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Nordbayerischer Kurier<br />

Eine Sonderveröffentlichung des<br />

NordbayerischenKURIERS am 25.Juli2008<br />

vonMarkSchachtsiekinZusammenarbeit<br />

mitdem Produktionsdramaturgen<br />

AlexanderMeier-Dörzenbach<br />

arsifal<br />

2008


Nordbayerischer Kurier<br />

2 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

rein ästhetisch gefragt: hat Wagner je etwas<br />

besser gemacht? Die allerhöchste<br />

psychologische Bewußtheit und Bestimmtheit<br />

in bezug auf das, was hier gesagt, ausgedrückt,<br />

mitgeteilt werden soll [...]. Ob je ein Maler<br />

einen so schwermütigen Blick der Liebe gemalt<br />

hat, als W. mit den letzten Akzenten seines<br />

Vorspiels? –<br />

Wozu das Ganze?<br />

Editorial zur „<strong>Parsifal</strong>“-Beilage 2008<br />

Mark Schachtsiek<br />

Wovon handelt es eigentlich,<br />

Richard Wagners Bühnenweihfestspiel<br />

„<strong>Parsifal</strong>“? Zumindest<br />

2008 in Bayreuth muss man<br />

auf diese komplexe Frage wohl<br />

(auch) eine ganz einfache<br />

Antwort geben: von einem<br />

kleinen Jungen, der seiner<br />

Mutter davongelaufen ist. Ritter<br />

mit glänzenden Rüstungen<br />

hat er gesehen; unbedingt will<br />

er wie sie sein! Eine Waffe tragen!<br />

Ein Mann werden! Er<br />

schnitzt sich einen Bogen,<br />

schießt auf Adler und tötet<br />

schließlich, ausgerechnet im<br />

heiligen Gebiet eines geheimnisvollen<br />

Grals, den Schwan.<br />

Die Welt, auf die er trifft, jene<br />

verschworene Gemeinschaft<br />

der Gralsritter, die seltsame<br />

Nöte haben und auf bizarre<br />

Weise durch den Anblick ihres<br />

heiligsten Besitzes ernährt<br />

werden, fasziniert ihn, doch er<br />

versteht sie nicht. Und er versteht<br />

auch seine eigene Handlung<br />

nicht, als der altgediente<br />

Gralsritter Gurnemanz ihm die<br />

Folgen der von ihm ausgeübten<br />

Gewalt vor Augen zu führen<br />

sucht. Er weiß nicht einmal,<br />

wie er heißt, nur an seine<br />

Mutter Herzeleide erinnert er<br />

sich noch, und als die undurchschaubare,<br />

aber wissende<br />

Gralsdienerin Kundry ihm<br />

klarmacht, dass sie vor Gram<br />

über seinen Verlust gestorben<br />

ist, ist er ernsthaft erschrocken.<br />

Gurnemanz ist fasziniert von<br />

diesem Jungen, der so<br />

(un-)schuldig-unwissend ist.<br />

Denn es wurde prophezeit,<br />

dass nur ein „reiner Tor, durch<br />

Mitleid wissend“ die Gralsritterschaft<br />

aus ihrer Verzweiflung<br />

erlösen und die Wunde,<br />

die ihren König Amfortas plagt,<br />

heilen könnte. Amfortas war<br />

mit dem heiligen Speer gegen<br />

den abtrünnigen Ritter Klingsor<br />

gezogen, der aus Rache,<br />

weil er das Keuschheitsgelübde<br />

der Gralsritter nur durch<br />

Selbstentmannung einhalten<br />

konnte, einen Zaubergarten<br />

mit verführerischen Blumenmädchen<br />

geschaffen hatte.<br />

Doch er hatte Klingsor nicht<br />

besiegen können, vielmehr war<br />

er der Verführungskunst der<br />

schönen Kundry erlegen, hatte<br />

dadurch den Speer an Klingsor<br />

verloren und war sogar damit<br />

verwundet worden. Doch die<br />

Begegnung mit Amfortas und<br />

seine Anwesenheit bei der<br />

Gralsspeisung, die die Ritter<br />

fröhlich und gestärkt in den<br />

Kampf ziehen lässt, machen<br />

ihn nicht wissend. Und so wirft<br />

Gurnemanz ihn hinaus. Das ist<br />

die Geschichte, die der erste<br />

Aufzug erzählt.<br />

Erst in der Zauberwelt<br />

Klingsors, nachdem sich die<br />

Blumenmädchen spielerisch<br />

um seine Gunst gestritten haben<br />

und Kundry, die um seine<br />

Identität weiß, ihn bei seinem<br />

Namen „<strong>Parsifal</strong>!“ ruft und ihm<br />

seine Geschichte erzählt, sich<br />

ihm zugleich als Mutter und<br />

Geliebte genähert hat und ihn<br />

küsst, beginnt er auf einmal zu<br />

Friedrich Nietzsche<br />

verstehen. Doch als Kundry<br />

ihm eine Nacht anbietet, stößt<br />

er sie von sich, denn er erinnert<br />

sich an Amfortas’ Wunde,<br />

die er plötzlich in sich spürt.<br />

Damit erwirbt er Bewusstsein<br />

von sich selbst und der Welt<br />

und kann Klingsor den Speer<br />

abnehmen – doch zwischen<br />

diesem Moment und der von<br />

allen ersehnten Erlösung liegen<br />

noch Jahre des sinnlosen<br />

Kampfes, der Suche und der<br />

Irre. Dann erst gelangt <strong>Parsifal</strong><br />

wieder ins Gralsgebiet, kann<br />

seine Waffen ablegen, den<br />

Speer zurückbringen und Amfortas<br />

und die Gralsritter, die<br />

nun nur noch Schatten ihrer<br />

selbst sind, erlösen. <strong>Parsifal</strong><br />

wird an Amfortas’ Stelle Gralskönig,<br />

dessen Wunde schließt<br />

sich bei Berührung mit dem<br />

heiligen Speer und selbst Kundry,<br />

die, weil sie einst Christus<br />

am Kreuz verlacht hatte, zum<br />

Dienen und Verführen gezwungen<br />

war, ist entseelt. Zuletzt<br />

künden sphärische Stimmen<br />

von „Erlösung dem Erlöser!“.<br />

Diesen Irrwegen einer Identitätsfindung<br />

zwischen Gewalt<br />

und Mitleid in den Fängen<br />

einer Kunsttraumwelt, aber mit<br />

Folgen für die außertheatrale<br />

Wirklichkeit spürt die Inszenierung<br />

von Stefan Herheim und<br />

seinem Team gleich auf mehreren<br />

Ebenen nach. Sie nehmen<br />

sie als märchenhaft-naives<br />

(Alb-)Traumerlebnis eines<br />

werdenden Mannes ernst, erzählen<br />

sie jedoch zugleich als<br />

kollektive Sinnsuche jener<br />

deutschen Nation, die sich als<br />

Deutsches Kaiserreich zu konstituieren<br />

suchte, während<br />

Wagner am „<strong>Parsifal</strong>“ arbeitete,<br />

und im Anschluss ebenso erlösungssüchtig<br />

wie kampfesfroh<br />

in die Katastrophen des 20.<br />

Jahrhunderts marschierte. Ein<br />

zentraler Kulminationspunkt<br />

auf diesem Irrweg war Bayreuth<br />

– mehr noch als das<br />

Festspielhaus Wagners Villa<br />

Wahnfried, wo sich nach dem<br />

Tode des Komponisten am<br />

Rande der Festspiele nicht nur<br />

die bessere wilhelminische Gesellschaft<br />

zu „<strong>Parsifal</strong>“-Andacht<br />

und Feier des deutschen Meisters<br />

zusammenfand, sondern<br />

sich auch – nach 1918 – die<br />

völkisch gesinnte Gegnerschaft<br />

der Weimarer Republik zum<br />

„Bayreuther Kreis“ um Wagners<br />

Schwiegersohn Houston<br />

Stewart Chamberlain sammelte.<br />

Wahnfried als Schauplatz<br />

deutscher Geschichte ist nicht<br />

zuletzt deshalb Ort, an dem<br />

sich das vielschichtige (Alb-)<br />

Traummärchen „<strong>Parsifal</strong>“ in<br />

der Inszenierung ereignet. Der<br />

Analyse, die das Regieteam zu<br />

diesem Schauplatz geführt hat,<br />

will diese Beilage mit theoretischen,<br />

aber auch vielfältigen<br />

assoziativen Texten und Bildern<br />

nachspüren –für diejenigen,<br />

die die Inszenierung sehen<br />

werden, aber auch für alle<br />

anderen Leser des Nordbayerischen<br />

Kuriers mit Interesse an<br />

„<strong>Parsifal</strong>“, dem Gralsort Bayreuth<br />

und deutscher Festspielgeschichte.<br />

Im Grunde ist alle Psychologie Entlarvung<br />

und ironisch-naturalistischer Scharfblick<br />

für das vexatorische Verhältnis von<br />

Geist und Trieb.<br />

Thomas Mann<br />

Hoffungen krönen, Ilusionen begraben<br />

Aus: Hans Mayer,<br />

„Richard Wagner in Bayreuth“<br />

Hier wo mein Wähnen<br />

Frieden fand –<br />

Wahnfried<br />

sei dieses Haus<br />

von mir benannt.<br />

Die Inschrift ist bekannt: am<br />

30. April 1874 bezog Richard<br />

Wagner in Bayreuth sein neuerbautes<br />

villenartiges Wohnhaus,<br />

dessen Gartenseite dank<br />

besonderer königlicher Erlaubnis<br />

durch ein Türchen mit dem<br />

angrenzenden Hofgarten verbunden<br />

werden konnte.<br />

Hier, in Haus Wahnfried, errichtete<br />

er sich den Herrschersitz:<br />

im Garten des Hauses befindet<br />

sich sein Grab. Seit 1930<br />

ruht Cosima neben dem Gatten.<br />

Wähnen und Wahn: darauf<br />

hatte Richard Wagner das Motto<br />

seiner letzten Lebenszeit ge-<br />

Aus:<br />

Nike Wagner,<br />

„Wagner Theater“<br />

Anfang April 1945 wird Bayreuth<br />

bombardiert. Während<br />

das Festspielhaus intakt bleibt<br />

– angeblich von kulturbewußten<br />

Alliierten ausgespart -, wird<br />

Wahnfried von einer Bombe<br />

getroffen, die ins Zentrum, in<br />

den Saal fällt. Wagners Flügel<br />

wird vom Luftdruck hinausgeschleudert,<br />

die in Öl gemalten<br />

Wappen der ersten Wagnervereins-Städte<br />

flattern zerfetzt<br />

von den Wandresten, die kostbaren<br />

japanischen Négligées<br />

von Frau Cosima sind verbrannt,<br />

in den einstigen<br />

Kindersaal hängt das zerstörte<br />

Dach herab wie sonst nur der<br />

Wotanschlapphut über das tote<br />

Gottesauge. Während die Gartenseite<br />

in Trümmern liegt,<br />

bleibt die Fassade unverletzt:<br />

Wahnfried war in eine hohle<br />

Kulisse verwandelt. [...]<br />

In den ersten Jahren nach<br />

der „Stunde Null“ wird die<br />

Wahnfriedruine provisorisch<br />

zusammengeflickt. Debatten<br />

um die Dachpappe und die<br />

Schwierigkeiten ihrer Beschaffung<br />

beherrschen den Brief-<br />

Haus Wahnfried in Bayreuth<br />

stellt. Bei der Benennung des<br />

Bayreuther Alterssitzes versteht<br />

Wagner sein einstiges und<br />

nunmehr befriedigtes Wähnen<br />

als begründete und erfüllte<br />

Hoffnung. Als eine Erwartung,<br />

der Erfüllung zuteil wurde. Allein,<br />

wir kennen auch den<br />

Wahnmonolog des Hans Sachs<br />

aus den „Meistersingern“, der<br />

mit den Worten beginnt:<br />

„Wahn, Wahn! Überall Wahn!“<br />

Hier ist Wahn verstanden als<br />

sinnloses Menschenleid, als<br />

eine Daseinsqual der Menschen,<br />

„in unnütz toller Wut!“<br />

Es ist jener Wahn, den es zu<br />

heilen, jene Illusion, die es zu<br />

zerstreuen gilt.<br />

Ein merkwürdiges Motto, das<br />

sich für Haus Wahnfried fand.<br />

Hier wurde die Erwartung und<br />

Hoffnung eines leidenschaftlichen,<br />

ebenso hartnäckigen wie<br />

ichsüchtigen großen Künstlers<br />

erfüllt. Hier wurden Hoffnun-<br />

gen gekrönt. Aber wurden hier<br />

nicht auch Illusionen begraben?<br />

Bedeutet das Haus Wahnfried<br />

nicht zugleich, vom Erbauer<br />

des Hauses her gesehen,<br />

die Aussperrung und Verbannung<br />

einstigen „Wähnens“ im<br />

Sinne irriger Vorstellungen,<br />

phantastischer Annahmen, gegenstandsloser<br />

Illusionen? Man<br />

muß es vermuten; denn Richard<br />

Wagner war mit der<br />

Übersiedelung nach Bayreuth<br />

aus dem Exil zurückgekehrt,<br />

und hier in Wahnfried wurde er<br />

zum ersten Mal in Deutschland<br />

wirklich seßhaft, hatte sich alle<br />

früheren Träume und falschen<br />

Hoffnungen aufgelöst und der<br />

neuen Wirklichkeit, dem Begriff<br />

„Richard Wagner in Bayreuth“,<br />

Platz gemacht. [...]<br />

