aber ist<br />
kein hilfsbereiter Gralsritter,<br />
kein barmherziger Samariter,<br />
wie man ihn, aber nicht häufig,<br />
immer wieder einmal findet.<br />
Das Ausmaß dieser<br />
Schuld, der das Opfer des Heilands<br />
in Frage stellt, ist angewiesen<br />
auf einen neuen Heiland,<br />
einen Messias, jenen<br />
„Einen“, von dem Wagner<br />
nach Cosimas Tagebuch vom<br />
2. März 1878 glaubte oder<br />
hoffte, daß es ihn „durch die<br />
Äonen doch ein Mal“ gebe.<br />
Wie schwer muß eine Schuld<br />
wiegen, deren Sühne man sich<br />
nichts wirklich konzentrieren –nicht die Regierung<br />
und nicht die Bourgeoisie und nicht die jeweiligen<br />
Mächte des Auslandes. So drang er in<br />
alle Poren des täglichen Lebens und konnte sich<br />
nach allen Richtungen verbreiten, konnte die<br />
phantastischsten und unvorhersehbarsten Formen<br />
annehmen; nichts blieb von ihm geschützt,<br />
und es gab keine Sache in der Welt, bei der man<br />
sich sicher sein konnte, daß der Haß sich nicht<br />
plötzlich auf sie konzentrieren könnte.<br />
nur als Utopie vorstellen kann!<br />
[...] „<strong>Parsifal</strong>“, das Bühnenweihfestspiel<br />
dieser reinen und<br />
wahren Form des Christentums,<br />
erscheint als Versuch,<br />
die eigenen zutiefst verinnerlichten<br />
Schuldgefühle zu verklären.<br />
Maxime könnte dabei<br />
jener indische Spruch gewesen<br />
sein, den Cosima am 28. Januar<br />
1876 in ihrem Tagebuch<br />
notierte: „Wer sein Leben<br />
(hin)durch schöne Werke hervorbringt,<br />
hat die Sinnlichkeit<br />
überwunden.“ Die Musik des<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ ist allerdings, auch<br />
wenn sie selbstverständlich –<br />
vor allem am Ende –auch dazu<br />
dient, die Überwindung von<br />
Sinnlichkeit und Sexualität zu<br />
preisen, wesentlich Ausdruck<br />
jener „Qual der Liebe“, von der<br />
<strong>Parsifal</strong> im zweiten Aufzug<br />
spricht, Ausdruck vor allem<br />
von Schmerz und Leid, wie sie<br />
die aus der Überzeugung von<br />
Verwerflichkeit der Sinnenlust<br />
folgenden Schuldgefühle hervorrufen.<br />
Es duldet überdies<br />
keinen Zweifel, daß Wagner<br />
die Darstellung von Qual und<br />
Leid –wie so häufig in seinen<br />
Werken – viel überzeugender<br />
und eindringlicher gelungen<br />
ist als diejenige von Glück und<br />
Erlösung von aller Qual. Insofern<br />
ist <strong>Parsifal</strong>, dessen Musik<br />
zudem heute gewiß allgemein<br />
viel mehr interessiert als sein<br />
Text, weniger eine Festschreibung<br />
oder Verherrlichung<br />
christlich-bürgerlicher Sexualmoral<br />
als vielmehr ein erschütterndes<br />
Zeugnis für deren<br />
Konsequenzen. „<strong>Parsifal</strong>“ ist<br />
eine Tragödie.
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 9<br />
Liebeswahrheiten<br />
Aus: Roland Barthes, „Wahrheit“<br />
1. Der Andere ist mein Heil und<br />
meine Weisheit: ich allein kenne<br />
ihn, lasse ihn in seiner<br />
Wahrheit existieren. Jeder, der<br />
nicht ich ist, verkennt ihn [...].<br />
In Wirklichkeit begründet umgekehrt<br />
der Andere mich: nur<br />
mit dem Anderen fühle ich<br />
mich als „ich selbst“. Aufgrund<br />
dieser Beziehung weiß ich mehr<br />
über mich als alle, die von mir<br />
eben nur folgendes nicht wissen:<br />
daß ich liebe.<br />
(Liebe macht blind: Dieses<br />
Sprichwort ist falsch. Die Liebe<br />
öffnet die Augen weit, sie<br />
macht hellseherisch: „Von dir,<br />
über dich habe ich das absolute<br />
Wissen.“ Bericht des Schreibers<br />
an seinen Herrn: du hast alle<br />
Macht über mich, aber ich<br />
habe alles Wissen über Dich.)<br />
2. Immer die gleiche Umkehrung:<br />
was die Welt für „objektiv“<br />
hält, halte ich selbst für<br />
eingebildet, und was sie für<br />
Narrheit, Illusion, Irrtum hält,<br />
halte ich für Wahrheit. Im in-<br />
Schützengraben<br />
Aus: Klabund, „Die Plejaden“<br />
Ich stopfe dir mein Taschentuch in die Wunde<br />
Oder was einmal Taschentuch gewesen.<br />
Gott schlägt die elfte Stunde.<br />
Soll ich dir aus der Bergpredigt vorlesen?<br />
Liebet euch untereinander. Ich hab nie gewagt<br />
Jemand zu lieben: wie ich liebe jetzt dich, halbtoter Freund.<br />
Und du bist doch nur ein Hund, der auf fremden Feldern streunt<br />
Und (wie nach Kaninchen) nach letzter Liebe jagt.<br />
Räudiger Hund. Wir sind alle von Ungeziefer zerzaust.<br />
Ehe wir uns in den Himmel bequemen,<br />
Müssen wir ein (russisches) Dampfbad nehmen,<br />
Und Gottvater selber ists, der uns laust.<br />
So war es mein Kuß,<br />
der welthellsichtig<br />
dich machte?<br />
Mein volles<br />
Liebesumfangen<br />
läßt dich dann<br />
Gottheit erlangen!<br />
Kundry, „<strong>Parsifal</strong>“, II. Aufzug<br />
nersten Kern der Illusion nistet<br />
sich bizarrerweise das Wahrheitsgefühl<br />
ein. Die Illusion<br />
entäußert sich ihres Schmucks,<br />
sie wird so rein, daß sie, wie<br />
ein Edelmetall, nichts mehr<br />
entstellen kann: sie wird unzerstörbar.<br />
Werther hat sich zu<br />
sterben entschlossen: „... und<br />
das schreie ich dir ohne romantische<br />
Überspannung, gelas-<br />
... wir fordern den Sex<br />
auf, seine Wahrheit zu<br />
sagen (aber weil er ein<br />
Geheimnis ist, das sich<br />
selbst entgeht, halten<br />
wir uns damit zurück,<br />
die endlich<br />
aufgeklärte, die<br />
endlich entzifferte<br />
Wahrheit seiner<br />
Wahrheit zu sagen) ...<br />
Michel Foucault<br />
sen.“ Verschiebung: nicht die<br />
Wahrheit ist wahr, es ist die<br />
Beziehung zur Illusion, die<br />
wahr wird. Um in der Wahrheit<br />
zu sein, genügt es mir, mir<br />
hartnäckig Mühe zu geben:<br />
eine unbegrenzt bejahte „Illusion“<br />
wird, entgegen und trotz<br />
allem, zur Wahrheit. (Fraglich<br />
bleibt, ob es in der leidenschaftlichen<br />
Liebe nicht letztlich ein<br />
Körnchen ... wahrer Wahrheit<br />
gibt.)<br />
Teure Seele!<br />
Nicht mehr schreien<br />
und protestieren! An<br />
das Erlebnis Ihrer<br />
Umarmungen denke<br />
ich als den<br />
berückendsten<br />
Rausch, an den<br />
höchsten Stolz meines<br />
Daseins.<br />
Richard Wagner an<br />
Judith Gauthier<br />
Pflegend/kühl –lockend/erotisch<br />
[W]elch eminente Funktion der<br />
„weißen Krankenschwester“ im<br />
psychischen Sicherheitssystem<br />
dieser Männer zukommt [, zeigen<br />
Lebenserinnerungen und<br />
Romane von Freikorpssoldaten<br />
der Weimarer Republik]: sie ist<br />
der Inbegriff der Vermeidung<br />
aller erotisch/bedrohlichen<br />
Weiblichkeit. Sie garantiert den<br />
Bestand des Schwester-Inzesttabus<br />
und die Verbindung zu<br />
einer übersinnlich/pflegenden<br />
Muttergestalt.<br />
Ihre Präsenz im Krieg macht<br />
sie für die Funktionen noch geeigneter:<br />
außer den Krankenschwestern<br />
existieren für den<br />
Weltkriegssoldaten fast keine<br />
Frauen. Entweder lag man<br />
selbst im Larzarett oder einer<br />
der von dort kommenden Kameraden<br />
erzählte. Ihr Bild<br />
geistert durch alle Texte. [...]<br />
„Sie sahen appetitlich aus<br />
wie frische Früchte in Seidenpapierpackung,<br />
und ihre Gesichter<br />
blickten weiß und rosig<br />
unter den Häubchen. Die meisten<br />
waren Friesinnen, blond<br />
und zart.“<br />
In Seidenpapier packt der<br />
anspruchsvolle Schauwecker<br />
seine Bilder von den weißen<br />
Schwesternleibern; die derberen<br />
Witzeleien der Mannschaften<br />
tauchen sie in ein schärferes<br />
Entsinnlichungsmittel: als<br />
„Karbolmäußchen“, das einem<br />
leidenden Soldaten keinen<br />
Wunsch abschlägt, erscheint sie<br />
dort. Karbol war als Desinfektionsmittel<br />
in den Larzaretten<br />
gebräuchlich. Seidenpapier<br />
oder Karbol – es sind desinfi-<br />
Die Stadt hatte einen juwelenartigen Glanz.<br />
Die riesigen Cafés erinnerten mich an<br />
Ozeandampfer, die vom Rhythmus ihrer<br />
Orchester angetrieben werden.<br />
Überall war Musik.<br />
Josephine Baker<br />
Das Thun und Treiben in direktester Nähe der<br />
Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche bei Nacht,<br />
diese wahnsinnigen Lichter-Orgien, diese<br />
gemeinen Aufschriften, diese widerlichen<br />
Anpreisungen und Anlockungen, diese tobende<br />
Unruhe, –ich hatte das Gefühl eines<br />
Jahrmarktes des Satans und dass die<br />
Menschheit auf dem Rand eines<br />
Höllenabgrundes schamlos tanze.<br />
Daniela Thode<br />
Aus: Klaus Theweleit, „Männerphantasien“<br />
zierte „Mäuschen“, Parodien<br />
auf die sinnliche Frau.<br />
Ihr Bild variiert auf einer<br />
Skala zwischen pflegend/kühler<br />
Mütterlichkeit und lockend/erotischer<br />
Schwester; im<br />
„Karbolmäuschen“ liegt sie näher<br />
am erotischen Schwestern/Huren-Bild.<br />
Die Schwester-Schwester<br />
lockt und verführt,<br />
die Mutter-Schwester<br />
weist ab und pflegt. Sie setzt<br />
sich durch, exemplarisch bei<br />
Jünger:<br />
„Trotzdem ich kein Weiberfeind<br />
bin, irritierte mich jedesmal<br />
das weibliche Wesen, wenn<br />
mich das Schicksal der Schlacht<br />
in das Bett eines Krankensaales<br />
geworfen hatte. Aus dem<br />
männlichen, zielbewußten und<br />
zweckmäßigen Handeln des<br />
Krieges tauchte man in eine<br />
Atmosphäre undefinierbarer<br />
Austrahlungen. Eine wohltuende<br />
Ausnahme bildete die abge-<br />
Jahrgang 1899<br />
Erich Kästner<br />
klärte Sachlichkeit der katholischen<br />
Ordensschwestern.“<br />
Bekannterweise ist eine der<br />
verbreitetsten Männervorstellungen<br />
in dieser Gesellschaft<br />
die sexueller Beziehungen zu<br />
einer Krankenschwester. [...]<br />
Weniger bekannt dürfte sein,<br />
daß sie [...] selten dazu aufgefordert<br />
werden [...].<br />
Die Krankenhaussituation<br />
kommt dieser phantasierten<br />
Liebes/Nichtliebessituation<br />
sehr entgegen. Der verwundete<br />
Mann liegt fast nie allein, seine<br />
Verwundung macht ihn meist<br />
körperlich liebesbehindert. Er<br />
ist auf Pflege angewiesen, als<br />
Sexualobjekt erniedrigt. [...]:<br />
ihre Mutter/Kind- bzw. Bruder/Schwester-Bedürfnisse<br />
konnten sie umso besser an den<br />
„Schwestern“ festmachen.<br />
Männer, die ein sexuelles<br />
Verhältnis daraus machen wollen,<br />
leben nicht lange.<br />
Wir haben die Frauen zu Bett gebracht,<br />
als die Männer in Frankreich standen.<br />
Wir hatten uns das viel schöner gedacht.<br />
Wir waren nur Konfirmanden.<br />
Dann holte man uns zum Militär,<br />
bloß so als Kanonenfutter.<br />
In der Schule wurden die Bänke leer,<br />
zu Hause weinte die Mutter.<br />
Dann gab es ein bißchen Revolution<br />
und schneite Kartoffelflocken;<br />
dann kamen die Frauen, wie früher schon,<br />
und dann kamen die Gonokokken.<br />
Inzwischen verlor der Alte sein Geld,<br />
da wurden wir Nachtstudenten.<br />
Bei Tag waren wir bureau-angestellt<br />
und rechneten mit Prozenten.<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ 1918 bis 1939<br />
Dann hätte sie fast ein Kind gehabt,<br />
ob von dir, ob von mir –was weiß ich!<br />
Das hat ihr ein Freund von uns ausgeschabt.<br />
Und nächstens werden wir Dreißig.<br />
Wir haben sogar ein Examen gemacht<br />
und das meiste schon wieder vergessen.<br />
Jetzt sind wir allein bei Tag und bei Nacht<br />
und haben nichts Rechtes zu fressen!<br />
Wir haben der Welt in die Schnauze geguckt,<br />
anstatt mit Puppen zu spielen.<br />
Wir haben der Welt auf die Weste gespuckt,<br />
soweit wir vor Ypern nicht fielen.<br />
Man hat unsern Körper und hat unsern Geist<br />
ein wenig zu wenig gekräftigt.<br />
man hat uns zu lange, zu früh und zumeist<br />
in der Weltgeschichte beschäftigt!<br />
Die Alten behaupten, es würde nun Zeit<br />
für uns zum Säen und Ernten.<br />
Noch einen Moment. Bald sind wir bereit.<br />
Noch einen Moment. Bald ist es so weit!<br />
Dann zeigen wir Euch, was wir lernten!