Richard Wagner in Bayreuth:<br />

das ist von nun an die Geschichte<br />

eines Sieges. Es bedeutet<br />

den Höhepunkt im Prozeß<br />

Wahn/Fried/Hof<br />

Wahnfried zwischen 1945 und der Rekonstruktion 1974/46<br />

wechsel der Brüder Wieland<br />

und Wolfgang damals in jener<br />

Zeit, die für ihre Tatkraft und<br />

Gedankenarmut notorisch geworden<br />

ist. Während Wolfgang<br />

als Schuttarbeiter den Wiederaufbau<br />

und die weiteren Bergungen<br />

des vor den anrückenden<br />

Amerikanern bereits ausgelagerten<br />

Archivs in die Hand<br />

nimmt, macht Wieland, der mit<br />

seiner Familie in der französischen<br />

Zone am Bodensee festsitzt,<br />

den Versuch, sich neben<br />

der Existenzsicherung durch<br />

Klauen und Bestechen auf<br />

einen denkbaren Wiederbeginn<br />

der Festspiele geistig vorzubereiten.<br />

1949 kehrt er zurück<br />

[...]. Gewohnt wird in einem<br />

winzigen Atelier im Wahnfriedgarten,<br />

das es seit jeher<br />

gab. Familiär sind es idyllische<br />

Zeiten, denn gleich daneben im<br />

Gartenhäuschen wohnt Bruder<br />

Wolfgang. Der Kohleofen führt<br />

zusammen, aus den Ruinen<br />

wieder aufzuerstehen, ist das<br />

gemeinsame Ziel. [...]<br />

Die Nachkriegsarmut hatte<br />

auch dieses Gute: sie führte zu<br />

baulicher Ehrlichkeit. Wo das<br />

Halbrund des Hauses sich einst<br />

in den Garten schob, unten der<br />

Bibliothekssaal, oben der<br />

Kindersaal, blieb die ausgebombte<br />

Innenkurve bestehen;<br />

erst in den Jahren des wachsenden<br />

privaten und allgemeinen<br />

Wohlstands wurde dieses<br />

Bombenloch mit einer hohen,<br />

dichten Pflanzenwelt ausgefüllt,<br />

als trompe-l’œil einer fernen<br />

südlichen Insel. Dieser Zug<br />

zur Leugnung der Geschichte<br />

griff auch auf die Gartengestaltung<br />

über. Ausgelöscht wurden<br />

Springbrunnenrund und die<br />

rührenden Wanderwege, eine<br />

große leere Wiesenfläche entstand,<br />

die nur am Rande, dort<br />

wo das Wagnergrab beginnt,<br />

die Bäume beließ. [...]<br />

Analog zum historisch verspäteten<br />

‚Neubayreuther Stil‘<br />

auf der Festspielbühne, der an<br />

Abstraktionstendenzen der<br />

zwanziger Jahre anknüpfte,<br />

wurden im erneuerten Wahnfried<br />

jetzt die letzten Reste von<br />

Pietät hinweggefegt. [...] Die<br />

verbliebenen Familienbilder,<br />

auch das Museumsstück einer<br />

Ingres-Silberstiftzeichnung von<br />

Franz Liszt, verschwanden in<br />

der Besenkammer, vor den Tapeten<br />

und Teppichen hatte<br />

man sich ohnehin nicht mehr<br />

zu fürchten, sie waren gnädig<br />

verbrannt. Wohltaten des Krie-<br />

einer Verwandlung von Wahn<br />

in Wirklichkeit. Vergleichbar ist<br />

eine Formel, die Wagner und<br />

Bayreuth zusammenschließt, in<br />

ihrer historischen Tragweite<br />

höchstens mit der Parallelformel<br />

„Goethe in Weimar“. Allein,<br />

Goethe hat keine Nachfolge<br />

begründet oder auch nur<br />

begründen wollen. [...]<br />

Richard Wagner hingegen<br />

ging stets darauf, eine Nachfolge<br />

zu begründen. Der Goetheaner<br />

ist auch seinerseits inkommensurabel:<br />

er verharrt<br />

auf der eigenen und unverwechselbaren<br />

Subjektivität. Der<br />

Wagnerianer jedoch integriert<br />

sich in aller Bewußtheit einer<br />

Gemeinschaft mit Ordenscharakter.<br />

Es bedurfte keiner Suche<br />

voll bleichen Eifers: der<br />

Gral hatte sich auf dem fränkischen<br />

Hügelgebirge niedergelassen.<br />

Bayreuth war von nun<br />

an Gralsgebiet.<br />

ges: Ohne die Zerstörung<br />

Wahnfrieds wären die Emanzipationswünsche<br />

vom Wagnerplunder<br />

unweigerlich im<br />

Zwang zur Bewahrung erstickt<br />

worden. Erst dank der Bombe<br />

war eine Ahnen-Entrümpelung<br />

hier denkbar geworden.<br />

Weil aber das Individuelle<br />

dem Typischen einer Zeit immer<br />

erstaunlich nahe kommt,<br />

kann nicht übersehen werden,<br />

daß es in diesem äußerst progressiven<br />

Raum Relikte von<br />

Bürgerlichkeit gab, die damals<br />

zwar den Sprung aus dem Nazigeschmack<br />

der Mutter bezeugen<br />

mochten, heute aber als<br />

Zeichen jener neudeutschen<br />

Spießigkeit gelten müssen, die<br />

den Anschluß Westdeutschlands<br />

an die Vereinigten Staaten<br />

spiegeln: Während sich<br />

draußen unter den alten<br />

Wahnfried-Bäumen plötzlich<br />

ein Swimmingpool befand und<br />

auf der Gartenterrasse eine<br />

Hollywoodschaukel, gab es<br />

drinnen doch tatsächlich einen<br />

Gummibaum, den Paravant mit<br />

Stichen der spanischen Hofreitschule,<br />

die Barocksäule als<br />

Stütze eines Durchgangsbogens<br />

und das mit blumigem Chintzstoff<br />

bezogene Sofa.


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 3<br />

Die Engel<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Sie haben alle müde Münde<br />

und helle Seelen ohne Saum.<br />

Und eine Sehnsucht (wie nach Sünde)<br />

geht ihnen manchmal durch den Traum.<br />

Fast gleichen sie einander alle;<br />

in Gottes Gärten schweigen sie,<br />

wie viele, viele Intervalle<br />

in seiner Macht und Melodie.<br />

Nur wenn sie ihre Flügel breiten,<br />

sind sie die Wecker eines Winds:<br />

als ginge Gott mit seinen weiten<br />

Bildhauerhänden durch die Seiten<br />

im dunklen Buch des Anbeginns.<br />

Die deutsche Geschichte verzeichnet<br />

Resonanzen, Reprisen, Reinszenierungen<br />

Wagners, die eine ganze Skala vom<br />

einfachen Zitat bis hin zur grauenhaften<br />

Travestie musikdramatischer Szenen<br />

durchlaufen.<br />

Manfred Schneider<br />

Dichtung und Musik des „<strong>Parsifal</strong>“ klaffen in den Zeitstrukturen, die<br />

ihnen zugrunde liegen, auseinander. Die Dichtung ist auf ein Ziel und<br />

Ende gerichtet, dem alles Frühere zustrebt und in dem es aufgehoben<br />

und gerettet ist: Das „Erlösungsdrama“, als das der „<strong>Parsifal</strong>“ von<br />

Wagner entworfen wurde, hat eine „Finalstruktur“, in der die Akzente<br />

auf den Schluß fallen. Anders die Musik, in der es die Vergangenheit<br />

ist, von der alle Gewalt auszugehen scheint. Nicht die Gegenwart, die<br />

Vergangenes in sich aufnimmt, sondern die Vergangenheit, die ihren<br />

Schatten oder ihr Licht auf das Gegenwärtige wirft,<br />

ist in der Musik die entscheidende Instanz.<br />

Der Engel<br />

der Geschichte<br />

Aus: Walter Benjamin, „Über den Begriff der Geschichte“<br />

Mein Flügel ist zum Schwung bereit<br />

ich kehrte gern zurück<br />

denn blieb' ich auch lebendige Zeit<br />

ich hätte wenig Glück.<br />

Gerhard Scholem,<br />

„Gruß vom Angelus“<br />

Es gibt ein Bild von Klee, das<br />

„Angelus Novus“ heißt. Ein Engel<br />

ist darauf dargestellt, der<br />

aussieht, als wäre er im Begriff,<br />

sich von etwas zu entfernen,<br />

worauf er starrt. Seine<br />

Carl Dahlhaus<br />

Augen sind aufgerissen, sein<br />

Mund steht offen und seine<br />

Flügel sind ausgespannt. Der<br />

Engel der Geschichte muß so<br />

aussehen.<br />

Er hat das Antlitz der Vergangenheit<br />

zugewendet. Wo<br />

eine Kette von Begebenheiten<br />

vor uns erscheint, da sieht er<br />

eine einzige Katastrophe, die<br />

unablässig Trümmer auf<br />

Trümmer häuft und sie ihm vor<br />

die Füße schleudert. Er möchte<br />

wohl verweilen, die Toten we-<br />

Ich stehe auf dem Standpunkte, daß ich das deutsche Element Wagnerscher Musik,<br />

verkörpert in den feststehenden Festspielen zu Bayreuth, für eine Kräftigung des<br />

nationalen Bewußtseins halte, deren der Deutsche mehr bedarf, als andere Nationalitäten.<br />

Deshalb ist es nicht nur politisch wichtig, die Festspiele zu erhalten,<br />

sondern sie zu fördern bedeutet auch eine deutsche Kultur-Aufgabe.<br />

Philipp Graf zu Eulenburg-Hertefeld<br />

Was war geschehn? –Man hatte Wagner ins Deutsche übersetzt! Der Wagnerianer war Herr<br />

über Wagner geworden! –Die deutsche Kunst! der deutsche Meister! das deutsche Bier! [...]<br />

Der arme Wagner! Wohin war er gerathen! –Wäre er doch wenigstens unter die Säue gefahren!<br />

Aber unter Deutsche!<br />

Friedrich Nietzsche<br />

Ich bin der deutsche Geist!<br />

Richard Wagner<br />

cken und das Zerschlagene zusammenfügen.<br />

Aber ein Sturm<br />

weht vom Paradiese her, der<br />

sich in seinen Flügeln verfangen<br />

hat und so stark ist, daß<br />

der Engel sie nicht mehr<br />

schließen kann. Dieser Sturm<br />

treibt ihn unaufhaltsam in die<br />

Zukunft, der er den Rücken<br />

kehrt, während der Trümmerhaufen<br />

vor ihm zum Himmel<br />

wächst. Das, was wir den Fortschritt<br />

nennen, ist dieser<br />

Sturm.<br />

Stadt ohne Kinder<br />

Max Hermann-Neisse<br />

Historischer<br />

Höhepunkt<br />

Aus: Stefan Kunze, „Der Kunstbegriff<br />

Richard Wagners“<br />

Es ist kaum übertrieben in Wagners<br />

Werk den Kulminationspunkt<br />

jener Ideen um einen kultisch<br />

überhöhten Kunstbegriff<br />

festzumachen. In der Institution<br />

Bayreuth, wohl dem gewaltigsten<br />

Unternehmen, das je von<br />

einem Künstler zu seinen Zwecken<br />

in die Tat umgesetzt wurde,<br />

hat er seinen Ort gefunden. Sakralisierung,<br />

das Kultische ist<br />

nicht bloß eine Wirkung der<br />

Wagnerschen Musik und des<br />

Musikdramas gewesen, über die<br />

man sich, weil sie heute nicht<br />

mehr vollziehbar ist, ohne weiteres<br />

hinwegsetzen könnte, um zur<br />

Tagesordnung musikalisch-technischer<br />

Untersuchungen überzugehen<br />

(die freilich vordringlicher<br />

sind), sondern gehört zu den<br />

Grundintentionen des Wagnerschen<br />

Dramas, des Wagnerschen<br />

Kunstbegriffs, und zum geschichtlichen<br />

Phänomen selbst.<br />

So tot sind Plätze, Gärten jetzt und Gassen<br />

wie Hameln nach des Rattenfängers Rache:<br />

die Kinder haben alle uns alle verlassen,<br />

ein Mutterherz bangt unter jedem Dache.<br />

Läuft unser Leben noch im alten Gleise,<br />

so ist ihm sein Verderben schon bereitet;<br />

die Kinder aber werden auf der Reise<br />

von ihren Engeln liebevoll begleitet.<br />

Aber die Oper ist ein<br />

Abbild unserer<br />

historischen<br />

Wirklichkeit; und<br />

dieser Spiegel<br />

zerbricht an den<br />

Stellen, wo das Bild<br />

sich teilt, sich plötzlich<br />

vervielfacht.<br />

Catherine Clément<br />

Uns hat der Friedensengel längst verlassen,<br />

sein Flügelschlag ist nicht mehr sanft zu hören;<br />

mit dröhnenderem stürmt in unsre Gassen<br />

der Todesengel, alles zu zerstören.<br />

Verwandelt sind des Parkes Lieblings-Stellen,<br />

es fehlt das heitre Spielgeschrei der Knaben;<br />

statt dessen jagt uns der Sirenen Gellen<br />

wie wahngetrieben in den Luftschutzgraben.<br />

Das Paradies der Kinder ist verschwunden,<br />

die tote Stadt verlassen und verloren,<br />

das Mutterherz hat keinen Trost gefunden<br />

und mein Gebet vergebens Gott beschworen.


Nordbayerischer Kurier<br />

4 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

Alexander Meier-Dörzenbach<br />

„Alles, was man gemeinhin Vergangenheit<br />

nennt, ist im Grunde<br />

nur eine leiser und dunkler<br />

gewordene Art von Gegenwart“,<br />

definierte einst Gertrud<br />

von Le Fort –unsere Inszenierung<br />

will nun die Vergangenheit<br />

lauter und heller werden<br />

lassen, um damit Wagners „<strong>Parsifal</strong>“<br />

zu vergegenwärtigen.<br />

Schon das Stück selbst thematisiert<br />

Vergegenwärtigung: das<br />

individuelle Erkennen der leiser<br />

und dunkler, aber nicht weniger<br />

signifikant gewordenen Schichten<br />

von Vergangenheit, die sich<br />

mit Menschlichkeit, Göttlichkeit<br />

und deren Perversionen auseinandersetzt.<br />

Erzählungen und<br />

Reflexionen der Figuren sind<br />

hierbei oft bedeutender als die<br />

Bühnenhandlung, denn dramatisch<br />

effektvolle Momente –angefangen<br />

bei Kundrys Auslachen<br />

des gekreuzigten Christus<br />

und der himmlischen Überreichung<br />

von Gral und Speer an Titurel<br />

über Klingsors Selbstkastration,<br />

<strong>Parsifal</strong>s kindliche Ritterfaszination<br />

und Amfortas<br />

sündiges Erliegen sind zu Gunsten<br />

einer epischen Konzentration<br />

theatral nicht ausgestaltet.<br />

So wie aber die subjektiven Erfahrungen<br />

von Vergangenheit<br />

auf die Gegenwart der Bühnenfiguren<br />

wirken, so bestimmt<br />

auch das leiser und dunkler gewordene<br />

Präsens von Wagners<br />

Bühnenweihfestspiel unsere<br />

Kunsterfahrung im Hier und<br />

Jetzt. Selbst wenn vergangene<br />

Konstruktionen in Historiographien,<br />

Biographien, Mythologien<br />

und Philosophien dabei<br />

immer gröber verpixelt und<br />

verzerrt werden, so formieren<br />

sie sich doch zu einem klingenden<br />

Bild der Sehnsucht nach<br />

diesem so schmerzlich bedeutungsblutenden<br />

Begriff Erlösung.<br />

Seine letzte Oper bezeichnet<br />

Wagner als Bühnenweihfestspiel<br />

und vereint damit terminologisch<br />

vier Elemente, die zu<br />

unterschiedlichen Gewichtungen<br />

geführt haben: Während<br />

die Rahmenworte Bühne und<br />

Spiel auf den theatralen Rahmen<br />

der Aufführung verweisen,<br />

stehen mit Weihe und Fest<br />

überhöhte und überhöhende<br />

Elemente im Zentrum. Das letzte<br />

Werk Richard Wagners wurde<br />

musikalischer Kunstreligionsstiftung<br />

geweiht, als musizierte<br />

Eucharistie gespielt, auf<br />

Bühnen als Kompensationsritual<br />

asketischer Sexualität kritisiert,<br />

als Fest radikalen Antisemitismus’<br />

verdammt –darüber<br />

hinaus ist das Bühnenweihfestspiel<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ in der spöttischen<br />

Etikettierung Friedrich<br />

Nietzsches der „Operettenstoff<br />

par excellence“; Nietzsche stellt<br />

nicht nur die Frage „war dieser<br />

,<strong>Parsifal</strong>‘ überhaupt ernst gemeint?“,<br />

sondern beantwortet<br />

sie auch gleich im Wunsch, dass<br />

es ein „Exzess höchster und<br />

mutwilligster Parodie auf das<br />

Tragische selbst, auf den ganzen<br />

schauerlichen Erden-Ernst<br />

und Erden-Jammer von ehedem,<br />

auf die endlich überwundene<br />

dümmste Form in der Widernatur<br />

des asketischen<br />

Ideals“ sei. Dabei ist die<br />

Schlussformel weniger terminiert,<br />

als sie einen mit verklärenden<br />

Klängen erfüllten Raum<br />

des Ungewissen öffnet: „Höchsten<br />

Heiles Wunder: /Erlösung<br />

dem Erlöser!“ Dieses rätselhafte<br />

Diktum, das sich noch nicht in<br />

Wagners Prosaentwurf von<br />

1865 findet, kann sich auf den<br />

durch den Speer erlösten Amfortas<br />

beziehen, auf Christus, da<br />

sein Blut nun aus den sündigen<br />

Händen Amfortas’ befreit ist<br />

oder auf <strong>Parsifal</strong> als Erlöser, der<br />

ja nach langer irrender Wanderschaft<br />

fortan seiner Bestimmung<br />

nachgehen kann. Bedeutet<br />

der finale Erlösungsruf nun<br />

Kritik an allen Systemen, die<br />

das Leiden des individuellen<br />

Menschen nicht wahrnehmen?<br />

Dieser am Ende postulierte Erlösungsimperativ,<br />

der im akustisch<br />

weiß strahlenden Klanglicht<br />

motivisch nichts Neues<br />

Die reine Wahrheit und die Ware Reinheit<br />

Konzeptrahmen der Bayreuther Neuinszenierung des Bühnenweihfestspiels durch Stefan Herheim<br />