Nordbayerischer Kurier<br />
10 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
„Es ist vollbracht“ –Handlung ohne Denken?<br />
Houston Stewart Chamberlain<br />
Es war der Abend jenes Karfreitags,<br />
an welchem <strong>Parsifal</strong> in der<br />
Gralsburg ankam und durch die<br />
Berührung mit dem heiligen<br />
Speere Amfortas‘ furchtbare<br />
Wunde heilte. Der letzte Knappe<br />
hatte mit tiefer Verneigung<br />
das Schlafgemach verlassen. Als<br />
König befand sich <strong>Parsifal</strong> zum<br />
ersten Mal allein. Müde war er<br />
sehr; wohl ebenso müde wie an<br />
jenem Weihnachtsabend, von<br />
welchem ich dir erzählte; denn<br />
was hatte<br />
sich alles im<br />
Verlaufe dieses<br />
einen<br />
kurzen Tages<br />
zugetragen!<br />
[...]<br />
Als hätte er<br />
durch die<br />
Augen eines<br />
anderen geschaut, so sah er sich<br />
selber am frühen Morgen dieses<br />
Tages; neben ihm lag der vor<br />
wenigen Augenblicken verschiedene<br />
Allat, und in einiger<br />
Entfernung, über dichtbewaldete<br />
Abhänge hinweg, blitzten die<br />
Zinnen der Gralsburg in den<br />
ersten Strahlen der soeben über<br />
den Horizont aufsteigenden<br />
Sonne. [...] <strong>Parsifal</strong> war ein<br />
ernster Mensch. Er verstand es<br />
nicht, mit dem einen Auge zu<br />
weinen und mit dem anderen<br />
zu lachen. Darum freute ihn der<br />
strahlende Morgen nicht mehr.<br />
Seine schwarze Rüstung erschien<br />
ihm jetzt wie ein Trauergewand<br />
für den toten Allat. In<br />
seinen Kummer versenkt,<br />
schritt er dahin; er gedachte<br />
nicht einmal mehr der Grals-<br />
Dritter Aufzug<br />
burg. So teuer hatte er das<br />
Glück erkaufen müssen! Daß<br />
Keiner seine Tränen sähe,<br />
schloß er das Visier.<br />
Aus diesem düsteren Nachsinnen<br />
hatte ihn des Gurnemanzen<br />
Stimme geweckt. Doch<br />
nicht auf einmal; so verwirrt<br />
war sein Sinn, daß er zuerst<br />
nicht wußte, wo er stand; auch<br />
dünkte ihm der fromme Ritter<br />
mächtig gealtert und alles um<br />
ihn herum seit seinem früheren<br />
Aufenthalt auf Grals Gebiet so<br />
verändert, daß er sich fragte, ob<br />
Das ist wirklich kein Theater mehr,<br />
das ist keine Kunst mehr, das ist Religion<br />
und wie Gott selber.<br />
Romain Rolland<br />
er nicht träume, oder ob er selber,<br />
tief umgewandelt, das Altbekannte<br />
nicht mehr<br />
zu erkennen<br />
vermöge.<br />
Als aber<br />
Gurnemanz<br />
ihm kündete,<br />
heute sei<br />
der Tag, an<br />
dem der<br />
Heiland<br />
starb, da<br />
kehrte ihm das volle Bewußtsein<br />
wieder. Was der Tod bedeute,<br />
das hatte er soeben wieder<br />
an einem armen Tiere gesehen;<br />
nun erschaute er über die<br />
Berge und die Wasser und über<br />
die Jahrhunderte hinweg den<br />
gebrochenen Blick von Gottes<br />
Parole an die Bewohner großer Städte<br />
Helmut Mader<br />
Werft die letzten Bäume hinaus<br />
und schließt die Parks mit den Springbrunnen.<br />
Gegen das offene Land<br />
errichtet eine Mauer.<br />
Nichts soll bleiben als diese Stahl- und Betonkonstruktionen.<br />
Die Leuchtreklamen<br />
und der Himmel ohne Gestirne.<br />
Das ist die kahle Begegnung<br />
zwischen Mensch und Gott;<br />
in dem lärmenden Kreuz<br />
zweier Straßen.<br />
Irgendwo liegt eine Handgranate bereit.<br />
Reklame<br />
Ingeborg Bachmann<br />
Wohin aber gehen wir<br />
ohne sorge sei ohne sorge<br />
wenn es dunkel und wenn es kalt wird<br />
sei ohne sorge<br />
aber<br />
mit musik<br />
was sollen wir tun<br />
heiter und mit musik<br />
und denken<br />
heiter<br />
angesichts eines Endes<br />
mit musik<br />
und wohin tragen wir<br />
am besten<br />
unsre Fragen und den Schauer aller Jahre<br />
in die traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge<br />
was aber geschieht<br />
am besten<br />
wenn Totenstille<br />
eintritt<br />
eigenem Sohne, den die Menschen<br />
an das Kreuz geschlagen!<br />
Ach, welchen Blick! Da wurde<br />
er sich seines hohen Lebensamtes<br />
wieder bewußt. Den Lanzenspeer,<br />
der das heiligste Blut<br />
vergossen, er hielt ihn in der<br />
Hand: durch Gottes Gnade<br />
durfte er ihn halten. Voll Demut<br />
und Dankbarkeit kniete er vor<br />
der geweihten Waffe nieder;<br />
sollte er nicht hoffen, daß,<br />
wenn selbst dieser verbrecherische<br />
Stahl durch die Berührung<br />
des göttlichen Blutes auf ewig<br />
geheiligt war,<br />
auch sein sün-<br />
denbelastetes<br />
Haupt durch<br />
die Berührung<br />
mit jenem Blicke<br />
des GekreuzigtenErlösung<br />
finden<br />
werde? Er betete<br />
nicht den Speer an, das<br />
glaube nicht; aber im Staube<br />
Es wäre entschieden an der Zeit, mit der<br />
unzulänglichen und frevelhaften Auffassung<br />
der Kunst als Religion und des Theaters als<br />
Tempel ein für allemal aufzuräumen.<br />
Igor Strawinsky<br />
hingestreckt, schaute er hinauf<br />
zu dessen Spitze; er sah den<br />
Heiland am Holze hängen und<br />
das heilige Blut sah er an der<br />
Lanze herunterfließen... Daß er<br />
diese gerade am Karfreitag, am<br />
Gedenktage ihrer entsetzlichen<br />
Tat, in die Gralsburg zurück-<br />
„Dienen, dienen“ –Fremde und eigene Fehler<br />
„Natürlich ist heute alles ganz<br />
anders, unter meinem neuen<br />
Dienstherrn –einem Amerikaner.“<br />
„Amerikaner, so. Nun, sie sind<br />
die einzigen, die sich das heute<br />
noch leisten können. So, da sind<br />
Sie also beim Haus geblieben.<br />
Als Teil des Inventars.“ Er drehte<br />
sich zu mir um und grinste.<br />
„Ja“, sagte ich mit einem kurzen<br />
Auflachen. „Ganz recht, Teil<br />
des Inventars.“<br />
Der Mann wandte den Blick<br />
wieder dem Meer zu, holte tief<br />
Atem und seufzte befriedigt.<br />
Wir saßen dann noch einige Minuten<br />
schweigend da.<br />
„Die Sache ist natürlich die“,<br />
sagte ich nach einer Weile, „daß<br />
ich Lord Darlington mein Bestes<br />
gegeben habe. Ich gab ihm das<br />
Beste, das ich zu geben hatte,<br />
und jetzt –nun, jetzt sehe ich,<br />
daß nicht mehr viel übrig ist,<br />
was ich noch geben kann.“<br />
Der Mann sagte nichts, nickte<br />
aber, und so fuhr ich fort:<br />
„Seit mein neuer Dienstherr,<br />
Mr. Farraday, da ist, versuche<br />
ich alles, wirklich alles, um die<br />
Dienstleistung zu erbringen, die<br />
ihm meiner Ansicht nach zusteht.<br />
Ich habe alles und alles<br />
versucht, aber was ich auch tue,<br />
ich stelle fest, daß ich den Maßstäben,<br />
die ich mir einst selbst<br />
gesetzt habe, nicht mehr gerecht<br />
werde. Immer mehr Versehen<br />
und Schnitzer schleichen<br />
sich in meine Arbeit ein. Völlig<br />
belanglose Dinge an sich –zumindest<br />
bis jetzt. Aber es sind<br />
solche, die mir früher nie unterlaufen<br />
wären, und ich weiß, was<br />
führen durfte, das war gewißlich<br />
auch kein Zufall. Überall<br />
waltete jene unsichtbare Macht.<br />
Beruhigt, gestärkt, nunmehr zu<br />
voller Mannesreife gelangt, mit<br />
einem Glauben, fester als Felsen<br />
es sind, war er aufgestanden<br />
und hatte er dem edlen<br />
Gurnemanz die Hand gereicht.<br />
Und nun sah er auch alles<br />
wieder, was in so schneller Folge<br />
geschehen war: die Fußwaschung,<br />
die Salbung, die Erfüllung<br />
seines ersten königlichpriesterlichen<br />
Amtes an der unglücklichen<br />
Kundry, den Eintritt<br />
in die Gralsburg, die Heilung<br />
des Amfortas... Einsam an<br />
seinem Bette knieend, fragte er<br />
sich jetzt, wie er das alles wohl<br />
vollbracht haben mochte [...];<br />
er hatte ebensowenig Bewußtsein<br />
gehabt von dem, was folgen<br />
werde, wie der Stamm von<br />
dem Blatte, das er zu tragen bestimmt<br />
ist; ebenso unfehlbar<br />
jedoch war stets das Richtige<br />
geschehen. Nie,<br />
dessen entsann<br />
er sich bestimmt,<br />
waren<br />
ihm Zweifel gekommen,<br />
wie er<br />
handeln sollte,<br />
noch hatte er es<br />
sich hin und her<br />
überlegt; mit<br />
sicherer Bestimmtheit<br />
und<br />
mit dem Bewußtsein einer<br />
Notwendigkeit, die kein weiteres<br />
Denken zuließ, war er von<br />
einer Tat zur nächsten geschritten.<br />
Und nun war das Werk<br />
vollbracht!<br />
Tief neigte er sein Haupt im<br />
Dankgebete.<br />
Aus: Kazuo Ishiguro, „Was vom Tage übrigblieb“<br />
sie bedeuten. Ich habe alles versucht,<br />
wirklich alles, aber es hat<br />
keinen Zweck. Ich habe gegeben,<br />
was ich zu geben hatte. Ich<br />
habe alles Lord Darlington gegeben.“<br />
„Du liebe Güte, Mann, brauchen<br />
Sie ein Taschentuch? Ich<br />
hab irgendwo eins. Ah ja, da. Ist<br />
noch ziemlich sauber. Hab mich<br />
nur einmal hineingeschneuzt,<br />
heute morgen. Kommen Sie<br />
schon, Mann.“<br />
„Oh nein, nein, vielen Dank,<br />
schon in Ordnung. Es tut mir<br />
leid, das Reisen muß mich doch<br />
ermüdet haben. Es tut mir sehr<br />
leid.“<br />
„Sie müssen diesem Lord<br />
Dingsda sehr nahegestanden<br />
haben. Vor drei Jahren ist er gestorben,<br />
sagen Sie? Doch, man<br />
sieht, daß Sie ihm sehr nahegestanden<br />
haben.“<br />
„Lord Darlington war kein<br />
schlechter Mensch. Er war wirklich<br />
kein schlechter Mensch.<br />
Und zumindest war es ihm gegeben,<br />
am Ende seines Lebens<br />
sagen zu können, er habe seine<br />
eigenen Fehler gemacht. Seine<br />
Lordschaft war ein mutiger<br />
Mann. Er entschied sich für<br />
einen bestimmten Weg im Leben,<br />
es stellte sich heraus, daß<br />
es ein falscher war, aber immerhin<br />
hatte er sich selbst dafür<br />
entschieden, das zumindest<br />
kann er sagen. Was mich betrifft,<br />
so kann ich nicht einmal<br />
das für mich in Anspruch nehmen.<br />
Sehen Sie, ich habe vertraut.<br />
Ich habe auf seiner Lord-<br />
Die Anhängerschaft an Wagner zahlt sich<br />
teuer. Ein dunkles Gefühl hierüber ist auch<br />
heute noch vorhanden.<br />
Friedrich Nietzsche<br />
27. Mai 1945<br />
Aus: Anonyma, „Eine Frau in Berlin. Tagebuch-Aufzeichnungen“<br />
Wir standen Kette über den<br />
Hof, die Sonne stach. Wir reichten<br />
Zinkbarren und scharfkantigen<br />
Zinkbruch von Hand zu<br />
Hand. Die Kette, wohl hundert<br />
Meter lang, war dünngliedrig.<br />
Bis zur nächsten Frau mußte<br />
man immer zwei, drei Schritte<br />
mit dem schweren Zeug gehen.<br />
[...] Seit gestern haben wir<br />
wieder elektrischen Strom.<br />
Vorbei die Kerzenzeit, vorbei<br />
das Klopfen an der Tür, vorbei<br />
die Stille. Das Radio wird vom<br />
Berliner Sender beschickt. Es<br />
bringt meistens Nachrichten<br />
schaft Klugheit vertraut. All die<br />
Jahre, die ich ihm diente, habe<br />
ich darauf vertraut, daß ich etwas<br />
tue, was der Mühe wert ist.<br />
Ich kann nicht einmal sagen,<br />
daß ich meine eigenen Fehler<br />
gemacht hätte. Wirklich –man<br />
muß sich fragen –, welche<br />
Würde liegt überhaupt darin?“<br />
„Nun kommen Sie, Mann, ich<br />
weiß nicht, ob ich alles mitgekriegt<br />
habe, was Sie da sagen –<br />
aber wenn Sie mich fragen, haben<br />
Sie eine ganz falsche Einstellung,<br />
wissen Sie? Schauen<br />
Sie nicht die ganze Zeit zurück,<br />
da muß man ja depressiv werden.<br />
Und schön, Sie können<br />
Ihren Job nicht mehr so machen<br />
wie früher einmal. Aber so geht<br />
es doch ins allen, nicht? Wir<br />
müssen alle irgendwann mal<br />
Feierabend machen. [...]“ Und<br />
an der Stelle, glaube ich, sagte<br />
er dann: „Sie müssen sich amüsieren.<br />
Der Abend ist der<br />
schönste Teil des Tages. Sie ha-<br />
und Enthüllungen, Blutgeruch,<br />
Leichen und Grausamkeit. In<br />
großen Lagern im Osten sollen<br />
Millionen Menschen verbrannt<br />
worden sein, meistens Juden.<br />
Aus ihrer Asche sollen die<br />
Kunstdünger hergestellt haben.<br />
Und was das Tollste ist: Alles<br />
das soll in dicken Büchern säuberlich<br />
notiert sein, eine Buchführung<br />
des Todes. Wir sind<br />
eben ein ordentliches Volk.<br />
Spätabends kam Beethoven,<br />
und damit kamen Tränen. Hab<br />
abgedreht. Man verträgt das<br />
jetzt nicht.<br />
ben Ihre Arbeit getan. Jetzt<br />
können Sie Feierabend machen<br />
und sich amüsieren. So sehe ich<br />
das. Fragen Sie, wen Sie wollen,<br />
jeder wird Ihnen das bestätigen.<br />
Der Abend ist der schönste Teil<br />
des Tages.“ [...]<br />
Jetzt sind es etwa zwanzig<br />
Minuten, seit der Mann gegangen<br />
ist, aber ich blieb hier auf<br />
dieser Bank sitzen, um das Ereignis<br />
abzuwarten, das gerade<br />
stattgefunden hat, nämlich das<br />
Aufleuchten der Lampen auf<br />
der Pier. Wie gesagt, die Fröhlichkeit,<br />
mit der die auf der Pier<br />
versammelten Vergnügungssuchenden<br />
das kleine Ereignis begrüßten,<br />
könnte für die Korrektheit<br />
der Aussage meines<br />
Banknachbarn sprechen; für<br />
sehr viele Menschen ist der<br />
Abend der erfreulichste Teil des<br />
Tages. Vielleicht hat dann auch<br />
sein Rat etwas für sich, daß ich<br />
aufhören soll, soviel zurückzuschauen,<br />
daß ich eine positivere<br />
Einstellung gewinnen und versuchen<br />
sollte, aus dem, was<br />
vom Tage übrigbleibt, noch das<br />
Beste zu machen. Was haben<br />
wir schließlich davon, wenn wir<br />
ständig zurückblicken und uns<br />
Vorwürfe machen, weil aus<br />
unserem Leben nicht das geworden<br />
ist, was wir uns vielleicht<br />
einmal vorgestellt hatten?<br />
Tatsache ist doch jedenfalls,<br />
daß gewöhnlichen Leuten<br />
wie unsereinem kaum etwas<br />
anderes übrigbleibt, als ihr<br />
Schicksal letztendlich in die<br />
Hände jener großen Herren an<br />
der Nabe dieser Welt zu legen,<br />
die uns in Dienst nehmen.