postuliert, hat die bekannten<br />

Themen harmonisch gereinigt<br />

und entlässt sie widerspruchslos<br />

in sphärisch lichte Höhen.<br />

Dabei ist dieser „<strong>Parsifal</strong>“ in<br />

ein irdisch enges Netz aus Geschichte<br />

verstrickt, das einschnürende<br />

Knotenpunkte aufweist:<br />

Einerseits wird ihm beispielsweise<br />

von Hans Küng religiös<br />

innere Friedensbotschaft<br />

und erlösende Versöhnung attestiert,<br />

die dann zum „Mitleid<br />

mit den leidenden Menschen<br />

[…] zum neuen Dienst in der<br />

Welt führen“, andererseits<br />

wurden Hitlers Verbrechen als<br />

reale Umsetzung des reinen<br />

Blut-Kultes (miss-)verstanden:<br />

„Sein Millionenmord an den<br />

europäischen Juden wurde zur<br />

bleibenden Spur, die Wagners<br />

,<strong>Parsifal</strong>‘ in der Geschichte hinterlassen<br />

hat“, schreibt Joachim<br />

Köhler in seinem reißerisch titulierten<br />

Buch „Wagners Hitler.<br />

Der Prophet und sein Vollstrecker“.<br />

Überzeitliche Utopie<br />

einer besseren Welt versus ideologische<br />

Wegbereitung der historischen<br />

Katastrophe: Die Kluft<br />

der Lesarten könnte nicht gewaltiger<br />

sein –doch in genau<br />

diesem Spannungsriss liegt das<br />

Kraftfeld des Werkes. Es ist eine<br />

vierköpfige Chimäre: ein Bühnen-Weih-Fest-Spiel,<br />

das irgendwo<br />

zwischen phantastischem<br />

Theater, religiösem Kult,<br />

mythischer Feier und lehrreicher<br />

Unterhaltung oszilliert,<br />

aber auf keinen Fall eine gemeine<br />

Oper werden sollte. Die<br />

Nachwirkungen dieser „<strong>Parsifal</strong>“-Aspekte<br />

beeinflussen bis<br />

heute das Hören von Wagners<br />

Musik und manifestieren in der<br />

Formel „Erlösung dem Erlöser!“<br />

daher auch eine auf das Werk<br />

selbst zu beziehende Notwendigkeit.<br />

Mit Wagners letztem Bühnenwerk<br />

soll eine radikale<br />

Legierung von Kunst und Religion,<br />

Ethik und Gesellschaft<br />

angestrebt werden. Während<br />

Wagner noch in seinen Zürcher<br />

Kunstschriften 1849/51 erst<br />

einen sozial-radikal-demokratischen<br />

Wandel und dann einen<br />

ästhetischen forderte, meint er<br />

nun in seinen Regenerationsschriften,<br />

dass Musik nicht nur<br />

zur „Erkenntnis der Erlösungsbedürftigkeit“<br />

beitragen kann,<br />

sondern die „Erlösung“ in gewissem<br />

Maße bereits vorwegzunehmen<br />

versteht. Also Wagner<br />

als Erlöser? Es geht ihm um<br />

eine besondere Erlösung –von<br />

Lügen befreit soll eine reine<br />

Wahrheit entstehen, wie schon<br />

der erste Satz seiner Schrift<br />

„Religion und Kunst“ belegt:<br />

„Man könnte sagen, dass da wo<br />

die Religion künstlich wird, der<br />

Kunst es vorbehalten sei den<br />

Kern der Religion zu retten, indem<br />

sie die mythischen Symbole,<br />

welche die erstere im eigentlichen<br />

Sinne als wahr geglaubt<br />

wissen will, ihrem sinnbildlichen<br />

Werthe nach erfasst, um<br />

durch ideale Darstellung derselben<br />

die in ihnen verborgene<br />

tiefe Wahrheit erkennen zu lassen.“<br />

Während die romantische<br />

Oper „Lohengrin“ ein Bühnenspiel<br />

über menschliche Macht<br />

und Ohnmacht von Glauben<br />

und Vertrauen ist, wird „<strong>Parsifal</strong>“<br />

oft als ideenreiches Weihefest<br />

des vertrauten Glaubens<br />

verstanden. Die reine Wahrheit<br />

mutiert zur Ware Reinheit. Diese<br />

ist nun im besonderen Maße<br />

im „<strong>Parsifal</strong>“ zu finden –nicht<br />

nur weil Kundry Wagners Privatetymologie<br />

formuliert: „Dich<br />

nannt’ ich, tör’ger Reiner, /,Fal<br />

parsi‘, / Dich, reinen Toren:<br />

,<strong>Parsifal</strong>‘.“ Auch über die Erlöserfigur<br />

hinaus wurde und wird<br />

das Werk mit einem Anspruch<br />

an Wahrheit und Reinheit befrachtet,<br />

der lediglich seine<br />

Wurzeln bei Richard Wagner<br />

hat, aber nun seit über 125 Jahren<br />

Früchte trägt und Blüten<br />

treibt.<br />

Im Jahre 1882 lässt Richard<br />

Wagner seinen „<strong>Parsifal</strong>“ mit<br />

einem ausgedehnten Vorspiel<br />

beginnen, indem eine erhaben<br />

irisierende Klangaura über der<br />

durch Synkopen bewegten Ruhe<br />

und schwebenden Unbestimmtheit<br />

im As-Dur des<br />

Abendmahlmotivs strahlt. Der<br />

mystische Abgrund des verdeckten<br />

Orchestergrabens in<br />

Bayreuth mischt die schillernden<br />

Klangfarben zu einer Vision<br />

für die Ohren, die Wagner dann<br />

in einer Notiz für eine Privataufführung<br />

für Ludwig II. (12.<br />

November 1880 München) mit<br />

„Liebe –Glaube–: Hoffen?“ versprachlicht<br />

hat. Dieser Mischklang<br />

ist nicht verortbar; doch<br />

die sinnliche Wahrnehmung ist<br />

beseelt und es verlangt einen<br />

nicht nach der Analyse, die Instrumente<br />

individuell herauszuhören.<br />

Dieses eröffnende Moment<br />

ist lediglich musikalischer<br />

Ausdruck eines vielschichtigen<br />

Synkretismus, einer Vermischung<br />

von philosophischen<br />

Voraussetzungen und religiös<br />

symbolischen Bedingungen, die<br />

Wagners letztes Werk auf vielfache<br />

Art bestimmen – oder<br />

vielmehr im Unbestimmbaren<br />

vergegenwärtigen.<br />

Vergegenwärtigung impliziert<br />

eine Auflösung der Grenzen<br />

von Vergangenheit und<br />

Gegenwart, von Symbol und<br />

Konkretem, von Tod und Leben.<br />

Im christlichen Kontext<br />

steht dabei die Abendmahlfeier<br />

im Zentrum; bei Wagner erklingt<br />

diese Verschränkung von<br />

menschlichem Tod und Teilhabe<br />

am ewigen Leben durch die<br />

Enthüllung des Grales in symbolträchtiger<br />

Umkehrung: „Blut<br />

und Leib der heil’gen Gabe /<br />

wandelt heut’ zu eurer Labe /<br />

sel’ger Tröstung Liebesgeist /in<br />

den Wein, der euch nun floß, /<br />

in das Brot, das heut’ ihr<br />

speist.“ Diese Wandlung stärkt<br />

die irdische Kraft der Ritter<br />

durch konkrete Nahrung und<br />

nicht deren geistige durch spirituelle<br />

Zeichen. Die geheiligten<br />

Maßnahmen stehen hier im<br />

Dienst des Kompensationsprogramms<br />

eines korrumpierten<br />

Glaubens, der auch musikalisch<br />

mitreißend marschiert.<br />

Leben und Tod sind bei Richard<br />

Wagner biographisch auf<br />

besondere Weise miteinander<br />

verknüpft. Er betonte in einem<br />

Brief an König Ludwig II. die<br />

Bedeutung, „die Stätte genau<br />

zu kennen und täglich zu pflegen,<br />

die uns zur göttlichen Ruhe<br />

empfangen soll“. Damit war<br />

das Grab für ihn und Cosima<br />

gemeint, das sich von Anfang<br />

an hinter dem großen Rund im<br />

Garten seiner dreigeschossigen<br />

luxuriösen Familienvilla am<br />

Bayreuther Hofgarten befand.<br />

Wagner hatte das Domizil für<br />

seine Familie selbst entworfen<br />

und mit abgeänderten Plänen<br />

des Architekten Wilhelm Neumann<br />

vom Baumeister Carl<br />

Wölfel bis zum Frühjahr 1874<br />

errichten lassen. Über dem<br />

Hauseingang ließ Wagner eine<br />

Erlösung verheißende Inschrift<br />

anbringen: „Hier wo mein<br />

Wähnen Frieden fand –Wahnfried<br />

–sei dieses Haus von mir<br />

benannt.“ Im Zentrum war die<br />

oft als Konzertraum dienende<br />

Halle angelegt, in der über viele<br />

Jahre auch die Festspielproben<br />

stattfanden. Daran schloss sich<br />

der große Saal an, der als re-<br />

präsentativer Wohn-, Bibliotheks-<br />

und gerade zu Festspielzeiten<br />

illustrer Empfangsraum<br />

diente und dessen Rotunde den<br />

Blick in den Garten freigab, in<br />

dem sich die Stätte zur göttlichen<br />

Ruhe, das zunächst noch<br />

leere Grab, befand und nun<br />

seiner Bestimmung gehorchend<br />

immer noch befindet.<br />

Als musiktheatraler Reifungsprozess<br />

über Leben und<br />

Tod erzählt „<strong>Parsifal</strong>“ die Geschichte<br />

eines reinen Toren, der<br />

Auswirkungen von Gewalt zu<br />

erkennen und somit seine eigene<br />

Biographie zu reflektieren<br />

lernt. Betrachtet man diese Reflektion<br />

als einen kulturgeschichtlichen<br />

Prozess im Spiegel<br />

einer kollektiven Identitätsund<br />

Heilssuche, so erscheint<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ als die Geschichte<br />