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 11<br />
Der Krieg war vorbei, [...] Wieland,<br />
der, wie er selbst bemerkte,<br />
unter „Denkmalschutz“ gelebt<br />
hatte, eröffnete die Bayreuther<br />
Festspiele mit dem „<strong>Parsifal</strong>“.<br />
Und was sah man da? Man<br />
sah vorderhand kaum etwas,<br />
weil kaum etwas da war und<br />
dieses auch noch in zumeist tiefe<br />
Dunkelheit gehüllt: eine elliptische<br />
Scheibe als Grundriß<br />
für alle drei Akte; ein Gralsgebiet<br />
hinter Schleiern, von<br />
schrägen Lichtstrahlen durchschossene<br />
schemenhafte Stämme,<br />
eine Art Lichtwald àlaAppia;<br />
der Tempel reduziert auf<br />
vier aus dem Dunkel schimmernde<br />
Lichtsäulen, in der Mitte<br />
ein kreisrunder Aufbau fürs<br />
Liebesmahl, der sein Licht aus<br />
sich selbst zu holen schien. [...]<br />
Und die Aue –wieder nur goldgrün<br />
getönter Hintergrund,<br />
karge Blöcke für die Taufszenerie,<br />
schon gar keine Blumen.<br />
Die Gesten der Darsteller sind<br />
sparsam, ganz aus der inneren<br />
Karfreitagszauber 1951<br />
Aus: Nike Wagner, „Unbehagen am ,<strong>Parsifal</strong>‘“<br />
Spannung geholt, die Beziehungen<br />
der Personen weit über<br />
die Fläche gespannt, geometrische<br />
Beziehungen; „oratorienhaft“<br />
wird man sie nennen,<br />
„statuarisch“. Das Theater<br />
schien an die Grenze der<br />
Im Interesse einer reibungslosen<br />
Durchführung der Festspiele bitten wir, von<br />
Gesprächen und Debatten politischer Art<br />
auf dem Festspielhügel freundlichst<br />
Abstand nehmen zu wollen.<br />
„Hier gilt’s der Kunst.“<br />
Die Festspielleitung<br />
gez. Wieland Wagner gez. Wolfgang Wagner<br />
Bayreuth, im Sommer 1951<br />
Erlösungsoption<br />
Aus: Stefan Kunze ,„Der Kunstbegriff<br />
Richard Wagners“<br />
Durch die Kunst soll das Bild<br />
des Göttlichen (Wagner nannte<br />
es das „göttliche Traumbild“)<br />
wieder aufgerichtet werden<br />
[...]. Aus der christlichen Tradition<br />
wird das Motiv des Leids<br />
übernommen. Die Vorführung<br />
des Leidens und des Mitleidens<br />
als der einzig möglichen Kommunikation,<br />
nachdem Veränderung<br />
durch Aktion nicht mehr<br />
stattfindet, scheint als konkreter<br />
Inhalt dem Kunstbegriff angemessen,<br />
dessen tiefste Bestimmung<br />
die sakrale Enthobenheit<br />
aus der entstellten Welt ist. [...]<br />
Und in der Vereinsamung der<br />
handelnden Personen, die sich<br />
im entscheidenden Unterschied<br />
zum früheren musikalischen<br />
Theater nicht mehr zum Ensemble<br />
zusammenfinden, spiegelt<br />
sich die Einsamkeit des in<br />
seiner ästhetischen Sphäre eingeschlossenen<br />
Kunstwerks. Das<br />
Leid durchbricht die sich selbst<br />
mit religiöser Weihe umgebende<br />
Kunst. Sie muß daher danach<br />
trachten, dieses Leid apotheotisch<br />
wieder aufzuheben oder es<br />
zu verklären. Die Erlösungsidee<br />
im Wagnerschen Drama ist<br />
demnach nicht so sehr vom<br />
Christlichen abzuleiten, sondern<br />
von der Idee der Kunst selbst.<br />
Erlösung gehört zum Gedanken<br />
einer zur Sakralität enthobenen<br />
Kunst. Die Kunst soll die Erlösung<br />
einer im gesellschaftlich<br />
Wirklichen befangenen Welt<br />
bringen. Der Künstler, <strong>Parsifal</strong>,<br />
ist Erlöser. Wagner schwebt<br />
aber auch Regeneration im Sinne<br />
eines gesellschaftlichen<br />
Wandels vor –sie wäre ebenfalls<br />
Erlösung.<br />
Selbstaufhebung gekommen, so<br />
wenig Wirklichkeit war da, so<br />
wenig Aktion. [...] Nur im Orchester<br />
war alles wie früher.<br />
Hans Knappertsbusch, ein Fossil<br />
aus Tagen großer Wagner-<br />
Dirigenten, Schüler Hans Richters,<br />
sorgte zum Ausgleich<br />
gegen etwaige Religionsstörungen<br />
für „himmlische“ Längen,<br />
den großen Atem und die Weihe.<br />
Doch im Programmheft stand<br />
es anders zu lesen, oder nicht<br />
zu lesen: Wagners Untertitel<br />
„Ein Bühnenweihfestspiel“<br />
wurde dort in einem Akt familiärer<br />
Souveränität einfach gestrichen.<br />
Das mochte denjenigen<br />
gelten, die bei der Blut-<br />
Christi-Magie im Schlußtableau<br />
Die Kunst ist ein Spiel.<br />
Wladyslaw Tatarkiewicz<br />
–die man sich wiederum nicht<br />
zu streichen getraute –anliebgewordener<br />
christlicher Andacht<br />
festhalten wollten. Statt<br />
dessen erschien im Begleitbuch<br />
zur Wiedereröffnung der Festspiele<br />
das sogenannte „<strong>Parsifal</strong>-<br />
Kreuz“ Wieland Wagners, das<br />
zur Entkirchlichung des „<strong>Parsifal</strong>“<br />
insofern beitrug, als es das<br />
Heilszeichen nur mehr als graphisches<br />
Ordnungsschema für<br />
die Ideen und Personen des<br />
Dramas begriff. [...]<br />
Sucht man im weiteren historischen<br />
Umkreis nach Erklärungen<br />
für die unerhörte Wirkung<br />
dieser „<strong>Parsifal</strong>“-Inszenierung,<br />
so dürfte man sie in den<br />
folgenden Komponenten finden:<br />
im Wiederanknüpfen an<br />
die noch halbvertrauten Muster<br />
aus dem expressionistischen<br />
und neusachlichen Theater der<br />
zwanziger Jahre, seinen abstrahierenden<br />
Tendenzen und<br />
Lichtwirkungen, den symbolischen<br />
Symmetrien, Blockaufbauten<br />
und Schrägen, und in<br />
dem beruhigenden Charakter<br />
einer mythisch-archetypisch-<br />
Die Kunst mag ein Spiel sein,<br />
aber sie ist ein ernstes Spiel.<br />
Caspar David Friedrich<br />
Die Kunst ist das Spiel der menschlichen<br />
Freiheit mit sich selbst.<br />
Heinz Winfried Sabais<br />
Der Speer, der meine Wunde schlug<br />
Friedrich Rückert<br />
Der Speer, der meine Wunde schlug,<br />
Wird heilen meine Wunde.<br />
Wohin der Tod mein Leben trug,<br />
Otragt ohn‘ Aufschub und Verzug,<br />
Otragt in dieser Stunde<br />
Mich auch dahin im Trauerzug,<br />
Und legt mich hin im Grunde!<br />
Der Speer, der meine Wunde schlug,<br />
Wird heilen meine Wunde.<br />
Der deine Wunde schlug, der Speer<br />
Wird deine Wunde heilen.<br />
Er, dessen Hand auf dir ist schwer,<br />
Wer kann sie machen leicht, als er?<br />
Wer kann dir Trost ertheilen?<br />
Sanft lasse Gott von oben her<br />
Ergebung bei dir weilen!<br />
Der deine Wunde schlug, der Speer<br />
Wird deine Wunde heilen.<br />
symbolischen Zeichensprache<br />
auf der Bühne, die keine aggressive<br />
Sprache ist, sondern<br />
die einer Bestätigung ewig gültiger<br />
menschlicher Wahrheiten<br />
und Werte. Dies konnte das<br />
vom Zusammenbruch geschädigte<br />
Bewußtsein des Nachkriegspublikums<br />
sehr wohl gebrauchen,<br />
als Entlastung, als<br />
Erholung bei den großen allgemeinen<br />
Wahrheiten, den<br />
Abstrakta, Numinosa und Innerlichkeiten.<br />
Im Beschwören<br />
des „Wesens“ der Werke Wagners<br />
versuchten die kulturbesorgten<br />
Wiederaufbauer und<br />
Bayreuth-Mäzene, den eigentlichen<br />
und ideologisch sauberen<br />
Kern ihres Wagnerheiligtums<br />
aus der häßlichen braunen<br />
Haut zu schälen. In diesen verschwommenen<br />
Konturen des<br />
neuen Wagnerverständnisses<br />
und Wagnerbedürfnisses fügte<br />
sich die entkonkretisierte, enthistorisierte<br />
Neuinszenierung<br />
mit jenem leichten Vorsprung<br />
einer frühen Formulierung des<br />
Zeitgeistes, der ihr dann den<br />
dauerhaften Erfolg bescherte.<br />
Nochmals, keine Soldaten, kein Gesangsverein;<br />
verschleiertes C-Dur, Mysterium,<br />
„Zauberflöte“, geheimer Kult; keine kräftigen,<br />
diesseitigen Ritter. [...] Keine unnötigen<br />
crescendos und decrescendos, keine marcatos,<br />
alles mystisch, aber nicht deutsch und CDU.<br />
Wieland Wagner an den Chordirektor Wilhelm Pilz, 1966<br />
Wahrheitsillusion<br />
wird Kunst<br />
aus: Friedrich Nietzsche,<br />
„Über Wahrheit und Lüge im<br />
außermoralischen Sinne“<br />
Was ist also Wahrheit? Ein<br />
bewegliches Heer von Metaphern,<br />
Metonymien, Anthropomorphismen,<br />
kurz eine Summe<br />
von menschlichen Relationen,<br />
die poetisch und rhetorisch gesteigert,<br />
übertragen, geschmückt<br />
wurden und die nach langem<br />
Gebrauch einem Volke fest, kanonisch<br />
und verbindlich dünken:<br />
die Wahrheiten sind Illusionen,<br />
von denen man vergessen hat,<br />
daß sie welche sind, Metaphern,<br />
die abgenutzt und sinnlich kraftlos<br />
geworden sind, Münzen, die<br />
ihr Bild verloren haben und nun<br />
als Metall, nicht mehr als Münzen<br />
in Betracht kommen. […]<br />
Jener Trieb zur Metaphernbildung,<br />
jener Fundamentaltrieb<br />
des Menschen, den man keinen<br />
Augenblick wegrechnen kann,<br />
weil man damit den Menschen<br />
selbst wegrechnen würde, ist<br />
dadurch, daß aus seinen verflüchtigten<br />
Erzeugnissen, den<br />
Begriffen, eine reguläre uns starre<br />
neue Welt als eine Zwingburg<br />
für ihn gebaut wird, in Wahrheit<br />
nicht bezwungen und kaum gebändigt.<br />
Er sucht sich ein neues<br />
Bereich seines Wirkens und ein<br />
anderes Flußbette und findet es<br />
im Mythus und überhaupt in der<br />
Kunst.<br />
Ein stiller Ritter mit geschlossenem Visier<br />
Paul Verlaine<br />
Ein stiller Ritter mit geschlossenem Visier:<br />
Das Unglück, stach ins Herz mit seiner Lanze mir.<br />
Dem alten Herz entsprang das Blut in trüben Fluten,<br />
Versiegt auf Blum und Blatt in klaren Sonnengluten.<br />
Mein Auge deckte Nacht, laut schrie ich auf vor Schmerz,<br />
In wilden Schauern zuckend starb mein altes Herz.<br />
Der Ritter Unglück schwang hernieder sich vom Pferde,<br />
Mich fasste seine Hand mit finsterer Gebärde.<br />
Mit eh'rnem Handschuh griff in meine Wunde er,<br />
Sein mitleidlos Gebot ertönte hart und schwer.<br />
Und es geschah, da rauh sein Finger mich berührte,<br />
Dass ein erneutes Herz ich stolz und rein verspürte.<br />
Und dass von göttlicher Gnade heiß durchbebt<br />
Ein junges, tapfres Herz in tiefer Brust mir lebt.<br />
Und voller Ehrfurcht blieb ich, zweifelnd und benommen,<br />
Gleich einem Menschen, dem Gott selbst im Traum gekommen.<br />
Der gute Ritter stieg von neuem auf sein Pferd<br />
Und nickte scheidend, wie er von mir sich gekehrt.<br />
Und schrie, noch immer hör die Stimme ich mit Beben:<br />
Hüt' dich, so milde komm ich einmal nur im Leben.<br />
Wer, naiv-genügsamen Sinnes, den<br />
Wagnerschen „<strong>Parsifal</strong>“ als eine höhere<br />
Zauberoper auffassen mag und kann, als ein<br />
freies Spiel einer im Wunderbaren<br />
schwelgenden Phantasie, hat ihm die beste<br />
Seite abgewonnen und sich den möglichst<br />
ungetrübten Genuß errettet.<br />
Eduard Hanslick<br />
In Wirklichkeit ist es nicht das Leben,<br />
sondern der Betrachter, den die Kunst spiegelt.<br />
Oscar Wilde<br />
Entsagung<br />
Franz Grillparzer<br />
Eins ist, was altergraue Zeiten lehren,<br />
Und lehrt die Sonne, die erst heut getagt:<br />
Des Menschen ewges Los, es heißt: Entbehren,<br />
Und kein Besitz, als den du dir versagst.<br />
Die Speise, so erquicklich deinem Munde,<br />
Beim frohen Fest genippter Götterwein,<br />
Des Teuren Kuß auf deinem heißen Munde,<br />
Dein wär’s? Sieh zu! ob du vielmehr nicht sein.<br />
Denn der Natur alther notwendge Mächte,<br />
Sie hassen, was sich freie Bahnen zieht,<br />
Als vorenthalten ihrem ewgen Rechte,<br />
Und reißen’s lauernd in ihr Machtgebiet.<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ 1945 bis 2008<br />
All, was du hältst, davon bist du gehalten,<br />
Und wo du herrschest, bist du auch der Knecht.<br />
Es sieht Genuß sich vom Bedarf gespalten,<br />
Und eine Pflicht knüpft sich an jedes Recht.<br />
Nur was du abweist, kann dir wieder kommen.<br />
Was du verschmähst, naht ewig schmeichelnd sich,<br />
Und in dem Abschied, vom Besitz genommen,<br />
Erhältst du dir das einzig deine: Dich!
Nordbayerischer Kurier<br />
12 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
„Kunst ist der dunkle Wunsch aller Dinge“ Eine Kantinenbegegnung<br />
8. Juli 2008, 21.24 Uhr. Vor<br />
wenigen Minuten ist die Video-Dreharbeit<br />
auf der Probebühne<br />
IV des Festspielhauses<br />
zu Ende gegangen. <strong>Parsifal</strong>s<br />
Geburt ist glücklich im<br />
Kasten. Der schöne Nebeneffekt<br />
des Drehs: Zum ersten<br />
Mal hat man die Darsteller<br />
des kleinen <strong>Parsifal</strong> und seiner<br />
Mutter Herzeleide, in vollem<br />
Kostüm und Maske sehen<br />
können. So langsam werden<br />
die Ideen Wirklichkeit, nun<br />
kann es an den Endspurt gehen...<br />
Drei Tage noch bis zur<br />
Klavierhauptprobe, der letzten<br />
Probe, die allein dem Regieteam<br />
gehört.<br />
(Die Produktionsbeteiligten<br />
strömen etwas müde in die<br />
Kantine, bewaffnen sich mit<br />
Bier, Brezeln und den letzten<br />
Tagesköstlichkeiten aus der Vitrine<br />
und besprechen – wie<br />
selbstredend jeden Abend –<br />
Raum und Zeit des gemeinsamen<br />
Kunstunternehmens.<br />
Doch heute läuft ein Tonband<br />
mit, denn ein Gespräch soll für<br />
die Beilage des „Nordbayerischen<br />
Kuriers“ aufgezeichnet<br />
werden. Vorerst dokumentiert<br />
es Schluck- und Kaugeräusche...)<br />
Alexander Meier-Dörzenbach,<br />
Dramaturg der „<strong>Parsifal</strong>“-<br />
Produktion: Das wird aber rausgeschnitten,nichtwahr?<br />
Mark Schachtsiek, sein Assistent:<br />
Wir haben ja noch gar<br />
nicht angefangen. Ich dachte,<br />
ich lasse Euch erst noch einmal<br />
ein wenig Zeit, Euch zu erholen,<br />
bis ich mit Fragen traktiere,<br />
wie: „Wie war das eigentlich,<br />
als das Telefon klingelte und<br />
Familie Wagner dran war?“<br />
Stefan Herheim, Regisseur<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“: Ganz nett.<br />
(Auftritt der freundlich lächelndenKantinenmitarbeiterin,diefrischgezapftesBier,aber<br />
auch reichlich Wasser und<br />
Pommes frites und heimische<br />
Landjägerbringt.)<br />
Schachtsiek: Aber ganz<br />
ernsthaft, Stefan, vielleicht ist<br />
das ein guter Einstieg: Du hast<br />
vor ein paar Tagen erzählt, Du<br />
hättest den „<strong>Parsifal</strong>“ schon<br />
einmal an der Berliner Staatsoper<br />
abgesagt, und ihn dann<br />
wenige Monate später hier in<br />
Bayreuth angeboten bekommen.<br />
Aber bereits in Eurer<br />
„Rheingold“-Inszenierung für<br />
Riga und Bergen spielt das Festspielhaus<br />
als Walhall und die<br />
Wagner-Rezeption eine ganz<br />
zentrale Rolle. Man bekommt<br />
den Eindruck, dass Wagners<br />
Grüner Hügel schon sehr lange<br />