einer Nation, die sich auch politisch<br />

immer wieder Erlöserfiguren<br />

verschrieben hat und nun<br />

Vergangenheiten aufarbeiten<br />

muss, soll die Zukunft zu einer<br />

scheinbar erlösten Gegenwart<br />

werden. Das Bühnenweihfestspiel<br />

löst am Ende alle Subjektivität<br />

auf und strahlt so in absoluter<br />

Reinheit, doch die<br />

Sehnsucht nach Identität treibt<br />

das Prinzip der mitleidigen Erlösung<br />

auf immer wieder neue<br />

Weise aus. Somit ist „<strong>Parsifal</strong>“<br />

auch die Geschichte einer globalen<br />

Gesellschaft, die sich bis<br />

auf den heutigen Tag kollektive<br />

Erlösung und Frieden vom individuellen<br />

Wähnen in Bayreuth<br />

erhofft.<br />

Das Scharnier dieser vermeintlich<br />

erlösenden Opernkonstruktion,<br />

die Wagner als<br />

Bühnenweihfestspiel zusammengeschraubt<br />

hat, ist der<br />

Gral. Auf <strong>Parsifal</strong>s Frage „Wer<br />

ist der Gral?“ antwortet Gurnemanz:<br />

„Das sagt sich nicht; /<br />

doch bist du selbst zu ihm erkoren,<br />

/ bleibt dir die Kunde<br />

unverloren. –/Und sieh’! –/<br />

Mich dünkt, dass ich dich recht<br />

erkannt: / kein Weg führt zu<br />

ihm durch das Land /und niemand<br />

könnte ihn beschreiten, /<br />

den er nicht selber möcht’ geleiten.“<br />

Jenseits von Sprache<br />

hat sich also das Wunder des<br />

Grals zu vollziehen; das Nicht-<br />

Sagbare nimmt Gestalt für den<br />

Auserwählten an. Mehr noch –<br />

die physische Welt des tatsächlichen<br />

Schreitens entspricht<br />

nicht mehr der Erfahrung,<br />

wenn <strong>Parsifal</strong> staunt: „Ich<br />

schreite kaum, –/doch wähn’<br />

ich mich schon weit.“ Gurnemanz<br />

bestätigt ihm diese Auflösung<br />

der uns seit Kant als<br />

reine Anschauungen vertrauten<br />

Kategorien, die für unser Denken<br />

konstituierend sind: „Du<br />

sieh’st mein Sohn, /zum Raum<br />

wird hier die Zeit. /Nun achte<br />

wohl; und lass mich seh’n, /<br />

bist du ein Tor und rein, /<br />

welch Wissen dir auch mag beschieden<br />

sein. –“ Das rationale<br />

Denken ist nicht die angestrebte<br />

Art der Erfahrung, sondern<br />

vielmehr ein Verschmelzen von<br />

Ästhetik und Ethik: Die Entgrenzung<br />

der Rationalität ist<br />

die Voraussetzung für eine Begegnung<br />

mit dem Gral. Gurnemanz’<br />

Antwort verquickt<br />

sprachlich das Sehen mit dem<br />

Wissen –eine zentrale Zusammenfügung,<br />

da es im ganzen<br />

Stück nicht nur um die sinnliche<br />

Wahrnehmung durch die<br />

Augen, das visuelle Sehen,<br />

geht, sondern auch um „visio“,<br />

die Erkenntnis –dem etymologischen<br />

Ursprung des Wortes<br />

„Wissen“. Das Sehen und Verstehen,<br />

die Perspektivierung<br />

und die daraus destillierte Erkenntnis<br />

strukturieren das gesamte<br />

Werk, doch besonders<br />

eng ist das Netz aus Sehen und<br />

Erkennen zwischen <strong>Parsifal</strong><br />

und den ihn belehrenden Gurnemanz<br />

geknüpft. Als der junge<br />

Held den Schwan erlegt hat,<br />

schlicht weil er es vermag, ermahnt<br />

ihn Gurnemanz: „Hier –<br />

schau’ her! –hier traf’st du ihn:<br />

/dastarrt noch das Blut, matt<br />

hängen die Flügel; / das<br />

Schneegefieder dunkel befleckt,<br />

–/gebrochen das Aug’,<br />

siehst du den Blick? / Wirst<br />

deiner Sündentat du inne? –/<br />

Sag’, Knab’! Erkennst du deine<br />

große Schuld? /Wie konntest<br />

du sie begeh’n?“ <strong>Parsifal</strong> soll<br />

sich seine Tat ansehen („schau’<br />

her!“), die ebenfalls mit einer<br />

visuellen Metaphorik versinnbildlicht<br />

wird: das gebrochene<br />

Auge des toten Tieres, der starre<br />

Blick. Aus dieser optisch<br />

sinnlichen Erfahrung soll sich<br />

nun eine ethische Erkenntnis<br />

gewinnen lassen – die von<br />

Sünde und Schuld. <strong>Parsifal</strong> be-<br />

Fortsetzung auf Seite 5


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 5<br />

Fortsetzung von Seite 4<br />

antwortet Gurnemanz’ Frage<br />

nach dem Erkennen von Schuld<br />

wie auch alle weiteren nach<br />

Herkunft und Name mit „Das<br />

weiß ich nicht.“ Sehen und<br />

Wissen haben sich bei ihm<br />

noch nicht verbunden. Das ändert<br />

sich auch durch die folgende<br />

Gralsenthüllung nicht.<br />

Bloßes Sehen genügt nicht; so<br />

hofft Gurnemanz am Ende des<br />

ersten Aufzugs vergeblich, die<br />

optische Wahrnehmung und<br />

das intellektuelle Verstehen<br />

<strong>Parsifal</strong>s gleichzusetzen:<br />

„Weißt du, was du sah’st?“<br />

Wissen und Vision sind noch<br />

zwei Kreise, deren Schnittmenge<br />

<strong>Parsifal</strong> bislang nicht betreten<br />

hat. Im Erleben der Aufführung<br />

wird genau dieses Moment<br />

an den Zuschauer weitergegeben:<br />

Das Sehen und das<br />

Erkennen müssen sich erst annähern;<br />

das Auge wird zur<br />

Membran, durch die Vision und<br />

Wissen verbunden sind: Das<br />

Auge als Seelenspiegel, durch<br />

den wir in das Innere blicken<br />

können und das Auge als Sinnesorgan,<br />

mit dem wir die Welt<br />

erkennen können.<br />

Wagner ist davon überzeugt,<br />

mit seiner Kunst hinderliche<br />

Kategorien ausrotten zu können.<br />

Er schreibt bereits 1859 an<br />

Mathilde Wesendonk:<br />

„Nun denken Sie meine Musik,<br />

die mit ihren feinen, feinen,<br />

geheimnisvoll-flüssigen<br />

Säften durch die subtilsten<br />

Poren der Empfindung bis auf<br />

das Mark des Lebens eindringt,<br />

um dort alles zu überwältigen,<br />

was irgend wie Klugheit und<br />

selbstbezogene Erhaltungskraft<br />

sich ausnimmt, alles hinwegschwemmt,<br />

was zum Wahn der<br />

Persönlichkeit gehört, und nur<br />

den wunderbar erhabenen<br />

Seufzer des Ohnmachtsbekenntnisses<br />

übrigläßt –: wie<br />

soll ich ein weiser Mann sein,<br />

wenn ich nur in solch rasendem<br />

Wahnsinn ganz zu Hause<br />

bin?“<br />

Aus der Macht des wahnsinnigen<br />

Wissens wird so die<br />

Ohnmacht des erhabenen<br />

Glaubens, Liebens, Hoffens.<br />

<strong>Parsifal</strong> wird daher auch nicht<br />

durch Belehrung eines Wissenden<br />

welthellsichtig, sondern<br />

durch Empathie; der Kuss wirkt<br />

als Katalysator. Wagner notiert<br />

nach 1880 folgende Erläuterung:<br />

„Nicht das Licht, welches<br />

von außen die Welt beleuchtet,<br />

ist Gott, sondern das Licht,<br />

welches wir aus unserem Inneren<br />

auf sie werfen: d. i. Erkenntnis<br />

durch Mitgefühl.“<br />

Nachdem er durch den Kuss die<br />

Wunde Amfortas’ fühlte und<br />

eine Verbindung von Vision<br />

und Wissen spürt, fragt <strong>Parsifal</strong><br />

deutlich: „Erlöser! Heiland!<br />

Herr der Huld! /Wie büß ich<br />

Sünder meine Schuld?“ Doch<br />

Kundry antwortet ihm mit<br />

einer Perspektivverschiebung:<br />

„Gelobter Held! Entflieh’ dem<br />

Wahn! /Blick’ auf! Sei hold der<br />

Huldin Nah’n!“ Es ist nicht der<br />

gesenkte Blick des reuigen<br />

Sünders, sondern das mutige<br />

Aufschauen zur sich hingebenden<br />

Frau, das <strong>Parsifal</strong> von der<br />

Verknüpfung von Sehen und<br />

Wissen emanzipieren könnte.<br />

Doch diese Möglichkeit wird<br />

nicht als solche klar definiert –<br />

erotische Liebeserfüllung als<br />

Schlüssel zur männlichen Erlösung<br />

oder als Aufhebung des<br />

Sündenfalls durch weibliche<br />

Emanzipation bleiben weitgehend<br />

unkomponierte Andeutungen.<br />

Es gilt vielmehr, in der<br />

Schnittmenge von Vision und<br />

Wissen zur Tat zu schreiten,<br />

daher schließt der Aufzug mit<br />

den von <strong>Parsifal</strong> an die abgewiesene<br />

Kundry gerichteten<br />

Worten: „Du weißt – wo du<br />

mich wieder finden kannst!“<br />

Dieses „wo“ ist allerdings offen<br />

zu lesen, denn in Titurel,<br />

Gurnemanz, Klingsor, Amfortas,<br />

<strong>Parsifal</strong> und den Knappen<br />

wird eine Männlichkeit aufgefächert,<br />

die sich bewusst<br />

glaubt, doch immer wieder ihre<br />

eigene Unzulänglichkeit erfährt<br />

in dem Wunsch nach Erlösung.<br />

Nietzsche notiert in seinem<br />

„Fall Wagner“: „Wagner hat<br />

über nichts so tief wie über die<br />

Erlösung nachgedacht: seine<br />

Oper ist die Oper der Erlösung.<br />

Irgendwer will bei ihm immer<br />

erlöst sein: bald ein Männlein,<br />

bald ein Fräulein –dies ist sein<br />

Problem.“ Dabei wird es bei jeder<br />

Aufführung dieser Werke<br />

zu unserem Problem! Das romantische<br />

Kunstideal ist längst<br />

versunken, die Kultur des Bürgertums<br />

ist in zwei Weltkriegen<br />

zusammengebrochen, eine<br />

maßlose Aufklärung in der Zuschauerrealität<br />

steht der verzaubernden<br />

Verklärung der<br />

Bühnenidealität entgegen. Und<br />

in dieser Kluft von Historie und<br />

Gegenwart wird die Geschichte<br />

des und um „<strong>Parsifal</strong>“ positioniert.<br />

Kaiser Wilhelm II. fertigte<br />

bereits 1901 nach einer Begegnung<br />

mit Houston Stewart<br />

Chamberlain eine ergänzende<br />

Zeichnung für das von Gustav<br />

Heinrich Eberlein erbaute<br />

Wagner-Denkmal im Berliner<br />

Tiergarten an: Der Kaiser fügte<br />

die Figur Wolfram von Eschenbachs,<br />

Autor des mittelalterlichen<br />

Epos „Parzival“, mit seiner<br />

Lyra aus „Tannhäuser“ zu<br />

Füßen des über Lorbeerkranz<br />

und Eichenzweig thronenden<br />

Richards hinzu. Während Figuren<br />

aus „Der Ring des Nibelungen“<br />

und „Tannhäuser“ das<br />

monumentale Denkmal am Sockel<br />

verzieren, mag die Abwesenheit<br />

jeder Referenz an den<br />

Kosmos des letzten Meisterwerkes<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ überraschend<br />

sein. Doch noch ist dieses ja<br />

nicht in die Welt hinausgezogen,<br />

sondern nur im Bayreuther<br />

Festspielhaus zu erleben.<br />

Mit dem Erlöschen der Schutzfrist<br />

am 1. Januar 1914 setzt<br />

eine <strong>Parsifal</strong>omanie unmittelbar<br />

vor Ausbruch des Ersten<br />

Weltkrieges ein. Schon in der<br />

Silvesternacht wurde das Werk<br />

in Barcelona auf Italienisch<br />

aufgeführt, es folgten Vorstellungen<br />

in Berlin, Prag, Bremen,<br />

Breslau, Kiel und in rasanter<br />

Folge auf über 40 Bühnen im<br />

In- und Ausland –künstlerisch<br />

verbrüderte sich die europäische<br />

Welt, um das Bühnenweihfestspiel<br />

zu zelebrieren,<br />

doch anstelle eines neuen Zeitenanbruchs<br />

wurde mit dem<br />

Kriegsausbruch eine kulturelle<br />

Bankrotterklärung unterzeichnet.<br />

Am 4. August 1914 versammelte<br />

Kaiser Wilhelm II. in Berlin<br />

die Führer der Parteien des<br />

Reichstages um sich und erklärte<br />

in seiner Thronrede: „…<br />

uns beseelt der unbeugsame<br />

Wille, den Platz zu bewahren,<br />

auf den Gott uns gestellt hat,<br />

für uns und alle kommenden<br />

Geschlechter.“ Die sakralisierte<br />

Formulierungslust wird sogar<br />

noch weitergeführt, wenn er<br />

von „brüderlichem Zusammenstehen“<br />

schwärmt und sich in<br />

steigender Mehrsilbigkeit Paarausdrücke<br />

bedient: „Nach dem<br />

Beispiel unserer Väter, fest und<br />

getreu, ernst und ritterlich,<br />

demütig vor Gott und kampfesfroh<br />

vor dem Feind, so vertrauen<br />

wir der ewigen Allmacht,<br />

die unsere Abwehr stärken und<br />

zu gutem Ende lenken wolle!“<br />

Der Sprachgestus hat durch<br />

Begriffe wie „beseelt“, „brüderlich“,<br />

„kampfesfroh“, „fest und<br />

getreu“, „ernst und ritterlich“<br />

sowie „demütig vor Gott“ einen<br />

kräftigen Beigeschmack der<br />

ernsten Ritter im ersten<br />

„<strong>Parsifal</strong>“-Aufzug, die vom Gral<br />

gestärkt mit den Worten: „froh<br />

im Verein, /brudergetreu /zu<br />

kämpfen mit seligem Mute!“ in<br />

die Welt ziehen, „treu bis zum<br />

Tod, /fest jedem Müh’n, /zu<br />

wirken des Heilands Werke!“<br />

Die mit christlichen Symbolen<br />

aufgefüllte Sendungswelt der<br />

Ritter dient dem Kaiser ebenso<br />

wie Wagner als Folie einer<br />

Aufgabenstellung. Ebenso wie<br />

Wilhelms deutsche Ritter mit<br />

den national geweihräucherten<br />

Worten in die Katastrophe des<br />

Ersten Weltkriegs geführt wurden,<br />

marschieren die Gralsritter<br />

hinaus in die Welt. Diese<br />

umgibt aber durch den Rahmen<br />

von Wagners avantgardistisch<br />

komplexer Musik eine<br />

moderne Brüchigkeit, die in<br />

Spannung zu dem weich wabernden<br />

Text steht. Das<br />

schwülstige Libretto ist der<br />

Versuch, in sprachlicher Heiligkeit<br />

etwas festzuhalten, dessen<br />

Grenzen musikalisch längst<br />

aufgelöst sind. Der Erste Weltkrieg<br />

beendet die Festspiele<br />

1914 vorzeitig: Nachdem am<br />

28. Juli Österreich Serbien den<br />

Krieg erklärte, folgte Deutschland<br />

mit einer Kriegserklärung<br />

an Russland am 1. August. An<br />

diesem Tag wurden die damaligen<br />

Festspiele mit „<strong>Parsifal</strong>“<br />

nach nur acht Abenden abgebrochen.<br />

Bei den Kriegserklärungen<br />

Deutschlands an Frankreich<br />

am 3. August und Englands<br />

an Deutschland am 4.<br />

August ist schon alles im Aufbruch:<br />

Das letzte und vermeintlich<br />

heiligste Werk Wagners<br />

untermalt den Untergang einer<br />

Gesellschaft; die Gralsglocken<br />

läuten zum millionenfachen<br />

Totengebet.<br />

Nach den gescheiterten Emanzipationsversuchen<br />

der Götter,<br />

Helden und Zwerge in der „Götterdämmerung“<br />

wird nun im<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ anstelle der Menschendämmerung<br />

die Erlösungsgeschichte<br />

des Mannes<br />

vermittelt. Dabei ist eine relevante<br />

Unterscheidung zu machen:<br />

Emanzipation bezieht<br />

sich begrifflich auf die Selbstbefreiung<br />

aus akzeptierter Autorität<br />

und strebt damit eine<br />

Freiheit vom gesellschaftlichen<br />

Zwang an: „Alle Emanzipation<br />

ist Zurückführung der menschlichen<br />

Welt, der Verhältnisse,<br />

auf den Menschen selbst“, definierte<br />

Karl Marx 1844. Erlösung<br />

hingegen bezieht sich auf<br />

eine Fremdbefreiung aus einer<br />

Not – der ersehnte Heilszustand<br />

wird durch eine höhere<br />

Macht gnädig gewährt. Vision<br />

und Wissen sind also nur bedingt<br />

deckungsgleich geworden<br />

–anstelle des Klärens tritt das<br />

Verklären. Daher wird am Ende<br />

des Werkes das Gralsthema<br />

musikalisch widerspruchslos in<br />

einer harmonischen Auflösung<br />

gereinigt: Der Glauben in seiner<br />

entmenschlichen Transzendenz<br />

ist gerettet. Aus der<br />

Erlösungsnot erwächst der<br />

Gegenstand der Hoffnung, der<br />

nun im letzten orchestralen<br />

Höhepunkt in irisierenden<br />

Klangfarben schillert. Diese<br />

entschwinden den irdischen<br />

Blicken und Erkenntnissen so<br />

wie ein Regentropfen, der sich<br />

in die Wolke zurückzieht und<br />

in dem sich trotz seiner Winzigkeit<br />

die Höhe des Himmels<br />

und die Weite der Ozeane spiegeln.<br />

Das kulturell verunreinigte<br />

Wasser der Religion meint<br />

Wagner durch den Ritus seiner<br />

Kunst geklärt zu haben – aus<br />

den mythischen Quellen<br />

scheint so die wahre Reinheit<br />

der Erlösung zu sprudeln.<br />

Das heiligste seiner Werke<br />

klingt ohne Frage phänomenal<br />

in Bayreuth, da es in genauer<br />

Kenntnis der Festspielhausakustik<br />

geschrieben wurde.<br />

Heilig ist „<strong>Parsifal</strong>“ in Bayreuth<br />

von daher im etymologischen<br />

Sinne des Wortes: Es bezeichnet<br />

eigentlich etwas Heiles, etwas<br />

Ganzes. Doch die Verknüpfung<br />

von Heiligkeit, Bestimmung<br />

und weltlicher Korruption<br />

bedrängt die handelnden<br />

Personen im „<strong>Parsifal</strong>“ der<br />

Bühnenidealität ebenso wie die<br />

Menschen einer historischen<br />

Realität und des ästhetischen<br />

Präsens. Es besteht allerdings<br />

die eine ungebrochene Hoffnung,<br />

dass die soziale Funktion<br />

von Kunst in ethischer und ästhetischer<br />

Hinsicht den Menschen<br />

erneuern kann. Damit<br />

wäre Erlösung eine bühnenweihfestspielige<br />

Form des Revolutionsbegriffes,<br />

den Wagners<br />

Denken von jeher geprägt<br />

hat – eine ästhetisch sakralisierte<br />

Umwälzung, die mit<br />

einem Hoffen im Vorspiel beginnt<br />

und einem anderen Hoffen<br />

endet. Es beginnt mit der<br />

Ware Reinheit, für die Opfer<br />

gebracht werden, und endet<br />

mit der wahren Hoffnung auf<br />

Reinheit, deren ungebrochener<br />

Liebesgedanke Erlösung bringen<br />

kann. Nimmt man nun <strong>Parsifal</strong><br />

nicht als eine künstliche<br />

Ersatz-Erlösung, sondern vielmehr<br />

die Ausgestaltung dieser<br />

Erlösungsbedürftigkeit, Erlösungsmöglichkeit<br />

und Erlösungsfähigkeit<br />

als Potenzial der<br />

entfremdeten Menschen untereinander<br />

trotz Mythen, Ideologien,<br />

Religionen, Historie –und<br />

trotz des gesamtkunstwerklichen<br />

Bühnenweihfestspiels,<br />

dann erst kommen wir bei uns<br />

an. Und das im Theater.