in Euren Köpfen herum gespukt<br />
hat...<br />
Herheim: Fasziniert hat mich<br />
das Phänomen Bayreuth natürlich<br />
schon –die Idee, dass man<br />
hierher pilgert um, um an geweihtem<br />
Ort Wagners Werke zu<br />
erleben. Aber gleichzeitig war es<br />
mir irgendwie suspekt. Deshalb<br />
musste ich tatsächlich ein wenig<br />
in mich gehen, als der Anruf kam<br />
–eswar Ende Dezember 2004<br />
und ich war mit Heike und Alex<br />
mitten in Proben zu Händels<br />
„Giulio Cesare“ in Oslo. Wagners<br />
wollten mich treffen, und weil<br />
ich über Weihnachten für ein<br />
paar probenfreie Tage in Berlin<br />
war, haben wir uns dann am<br />
zweiten Weihnachtstag in Berlin<br />
zusammengesetzt und kennengelernt.<br />
In Bayreuth war ich<br />
dann mit Alex erst im darauffolgenden<br />
Sommer zum ersten<br />
Mal, auf Einladung der Wagners<br />
bei„TristanundIsolde“.<br />
Meier-Dörzenbach: Diese erste<br />
Begegnung war schon etwas<br />
ganz Besonderes, weil der Ort<br />
eine mythisch aufgeladene Aura<br />
besitzt. Auch der aus der Rückschau<br />
eigentlich banale Vor-<br />
Mark Schachtsiek im Gespräch mit Daniele Gatti, Stefan Herheim, Heike Scheele und Alexander Meier-Dörzenbach<br />
gang, dass wir in der ersten Pause<br />
zu Wagners zum fürstlichen<br />
Essen gebeten wurden und dort<br />
über köstlichen Speisen erste<br />
Ideen formulierten, war ein bisschen<br />
so, als wäre man vom Papst<br />
in den Petersdom geladen, um<br />
ihm den Katholizismus zu erklären.<br />
Durch die konkrete Zusammenarbeit<br />
hat sich dieser<br />
Eindruck natürlich relativiert. Es<br />
ist nicht das süße Fleisch der dynastischen<br />
Verklärung, sondern<br />
der solide Kern der tatsächlichen<br />
Kooperation, der zählt. Entsprechend<br />
gab es bei späteren Treffen<br />
dann auch mal Schwarzbrot…<br />
Es war ein wenig InquisitionmitHäppchen.<br />
Herheim: Liebe geht natürlich<br />
nicht immer durch den Magen<br />
und es gab in diesen Phasen auch<br />
Momente, die ich als Vereinnahmung<br />
empfand. Ich kam<br />
hierher, um mich Richard Wagners<br />
Werk anzunähern und erlebte<br />
zum Teil, dass ich dabei allem,<br />
was Bayreuth bedeutet,<br />
gleichzeitig entgegenzukommen<br />
hatte. Es galt also zunächst,<br />
so wertungsfrei wie möglich<br />
klarzustellen, welche Traditionen<br />
und Methoden hier gepflegt<br />
werden und wie man damit<br />
konstruktiv umgehen kann. Wo<br />
immer eine Fackel weitergegeben<br />
wird, gibt es eine Verbrennungsgefahr,<br />
die beide Parteien<br />
zurWachsamkeitruft.<br />
Schachtsiek: Dass heißt,<br />
wenn jetzt im ersten Aufzug Eurer<br />
Inszenierung die Gralsritter<br />
und die Damen der Statisterie in<br />
den Garten der Villa Wahnfried<br />
kommen, ist darin auch ein wenig<br />
die besondere Aura dieses<br />
Abends aufgegangen, selbst<br />
wenn die Wagners schon lange<br />
nichtmehrinWahnfriedleben?<br />
Meier-Dörzenbach: Nein, das<br />
was dort auf der Bühne geschieht,<br />
hat mit der Erlösungssucht<br />
des wilhelminischen<br />
Deutschlands zu tun. Doch auch<br />
damals gab es die Einladung ins<br />
Meisterhaus und Cosima war ja<br />
sehr darauf bedacht, den musikalischen<br />
Weihen der Festspiele<br />
auch noch die gesellschaftlichen<br />
in eleganten Empfängen folgen<br />
zulassen.<br />
Heike Scheele, Bühnenbildnerin<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“ (gesellt<br />
sich mit einem frischen Bier und<br />
Handy in der Hand dazu): Gute<br />
Nachrichten von der Mutterstation:<br />
Gesine geht’s bestens!<br />
[Gesine Völlm, Kostümbildnerin<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“, konnte wegen<br />
dem nahenden Ende ihrer<br />
Schwangerschaft seit ein paar<br />
Tagen nicht mehr am Hause<br />
sein] Allerdings lässt das Kind<br />
immer noch auf sich warten.<br />
Meier-Dörzenbach: Kein<br />
Wunder –solange, wie Gesine<br />
hochschwanger noch gearbeitet<br />
hat… Das Kind ruht sich jetzt sicherersteinmalaus,bevoresaus<br />
dem Mutterhügel auf den GrünenHügelkommt.<br />
Schachtsiek: Und Sie, Maestro<br />
Gatti, waren Sie eigentlich<br />
schon vor dieser Produktion in<br />
Bayreuth?<br />
Daniele Gatti, Dirigent des<br />
„<strong>Parsifal</strong>“: Seit Ende 2005, Anfang<br />
2006 war ich natürlich viele<br />
Male hier, wir waren alle zusammen<br />
hier, haben uns mit<br />
Gudrun und Wolfgang Wagner<br />
und den anderen Mitarbeitern<br />
des Festspielhauses getroffen<br />
und alles mögliche besprochen.<br />
Als wir 2006 anfingen, die Besetzung<br />
zusammenzustellen,<br />
hatte ich dann endlich Gelegenheit,<br />
die hervorragende Akustik<br />
des Hauses kennen zu lernen –<br />
sie ist wirklich etwas Besonderes.<br />
Doch eine Aufführung habe<br />
ich hier erst vor zwei Jahren das<br />
erste Mal gesehen und zwar die<br />
alte „<strong>Parsifal</strong>“-Produktion.<br />
Herheim: Für mich war dieser<br />
erste „<strong>Parsifal</strong>“ im Bayreuther<br />
Festspielhaus ein ziemlich<br />
überwältigendes Erlebnis. Ich<br />
hatte den Eindruck, dass ich<br />
mich in etwas hinein begebe, das<br />
mir alle Koordinaten meines<br />
Selbst nehmen wird. Das hatte<br />
aber auch mit den äußeren Um-<br />
ständen zu tun, es war ein extrem<br />
heißer Tag, mindestens 35<br />
Grad, und ich hatte zu wenig getrunken,<br />
so dass ich kurz vor der<br />
Vorstellung einen Kreislaufkollaps<br />
hatte. Zuerst dachte ich, ich<br />
könne gar nicht in die Vorstellung<br />
gehen. Das Erlebnis dieses<br />
Abends hat mich so überfordert,<br />
dass ich Schlingensiefs Inszenierung<br />
in den darauffolgenden<br />
Jahren erneut angesehen habe,<br />
klareren Kopfes. Bis dahin hatten<br />
wir aber bereits das Haus von<br />
Innen heraus entdeckt, unsere<br />
eigene Produktion weitgehend<br />
entwickelt und ich dachte schon<br />
etwas nüchterner: Das ist ein<br />
Hauswiejedesandere.<br />
Schachtsiek: Tatsächlich?<br />
Obwohl Eure Inszenierung so<br />
mit der Aura des Ortes spielt,<br />
ständig daran erinnert, dass wir<br />
uns an dem Ort befinden, für den<br />
Wagner „<strong>Parsifal</strong>“ komponiert<br />
hat?<br />
Herheim: Ich wollte nur sagen,<br />
dass ich damals meine Berührungsängste<br />
mit dem auratischen<br />
Mythos dieses Ortes und<br />
der Familie Wagner weitgehend<br />
überwunden hatte.<br />
Gatti: Es ist natürlich sehr<br />
wichtig für mich, dass wir uns<br />
am Ort der Uraufführung befinden,<br />
für den dieses Werk geschrieben<br />
wurde. Aber ich muss<br />
gestehen, dass, seit Stefan und<br />
ich am ersten Tag hier mit den<br />
Proben begonnen haben, unsere<br />
ganze Konzentration der Arbeit<br />
selbst gilt. In den letzten Jahren<br />
haben wir viel über sein Konzept<br />
gesprochen, aber nun haben wir<br />
begonnen, musikalisch zu arbeiten,<br />
Takt für Takt, Phrase für<br />
Phrase. Ich bin bei jeder Probe,<br />
auch jeder szenischen Probe<br />
anwesend und wir gehen den<br />
Weg gemeinsam. Natürlich<br />
denkt man manchmal daran,<br />
was es bedeutet, hier in Bayreuth<br />
zu sein, aber eigentlich<br />
konzentrieren wir uns ganz auf<br />
das, was es nun zu tun gilt: Unsere<br />
eigene Produktion entstehen<br />
zulassen.<br />
Schachtsiek: Dass heißt aus<br />
der Distanz und bei der ersten<br />
Begegnung ist Bayreuth auch in<br />
Wirklichkeit jener auratische<br />
Ort, den die Inszenierung bespielt,<br />
oder kann es zumindest<br />
sein, doch dann nutzt dieses Gefühlsichab?<br />
Meier-Dörzenbach: Abnutzung<br />
ist kein schönes Wort, denn<br />
es bedeutet Verbrauch, Verfall.<br />
Es ist vielmehr eine Entzauberung,<br />
in der dennoch eine unglaubliche<br />
Magie liegen kann. Es<br />
ist ein anderes Bewusstsein, ein<br />
anderes Sehen, ein anderes Verstehen,<br />
das einen bestimmt –<br />
eigentlich ein Moment, das sehr<br />
viel mit unserer Inszenierung zu<br />
tunhat.<br />
Herheim: Eine solche Konzeption<br />
wie die unsere, in der die<br />
Gralsritter als Wagnerianer aller<br />
Zeiten erscheinen, kommt ja nur<br />
zustande, wenn man das, was<br />
hier tatsächlich vorhanden ist,<br />
mythisch auf sich wirken lässt.<br />
Bei mir war es so. Das Bayreuther<br />
Festspielhaus kannte ich<br />
seit meiner Kindheit von Bildern,<br />
die meine Phantasie angeregt<br />
haben. Meinen Vater, der<br />
Orchestermusiker am Osloer<br />
Opernhaus war, faszinieren<br />
Schiffe, Kirchen und Opernhäuser<br />
–und so gab es in meinem El-<br />
ternhaus viele Bildbände von<br />
Opernhäusern. Wenn wir durch<br />
Europa reisten, haben wir uns<br />
die Häuser immer ganz genau<br />
angeschaut und sie fotografiert.<br />
Nur in Bayreuth haben wir nie<br />
Station gemacht, obwohl meine<br />
MutterursprünglichFränkin ist.<br />
Aber ich habe in Papas Büchern<br />
geblättert und fand, was hier in<br />
Bayreuth erstrebt wurde, extrem<br />
faszinierend. Und obwohl<br />
ich nie hier war, habe ich viel<br />
von diesem Ort geträumt, fast<br />
so, wie unser kleiner <strong>Parsifal</strong>-<br />
Junge hier in der Inszenierung,<br />
der in einer Art Traum-Albtraum-Welt<br />
gerät und sich selbst<br />
dabeierkundet.<br />
Schachtsiek: Euer „<strong>Parsifal</strong>“<br />
erzählt ja auf mehreren Ebenen<br />
von der Bewusstseinsentwicklung<br />
durch Macht und Gewalt<br />
auf nationaler und auch ganz individueller<br />
Ebene – „<strong>Parsifal</strong>“<br />
nicht nur als Marker eines<br />
Deutschtums, sondern auch als<br />
sichentwickelndesKind.<br />
Gatti: Ich bin wirklich froh,<br />
dass wir mit Christopher Ventris<br />
einen Sänger für die Rolle des<br />
<strong>Parsifal</strong> gefunden haben, der<br />
diese Entwicklung auch vokal zu<br />
beglaubigen weiß. Zu Anfang<br />
des Stückes erscheint <strong>Parsifal</strong><br />
tatsächlich –auch stimmlich –<br />
als ein kleiner Junge. Und Chris<br />
ist es wunderbar gelungen für<br />
den dritten Aufzug, wenn er zurückkehrt,<br />
eine ganz neue<br />
Stimmfarbe zu finden. Ich denke,<br />
so hat Wagner es gemeint;<br />
erst so versteht man, dass die Figur<br />
gereift ist, wirklich weitreichende<br />
und eindrückliche Erfahrungen<br />
gemacht hat. Der<br />
<strong>Parsifal</strong> des dritten ist ein ganz<br />
anderer als der des ersten Aufzuges.<br />
Aber es ist sehr schwer,<br />
einen Sänger zu finden, der das<br />
nicht nur verstehen, sondern<br />
auch umsetzen kann. Aber wenn<br />
man genau und detailliert arbeitet<br />
und immer nah an den Worten<br />
bleibt, so dass die Szene fast<br />
eine schauspielerische Qualität<br />
erreicht, im ersten Akt dagegen<br />
einfach singt, dann kann man<br />
einen großen Unterschied gestalten.<br />
Wir haben wirklich viel<br />
Glück mit unserer Besetzung<br />
hier; sie alle verstehen, dass es<br />
um die Psychologie der Figuren<br />
gehtundnichtumSchöngesang.<br />
Schachtsiek: Die Psychologie<br />
und das Drama stehen also für<br />
SieganzstarkimVordergrund?<br />
Gatti: Das ist vielleicht der<br />
Unterschied zu einer konzertanten<br />
Aufführung; wenn man szenisch<br />
arbeitet, muss es menschlicher<br />
werden. Was wir hier auf<br />
die Bühne bringen, ist ein Drama,<br />
das von der Entwicklung<br />
eines Mannes erzählt, des Menschen<br />
<strong>Parsifal</strong>. Und zugleich erzählen<br />
wir von der Sehnsucht<br />
nach Erlösung und von dem, was<br />
Hingabe bedeutet. Das sind<br />
Themen, die auch heute noch<br />
sehr aktuell sind, und ich denke,<br />
dieZuschauerwerdensichihnen<br />
sehr nah fühlen. Dafür ist es<br />
wichtig, dass wir die Geschichte<br />
nicht auf einem anderen Planeten<br />
stattfinden lassen. Das Reich<br />
desGralesistunsnichtfern,esist<br />
vermutlich Teil unserer Welt, solange<br />
wir auf der Suche nach etwas<br />
sind. Es ist auch deshalb<br />
richtig, sich hier und jetzt mit<br />
deutscher Geschichte von 1882<br />
bis nach dem zweiten Weltkrieg<br />
auseinander zu setzen –gerade<br />
die krisenhaften Momente darin,<br />
machen die Geschichte lesbarer.<br />
Scheele: Letztlich war das<br />
eine Folge der Idee der Zeitreise.<br />
Wenn man darin die NS-Zeit<br />
aussparen würde, würde das<br />
keinen Sinn machen. Und so<br />
wird sie eben am Ende des zweiten<br />
Aufzugs kurz angerissen. Sie<br />
ist die Irrfahrt, die bei Wolfram<br />
von Eschenbach den Großteil<br />
der Geschichte ausmacht und<br />
bei Wagner bis auf das Vorspiel<br />
zum dritten Aufzug ausgespart<br />
ist. Szenisch gibt es nur einen<br />
kurzen, aber erschreckenden<br />
Moment, der klarmacht, wo es<br />
jetzt hingeht. Nur das Davor und<br />
das Danach sind sichtbar in Zeit<br />
gedehnt.<br />
Herheim: Die Tatsache der<br />
Theatralisierung bleibt aber.<br />
Wir spürten hatten eine immense<br />
Notwendigkeit, diese Implikationen<br />
sichtbar machen zu<br />
müssen, angefangen mit dem<br />
fröhlichen Marschieren in die<br />
Welt am Ende des ersten Aufzugs.<br />
Uns war ganz wichtig, da<br />
einen realistischen Bezug herzu-<br />
stellen, denn diese Szene ist ja<br />
kein Gottesdienst –esist eine<br />
Umkehrung, eine ziemlich<br />
schwarze Messe als Feier eines<br />
Wahns, dem eine politische<br />
Ideologie zugrunde liegt. die<br />
man sich wiederum als Perversion<br />
eines Heils-Topos vor Augenführenmuss.<br />
Meier-Dörzenbach: Die Nähe<br />
der erlösungstriefenden Worte<br />
Wagners und der wilhelminischen<br />
Rhetorik sind schon beängstigend.<br />
Der Marsch der<br />
Gralsritter in die Welt hinaus<br />
wird mit der Naivität korreliert,<br />
mit der die Menschen im August<br />
1914 in den Ersten Weltkrieg gezogen<br />
sind. Übrigens ist das ja<br />
auch das Jahr, in dem das Werk<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ aus dem Tempel Festspielhaus<br />
gezogen ist, da das Urheberrecht<br />
abgelaufen war. Es<br />
kam zu einem regelrechten<br />
Boom und das Werk wurde in<br />
ganz Europa in vielen Sprachen<br />
aufgeführt –indem Europa, das<br />
sich wenige Monate danach bekriegte.<br />
Aus dem künstlichen<br />
Gralsgeläut wurden so reale Totenglocken.<br />
Scheele: Von diesem wichtigen<br />
Moment ausgehend haben<br />
wir dann auch die historische<br />
Konsequenz gezogen. Wir mussten<br />
weiter durch die Geschichte<br />
und wollten mit der bewusster<br />
und erwachsener werdenden<br />
Figur <strong>Parsifal</strong> weiter durch die<br />
Zeit...<br />