Nordbayerischer Kurier<br />

6 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

Daniel Roche<br />

Das Bett ist kein Möbelstück<br />

wie jedes andere. Seitdem er<br />

das harte Lager des Nomaden<br />

verlassen hat, verbringt der<br />

Mensch ein Drittel seines Lebens<br />

im Bett – bei 60 Jahren<br />

sind das etwa 20.000 Stunden<br />

– und im allgemeinen spielen<br />

sich dort auch die ersten und<br />

letzten Augenblicke seines Daseins<br />

ab. Von der Wiege bis<br />

zum Grab –die Ethnologen haben<br />

seit langem schon die<br />

Hauptetappen dieses Weges,<br />

der Arm und Reich gemeinsam<br />

ist, abgesteckt: die Schaukelbettchen<br />

und Brutkästen der<br />

Geburtsstunden, die improvisierte<br />

Schlafgelegenheit und<br />

das Prunkbett, das Liebeslager<br />

und das Ehebett, die Matratzengruft<br />

des Kranken und das<br />

Sterbelager. Aber Bett ist nicht<br />

gleich Bett. Das Schicksal kann<br />

einen in ein weiches Himmelbett<br />

verschlagen oder auf einen<br />

unförmigen Strohsack, auf eine<br />

lieblose Pritsche oder in ein<br />

ausgesprochenes Lotterbett, in<br />

eine Koje oder eine Falle. Kurz,<br />

für ein derart gebräuchliches<br />

Möbelstück wie das Bett steht<br />

eine Vielzahl von Wörtern bereit,<br />

die die Vorstellungskraft in<br />

Gang setzen.<br />

Seine Geschichte allerdings<br />

bleibt noch zu schreiben, denn<br />

seiner Verwendung sind kaum<br />

Grenzen gesetzt. [...] Das Bett<br />

ist ein Dreh- und Angelpunkt<br />

der Existenz. Schlaf, Liebe und<br />

Tod –alles spielt sich hier ab.<br />

Innerhalb der urbanen Zivilisation<br />

ist es die unverzichtbare<br />

Stätte der Erholung, unabding-<br />

Der Mutterkuss<br />

Aus: Dietmar Holland, „Die paradoxe Welt des ,<strong>Parsifal</strong>‘“<br />

Zunächst [...] tritt <strong>Parsifal</strong> als<br />

„blöder, taumelnder Tor“ auf,<br />

wie er sich (im zweiten Aufzug)<br />

einmal selbst nennt. Erkennbar<br />

wird von Anfang an<br />

seine intensive Mutterbindung,<br />

und gerade von Kundry muß<br />

er sich sagen lassen [...], daß<br />

seine Mutter aus Gram über<br />

sein Weggehen gestorben sei.<br />

Wie er dieses Schuldgefühl am<br />

wirksamsten kompensieren<br />

kann –und das scheint wichtiger<br />

zu sein als seine Funktion<br />

des „Erlösers“ –, das ist der<br />

Gegenstand des doppelten Bodens<br />

der Verführung durch<br />

Kundry in der Mitte des zweiten<br />

Aufzugs und damit im<br />

Zentrum der Handlung. Hier<br />

ist es die spezielle Aufgabe der<br />

Verführerin, ihm, dem unerfahrenen<br />

Knaben, zugleich<br />

Mutter und Hure zu sein, um<br />

zum Ziel zu kommen. Unter<br />

dem Deckmantel der Moral<br />

spielt Kundry ein böses Spiel:<br />

Sie ruft ihn bei seinem Namen,<br />

also bei seiner verschütteten<br />

Identität, provoziert damit sein<br />

Erlebnis des déjà vu, aber nicht<br />

um seiner selbst willen, auch<br />

nicht als Mutterersatz, sondern<br />

aus ihrem egoistischen Trieb<br />

heraus, den sie nach außen hin<br />

so rechtfertigt: „Das Wehe, das<br />

dich reut, die Not nun büße im<br />

Trost, den Liebe dir beut!“ Was<br />

sie aber wirklich will und warum<br />

sie sich des Mittels bedient,<br />

die Verführung sowohl<br />

auf psychischer wie auf physischer<br />

Ebene durchzuführen –<br />

sie „weiss die zartesten Saiten<br />

seiner Empfindung durch trau-<br />

Erster Aufzug<br />

lich-feierliches Berühren seiner<br />

Kindheitserinnerungen erzittern<br />

zu machen“ (Prosaentwurf)<br />

und gibt ihm den ersten<br />

Kuß seines Lebens „als Muttersegens<br />

letzten Gruß“ (!) –<br />

weshalb sie also gerade den<br />

unbescholtenen Toren die körperliche<br />

Liebe lehren will, ist<br />

die Ahnung, daß <strong>Parsifal</strong> derjenige<br />

sein könnte, dessen<br />

Keuschheit nicht Schwäche,<br />

sondern Stärke bedeutet. Dennoch<br />

ist sie nicht bereit, den<br />

Verzicht <strong>Parsifal</strong>s auf das Ausleben<br />

der sinnlichen Begierde<br />

mit ihr anzunehmen, obwohl<br />

das ihre einzige Erlösungsmöglichkeit<br />

ist. Die Verführungsszene<br />

gerät zur Paradoxie<br />

einer sinnlich-geistigen Erleuchtung<br />

<strong>Parsifal</strong>s und zwar<br />

bezeichnenderweise bei dem<br />

Eingang zur Erfüllung körperlicher<br />

Liebe: dem Kuß der<br />

Kundry. Es gehört zu Wagners<br />

ingeniösesten Vorwegnahmen<br />

Freudscher Psychoanalyse, daß<br />

er genau diesen Moment ausnutzt,<br />

um die Verquickung von<br />

Mutter- und Frauenliebe zu<br />

Ein Bett für zwei<br />

bar für die Wiederherstellung<br />

der Arbeitskraft; stellt doch die<br />

psychologische Bedeutung der<br />

Nachtruhe die Existenzberechtigung<br />

des Heimes permanent<br />

unter Beweis, die Notwendigkeit<br />

eines Refugiums, das Bedürfnis<br />

nach einer Enklave der<br />

Sicherheit und Ruhe. Das Bett,<br />

ein nicht wegzudenkendes Möbelstück,<br />

wird in der breiten<br />

Bevölkerung, wo der Platz begrenzt<br />

und das Zusammenleben<br />

vieler die Regel ist, zu<br />

einem Symbol der ehelichen<br />

Verbindung, zur letzten Zufluchtstätte<br />

der Intimität, zum<br />

einzigen Ort, wo man dem familiären<br />

Chaos, der ganzen<br />

zeigen. Um so krasser ist die<br />

jähe Wendung des dumpfen<br />

Toren zum Durchschauer des<br />

tragischen Weltengrundes: der<br />

Verstrickung in die blinden<br />

Triebe, wie Schopenhauer sagen<br />

würde. Für Kundry wäre<br />

die gelungene Verführung <strong>Parsifal</strong>s<br />

das Unheil, weiterhin<br />

zum Verführen der Männer<br />

verdammt zu sein. <strong>Parsifal</strong> widersetzt<br />

sich ihrem Liebeswerben<br />

aber nicht eigentlich deswegen,<br />

sondern weil er im<br />

Moment der Sünde blitzartig,<br />

ja suggestiv leibhaftig die<br />

„Wunde“ des Amfortas verspürt,<br />

sich in seine Qualen<br />

hineinversetzt fühlt und geschlechtlich<br />

gesehen, zum Neutrum<br />

erstarrt. Er verspürt drastisches<br />

Mit-Leid mit Amfortas.<br />

Das ist aber kein rationales<br />

Verstehen der Situation, sondern<br />

Identifikation. Damit findet<br />

<strong>Parsifal</strong> seine Identität, und<br />

die ist ihm Ersatz für die Liebe<br />

zwischen Mann und Frau und<br />

zugleich Kompensation der<br />

schuldbeladenen Mutterbindung.<br />

Ich trage dich wie eine Wunde<br />

auf meiner Stirn, die sich nicht schließt.<br />

Sie schmerzt nicht immer. Und es fließt<br />

das Herz sich nicht draus tot.<br />

Nur manchmal plötzlich bin ich blind und spüre<br />

Blut im Munde.<br />

Gottfried Benn: „Mutter“<br />

Unordnung, dem lästigen Lärm<br />

entkommen kann und der den<br />

Namen ‚Privatsphäre‘ wirklich<br />

verdient. [...]<br />

Wenn es auch ganz allgemein<br />

zutreffen mag, daß ein<br />

weiches Bett einen harten<br />

Schlaf bringen kann – die<br />

Spruchweisheit entbehrt nicht<br />

einer gewissen materiellen<br />

Grundlage –, so ist die Qualität<br />

des Schlafes und der Träume<br />

doch in ein Ensemble gesellschaftlich<br />

bedingter Vorstellungen<br />

und Lebensweisen eingebunden.<br />

Wenn die finanziellen<br />

Mittel fehlen, bleibt immer<br />

noch das Hilfsmittel des ‚wilden‘<br />

Komforts, wie ihn die kör-<br />

Der Knabe, den es aus der Enge zu Hause in<br />

den Wald hinaustrieb, um, wie er glaubte,<br />

zu träumen und allein zu sein, erlebte dort die<br />

Aufnahme ins Heer voraus. Im Wald standen<br />

schon die anderen bereit, die treu und wahr<br />

und aufrecht waren, wie er sein wollte, einer<br />

wie der andere, weil jeder gerade wächst, und<br />

doch ganz verschieden an Höhe und Stärke.<br />

perliche Nähe, das –nach Ansicht<br />

der [im 18. Jahrhundert]<br />

um eine Reform der Ideen und<br />

Sitten bemühten Denker –anstößige<br />

Zusammen-Schlafen in<br />

einem Familien- oder Gemeinschaftsbett<br />

verschafft. Der Fortschritt<br />

in den Verhaltensweisen<br />

hängt hierbei eng mit Umbrüchen<br />

zusammen, die ihre<br />

Durchschlagskraft aus der religiösen<br />

und moralischen Neuorientierung<br />

beziehen: Man<br />

vertreibt die Kinder aus dem<br />

Bett der Eltern, die Brüder aus<br />

dem Bett ihrer Geschwister und<br />

aus deren Zimmer; diese materielle<br />

Revolution aber, die eine<br />

‚dritte Wärmesphäre‘, die eigene<br />

Stube nämlich, mit sich<br />

bringt, bedeutet eine tiefgreifende<br />

Umgestaltung im Leben<br />

aller.<br />

Die Erfahrung einer eigenen<br />

Intimsphäre bleibt diesem neuen<br />

historischen Entwicklungsabschnitt<br />

vorbehalten. Man begreift<br />

nun aber, weshalb in früheren<br />

Zeiten die familiäre Bindung<br />

ans Bett verlassene Ehefrauen<br />

und betrogene Gatten<br />

dazu bringen konnte, diesen<br />

unersetzlichen Verlust bei der<br />

Polizei mit den Worten zu monieren:<br />

„Er hat sogar noch sein<br />

Bett versetzt“; „sie hat mich um<br />

mein Bett gebracht“. Im Rahmen<br />

der prekären Intitmität<br />

des Familienlebens breiter<br />

Schichten bedeutete dies, vor<br />

aller Augen deutlich zu bekunden,<br />

daß man mehr verloren<br />

hat, als einfach nur ein Möbelstück:<br />

den eigentlichen Sinn<br />

des zwischenmenschlichen<br />

Kontakts, den Boden des gemeinsamen<br />

Schicksals.<br />

Elias Canetti<br />

Der Knabe<br />

Rainer Maria Rilke<br />

Ich möchte einer werden so wie die,<br />

die durch die Nacht mit wilden Pferden fahren,<br />

mit Fackeln, die gleich aufgegangenen Haaren<br />

in ihres Jagens großem Winde wehn.<br />

Vorn möcht ich stehen wie in einem Kahne,<br />

groß und wie eine Fahne aufgerollt.<br />

Dunkel, aber mit einem Helm von Gold,<br />

der unruhig glänzt. Und hinter mir gereiht<br />

zehn Männer aus derselben Dunkelheit<br />

mit Helmen, die, wie meiner, unstät sind,<br />

bald klar wie Glas, bald dunkel, alt und blind.<br />

Und einer steht bei mir und bläst uns Raum<br />

mit der Trompete, welche blitzt und schreit,<br />

und bläst uns eine schwarze Einsamkeit,<br />

durch die wir rasen wie ein rascher Traum:<br />

Die Häuser fallen hinter uns ins Knie,<br />

die Gassen biegen sich uns schief entgegen,<br />

die Plätze weichen aus: wir fassen sie,<br />

und unsre Rosse rauschen wie ein Regen.<br />

Kindlich-erhaben<br />

Aus: Thomas Mann,<br />

„Leiden und Größe<br />

Richard Wagners“<br />

Das Kindliche mit dem Erhabenen<br />

zu vereinigen, mag großer Kunst<br />

auch sonst wohl gelungen sein;<br />

die Vereinigung aber des Märchentreuherzigen<br />

mit dem Ausgepichten,<br />

der Kunstgriff, das<br />

Hochgeistige als Orgie des Sinnenrausches<br />

zu verwirklichen<br />

und „populär“ zu machen, die Fähigkeit<br />

das Tiefgroteske in<br />

Abendmahlsweihe und klingenden<br />

Wandlungszauber zu kleiden,<br />

Kunst und Religion in einer<br />

Geschlechtsoper von größter Gewagtheit<br />

zu verkoppeln und derlei<br />

heilige Künstlerunheiligkeit<br />

mitten in Europa als Theater-<br />

Lourdes und Wundergrotte für<br />

die Glaubenslüsternheit einer<br />

mürben Spätwelt aufzutun, –dies<br />

alles ist nur romantisch, es ist in<br />

einer klassisch-humanen, der<br />

eigentlich vornehmen Kunstsphäre<br />

durchaus undenkbar. Der Personenzettel<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“ –was<br />