Schachtsiek: Gehörten<br />
eigentlich diese beiden Aspekte<br />
der Inszenierung, Identitätsfindung<br />
<strong>Parsifal</strong>s, die parallel als<br />
kollektive der Deutschen erzählt<br />
wird, und die Geschichte der<br />
Bayreuther Festspiele als herausgehobener<br />
Ort deutscher Erlösungssucht<br />
schon am Anfang<br />
Eurer Überlegungen zu „<strong>Parsifal</strong>“<br />
zusammen? Oder kam das<br />
erst mit dem Bayreuther Angebot?<br />
Herheim: Die Idee, dass „<strong>Parsifal</strong>“<br />
–entstanden in einer Umbruchphase<br />
der deutschen Geschichte<br />
– mit der kollektiven<br />
Suche nach Identität zu tun haben<br />
muss, ist mir schon sehr früh<br />
gekommen. Sie spielte schon<br />
eine wichtige Rolle bei der Entwicklung<br />
eines Konzeptes für<br />
Berlin, denn dort wollte ich auch<br />
schon eine deutsche Zeitreise<br />
zur Selbstfindung via Katastrophe<br />
inszenieren. Aus privaten<br />
Gründen wurde es mir unmöglich,<br />
diesen Faden weiter zu verfolgen<br />
und ich musste die Produktion<br />
absagen, kurz bevor das<br />
Bayreuther Angebot kam. Daraufhin<br />
habe ich zunächst versucht,<br />
in eine ganz andere Richtung<br />
zu gehen –letztlich haben<br />
wir die endgültige Entscheidung<br />
für den Ort, bzw. für dieses<br />
Raum-Zeit-Verhältnis, in dem<br />
dieser „<strong>Parsifal</strong>“ nun spielt, extremlangeherausgezögert.<br />
Schachtsiek: Die Wahl dieses<br />
Ortes als Bühnenbild war also<br />
auch die Entscheidung dafür,<br />
Dich mit Deiner eigenen ambivalenten<br />
Haltung zum Ort Bayreuthzukonfrontieren?<br />
Herheim: Ja, bzw. zu der weihevollen<br />
Verklärung und Instrumentalisierung<br />
des Wagnerschen<br />
Werks. Wir haben uns viele<br />
Gedanken über die Institution<br />
Bayreuth, über Geschichte und<br />
Gegenwart dieses „Bühnenweihfestspiels“<br />
und den Mythos,<br />
der um diesen „<strong>Parsifal</strong>“ gesponnen<br />
wurde, gemacht. Man<br />
musseinezwiespältige,kritische<br />
Haltung dazu einnehmen. Als<br />
ich 16 Jahre alt war, habe ich in<br />
meiner Heimatstadt Oslo als Statist<br />
im „<strong>Parsifal</strong>“ mitgewirkt. Das<br />
war das erste Mal überhaupt,<br />
dass ich Musiktheater nicht nur<br />
eine anregenden Wirkung auf<br />
mich hatte, sondern auch eine<br />
wirklich einschüchternde. Ich<br />
empfand das Ganze als tatsächlich<br />
beängstigend, doch das<br />
überwindet man eben in der<br />
konkreten Auseinandersetzung<br />
–gerade dann, wenn man diese<br />
ausgerechnet in Bayreuth führen<br />
kann. Der Auftrag schien mir<br />
eineeinmaligeHerausforderung<br />
zu sein, über meinen Schatten zu<br />
springen.<br />
Fortsetzung auf Seite 13
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 13<br />
Fortsetzung von Seite 12<br />
Schachtsiek: Heißt das, dass<br />
Du die Musik des „<strong>Parsifal</strong>“ immer<br />
nur durch diesen quasi<br />
doppelten Erlösungsmissbrauch<br />
hören konntest? Und Dich erst<br />
jetzt, durch den Weg in die szenische<br />
Auseinandersetzung, davon<br />
befreit hast?<br />
Herheim: Nein, anders als bei<br />
anderen Opern sprach die Musik<br />
gerade nicht in diesen Bildern<br />
zu mir. Vielmehr hatte ich<br />
das Gefühl, einen gedanklichen<br />
Überbau, eine Aussage zu brauchen,<br />
von der ausgehend ich die<br />
Partitur in ihrer Gesamtheit<br />
verräumlichen kann. Darin lag<br />
eine große Schwierigkeit für<br />
mich, weil ich sonst immer aus<br />
dem Bauch heraus –quasi musisch<br />
intuitiv –weiß, womit ich<br />
zu tun habe. Von diesem Zugang<br />
musste ich mich hier weitgehend<br />
verabschieden und mir<br />
das nötige Selbstvertrauen anders<br />
erarbeiten. Dieser Prozess<br />
spiegelt sich auch in den Themen<br />
wieder, die in „<strong>Parsifal</strong>“<br />
problematisiert werden. „<strong>Parsifal</strong>“<br />
hat mich nie unmittelbar<br />
ergriffen, bzw. habe ich es mir<br />
nicht erlaubt, darin aufzugehen.<br />
Ich musste ihn mir extrem<br />
erarbeiten, doch jetzt entsteht<br />
zwischen festem Unter- und<br />
großem Überbau die sinnliche<br />
Welt, die – wie ich glaube –<br />
wirklich berühren kann und<br />
darf.<br />
Meier-Dörzenbach: Hoffentlich<br />
nicht nur uns, sondern auch<br />
das Publikum. Liest man beispielsweise<br />
den Uraufführungskritiker<br />
Eduard Hanslick, so<br />
liest man von einer „höheren<br />
Zauberoper“ und dem „freien<br />
Spiel einer im Wunderbaren<br />
schwelgenden Phantasie“ als<br />
beste Seiten des Werkes. Theatrale<br />
Sinnlichkeit soll ja nicht<br />
nur Augen und Ohren verbinden,<br />
sondern auch das dazwischen<br />
wabernde Gehirn derart<br />
stimulieren, dass sich Fragenräume<br />
öffnen, auch wenn sich<br />
der Vorhang schließt…<br />
Herheim: Dabei sind wir immer<br />
wieder vom Werk ausgegangen.<br />
Alexander hat in unserer<br />
intensiven Konzeptionsphase<br />
auch immer wieder Nietzsche<br />
und seine Zeitgenossen und deren<br />
Blick auf Wagner angeführt.<br />
Doch ich hatte den Eindruck,<br />
wenn ich mich stark darauf berufe,<br />
nehme ich Wagner nicht<br />
wirklich ernst. Und das war natürlich<br />
mein Anspruch. Das<br />
Problem lag darin, dass ich mich<br />
keines großen Pathos’ – erst<br />
recht nicht des <strong>Parsifal</strong>schen<br />
ethisch und ästhetisch bedienen<br />
kann, ohne selbst wirklich zu<br />
glauben, das er human im<br />
selbstzweifelnden, selbstkritischen<br />
Sinne ist. „<strong>Parsifal</strong>“ ist<br />
eben ganz stark ein Gedankenkonstrukt,<br />
und es ist schwer dahinter<br />
zu kommen, wie Wagner<br />
dramaturgisch operiert. Mit<br />
dem Kuss ist das Stück im Sinne<br />
einer psychologischen Entwicklung<br />
eigentlich abgeschlossen.<br />
Doch dann kommen noch weitere<br />
zwei Stunden. Wagners Zelebrieren<br />
der vermeintlich gelungenen<br />
Initiation geht für<br />
mich nur als Theater auf dem<br />
Theater. So findet die Analyse<br />
auf einer ganz anderen Reflexionsebene<br />
statt; wir setzen sozusagen<br />
ein Brechtsches Heilmittel<br />
ein. Diese affirmative Art<br />
den dritten Aufzug zu inszenieren<br />
scheint mir legitim, weil wir<br />
zuvor sehr differenziert mit den<br />
ideologischen Implikationen<br />
umgehen. Aber es ist und bleibt<br />
zugleich, wenn Du so willst,<br />
eine große Verweigerung, jenseits<br />
des Theaters mit der Idee<br />
der Erlösung umzugehen.<br />
Meier-Dörzenbach: Nicht<br />
eine Verweigerung zu erlösen,<br />
sondern vielmehr ein wirkliches<br />
ästhetisches Annehmen der bestehenden<br />
Wagnerschen Erlösungsbedürftigkeit,Erlösungsmöglichkeit<br />
und der Erlösungsfähigkeit<br />
– doch es bleibt ein<br />
Prozess, der nicht einen einbzw.<br />
erlösenden Abschluss finden<br />
kann. Und dieses entscheidende<br />
Moment konfrontiert uns<br />
dann mit dem Abbild unserer<br />
selbst. Und das ist auch sinnlich<br />
zu erfahren. Ich glaube bei dieser<br />
Inszenierung gibt es –mehr<br />
noch als bei allen anderen gemeinsamen<br />
Arbeiten – eine<br />
Vielschichtigkeit, die vom naiv<br />
erzählenden Blick bis hin zu den<br />
tiefsten assoziativ angereicherten<br />
Einsichten Zugänge zum<br />
Werk ermöglichen wird.<br />
Scheele: Wie Du siehst, war<br />
es ein sehr langwieriger Prozess,<br />
bis wir bei diesen Bildern<br />
angekommen sind, die Du jetzt<br />
auf der Bühne siehst.<br />
Herheim: Ganz am Anfang<br />
stand eigentlich eine ganz stark<br />
selbstreferentielle Konzeption:<br />
Ich stellte mir eine Bühnenbildnerschule<br />
vor, die von Gurne-<br />
manz geleitet wird und in der<br />
ununterbrochen Modelle, Modelle,<br />
Modelle gebaut werden.<br />
In diesem Raum sollte sich die<br />
Geschichte sozusagen verselbständigen<br />
und Erlösung durch<br />
das versuchte Entgegenkommen<br />
des Werkes „<strong>Parsifal</strong>“ zu<br />
einem gegenwärtigen Bedürfnis<br />
erfahrbar werden. So konnte<br />
ich dem Stück aber nicht gerecht<br />
werden und brach zu neuen<br />
Ufern auf.<br />
Meier-Dörzenbach: Dann<br />
spielte auch eine zeitlang Berlin,<br />
dann die Metropole per se<br />
eine ganz zentrale Rolle in<br />
unseren Überlegungen –geboren<br />
aus dem von Stefan schon<br />
angesprochenen Impuls, sich in<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ mit deutscher Geschichte<br />
auseinanderzusetzen<br />
und ihn als Zeitreise zu erzählen<br />
–allerdings mit einem anderen<br />
Zentrum.<br />
Herheim: Wenn man sich<br />
einem Stück, einer neuen Partitur<br />
annähert, dann gibt es oft<br />
ganz schnell spezifische Bilder,<br />
aber diese Bilder sind noch<br />
nicht gerahmt. So wusste ich<br />
zum Beispiel bei unserer Grazer<br />
„Carmen“-Inszenierung sofort,<br />
dass es sich um eine Art Hinrichtungsstätte<br />
der vermeintlichen<br />
Realität handeln musste –<br />
ein Zentrum, um das alle kreisen.<br />
Dabei geht es um das Nachspüren<br />
von ganz klaren Mechanismen,<br />
und es dauert oft lang,<br />
bis man dieses Gefühl konkret<br />
als Vorstellung fassen kann, bis<br />
man so einen Raum gestalten,<br />
betreten, in ihm leben, fühlen<br />
und denken kann, ohne dass er<br />
kaputt geht. Das ist wie in der<br />
Liebe. Man stellt seine Beziehungsfähigkeit<br />
auf die Probe.<br />
Scheele: Man hat eben eine<br />
Idee, entwickelt daraus einen<br />
Raum, doch der muss dann<br />
plötzlich wieder ganz anders<br />
bespielt werden. Und so gibt es<br />
so etwas wie eine Spiralbewegung,<br />
bis alles seinen Platz gefunden<br />
hat. Auch beim „<strong>Parsifal</strong>“<br />
sind wir letztlich wie die<br />
Katze um den heißen Brei herumgeschlichen.<br />
In spiralförmigen<br />
Bewegungen immer drum<br />
herum und zuletzt eben doch<br />
nicht vorbei.<br />
Meier-Dörzenbach: Gerade<br />
das lange Aushalten der wechselnden<br />
Spannungen von<br />
Bauch und Kopf in der Konzeptionsphase,<br />
das ständige<br />
Überprüfen und Redigieren,<br />
Erweitern und Konzentrieren<br />
und vor allem die Bereitschaft,<br />
permanent Perspektiven zu<br />
wechseln führt zu einer kaleidoskopartigen<br />
Vielfarbigkeit,<br />
die doch immer ein klares Zentrum<br />
ausweist, das sich erst<br />
allmählich räumlich und verbal<br />
herausschälen lässt.<br />
Scheele: Es bleibt dabei aber<br />
immer etwas hängen. Gesines<br />
Kostüme für die Blumenmädchen<br />
im zweiten Aufzug beispielsweise<br />
sind auch Anleihen<br />
an einen früheren Konzeptentwurf<br />
en, in dem „<strong>Parsifal</strong>“ in<br />
einer Großstadt spielen sollte.<br />
Dort sollte der zweite Akt im<br />
Hinterhof von Klingsors Nachtklub<br />
„The Spear“ spielen, in<br />
dem eine Art Charrell-Revue<br />
stattfindet. Schade, dass sie<br />
jetzt nicht dabei ist, dann könnte<br />
sie von ihrer genauen Recherche<br />
und der Umsetzung erzählen.<br />
Meier-Dörzenbach: Und das<br />
nicht nur in den bei bunten Federn-<br />
und Perlenfreuden, sondern<br />
auch in der Erfindung der<br />
Gralsritter –eine Kombination<br />
aus kindlichem Matrosenanzug<br />
und pickelhaubigem Soldaten.<br />
Die schillernden Revuegirls beispielsweise<br />
bilden den Kontrast<br />
zur lustverdrängenden aber erlösungssüchtigen<br />
Epoche des<br />
Wilhelminismus. Interessant<br />
ist, dass oft, wenn Entscheidungen<br />
für bestimmte Örtlichkeiten<br />
wirklich konkret geworden<br />
sind, man auf anderen Wegen<br />
zu Dingen zurückkommt, die<br />
man schon verworfen hatte –<br />
Stefan hat es vorhin „Mechanismus“<br />
genannt: Bestimmte<br />
Kernideen lassen sich doch immer<br />
wieder finden. Ob nun im<br />
Bühnenbildneratelier, in der<br />
Stadtlandschaft Berlin oder im<br />
Haus Wahnfried. Letztlich sind<br />
das ästhetische Techniken, mit<br />
denen sich bestimmte Inhalte<br />
dann sinnlich vermitteln lassen.<br />
Schachtsiek: Das bedeutet<br />
ja, dass die konkrete Bühnenbildidee<br />
Haus Wahnfried und<br />
damit die Entscheidung, die<br />
wilhelminische Gesellschaft<br />
und den Ort, an dem der „<strong>Parsifal</strong>“<br />
entstanden ist und nun aufgeführt<br />
wird zu thematisieren,<br />
erst spät entstanden ist.<br />
Meier-Dörzenbach: Vermutlich<br />
war das, was nun „Haus<br />
Wahnfried“ geworden ist, von<br />
Anfang an da, aber noch kein<br />
konkretes Bild, das alle erzählerischen<br />
Anliegen – die Entwicklungpsychologie<br />
des Jungen,<br />
das kunstreligiöse Verklären<br />
und die deutsche Identitätssuche<br />
in der Geschichte –zusammenführen<br />
konnte.<br />
Herheim: Wir kamen immer<br />
wieder zurück auf die wilhelminische<br />
Zeit und dieses extreme<br />
Phänomen, dass bestimmte<br />
imperialistische Aspek-<br />
te verdrängt und zugleich in der<br />
Kunst verherrlicht werden.<br />
Doch ich konnte die Werk immanenten<br />
Widersprüche nicht<br />
bildlich fassen und suchte lange<br />
nach einer Übersetzung, einer<br />
Abstraktion des Vorgangs. Und<br />
dann wurde es klar, dass die<br />
Verortung nur just jenes Wahnfried,<br />
dort wo „mein Wähnen<br />
Frieden fand“, sein konnte...<br />
Schachtsiek: Das war doch<br />
der Moment, in dem Du in die<br />
Produktion eingestiegen bist,<br />
oder Heike?<br />
Scheele: Ja, Stefan hat alles<br />
Vorherige verworten und mich<br />
gefragt, ob ich einsteige. Ich<br />
habe mir das einen Tag überlegt,<br />
und dann bin ich nach Berlin<br />
gezogen, in Gesines Wohnung<br />
und wir haben dort letztlich<br />
zehn Wochen lang rund um<br />
die Uhr an der Ausgestaltung<br />
der dieser Konzeption gearbeitet.<br />
Der Wahnfried-Gedanke<br />
war dann ziemlich schnell da.<br />
Und dass sich die Bühne dreht,<br />
aber immer alles irgendwie<br />
gleich bleibt. Dass es eine Art<br />
Negativseite gibt, oder Traumseite,<br />
die sich eben doch nicht<br />
als eine andere erweist, das war<br />
tatsächlich schon früh wichtig.<br />
Meier-Dörzenbach: So wie ja<br />
auch der Zaubergarten Klingsors<br />
lediglich auf der Ostseite<br />
des Gralsberges blüht…<br />
Scheele: Zunächst gab es in<br />
diesem Raum vier Betten und<br />
ganz viele Möglichkeiten. Einige<br />
Teile der Elemente, die in<br />
der jetzt realisierten Variante<br />
zur Stimmung beitragen, gab es<br />
aber schon, so die Tapeten, die<br />
Bäume, die ins Zimmer ragen.<br />
Und märchenhafte Durchblicke:<br />
den Gruselfilm im Kinderzimmer.<br />
Dann haben wir angefangen<br />