für eine Gesellschaft im Grunde!<br />

[...] Ein von eigener Hand entmannter<br />

Zauberer; ein desparates<br />

Doppelwesen aus Verderberin<br />

und büßender Magdalena mit kataleptischenÜbergangszuständen<br />

zwischen beiden Existenzen;<br />

ein liebessicherer Oberpriester,<br />

der auf Erlösung durch einen keuschen<br />

Knaben harrt; dieser reine<br />

Tor und Erlöserknabe selbst, [...]<br />

[–] nur die mythisierenden und<br />

heiligenden Kräfte der Musik<br />

verhüllen die Verwandtschaft<br />

[mit der Romantik in extremis]<br />

und ihr pathetischer Geist ist es,<br />

aus dem das Ganze sich nicht [...]<br />

als schaurig-scherzhafter Unfug,<br />

sondern als hochreligiöses Weihespiel<br />

gebiert.<br />

Wagners Albtraum<br />

Aus: Oliver Hilmes, „Herrin des Hügels“<br />

Wollte Richard Wagners „Gesamtkunstwerk“<br />

ursprünglich<br />

das Volk in seiner gesamten<br />

Breite und Vielfalt ansprechen,<br />

hatte Cosima Wagners Bayreuth<br />

mit dieser Vorstellung<br />

nicht mehr viel zu tun. Der<br />

Grüne Hügel wurde zum<br />

Tummelplatz der Reichen und<br />

Mächtigen –eswar die große<br />

Welt, es waren Cosimas Kreise:<br />

Aristokraten und gekrönte<br />

Häupter, Politiker, Diplomaten<br />

und hohe Militärs und nicht<br />

zuletzt der internationale<br />

Geldadel. Richard Wagner hatte<br />

für die von seiner Frau so<br />

geliebten Fürstenhäuser zeitlebens<br />

nur Spott übrig: „Das<br />

sind alles mehr als Gespenster,<br />

Nachkommen von Gespenstern“,<br />

hielt er ihr einmal ent-<br />

gegen. Gleichwohl schien er<br />

den Einzug dieser „Gespenster“<br />

vorausgesehen zu haben –<br />

zumindest im Traum. Cosimas<br />

Tagebuch vom 8. September<br />

1882: „R. hat eine unruhige<br />

Nacht; er träumt von dem<br />

Haus Wahnfried, welches ganz<br />

umgeändert wäre; überall Anordnungen<br />

zu Empfang, und<br />

er, befragt, wer er wäre, worauf<br />

er laut ärgerlich seinen<br />

Namen sage, zugleich in<br />

einem Nebensaal mich lachen<br />

hört, worauf er erwacht.“<br />

Wagners Traum lässt vermuten,<br />

dass er sich insgeheim<br />

gegen diese Entwicklung gewehrt<br />

hätte. Ob sie aufzuhalten<br />

gewesen wäre, wenn er<br />

länger gelebt hätte? Wir wissen<br />

es nicht.<br />

Da ihm die erznen Flügel<br />

dröhnend vor die Füße klirrten,<br />

Fernhin der Gral entwich und Brodem<br />

feuchter Herbstnachtwälder aus dem Dunkel<br />

sprang,<br />

Sein Mund in Scham und Schmerz verirrt,<br />

indessen die Septemberwinde ihn<br />

umschwirrten,<br />

Mit Kindesstammeln jenes Traums<br />

entrückte Gegenwart umrang [...].<br />

Ernst Stadler:<br />

„Parzival vor der Gralsburg“


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 7<br />

Das aus dem Jahre 1862 datierte<br />

Vorwort zur Dichtung des<br />

„Nibelungenrings“ schließt mit<br />

höchst pessimistischen Bemerkungen<br />

über die Möglichkeit,<br />

daß die deutsche Nation aus<br />

eigener Kraft fähig sein könnte,<br />

dem nationalen Kunstwerk, das<br />

Wagner für sie schuf, zum Leben<br />

zu verhelfen. Er hofft –ohne<br />

rechte Überzeugung – auf<br />

eine „Vereinigung kunstliebender,<br />

vermögender Männer und<br />

Frauen“: ein grotesker Zwiespalt<br />

zwischen diesem Plan und<br />

diesem Werk! Er hofft vor allem<br />

auf einen deutschen Fürsten<br />

und schließt mit der Frage:<br />

„Wird dieser Fürst sich finden?“<br />

Man weiß, daß er sich zwei<br />

Jahre später in dem jungen<br />

Bayernkönig Ludwig II. gefunden<br />

hat. Man weiß aber auch,<br />

daß sich Richard Wagner damit<br />

in seinem künstlerischen Wollen<br />

und seinem persönlichen<br />

Handeln von allen Gedanken<br />

und Bestrebungen abgewandt<br />

hatte, die noch bis etwa 1852<br />

seine Weltanschauung und sein<br />

Werk genährt hatten.<br />

Da auch für den Schopenhauerianer<br />

Richard Wagner<br />

trotz aller Weltflüchtigkeitsbewegungen<br />

das gesellschaftliche<br />

Geschehen im Mittelpunkt seiner<br />

Gedanken bleibt, da der<br />

Künstler Richard Wagner undenkbar<br />

wäre ohne diese unaufhaltsame<br />

und fast überscharfe<br />

Reaktion auf die Zeitereignisse,<br />

wirkt sich die neue<br />

Konstellation seines persönlichen<br />

Lebens ebenso entscheidend<br />

auf seine Gedankenwelt<br />

Weißt du, was du<br />

sah’st?<br />

Gurnemanz,<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ I. Aufzug<br />

An<br />

Richard Wagner<br />

Luise Otto<br />

Von einer neuen Oper sprach<br />

man lang,<br />

Voll rauschender Musik und<br />

holdem Sang,<br />

Die Deinen Namen uns<br />

verkündet;<br />

Und alles Neue lockte mich<br />

herbei,<br />

Wenn eines deutschen Namens<br />

Weih'<br />

Sich deutschem Werk verbündet<br />

[...].<br />

Todtbleich und bebend fand ich<br />

mich am Schluß –<br />

Eins wußt ich nur: Es war ein<br />

Genius,<br />

Der mich mit Gottesmacht<br />

bezwungen.<br />

Ein Genius, der mit Titanenkraft<br />

Das Alte stürzte und ein Neues<br />

schafft,<br />

Ein neues Reich errungen. [...]<br />

Dir winkt der Tempel der<br />

Unsterblichkeit,<br />

Die jeden Genius der Zukunft<br />

weiht,<br />

Der seinem Volk vorangegangen.<br />

Es folgt Dir nach zum Reich,<br />

das Du erschaut,<br />

Der Zukunft Kunstwerk wird<br />

einst hoch erbaut<br />

Und Dir geweihet prangen.<br />

Deutscher Komponist seiner Zeit<br />

Aus: Hans Mayer ,„Richard Wagners geistige Entwicklung“<br />

aus wie die neue gesellschaftlich-politische<br />

Konstellation<br />

Deutschlands seit der Mitte der<br />

sechziger Jahre. [...]<br />

Der Deutsch-Französische<br />

Krieg 1870/71 mit der Gründung<br />

des Bismarckschen Reiches<br />

zeigt Richard Wagner als<br />

begeisterten deutschen Patrioten,<br />

aber zugleich auch als entfesselten<br />

deutschen Nationalisten.<br />

Sein im Januar 1871 geschriebenes<br />

Gedicht „An das<br />

deutsche Heer vor Paris“ ist<br />

nicht bloß der Form nach ein<br />

schlechtes Gedicht, sondern<br />

gleichzeitig ein Aufruf zur<br />

schrankenlosen Eroberungspolitik<br />

auf Kosten Frankreichs.<br />

Richard Wagner, der Barrikadenkämpfer<br />

von 1849, komponiert<br />

einen „Kaisermarsch“ für<br />

Wilhelm von Hohenzollern.<br />

[...]<br />

Auch in den letzten Lebens-<br />

Erlösungspause<br />

Hermann Bahr<br />

Nach dem zweiten Akt <strong>Parsifal</strong>;<br />

große Pause. An einem Tisch<br />

die Königin von Württemberg<br />

mit ihren Damen, nebenan ein<br />

munteres Rudel deutscher<br />

Malmädchen, hier Schwenninger<br />

und die Seinen [...], dort<br />

Ludwig v. Hofmann mit den<br />

deutschen Augen, des streitbaren<br />

Michel Georg Conrad wuchtige<br />

Wikingergestalt, Wolzogens<br />

andächtiger Johanneskopf,<br />

Chamberlains fragend<br />

schweigende Miene, Frau von<br />

jahren nimmt Richard Wagner<br />

– er ist nun Sieger, Meister,<br />

Haupt einer Schule, künstlerischer<br />

Diktator des Wagnerianismus<br />

–noch einmal zu großen<br />

weltanschaulichen Fragen<br />

Stellung. Wiederum handelt es<br />

sich um die Zusammenhänge<br />

von „Kunst und Religion“. [...]<br />

Abermals steht das Problem<br />

des Volkes im Mittelpunkt, was<br />

nicht wundernehmen kann,<br />

denn „Volk“ bedeutet für Wag-<br />

ner „Publikum“: daß er sich mit<br />

einem Publikum aus deutschen<br />

Fürsten, Aristokraten und Patriziern<br />

nicht begnügen kann,<br />

hat ihm der finanzielle Mißerfolg<br />

der ersten Bayreuther Festspiele<br />

1876 zu genüge bewiesen.<br />

[...] Also beschäftigt sich<br />

Richard Wagner mit der Erneuerung<br />

des Publikums, was<br />

identisch sein muß mit der Erneuerung<br />

des gesamten kultu-<br />

Heyking, Bettinas Enkelin, der<br />

Erbprinz Hohenlohe, Gräfin<br />

Wydenbruck mit Jesko v. Puttkamer<br />

plaudernd [...], der<br />

hochgewachsene Prinz Max von<br />

Baden [...]. Aber allen ist dies<br />

gemein, dass sie bekennen<br />

müssen, hier etwas ganz Einziges,<br />

mit nichts anderem auf der<br />

Welt zu vergleichendes, nirgends<br />

sonst heute mögliches erlebt<br />

zu haben. [...] Sie haben<br />

ihre tiefe innere Verwandlung,<br />

sie haben die Vereinigung der<br />

empfangenden Gemeinde mit<br />

dem schaffenden Genius erlebt.<br />

Überhaupt Bayreuth, ein leerer Wahn –! Wenn<br />

es nicht um den unvergesslichen „<strong>Parsifal</strong>“<br />

wäre, nach dem meine Sehnsucht ungeheuer<br />

ist, sähe mich wohl Bayreuth nie wieder, und<br />

ich bin sicher, wenn sich Wagner nicht schon<br />

längst in seinem Grab umgedreht hätte,<br />

angeekelt vom Treiben in und um Wahnfried,<br />

er stiege heute noch heraus und flüchtete aus<br />

diesem Ort und erkennte, daß der Frieden<br />

seiner Seele, den er hier zu finden wähnte,<br />

doch nur ein Wahn ––ein Wahnfriede ist!<br />

Alban Berg<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ [...] ist eben, wie das vollendete<br />