zu kondensieren.<br />
Schließlich trat die Idee hinzu,<br />
dass sich alles in einem Garten<br />
abspielt, der sich stets verändert<br />
und doch immer gleich<br />
bleibt.<br />
Herheim: „Verwandlung“<br />
war mir von Anfang an ein zentrales<br />
Stichwort. Nicht nur Zeit,<br />
sondern auch Seele muss hier<br />
zum Raum werden und umgekehrt.<br />
Meier-Dörzenbach: Wobei<br />
Innen und Außen, Raum und<br />
Zeit keine verlässlichen Konstanten<br />
sein durften, sondern<br />
vielmehr ausgefranste Begrifflichkeiten,<br />
mit denen man etwas<br />
zu halten versucht, das sich<br />
nicht halten lässt.<br />
Scheele: Ganz genau. Also<br />
brauchten wir trotz eines assoziativ<br />
aufgeladenen Raums eine<br />
Flexibilität. Nun fuhren Bäume<br />
von rechts nach links und zurück,<br />
doch die Mitte, die war<br />
immer noch leer, sie war in gewisser<br />
Weise der Joker. Und<br />
eines Tages hat Stefan dann<br />
einen von Gesines blauen Frühstückstellern<br />
in mein Modell<br />
gestellt. Erinnerst Du Dich? Du<br />
hast ihn hineingestellt und lange<br />
sinnend geguckt? Damit war<br />
der Brunnen da und damit ging<br />
es eigentlich erst richtig los, mit<br />
den ganzen Zaubermitteln im<br />
Wahnfried-Garten. Die Rotunde<br />
des Hauses wurde umgedreht<br />
und es ergaben sich ganz<br />
neue Möglichkeiten.<br />
Herheim: Es wurde immer<br />
klarer, dass Wahnfried nicht<br />
abstrakter Hintergrund bleiben<br />
darf, sondern tatsächlich viel<br />
tiefer greifen muss –eben mythisch,<br />
historisch und zugleich<br />
psychologisch gegenwärtig.<br />
Meier-Dörzenbach: Mir war<br />
immer der Ausgang von einer<br />
wilhelminischen Erlösungsund<br />
Heilssehnsucht wichtig.<br />
Der Grüne Hügel als eine Art<br />
akustisch motivierter Zauberberg,<br />
der zwischen Askese und<br />
Erotik alles verschlingt und am<br />
Ende die Subjektivität auflöst.<br />
Herheim: Richtig, Du dachtest<br />
da auch an medizinische-<br />
Heilkuren, doch ich konnte<br />
damit nicht so viel anfangen.<br />
Meier-Dörzenbach: So dass<br />
wir diesen Vorgang nun noch<br />
mehr ins Metaphysische projiziert<br />
und uns auf Heilkunststatt<br />
Heilwassergenuss bezogen<br />
haben.<br />
Scheele: Und als allerletztes<br />
Element kam dann noch das<br />
Grab ins Bühnenbild. Wir haben<br />
uns sozusagen von hinten<br />
nach vorne gearbeitet. Wie es<br />
zu diesen großen Fortschritten<br />
kommt, kann man letztlich gar<br />
nicht beschreiben, sie entstehen<br />
immer unerwartet und irgendwie<br />
magisch. Und der letzte<br />
Sprung sind dann immer die<br />
ersten Probentage. Obwohl<br />
eigentlich gar nicht viel passiert,<br />
gibt es noch einmal einen<br />
großen Sprung vorwärts. Wie<br />
schreibt Peter Brook in seinem<br />
Buch „Der leere Raum“? Die<br />
Konzeptionsprobe ist eigentlich<br />
nur dafür da, dass man sie überlebt<br />
und dann zu arbeiten beginnen<br />
kann.<br />
Schachtsiek: Jetzt haben wir<br />
so viel über die Um- und Irrwege<br />
der szenischen Vorbereitungen<br />
geredet, wie war denn die<br />
Vorbereitung aus Ihrer Sicht,<br />
Maestro?<br />
Gatti: Wie ich schon sagte,<br />
haben wir uns zwar drei-, viermal<br />
in den vergangenenJahren<br />
getroffen, um über die Konzeption<br />
zu reden, die wirklich gemeinsame<br />
Arbeit hat aber erst<br />
hier begonnen, als wir anfingen<br />
musikalisch zu arbeiten. Ich<br />
hatte Gelegenheit, im Januar in<br />
Rom eine konzertante Aufführung<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“ zu erarbeiten<br />
und konnte mich dabei<br />
ganz detailliert mit dem Werk<br />
auf musikalischer Ebene auseinandersetzen,<br />
mit den Sängern<br />
am Textausdruck zu arbeiten,<br />
Farben und den richtigen<br />
Ausdruck zu finden. Nun kann<br />
ich diese Entscheidungen noch<br />
einmal überdenken, auch im<br />
Hinblick auf das Szenische.<br />
Fortsetzung auf Seite 14
Nordbayerischer Kurier<br />
14 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
Fortsetzung von Seite 13<br />
Gatti (Fortsetzung): Bei einer<br />
konzertanten Aufführung konzentriert<br />
man sich auf die Musik<br />
und den Text, aber die Erfahrung<br />
geht eben über das Hörbare,<br />
meinen engeren Arbeitsbereich,<br />
nicht hinaus. Mein<br />
Grundkonzept ist natürlich dasselbe<br />
geblieben, doch es muss<br />
für die Situation hier adaptiert<br />
werden. Die Arbeit mit den<br />
Sängern war sehr tiefgreifend.<br />
Wir haben viel am Text und an<br />
den Stimmfarben gearbeitet –<br />
wir versuchen, alle der Tausenden<br />
von Ausdrucksmöglichkeiten<br />
der menschlichen Stimme<br />
zu nutzen. Was ich an Stefan<br />
wirklich schätze, ist, dass er<br />
selbst Musiker ist; er hat die Fähigkeit,<br />
Musik zu verstehen, sie<br />
zu lesen und genau nachzuvollziehen,<br />
was in der Partitur niedergeschrieben<br />
ist. Das hat zu<br />
einer ganz besonderen Zusammenarbeit<br />
geführt und ich habe<br />
auch aktiv an den szenischen<br />
Proben Teil.<br />
Herheim: Ja, es ist wirklich<br />
wunderbar, wie Du die Sänger<br />
immer aufforderst, alles Szenische<br />
noch viel genauer zu machen,<br />
insofern es aus der Musik<br />
hervorgeht.<br />
Gatti: Es gibt ja bei Wagner<br />
musikalisch so viele dramatische<br />
Möglichkeiten, er hat keine<br />
Detailvorschriften zu forte,<br />
mezzoforte, piano, legato usw.<br />
gemacht. So gibt es die Freiheit,<br />
die Sänger darum zu bitten,<br />
in einem bestimmten Moment<br />
ihre Stimme auf ganz<br />
spezifische Weise einzusetzen.<br />
So haben wir zum Beispiel<br />
ganz ausführlich an Gurnemanz<br />
gearbeitet und unsere<br />
Bühnenfigur erscheint nun als<br />
ein sehr leidenschaftlicher<br />
Mann. Unser Gurnemanz-Sänger<br />
Kwangchul Youn hat eine<br />
ganz besondere Fähigkeit sein<br />
piano einzusetzen –sodass uns<br />
seine Erzählung plötzlich als<br />
Drama ganz nahe kommt. Wir<br />
erfahren, was in seinem Herzen<br />
vor sich geht, anstatt bloß<br />
einem Sänger zuzuhören, der<br />
uns eine Geschichte erzählt.<br />
Ähnlich ergiebig und präzise ist<br />
die Arbeit mit unserer Kundry,<br />
Mihoko Fujimura. Vielleicht<br />
bringe ich das als ein Dirigent<br />
mit, der sehr viel italienisches<br />
Opernrepertoire, aber auch<br />
mitteleuropäisches symphonisches<br />
Repertoire dirigiert hat.<br />
Ich bitte die Sänger immer<br />
theatral zu gestalten und ich<br />
bin sehr froh, dass Stefan da<br />
ganz auf meiner Linie ist. Mal<br />
macht er mir einen Vorschlag,<br />
mal mache ich ihm einen Vorschlag.<br />
Erst heute morgen haben<br />
wir mit Thomas Jesatko<br />
geprobt, unserem Klingsor, und<br />
fanden in der Partitur ein For-<br />
te, dann ein Piano im nächsten<br />
Takt und dann eine Pause. Mir<br />
lag viel daran, diesen Wechsel<br />
szenisch zu motivieren. Eine<br />
Kleinigkeit, eine Bewegung des<br />
Kopfes oder einer Hand genügt,<br />
doch es muss einen<br />
Stimmungswechsel geben, eine<br />
neue Farbe ist immer eine Änderung<br />
der Stimmung. Natürlich<br />
benötigt man für diese Art<br />
zu arbeiten viel Zeit, aber ich<br />
glaube, dass das Ergebnis faszinierend<br />
sein kann, und ich<br />
hoffe, dass das Publikum etwas<br />
davon mitbekommen wird-<br />
Schachtsiek: Das ist eine besondere<br />
Art zu arbeiten. Sie<br />
proben ja, anders als an normalen<br />
Operhäusern, hier jeden<br />
Tag, und dann auch noch stets<br />
szenisch-musikalisch und dann<br />
so detailliert und intensiv.<br />
Gatti: Ich muss sagen, ich<br />
fühle mich trotzdem nicht gestresst.<br />
Nun arbeiten wir hier<br />
schon vier Wochen ohne einen<br />
einzigen probenfreien Tag.<br />
Aber mir gefällt das, es ist glaube<br />
ich ein Faktor dessen, was es<br />
so anziehend macht, nach Bayreuth<br />
zu kommen. Diese Musik<br />
und diese Oper sind so fantastisch<br />
–ich scheine ihrer nicht<br />
müde zu werden. Jeden Tag<br />
freue ich mich, auf die Probe<br />
gehen zu können.<br />
Scheele: Alle sind hier auf<br />
besondere Weise konzentriert,<br />
weil man immer unter Zeitdruck<br />
arbeitet. Niemand kann<br />
hier unvorbereitet anzukommen<br />
und erwarten, dass ihm<br />
jemand erst sagt, wo es langgehen<br />
soll.<br />
Herheim: Es liegt aber auch<br />
immer daran, wie man den Leuten<br />
gegenüber trittt. Man muss<br />
jeden der Wege, den man gemeinsam<br />
gehen will, auch<br />
schmackhaft machen können.<br />
Man lotet dabei ihre Grenzen<br />
aus –bei der Theaterarbeit geht<br />
es immer um Grenzen, die gedehnt<br />
werden wollen und müssen,<br />
auch die eigenen.<br />
Scheele: Man muss aber<br />
auch sagen, dass man hier mit<br />
offenen Armen empfangen<br />
wird, wenn man etwas will. Der<br />
Ehrgeiz aller Beteiligten und die<br />
Freunde daran, dass ist schon<br />
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etwas ganz besonderes. (Die<br />
Mitarbeiter der Kantine des<br />
Festspielhauses haben inzwischen<br />
alle Gläser abgeräumt<br />
und weggespült. Nur der Tisch<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“-Teams ist noch<br />
besetzt. Ob jemand noch etwas<br />
trinken möchte, oder ob sie die<br />
Küche nun schließen darf,<br />
möchte sie wissen. Sie darf.)<br />
Gatti: Wir versuchen all das,<br />
was an Klang in der Partitur angelegt<br />
ist, in eine szenische Atmosphäre<br />
zu übersetzen, eine<br />
ganz besondere Atmosphäre für<br />
die Sänger. So versuchen wir<br />
der Idee des „Gesamtkunstwerks“<br />
nahe zu kommen –um<br />
ein Wort Wagners zu benutzen.<br />
Das ist das besondere an unserer<br />
Zusammenarbeit hier in<br />
Bayreuth. Es ist nicht so, dass<br />
jeder hier mit einem fertigen<br />
Konzept kommt, das dann eins,<br />
zwei umgesetzt wird. Nein, Stefan<br />
versucht alle Sänger in eine<br />
Situation zu versetzen, in der<br />
sie nicht nur gut singen, sondern<br />
etwas auszudrücken vermögen.<br />
Ja, es gibt auch ein inhaltliches<br />
Konzept, eine Deutung,<br />
aber für mich besteht Regie<br />
vor allem darin, dass man<br />
die Sänger dazu bringt, zu spielen.<br />
Es gibt nicht einen einzigen<br />
Takt, in dem das Bühnengeschehen<br />
statisch bleibt, wo einfach<br />
nur gesungen würde. Im<br />
zweiten Aufzug zum Beispiel ist<br />
der Chor der Blumenmädchen<br />
ununterbrochen in Bewegung –<br />
und das ist das, was, zumindest<br />
aus meiner Sicht, die Aufgabe<br />
von Regie ist. Ja, konzeptionelle<br />
Überlegungen sind ungeheuer<br />
wichtig, doch ist entscheidend,<br />
ob es gelingt, einem vierzig minütigen<br />
Duett wie gegen Ende<br />
des zweiten Aufzugs eine szenische<br />
Spannung zu verleihen.<br />
Dazu muss man die Figuren<br />
entwickeln und zwar mit theatralen<br />
Mitteln.<br />
Schachtsiek: Im Zentrum<br />
steht also Wagners Musikdrama<br />
als Theater? Ich finde es sehr<br />
schön, dass Sie das so formulieren,<br />
weil ich in den Proben den<br />
Eindruck hatte, dass Ihr Ansatz<br />
und der Deines Regieteams,<br />
Stefan, sich hier treffen. Zu Eurem<br />
Weg der Auseinandersetzung<br />
gehört es auch, sich ein<br />
Stück weit vom Gedankenkonstrukt<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“ zu lösen und<br />
genau auf das Theater zu hören,<br />
das sich in der Musik ereignet.<br />
Sowohl im ersten, als auch im<br />
zweiten Akt gibt es ganz viele<br />
Momente, wo dadurch die Musik<br />
plötzlich eine andere Qualität<br />
kriegt, was ich sehr spannend<br />
finde. Es gibt einzelne fast<br />
operettenartige Momente, die<br />
mich besonders faszinieren,<br />
weil sie so weit von dem weg<br />
sind, was ich bei „<strong>Parsifal</strong>“ erwarte.<br />
Und als ich für die Beilage<br />
zu rekonstruieren versucht<br />
habe, wie „<strong>Parsifal</strong>“ im Verlauf<br />
der Rezeptionsgeschichte<br />
wahrgenommen wurde, sind<br />
diese Aspekte auch immer wieder<br />
aufgetaucht: Es ist eben –<br />
auch –großes Theater.<br />
Herheim: Absolut. Was wir<br />
machen, ist eine ernsthafte<br />
handwerkliche Benennung dieser<br />
Aspekte der Partitur, die wir<br />
dann auch relativ stabil einlösen.<br />
Meier-Dörzenbach: Auch<br />
wenn Wagner sein „Bühnen-<br />
weihfestspiel“ schon nominell<br />
von der gemeinen Oper des<br />
Amusements trennen wollte,<br />
liegt ja gerade in einem Theater,<br />
dass sich seiner Theatralität<br />
bewusst ist, ein Konzept, das alle<br />
vier Elemente des Genres sui<br />
generis bedient. Die ernsthafte<br />
Einlösung liegt eben auch in der<br />
bewussten Annahme der eigenen<br />
medialen Begrenzungen.<br />
Eine bewusste Desillusionierung<br />
kann etwas Verzauberndes<br />
haben.<br />
Schachtsiek: Aber die These,<br />
die Du immer wieder so stark<br />
machst, gibt es doch auch: Nach<br />
Bayreuth pilgert man seit 1882<br />
der Erlösung wegen und die<br />
Frage ist, ob das auch 2008<br />
noch so ist.<br />
Herheim: Dieses Verständnis<br />
von Bayreuth zeugt eben von<br />
einem Missverständnis. Die tradierten<br />
Erwartungshaltungen,<br />
mit denen wir groß werden,<br />
entsprechen oft nicht der Wirklichkeit.<br />
Das Bayreuth, das sich<br />
die Leute imaginieren, ist weitgehend<br />
eine Illusion, die von<br />
dieser Illusion wiederum lebt.<br />
Um dieses Phänomen und seine<br />
historischen Folgen, aus denen<br />
wir Gegenwart gestalten, geht<br />
es mir. Es geht um den Prozess,<br />
dem wir uns hier, an diesem Ort<br />
– und zwar nicht nur wir als<br />
Team, sondern auch unser Publikum<br />
-aussetzen. Dieser Ort<br />
provoziert ganz konkrete historische<br />
und zeitgenössische Diskurse<br />
rund um den „<strong>Parsifal</strong>“<br />
und wir haben versucht, diese<br />
Konzeption aus seiner eigenen<br />
Geschichte theatral immer weiter<br />
zu entwickeln.<br />
Schachtsiek: Ist das also das<br />
Fazit: Am Ende ist –trotz aller<br />
Aura des Ortes –auch das Bayreuther<br />
Festspielhaus nur ein<br />
Theater?<br />
Gatti: Nehmen Sie es mir<br />
nicht übel, dass ich das sage,<br />
aber wenn Sie in der Mailänder<br />
Scala „Falstaff“ oder „Otello“<br />
dirigieren, Werke, die auch für<br />
dieses spezifische Haus geschrieben<br />
wurden, ist es nicht<br />
viel anders. Man wird Teil einer<br />
großen Tradition. Man fällt ein<br />
wenig aus seiner eigenen Zeit,<br />
als sei man der Welt entrückt.<br />
Aber wenn man versucht, in<br />
sich die Dinge zu unterdrücken,<br />
die einen selbst ausmachen,<br />
dann kann das sehr gefährlich<br />
werden – insofern muss man<br />
immer weiter arbeiten und<br />
arbeiten. Jeder erwartet von<br />
uns, dass wir hier etwas ganz<br />
Besonderes entstehen lassen.<br />
Und wir versuchen, alles in<br />
unserer Macht stehende dafür<br />
zu tun, so gut wir können.<br />
Schachtsiek: Wenn Sie die<br />
Bayreuther Tradition so stark<br />
als Theatertradition verstehen –<br />
die ist ja auch stark von italienischen<br />
Dirigenten geprägt worden.<br />
Spielt das für Sie eine Rolle?<br />
Gatti: Durchaus. Wenn ich<br />
über die Dirigenten nachdenke,<br />
die vor mir hier dirigiert haben,<br />
und was für Dirigenten das waren,<br />
allein unter den Italienern,<br />
große Dirigenten wie Toscanini,<br />
de Sabata, Erede, und dann<br />
Sinopoli –dann fühle ich mich<br />
verpflichtet, dieses Erbe in<br />
unserer Generation weiterführen.<br />
Diese Verantwortung<br />
macht mich glücklich, aber,<br />
wenn ich ehrlich bin, auch ein<br />
wenig besorgt – beim Gedanken<br />
an jeden einzelnen der Musiker,<br />
die vor uns hier waren.<br />
Nun sind wir hier und in gewisser<br />
Weise erfüllt mich auch ein<br />
Gefühl der Demut. Doch wir<br />
werden das Beste tun, was wir<br />
können, und dann liegt es am<br />
Publikum das Ergebnis zu bewerten.<br />
Schachtsiek: Das wäre ein<br />
sehr schönes Schlusswort,<br />
Maestro Gatti, wenn nicht…<br />
(Mehrere Handys summen,<br />
klingeln, tönen und verkünden<br />
die Ankunft einer sms. Fast<br />
schon unisono freut sich das<br />
Team.)<br />
Scheele, Herheim, Meier-<br />
Dörzenbach: Gesine ist glückliche<br />
Mutter einer gesunden<br />
Tochter geworden!<br />
Schachtsiek: Damit siegt das<br />
Leben ja schon fast über die<br />
Kunst – wie in der Inszenierung.<br />
Meier-Dörzenbach: Nur ist<br />
hier ein Mädchen geboren –<br />
vielleicht liegt ja doch darin das<br />
Geheimnis der Erlösung…<br />
(Das Tonband wird abgeschaltet.<br />
Ein letztes Bier wird<br />
auf das Wohl der neuen Erdenbürgerin<br />
getrunken und alle<br />
machen sich auf den Weg nach<br />
Hause. Die Dame aus der Kantine<br />
kann endlich schließen. In<br />
wenigen Stunden, um 11 Uhr<br />
geht es weiter auf Probebühne<br />
IV.)<br />
Biographien des<br />
„<strong>Parsifal</strong>“-Teams<br />
Daniele Gatti<br />
Daniele Gatti wurde in Mailand<br />
geboren und studierte Klavier,<br />
Violine, Komposition und Dirigieren<br />
am Konservatorium seiner<br />
Heimatstadt. Mit 27 Jahren<br />
dirigierte er erstmals an der<br />
Mailänder Scala, wo er 2007<br />
auch für „Lohengrin“ und 2008<br />
für „Wozzeck“ die musikalische<br />
Leitung hatte. Es schlossen sich<br />
Gastdirigate am Teatro La Fenice<br />
in Venedig, am Teatro Comunale<br />
di Bologna, an der Berliner<br />
Staatsoper sowie an der<br />
New Yorker Metropolitan Opera<br />
an. 1992 -1997 war er Musikdirektor<br />
des Orchesters der Accademia<br />
di Santa Cecilia in Rom,<br />
von 1994 bis 1997 wirkte er als<br />
Principal Guest Conductor am<br />
Royal Opera House Covent Garden.<br />
1996 übernahm er die Leitung<br />
des Royal Philharmonic<br />
Orchestra, dessen Chefdirigent<br />
er nach wie vor ist. 1997 -2007<br />
stand er darüber hinaus dem<br />
Teatro Comunale di Bologna als<br />
Musikdirektor vor. Im Laufe<br />
seiner Karriere hat Daniele Gatti
Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 15<br />
viele bedeutende Orchester dirigiert,<br />
unter anderem die Chicago<br />
Symphony, die London Symphony,<br />
das Symphonieorchester<br />
des Bayerischen Rundfunks, Israel<br />
Philharmonic, New York<br />
Philharmonic, die Wiener und<br />
Berliner Philharmoniker, die<br />
Staatskapelle Dresden sowie das<br />
Boston Symphony Orchestra. An<br />
der Wiener Staatsoper debütierte<br />
er 2002 mit „Simon Boccanegra“<br />
und leitete seither u.a. die<br />
Premierenproduktionen „Otello“,<br />
„Boris Godunow“ und „Moses<br />
und Aron“. 2007/2008 ging<br />
er mit den Wiener Philharmonikern<br />
auf Europatournee, die<br />
ihren Höhepunkt mit dem Verdi-<br />
Requiem im Vatikan fand. Als<br />
Musikdirektor dirigierte er das<br />
Royal Philhamonic Orchestra in<br />
der Royal Albert Hall, der Royal<br />
Restival Hall und alljährlich zum<br />
BBC Proms. Daniele Gatti machte<br />
mehrere Aufnahmen von<br />
Werken Rossinis, Mahlers, Prokofievs,<br />
Bartòks und Respighis<br />
für BMG/RCA Red Seal. Mit<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ gibt er sein Debut bei<br />
den Bayreuther Festspielen.<br />
Stefan Herheim<br />
Stefan Herheim wurde 1970 in<br />
Oslo geboren, wo er u.a. Cello<br />
studierte. Nach Beschäftigungen<br />
an der Norwegischen Opernhochschule<br />
bereiste er das Land<br />
mit seiner eigenen Puppenkompanie.<br />
Er studierte Regie unter<br />
Götz Friedrich an der Hochschule<br />
für Musik und Theater in<br />
Hamburg und erhielt das Diplom<br />
für seine Inszenierung von<br />
„Die Zauberflöte“ im Jahre<br />
1999. Seitdem wohnt er in Berlin,<br />
doch haben ihn seine Arbeiten<br />
von Deutschland auch nach<br />
Schweden, Norwegen, Estland,<br />
Lettland und immer wieder Österreich<br />
geführt. Unter anderem<br />
inszenierte er Verdis „Falstaff“<br />
im Staatstheater Oldenburg,<br />
Mozarts „Così fan tutte“ an der<br />
Volksoper Stockholm, Wagners<br />
„Tannhäuser“ sowie Verdis<br />
„Don Carlo“ am Landestheater<br />
Linz. Für die Münchner Biennale<br />
brachte er zwei Weltpremieren<br />
auf die Bühne: Die Kollektivoper<br />
„Über Frauen – über<br />
Grenzen“ im Jahre 2000 und<br />
André Werners „Marlowe: Der<br />
Jude von Malta“ zwei Jahre später.<br />
Im Jahr 2004 erhielt Herheim<br />
den Götz-Friedrich-Preis<br />
für Regie für seine Produktion<br />
von Bellinis „I Puritani“ am Essener<br />
Aalto-Theater und inszenierte<br />
an der Wiener Volksoper<br />
„Madama Butterfly“. Bei den<br />
Salzburger Festspielen wurde<br />
seine viel diskutierte Interpretation<br />
von Mozarts „Die Entführung<br />
aus dem Serail“ 2006 zum<br />
dritten Mal herausgebracht.<br />
Kontroverse Inszenierungen wie<br />
Händels „Giulio Cesare“ an der<br />
Norwegischen Staatsoper, Verdis<br />
„La forza del destino“ an der<br />
Deutschen Staatsoper Berlin<br />
und Wagners „Das Rheingold“<br />
an der Lettischen Nationaloper<br />
in Riga in Zusammenarbeit mit<br />
dem Bergen Festival haben ihn<br />
zu einem der gefragtesten Regisseure<br />
seiner Generation gemacht.<br />
Seine „Don Giovanni“-<br />
Interpretation am Aalto-Theater<br />
in Essen 2007 wurde von Publikum<br />
und Presse gefeiert. Herheim<br />
hat sowohl an der Opernhochschule<br />
in Oslo als auch an<br />
der Hochschule für Musik,<br />
Hanns Eisler in Berlin sowie auf<br />
internationalen Workshops<br />
unterrichtet. Seine zukünftigen<br />
Projekte umfassen Dvoraks „Rusalka“<br />
in Brüssel, Strauss’ „Der<br />
Rosenkavalier“ in Stuttgart,<br />
Bergs „Lulu“ in Kopenhagen und<br />
Helsinki und von Wagner<br />
„Tannhäuser“ in Oslo und „Lohengrin“<br />
an der Berliner Staatsoper.<br />
Heike Scheele<br />
Heike Scheele hat 1985 ihr Studium<br />
in Bühnenbild und Kostümdesign<br />
bei Erich Wonder mit<br />
dem Kolo-Moser-Preis abgeschlossen.<br />
Sie hat mehrere Jahre<br />
als Assistentin an verschiedenen<br />
Theatern und Opernhäusern<br />
in Berlin gearbeitet, bevor<br />
sie 1989 als freischaffende<br />
Künstlerin ihre Karriere in<br />
Deutschland, Schweden, Österreich,<br />
der Schweiz und Norwegen<br />
begann. Zu den vielen Produktionen,<br />
die Scheele für die<br />
Theater-, Opern- und Musicalbühnen<br />
ausstattete, zählen<br />
Shakespeares „Hamlet“, Schumanns<br />
„Genoveva“, Molières<br />
„Tartuffe“, Leoncavallos „Edipo<br />
Re / Pagliacci“, Tschechows<br />
„Die Möwe“, Bernsteins „West<br />
Side Story“, Kálmáns „Gräfin<br />
Mariza“, Bizets „Die Perlenfischer“,<br />
die Deutschlandpremiere<br />
von Tan Duns Oper „Tee“ und<br />
Kálmáns „Die Csárdásfürstin“.<br />
Zuletzt hatte das Musical „Titanic“<br />
mit einem Bühnenbild von<br />
Heike Scheele in Magdeburg<br />
Premiere. Ihre Zusammenarbeit<br />
mit Stefan Herheim begann<br />
1999 mit einer Produktion von<br />
„Die Zauberflöte“ in Oldenburg,<br />
wo die beiden im Anschluss<br />
auch Verdis „Falstaff“ gemeinsam<br />
herausbrachten. Scheele<br />
stattete auch die Herheimschen<br />
Produktionen von Mozarts „Così<br />
fan tutte“ in Stockholm, Verdis<br />
„Don Carlo“ in Linz, Händels<br />
„Giulio Cesare in Oslo“, Wagners<br />
„Rheingold“ in Riga und<br />
Bergen, sowie „Carmen“ in<br />
Graz aus. Als zukünftige Produktionen<br />
mit ihm sind „Rusalka“<br />
in Brüssel, „Lohengrin“ in<br />
Berlin und „Tannhäuser“ in Oslo<br />
geplant.<br />
Gesine Völlm<br />
Gesine Völlm, geboren in Sindelfingen,<br />
studierte Bühnen–<br />
und Kostümbild bei Jürgen Rose<br />
an der Staatlichen Akademie<br />
der bildenden Künste in Stuttgart.<br />
Nach Arbeiten als freischaffende<br />
Künstlerin war sie<br />
als Bühnenbildassistentin am<br />
Schauspielhaus Hamburg tätig<br />
und arbeitete unter der Intendanz<br />
von Frank Baumbauer mit<br />
Anna Viebrock, Barbara Bürck<br />
und Corinna Bethge. Danach<br />
war Völlm am Staatstheater<br />
Hannover engagiert, wo sie mit<br />
Albrecht Puhlmann und Wilfried<br />
Schulz arbeitete. Dort zeichnete<br />
sie bei Aurelia Eggers verantwortlich<br />
für „Zaide“, „Il Giasone“,<br />
bei Markus Bothe für John<br />
Kaltenbrunners Amerika. Außerdem<br />
arbeitete sie neben Stefan<br />
Thoss auch mit Stefan Otteni<br />
bei „Brüder Löwenherz“ und<br />
„<strong>Parsifal</strong>“. Während ihrer freiberuflichen<br />
Tätigkeit als Kostümbildnerin<br />
und Regisseurin in<br />
Schauspiel, Tanz und Oper<br />
arbeitete sie u.a. mit Jossi Wieler,<br />
Joachim Schlömer am Theater<br />
Basel, mit Anselm Weber im<br />
Schauspiel Frankfurt und am<br />
Wiener Burgtheater, mit Katrin<br />
Beier bei den Nibelungenfestspielen<br />
in Worms, mit Barbara<br />
Frey am Deutschen Theater in<br />
Berlin, mit Philipp Himmelmann<br />
an der Bremer Oper und<br />
an der Deutschen Oper am<br />
Rhein in Düsseldorf. Richard<br />
Wagners „<strong>Parsifal</strong>“ ist die erste<br />
gemeinsame Arbeit mit Stefan<br />
Herheim und Heike Scheele. Im<br />
Dezember 2008 folgt die Oper<br />
„Rusalka“ in Brüssel, im Frühjahr<br />
2009 „Lohengrin“ an der<br />
Staatsoper in Berlin und im<br />
Herbst dann „Rosenkavalier“ an<br />
der Staatsoper Stuttgart.<br />
Alexander<br />
Meier-Dörzenbach<br />
Alexander Meier-Dörzenbach<br />
wurde 1971 in Hamburg geboren<br />
und, nach Abschluss seines<br />
Studiums in Amerikanistik,<br />
Germanistik, Pädagogik sowie<br />
Kunstgeschichte, mit einem interdisziplinären<br />
Thema über<br />
Gertrude Stein, Sherwood Anderson<br />
und die Kunst der Moderne<br />
an der Hamburger Universität<br />
promoviert. Seit Stefan<br />
Herheims Regie-Diplom von<br />
„Die Zauberflöte“ arbeitet er<br />
regelmäßig eng mit ihm zusammen,<br />
so bei „I Puritani“ in<br />
Essen, „Madame Butterfly“ an<br />
der Wiener Volksoper, „Giulio<br />
Cesare“ in Oslo, „La forza del<br />
destino“ an der Berliner Staatsoper,<br />
„Das Rheingold“ in Riga<br />
und Bergen, „Carmen“ in Graz<br />
und „Don Giovanni“ in Essen.<br />
Mit der Regisseurin Karoline<br />
Gruber erarbeitete er zuletzt<br />
die Inszenierung von „Ariadne<br />
auf Naxos“ in Leipzig, die im<br />
Juni 2008 Premiere hatte. Weitere<br />
Projekte mit Stefan Her-<br />
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<strong>Parsifal</strong><br />
Mit großem Wagner-Preisausschreiben<br />
heim sind in Vorbereitung, so<br />
„Lohengrin“ an der Berliner<br />
Staatsoper im April 2009, „Lulu“<br />
in Kopenhagen und „Tannhäuser“<br />
in Oslo. Neben seiner<br />
Dramaturgentätigkeit erfüllt<br />
Meier-Dörzenbach mehrere<br />
Lehraufträge im Fachbereich<br />
Amerikanistik über Literatur,<br />
Malerei und Musik an der Universität<br />
Hamburg, sowie über<br />
Dramaturgie an der Hochschule<br />
für Angewandte Wissenschaften<br />
und ist als Kunst- und<br />
Kulturlehrender freischaffend<br />
tätig.<br />
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das Osterfestival 2009 mit internationaler<br />
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2008<br />
2008<br />
ESTSPIELE Festspielnachrichten<br />
1) <strong>Parsifal</strong> 2) Tristan u. Isolde<br />
3) Meistersinger<br />
4) Rheingold/ Walküre<br />
5) Siegfried/Götterdämmerung<br />
Preis pro Heft € 3,–
Nordbayerischer Kurier<br />
16 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />
Musikalische Leitung<br />
Daniele Gatti<br />
Inszenierung<br />
Stefan Herheim<br />
Bühnenbild<br />
Heike Scheele<br />
Kostüme<br />
Gesine Völlm<br />
Dramaturgie<br />
Alexander Meier-Dörzenbach<br />
Chorleitung<br />
Eberhard Friedrich<br />
Licht<br />
Ulrich Niepel<br />
Video<br />
fettfilm (M.Hinrichs, T. Møller)<br />
Amfortas<br />
Detlef Roth<br />
Titurel<br />
Diógenes Randes<br />
Gurnemanz<br />
Kwangchul Youn<br />
Titel: Collage von Stefanie<br />
Zwick unter Verwendung<br />
zweier Fotos von Mark Schachtsiek<br />
und Friedrich August von<br />
Kaulbachs „Germania 1914“ //<br />
S. 2: „Wagnergrab mit Villa<br />
Wahnfried“, Foto Mark<br />
Schachtsiek, 2008 / „Bibliothekssaal<br />
in Wahnfried“ (Ausschnitt),<br />
Aquarell von Susanne<br />
Schinkel, 1878 /„Wahnfried im<br />
Winter 1945/46“, unbekannter<br />
Fotograf, Richard-Wagner-Museum<br />
und Nationalarchiv der<br />
Richard-Wagner-Stiftung /„Villa<br />
Wahnfried“, Foto Mark<br />
Schachtsiek, 2008 // S. 3: „Das<br />
Heimweh“, Gemälde von René<br />
Magritte, ©VG-Bild /„Flügel“,<br />
Foto Mark Schachtsiek / „En<br />
mort de Richard Wagner“, Lithographie<br />
von Henri Fantin-<br />
Latour / „Die Erlangung des<br />
Grals“, (Ausschnitte), Gemälde<br />
von Edward Burne-Jones /<br />
„Gurnemanz, I. Akt“, Originalfigurine<br />
von Gesine Völlm // S. 4:<br />
„Cyrille et Alkonost, chanson de<br />
joie et chanson de tristesse“,<br />
Gemälde von Apollinari Mikhaïlovitch<br />
Vasnetsov / „Triumph<br />
des Todes“, Gemälde von Otto<br />
Dix, ©VG-Bild /„Der falsche<br />
Spiegel“, Gemälde von René<br />
Magritte, ©VG-Bild /„Blick in<br />
den Gralstempel“ (Ausschnitt),<br />
Entwurf zur Uraufführung des<br />
„<strong>Parsifal</strong>“ von Paul von Joukowsky<br />
// S. 5: „Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals<br />
(1.<br />
Oktober 1903)“, Gemälde von<br />
Anton von Werner /„Gral. Kakao-Butter-Seife-Gesellschaft<br />
MBH“, Lithographie von Fritz<br />
John /„Wagner mit Kaiser Wilhelm<br />
I. in Bayreuth“, Liebig-<br />
Sammelbild // S. 6: „Helm ab<br />
zum Gebet!“, Kriegspostkarte<br />
von 1914 / „<strong>Parsifal</strong>-Jungen“,<br />
Originalfigurine von Gesine<br />
Völlm /„<strong>Parsifal</strong> hält den Gral<br />
segnend empor“, Lithographie<br />
von Franz Stassen /„Kundry, I.<br />
Akt“, Originalfigurine von Gesine<br />
Völlm /„Die Kunst der Konversation“,<br />
Gemälde von René<br />
Magritte, © VG-Bild / „Gralskelch“,<br />
Entwurf zur Uraufführung<br />
des „<strong>Parsifal</strong>“ von Paul von<br />
Joukowsky /„I. Akt“, Modellfoto<br />
von Heike Scheele /„Amfortas<br />
vollzieht das Gralsmysterium“,<br />
Lithographie von Franz<br />
Stassen /„Bett mit Herzeleide-<br />
Statistin Manuela Bauernfeind“,<br />
Endprobenfoto von Enrico<br />
Nawrath // S. 7: „Germania<br />
1914“, Gemälde von Friedrich<br />
August von Kaulbach / „Die<br />
Mitwirkende <strong>Parsifal</strong> 2008<br />
<strong>Parsifal</strong><br />
Christopher Ventris<br />
Klingsor<br />
Thomas Jesatko<br />
Kundry<br />
Mihoko Fujimura<br />
1. Gralsritter<br />
Arnold Bezuyen<br />
2. Gralsritter<br />
Friedemann Röhlig<br />
1. Knappe<br />
Julia Borchert<br />
2. Knappe<br />
Ulrike Helzel<br />
3. Knappe<br />
Clemens Bieber<br />
4. Knappe<br />
Timothy Oliver<br />
Klingsors Zaubermädchen<br />
Julia Borchert, Martina<br />
Rüping, Carola Guber,<br />
Anna Korondi, Jutta Böhnert,<br />
Ulrike Helzel<br />
Wacht am Rhein (Germania)“,<br />
Gemälde von Hermann Wislicenus<br />
/„Gruß aus Bayreuth“, historische<br />
Postkarte /„Mihoko Fujimura<br />
als Kundry, I. Akt“, Endprobenfoto<br />
von Enrico Nawrath<br />
/ „Wilhelminische Herren“, 3<br />
Originalfigurinen von Gesine<br />
Völlm /„Helgoland. Die Kaiserpfalz<br />
im Meere“, Gemälde von<br />
Eduard Daelen /„Gralsspeisung<br />
mit Detlef Roth als Amfortas<br />
und Chorherren“, Endprobenfoto<br />
von Enrico Nawrath // S. 8:<br />
„Die Proklamation des Deutschen<br />
Kaiserreiches (18. Januar<br />
1871)“ (Ausschnitt), Gemälde<br />
von Anton von Werner /„Unterzeichnung<br />
des Versailler Vertrages<br />
im Spiegelsaal zu Versailles<br />
1919“, Gemälde von William<br />
Orpen /„Dem Unbekannten<br />
Britischen Soldaten in<br />
Frankreich“ (Ausschnitt), Gemälde<br />
von William Orpen /„II.<br />
Akt“, Modellfoto von Heike<br />
Scheele /„Le Hamlet polonais:<br />
portrait d’Aleksander Wielopolski“,<br />
Gemälde von Jacek Malczewski<br />
/ „Demonstration von<br />
Kriegsversehrten für Entschädigungen<br />
auf dem Weg zum<br />
Kriegsministerium Dezember<br />
1918“, unbekannter Fotograf /<br />
„Die Versuchung des heiligen<br />
Antonius“, Pastell von Félicien<br />
Rops // S. 9: „Der Spiegelsaal<br />
des Versailler Schlosses als Larzarett<br />
nach dem 19. Januar<br />
1871“, unbekannter Fotograf /<br />
„Rockettes“, Foto von Cosmo-Sileo<br />
© MSG Entertainment /<br />
„Szene mit Thomas Jesatko als<br />
Klingsor“, Endprobenfoto von<br />
Enrico Nawrath /Filmplakat zu<br />
„Der blaue Engel“ /„Klingsor“,<br />
Originalfigurine von Gesine<br />
Völlm /„Christopher Ventris als<br />
<strong>Parsifal</strong> mit den Solo-Blumenmädchen<br />
Julia Borchert, Martina<br />
Rüping, Carola Guber, Anna<br />
Korondi, Jutta Böhnert und Ulrike<br />
Helzel“, Endprobenfoto von<br />
Enrico Nawrath / „Die sieben<br />
Todsünden“, Gemälde von Otto<br />
Dix, ©VG-Bild /„Blumenmädchen“,<br />
Originalfigurine von Gesine<br />
Völlm /„Trude Hesterberg<br />
1927“, unbekannter Fotograf //<br />
S. 10: „‚<strong>Parsifal</strong>‘-Uraufführung<br />
1882 mit Amalie Materna<br />
(Kundry), Hermann Winkelmann<br />
(<strong>Parsifal</strong>) und Emil Scaria<br />
(Gurnemanz)“, unbekannter<br />
Fotograf; Fotoarchiv der Bayreuther<br />
Festspiele // „Bühnenbildmodell<br />
zu ‚<strong>Parsifal</strong>‘, 2. Akt“<br />
(Ausschnitt), Entwurf von Paul<br />
von Joukowsky, Ausführung<br />
Altsolo<br />
Simone Schröder<br />
Chor und Orchester<br />
des Bayreuther Festspiele 2008<br />
Statisterie der<br />
Bayreuther Festspiele<br />
bildnachweise<br />
Studienleiter<br />
Felix Krieger<br />
Solorepetitor und<br />
Musikalische Assistenz<br />
Mats Knutsson<br />
Regieassistenz<br />
Stefan Ruhl, Annette B. Weber<br />
Bühnenbildassistenz<br />
Monika Reichert<br />
Kostümassistenz<br />
Wiebke Warskulat,<br />
Eefke Kretzmer<br />
Dramaturgieassistenz<br />
Mark Schachtsiek<br />
Max und Gotthold Brückner /<br />
„III. Akt“, Modellfoto von Heike<br />
Scheele / „Karfreitagszauber<br />
mit Christopher Ventris als <strong>Parsifal</strong>,<br />
Kwangchul Youn als Gurnemanz<br />
und Mihoko Fujimura<br />
als Kundry“, Endprobenfoto von<br />
Enrico Nawrath / „Trümmerfrauen“,<br />
Originalfigurine von<br />
Gesine Völlm // S. 11: Szenenfoto<br />
I. Akt „<strong>Parsifal</strong>“, Bayreuther<br />
Festspiele 1958 (Regie und Ausstattung:<br />
Wieland Wagner),<br />
Bildarchiv Bayreuther Festspiele<br />
/„Bundestag mit Detlef Roth<br />
als Amfortas und Chorherren“,<br />
Endprobenfoto von Enrico<br />
Narwath /„Abgeordnete“, Originalfigurine<br />
von Gesine Völlm<br />
/„Die Kunst der Konversation“,<br />
Gemälde von René Magritte, ©<br />
VG-Bild /„III. Akt“, Modellfoto<br />
von Heike Scheele // S. 12:<br />
„Herzeleide-Statistin Manuela<br />
Bauernfeind und Regieassistent<br />
Stefan Ruhl“ –„Das <strong>Parsifal</strong>-Baby“<br />
–„Requisitentisch auf Probebühne<br />
IV“ – „Alexander<br />
Meier-Dörzenbach, Stefan Herheim<br />
und Heike Scheele beim<br />
Proben“ –„Herzeleide-Statistin<br />
Manuela Bauernfeind und Regieassistentin<br />
Annette Weber“ –<br />
„Bühnenbildnerin Heike Scheele“<br />
–„Stefan Herheim und <strong>Parsifal</strong>-Junge<br />
Marius Adler“ –„Bühnenbildnerin<br />
und Regisseur<br />
beim Gralsburgbau“ –„Der <strong>Parsifal</strong>-Junge<br />
Marius Adler und<br />
seine Burg“, Impressionen vom<br />
Video-Drehtag, alle Fotos Mark<br />
Schachtsiek /„Christopher Ventris<br />
als <strong>Parsifal</strong> und Kwangchul<br />
Youn als Gurnemanz mit Raban<br />
Fischer als <strong>Parsifal</strong>-Jungen“,<br />
Endprobenfoto von Enrico<br />
Nawrath // S. 13: „Showgirls“,<br />
2Originalfigurinen von Gesine<br />
Völlm /„Szene aus der Charell<br />
Revue ‚Für Dich“, 1925“, unbekannter<br />
Fotograf / „Szene II.<br />
Akt mit Soloblumenmädchen,<br />
Damenchor und Statistinnen“,<br />
Endprobenfoto von Enrico<br />
Nawrath / „Rockettes“, Foto<br />
von Jimmy Sileo, ©MSG Entertainment<br />
/ „Kundry II. Akt“,<br />
Originalfigurine von Gesine<br />
Völlm /Autogrammkarte Marlene<br />
Dietrich, unbekannter<br />
Fotograf /„I. Akt –Sterbezimmer<br />
–frühe Variante“, Modellfoto<br />
von Heike Scheele /„Villa<br />
Wahnfried 2008“, Foto von<br />
Mark Schachtsiek / „I. Akt –<br />
Sterbezimmer –spätere Variante“,<br />
Modellfoto von Heike<br />
Scheele / „Gralstempel der<br />
‚<strong>Parsifal</strong>‘-Uraufführung“, unbe-<br />
Schwarz:<br />
Woran glaubst Du denn?<br />
Lulu:<br />
Ich weiß es nicht.<br />
Schwarz:<br />
Hast Du denn keine<br />
Seele?<br />
Lulu:<br />
Ich weiß es nicht.<br />
Schwarz:<br />
Hast Du schon einmal<br />
geliebt?<br />
Lulu:<br />
Ich weiß es nicht.<br />
Franz Wedekind:<br />
„Der Erdgeist“<br />
kannter Fotograf, Bildarchiv<br />
Bayreuther Festspiele /„Gralstempel“,<br />
Modellfoto von Heike<br />
Scheele /„Blick in den Gralstempel“<br />
(Ausschnitt), Entwurf<br />
zur Uraufführung des „<strong>Parsifal</strong>“<br />
von Paul von Joukowsky /<br />
„Bühnensituation 2. Akt“, Endprobenfoto<br />
von Enrico Nawrath<br />
/„II. Akt“, Modellfoto von Heike<br />
Scheele /„III. Akt“, Modellfoto<br />
von Heike Scheele // S. 14:<br />
„Daniele Gatti, Stefan Herheim<br />
und Mihoko Fujimura bei der<br />
Arbeit“, Probenfoto von Enrico<br />
Nawrath /„Daniele Gatti“, Foto<br />
von Karl-Heinz Lammel // S.<br />
15: „Stefan Herheim“, Foto von<br />
Karl-Heinz Lammel / „Heike<br />
Scheele“, Foto privat /„Gesine<br />
Völlm“, Foto privat /„Alexander<br />
Meier-Dörzenbach“, Foto privat<br />
// Rücktitel: „Frauengestalt mit<br />
Wagners Totemnaske“, Exlibris<br />
von Oskar Leuschner /Historische<br />
Bayreuth-Postkarte<br />
impressum<br />
„<strong>Parsifal</strong> 2008“ –eine Sonderveröffentlichung<br />
des Nordbayerischen<br />
Kuriers.<br />
Verantwortlich i.S.d.P.:<br />
Gert-Dieter Meier<br />
Redaktion:<br />
Mark Schachtsiek,<br />
Dr. Alexander Meier-Dörzenbach<br />
Anzeigenleitung:<br />
Andreas Weiß<br />
Technik/Herstellung:<br />
Wolfgang Döberlein<br />
Verlag: Nordbayerischer KURIER<br />
GmbH &Co. Zeitungsverlag KG,<br />
Theodor-Schmidt-Str. 17, 95448<br />
Bayreuth, und Maximilianstraße<br />
58/60, 95444 Bayreuth<br />
S. 2: Mark Schachtsiek: „Wozu<br />
das Ganze?“, Originalbeitrag /<br />
Hans Mayer: „Richard Wagner in<br />
Bayreuth. 1876-1976“, in: ders.:<br />
„Richard Wagner“, hrsg. v.<br />
Wolfgang Hofer, Suhrkamp Verlag,<br />
Frankfurt/Main 1998, S.<br />
241-244 (250ff) /Nike Wagner:<br />
„Wahn/Fried/Hof“, in: Dies.:<br />
„Wagner Theater“, ©Insel Verlag<br />
Frankfurt/Main und Leipzig<br />
1998, S. 243-425 (256ff) // S. 3:<br />
Stefan Kunze: „Der Kunstbegriff<br />
Richard Wagners“ BE 2058 (Seite<br />
162 bzw. 164 f.) ©Gustav<br />
Bosse Verlag, Kassel / Walter<br />
Benjamin: „Über den Begriff der<br />
Geschichte“, in: Ders.: „Gesammelte<br />
Schriften“ Band I/2, S.<br />
697f. // S. 4/5: Alexander Meier-<br />
Dörzenbach: „Die reine Wahrheit<br />
und die Ware Reinheit“,<br />
Originalbeitrag /S.6:Dietmar<br />
Holland: „Die paradoxe Welt des<br />
‚<strong>Parsifal</strong>’“ in: „Richard Wagner<br />
,<strong>Parsifal</strong>‘. Texte, Materialien,<br />
Kommentare“, Rowohlt Verlag,<br />
Reinbek bei Hamburg 1984, S.<br />
19-29 (28f) / Thomas Mann:<br />
„Leiden und Größe Richard<br />
Wagners“, in: Ders.: „Gesammelte<br />
Werke in 12 Bänden“, S.<br />
Fischer Verlag, Frankfurt/M<br />
1982 /Daniel Roche: „Ein Bett<br />
für zwei“, aus dem Französischen<br />
von Reinhard Kuh, aus:<br />
„Liebe und Sexualität“, Klaus<br />
Boer Verlag, o.O. 1995, S.<br />
205-211 /Oliver Hilmes: „Herrin<br />
des Hügels. Das Leben der<br />
Cosima Wagner“, ©2007 Wolf<br />
Jobst Siedler Verlag, München in<br />
der Verlagsgruppe Random<br />
House GmbH // S. 7: Hans Mayer:<br />
„Richard Wagners geistige<br />
Entwicklung“, in: ders.: „Richard<br />
Wagner“, hrsg. v. Wolfgang<br />
Hofer, Suhrkamp Verlag,<br />
Frankfurt/Main 1998, S. 11-69<br />
(58ff) /Michael Karbaum: „Studien<br />
zur Geschichte der Bayreuther<br />
Festspiele (1876-1976)“, BE<br />
2060 (Seite 9), ©Gustav Bosse<br />
Verlag, Kassel /Hermann Bahr:<br />
„<strong>Parsifal</strong>schutz ohne Ausnahmegesetz“,<br />
Berlin 1915, S.15ff. /<br />
Marcel Habert in der „Patrie“<br />
1909, zitiert nach: „Über Wagner.<br />
Von Musikern, Dichtern und<br />
Liebhabern“, hrsg. v. Nike Wagner,<br />
Philipp Reclam jun. Stuttgart,<br />
1995, S. 194f. /Igor Strawinsky:<br />
„<strong>Parsifal</strong>“, in: Ders.: „Leben<br />
und Werk“, Atlantis-Verlag,<br />
Zürich 1957 // S. 8: Hannah<br />
Arendt: „Elemente und Ursprünge<br />
totaler Herrschaft“,<br />
Frankfurt/M 1955, S. 431f. /<br />
Egon Voss: „Richard Wagners<br />
textnachweise<br />
Gurnemanz:<br />
Wo bist du her?<br />
<strong>Parsifal</strong>:<br />
Das weiß ich nicht.<br />
Gurnemanz:<br />
Wer ist dein Vater?<br />
<strong>Parsifal</strong>:<br />
Das weiß ich nicht.<br />
Gurnemanz:<br />
Wer sandte dich dieses<br />
Weges?<br />
<strong>Parsifal</strong>:<br />
Das weiß ich nicht.<br />
Richard Wagner:<br />
„<strong>Parsifal</strong>“<br />
‚<strong>Parsifal</strong>‘ – Das Spiel von der<br />
Macht der Schuldgefühle“ in:<br />
„Richard Wagner ,<strong>Parsifal</strong>‘. Texte,<br />
Materialien, Kommentare“,<br />
Rowohlt Verlag, Reinbek bei<br />
Hamburg 1984, S. 9-18 (12ff) //<br />
S. 9: Klaus Theweleit: „Männerphantasien“<br />
Copyright ©<br />
1977/78 und 1986 by Stroemfeld<br />
Verlag, Frankfurt am Main<br />
und Basel. Abdruck mit freundlicher<br />
Genehmigung des Stroemfeld<br />
Verlages. Der Band „Männerphantasien“<br />
ist zur Zeit in Lizenz<br />
als Taschenbuch der Serie<br />
Piper (ISBN 3-492-23041-5) lieferbar.<br />
/ Roland Barthes:<br />
„Wahrheit“, in: Ders.: „Fragmente<br />
einer Sprache der Liebe“, aus<br />
dem Französischen von Hans-<br />
Horst Henschen, Suhrkamp Verlag,<br />
Frankfurt/Main 1984, S.<br />
246-248 (246f.) // S. 10: Houston<br />
Stewart Chamberlain:<br />
„<strong>Parsifal</strong>’s Gebet, ein Ostermärchen“,<br />
in: Ders.: „<strong>Parsifal</strong>-Märchen“,<br />
F. Bruckmann A.-G. /<br />
München 1916, S. 27ff / Anonyma,<br />
„Eine Frau in Berlin. Tagebuch-Aufzeichnungen<br />
vom<br />
20. April bis 22. Juni 1945“,<br />
Eichborn, 19,90 Euro /Kazuo Ishiguro:<br />
„Was vom Tage übrigblieb“,<br />
aus dem Englischen von<br />
Hermann Stiehl, btb-Verlag<br />
2005, S. 284ff. Mit freundlicher<br />
Genehmigung des Rowohlt Verlages,<br />
Reinbek bei Hamburg,<br />
und der Paul &Peter Fritz AG,<br />
Zürich // S. 11: Nike Wagner:<br />
„Unbehagen am <strong>Parsifal</strong>“, in:<br />
dies.: „Wagner Theater“, ©Insel<br />
Verlag Frankfurt/Main und<br />
Leipzig 1998, S. 212-234 (201ff)<br />
/Stefan Kunze: „Der Kunstbegriff<br />
Richard Wagners“ BE 2058<br />
(Seite 164 f.) ©Gustav Bosse<br />
Verlag, Kassel /Friedrich Nietzsche:<br />
„Über Wahrheit und Lüge<br />
im außermoralischen Sinne“, in:<br />
Ders.: „Sämtliche Werke. Kritische<br />
Studienausgabe“, Bd. 1,<br />
hrsg. v. G. Colli und M. Montinari,<br />
München 1980ff // S. 12: Das<br />
Gespräch mit dem „<strong>Parsifal</strong>“-<br />
Team entstand für diese Beilage<br />
©Alexander Meier-Dörzenbach<br />
und Mark Schachtsiek. // Alle<br />
Originalbeiträge dieser Beilage<br />
stehen in neuer Rechtschreibung,<br />
historische Texte wurden<br />
in ihrer jeweiligen Rechtschreibung<br />
belassen. Wir danken allen<br />
Rechteinhabern für ihre Unterstützung.<br />
Urheber, die nicht erreicht<br />
werden konnten, werden<br />
um Nachricht zwecks nachträglicher<br />
Rechtsabgleichung gebeten.