Kunstwerk sein soll, jeder Analyse enthoben ...<br />

Malwida von Meysenbug<br />

rellen Lebens. „Publikum und<br />

Popularität“ und „Publikum in<br />

Zeit und Raum“ sind daher für<br />

ihn entscheidende Themen geworden.<br />

Erneuerung des Publikums<br />

bleibt also die Grundfrage.<br />

Aber Wagner sucht sie in<br />

einer Erneuerung der Gesellschaft<br />

durch religiöse Erneuerung<br />

zu finden. Sonderbar<br />

vermischen sich dabei christliche<br />

und schopenhauerianische<br />

Gedankengänge. Ausgerechnet<br />

der diesseitsgerichtete Künstler<br />

und Theatergründer Wagner<br />

bekennt sich zu Schopenhauers<br />

Prinzip, wonach Glückseligkeit<br />

nur dort wohne, „wo es kein<br />

Wo und kein Wann gibt“. Und<br />

so gelangt er zu der höchst widerspruchsvollen<br />

Forderung<br />

einer Erneuerung von Gesellschafts-<br />

und Kunstleben aus<br />

dem Geiste Arthur Schopenhauers!<br />

[...]<br />

Dennoch ist Richard Wagner<br />

– glücklicherweise – immer<br />

wieder nicht bloß schreibender<br />

Kulturkritiker, Essayist, Politiker,<br />

Ratgeber eines Königs,<br />

sondern genialer Künstler, dem<br />

es vor allem um sein Werk<br />

geht. Dieses Werk aber triumphiert<br />

über alle werkgefährdenden<br />

Theorien und weltanschaulichen<br />

Kompromisse. Ein<br />

vollständiger Sieg freilich kann<br />

nicht möglich sein. Die subjektive<br />

Reaktion und philosophische<br />

Wirklichkeitsfeindschaft<br />

hinterlassen seit der Wende<br />

von 1854 auch im künstlerischen<br />

Schaffen des großen<br />

Meisters ihre unverkennbaren<br />

Spuren.<br />

Gesellschaftliche<br />

Festspielbedürfnisse<br />

Aus Michael Karbaums Festspielgeschichte<br />

Die Richard Wagner Festspiele<br />

waren zu jedem Zeitpunkt ihrer<br />

Ideengeschichte, ihrer Praxis<br />

und Wirkung nach Manifest<br />

eines präzisen künstlerischen<br />

Willens und Kunstbetrieb wie<br />

andere Theater auch, zugleich<br />

aber auch auf charakteristische<br />

Weise Widerspiegelung ein es<br />

ganz bestimmten Stufe gesellschaftlichen<br />

Seins – und eben<br />

hier, in der für Bayreuth eigentümlichen<br />

politisch reaktionären<br />

Qualität dieses Urteils liegt<br />

das Unterscheidende und Prekäre.<br />

[...] So fest und sicher das<br />

Werk Richard Wagners dem<br />

Ideengut deutscher Romantik<br />

und des „magischen“ Idealismus,<br />

den Wertvorstellungen<br />

des Liberalismus und –wenigstens<br />

bis 1848 – des romantischen<br />

Antikapitalismus verhaftet<br />

ist, Traditionen, die den<br />

Unser Lohengrin-Walther-<strong>Parsifal</strong><br />

Aus einem Zeitungsartikel von Marcel Habert, 1909<br />

Kaiser Wilhelm hält enschieden<br />

darauf, den ganzen Wagnerzyklus<br />

durchzuprobieren. Im Beginn<br />

seiner Herrschaft ließ er<br />

sich mit dem Ritter Lohengrin<br />

vergleichen, dem geheimnisvollen<br />

Befreier der blonden Elsa,<br />

in der sich Germanien personifiziert.<br />

Nach einem kurzen Abstecher<br />

aufs Kunstgebiet, wo er<br />

sich durch seine vielseitigen Anlagen<br />

zum Maler, Dichter und<br />

Musiker nach Kräften bemüht<br />

zeigte, die Erinnerung an den<br />

Kunsterneuerer Walther aus<br />

den „Meistersingern“ wachzurufen,<br />

sah er sich im Gefolge<br />

des „Fliegenden Holländers“<br />

auf die wogende See hinausgelockt,<br />

in deren Tiefe er durch<br />

seine phantastischen Schiffsbauunternehmungen<br />

einen<br />

tüchtigen Batzen der deutschen<br />

Ersparnisse versenkte. Dann<br />

kam die Reihe an „<strong>Parsifal</strong>“,<br />

den gottbegnadeten Helden<br />

<strong>Parsifal</strong>, den Vertreter Gottes<br />

auf Erden, den mystischen<br />

Schwärmer, den alleinigen Hüter<br />

der hehrsten Wahrheit. Und<br />

nun sehen wir ihn am letzen<br />

Tage des Nibelungenrings! [...]<br />

Götterdämmerung dunkelt herauf!<br />

An das deutsche Volk!<br />

Seit der Reichsgründung ist es<br />

durch 43 Jahre Mein und Meiner<br />

Vorfahren heißes Bemühen gewesen,<br />

der Welt den Frieden zu<br />

erhalten und im Frieden unsere<br />

kraftvolle Entwickelung zu fördern.<br />

Aber die Gegner neiden<br />

uns den Erfolg unserer Arbeit.<br />

Alle offenkundige und heimliche<br />

Feindschaft von Ost und<br />

West, von jenseits der See haben<br />

wir bisher ertragen im Bewußtsein<br />

unserer Verantwortung und<br />

Kraft. Nun aber will man uns<br />

demütigen. Man verlangt, daß<br />

wir mit verschränkten Armen<br />

zusehen, wie unsere Feinde sich<br />

zu tückischem Ueberfall rüsten,<br />

man will nicht dulden, daß wir<br />

in entschlossener Treue zu<br />

unserem Bundesgenossen stehen,<br />

der um sein Ansehen als<br />

Großmacht kämpft und mit dessen<br />

Erniedrigung auch unsere<br />

Macht und Ehre verloren ist.<br />

So muß denn das Schwert<br />

entscheiden. Mitten im Frieden<br />

überfällt uns der Feind. Darum<br />

auf! zu den Waffen! Jedes<br />

Schwanken, jedes Zögern wäre<br />

Verrat am Vaterlande.<br />

Um Sein oder Nichtsein unseres<br />

Reiches handelt es sich, das<br />

unsere Väter sich neu gründeten.<br />

Um Sein oder Nichtsein<br />

deutscher Macht und deutschen<br />

Wesens.<br />

Wir werden uns wehren bis<br />

zum letzten Hauch von Mann<br />

und Roß. Und wir werden diesen<br />

Kampf bestehen auch gegen<br />

eine Welt von Feinden. Noch nie<br />

ward Deutschland überwunden,<br />

wenn es einig war.<br />

Vorwärts mit Gott, der mit<br />

uns sein wird, wie er mit den Vätern<br />

war!<br />

Berlin, den 6. August 1914.<br />

Wilhelm.<br />

zeitüblichen Geniebegriff und<br />

seine individualistischen Denkmuster<br />

ausprägten, so unzweifelhaft<br />

ist es als notwendige<br />

Reaktion im gesamtgesellschaftlichen<br />

Prozeß verankert<br />

und begründet. Gerade deshalb<br />

kann die Geschichte der Wagnerschen<br />

Festspiele nicht länger<br />

als eine isoliert dastehende Erscheinung<br />

mit eigenen Maßstäben<br />

und Gesetzen dargestellt<br />

werden, die außerhalb aller<br />

kulturellen und gesellschaftlichen<br />

Bezugssysteme angesiedelt<br />

sind. Bayreuth war gerade<br />

wegen und trotz seiner exponierten<br />

Stellung stets abhängig<br />

von den realen Bedingungen<br />

und Beziehungen der herrschenden<br />

Gesellschaft und letzten<br />

Endes Verkörperung und<br />

ideologischer Reflex ihrer besonderen<br />

Interessen.<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ 1882 bis 1914<br />

Ungeheuergeburt<br />

Igor Strawinsky<br />

Es ist unmöglich, sich einen<br />

Gläubigen vorzustellen, der sich<br />

dem Gottesdienst gegenüber<br />

kritisch verhält. Das wäre Contradictio<br />

in adjecto, der Gläubige<br />

wäre nicht mehr gläubig. Die<br />

Haltung des Zuschauers aber ist<br />

dem völlig entgegengesetzt,<br />

denn sie wird eben nicht durch<br />

Glauben oder blinde Unterwerfung<br />

bestimmt. Ein Schauspieler<br />

begeistert oder stößt ab, und<br />

das erfordert zunächst, daß man<br />

urteilt. Auch unbewußt nimmt<br />

man nichts ohne Urteil auf und<br />

die Rolle, die dabei der kritische<br />

Sinn spielt, ist sehr wesentlich.<br />

Wer diese Dinge miteinander<br />

verwechselt, beweist nur, daß er<br />

nicht die geringste Unterscheidungsgabe<br />

und untrüglich einen<br />

schlechten Geschmack besitzt.<br />

Aber wie soll man sich über eine<br />

solche Verwechselung in unserer<br />

Zeit wundern, da die siegreich<br />

fortschreitende Verweltlichung,<br />

indem sie unsere geistigen<br />

Werte herabwürdigt und<br />

den menschlichen Geist erniedrigt,<br />

uns unweigerlich zum völligen<br />

Stumpfsinn führt? Allem<br />

Anschein nach wird man sich<br />

indes doch des Ungeheuers bewußt,<br />

das die Welt da bald gebären<br />

soll, und mit Unwillen<br />

stellt man fest, daß der Mensch<br />

ohne einen Kult nicht zu leben<br />

vermag!<br />

Typisches Telegramm<br />

aus Bayreuth:<br />

bereits bereut.<br />

Friedrich Nietzsche


Nordbayerischer Kurier<br />

8 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

Die Kunst ist nur der Spiegel, der einer Zeit vorgehalten ist.<br />

Hermann Raschning<br />

Kunst ist wie ein Spiegel, der „vorausgeht“ wie eine Uhr –manchmal.<br />

Franz Kafka<br />

Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern<br />

ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.<br />

Zweiter Aufzug<br />

Karl Marx<br />

Hymne an die Schönheit<br />

Charles Baudelaire<br />

Kommst Du vom Himmel herab, entsteigst Du den Schlünden?<br />

Aus Deines teuflischen, göttlichen Blickes Schein<br />

Strömen in dunkler Verwirrung Tugend und Sünden,<br />

Schönheit, und darin gleichst Du berauschendem Wein.<br />

Du trägst im Aug‘ der Sonne Sinken und Steigen,<br />

Du birgst den Duft gewitterschwüler Nacht,<br />

Deine Lippen sind leuchtende Schalen, und wenn sie sich neigen,<br />

Haben sie Helden schwach und Kinder zu Helden gemacht.<br />

Entfliehst Du zum Abgrund, steigst auf Du zu himmlischen<br />

Strahlen.<br />

Der bezauberte Geist folgt hündisch der Spur Deines Lichts!<br />

Du schüttest nach Laune Freuden aus oder Qualen,<br />

Beherrschst uns alle und verantwortest nichts.<br />

Du trittst auf Leichen, Schönheit, und lachst unsrer Qualen,<br />

Entsetzen umschmiegt Deine Brust wie Juwelen und Gold,<br />

Auf dem stolzen Leib seh‘ ich zärtlich tanzen und strahlen<br />

Den Meuchelmord, kostbar Geschmeid, dem vor allem Du hold.<br />

Die scheuen Falter Dein Leuchten, Kerze, umschweben,<br />

Die Flamme segnend büßen sie ihr Gelüst,<br />

So gleicht, wer sein Lieb umarmt mit Keuchen und Beben,<br />

Dem Todgeweihten, der seine Bahre küßt.<br />

Ob Du vom Himmel kommst, ob aus nächtigen Orten,<br />

Gleichviel, oSchönheit, dem Dämon, dem Kinde verwandt,<br />

Öffnet Dein Auge, Dein Lächeln mir nur die Pforten<br />

Des unendlichen Alls, das ich liebe, doch nimmer gekannt.<br />

Von Gott oder Satan, Engel oder Sirene,<br />

Gleichviel, nur gib mir, oHerrin, samtäugige Fee,<br />

Du Wohlklang und Leuchten und Duft, daß verschönert ich<br />

wähne<br />

Die häßliche Erde und leichter den Augenblick seh‘.<br />

Wie in diesem Akt aus dem frommen<br />

Mönchsgewand der alte prächtige<br />

Theaterteufel herausspringt, der Wagner des<br />

Venusberges, das ist übrigens gar zu reizend.<br />

Eduard Hanslick<br />

Sinnliche Sünde und sündiger Sinn<br />

Aus: Egon Voss, „Wagners ,<strong>Parsifal</strong>‘ –das Spiel von der Macht der Schuldgefühle“<br />

Das zentrale Problem der<br />

Männer im „<strong>Parsifal</strong>“ ist ihr<br />

Umgang mit der eigenen Sexualität,<br />

ganz unabhängig von<br />

den Frauen, ihren Reizen und<br />

der Verführung, die von ihnen<br />

ausgeht. Das Verlangen nach<br />

Sinnlichkeit, nach sexueller<br />

Lust wird buchstäblich am<br />

eigenen Leib erfahren. Klingsor<br />

spricht von „ungebändigten<br />

Sehnens Pein! Schrecklichster<br />

Triebe Höllendrang.“<br />

Die Formulierungen zeigen,<br />

wie heftig und überwältigend<br />

dieses Verlangen nach Sinnlichkeit<br />

ist, wie selbstverständlich<br />

strikt aber auch die Über-<br />

zeugung von seiner Verwerflichkeit,<br />

und wie quälend, ja<br />

existenzbedrohend es in Konsequenz<br />

dessen erlebt wird.<br />

Die Sehnsucht nach dem Ausleben<br />

der Sinnlichkeit, nach<br />

Befriedigung der sexuellen<br />

Bedürfnisse und Wünsche<br />

kann ja nur dann als Hölle erlebt<br />

werden, wenn diese Sehnsucht<br />

für böse und verwerflich<br />

gehalten wird.<br />

<strong>Parsifal</strong>, der die eigene Sexualität<br />

zum ersten- und vermutlich<br />

auch zum einzigen<br />

Mal bewußt nach Kundrys Kuß<br />

zu spüren bekommt, charakterisiert<br />

das Verlangen nach<br />

Hass als Treibmittel der Gesellschaft<br />

Aus: Hannah Arendt, „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“<br />

Die Opfer fügten dem Zynismus einen kaum<br />

verborgenen, schwelenden Haß auf den normalen<br />

Lauf der Welt hinzu, der umso gefährlicher<br />

war, als weder sie, noch ihre Umgebung verstanden,<br />

was eigentlich passiert war. An Haß hat<br />

es wohl vermutlich niemals in der Welt gefehlt;<br />

aber in diesen Nachkriegsjahren wuchs er zu<br />

einem entscheidenden politischen Faktor in allen<br />

öffentlichen Angelegenheiten heran. [...]<br />

Denn der Haß konnte sich auf niemand und<br />

Sinnlichkeit noch treffender,<br />

wenn er feststellt: „Wie alles<br />

schauert, bebt und zuckt in<br />

sündigem Verlangen!“ Analog<br />

heißt es von Klingsor, der sich<br />

entmannte, weil er aus dem<br />

Zwiespalt zwischen Sinnlichkeit<br />

und Schuldgefühl keinen<br />

anderen Ausweg wußte, er<br />

sein unfähig gewesen, „in sich<br />

selbst die Sünde zu ertöten“.<br />

Der Sinnlichkeit nachzugeben,<br />

ist also nicht nur ein Vergehen<br />

im Sinne einer strafbaren<br />

Handlung oder zumindest für<br />

unmoralisch geltenden Handlung,<br />

die denjenigen, der sie<br />

begeht, gesellschaftlich in<br />

Im ersten Akt bin ich sehr sparsam<br />

mit sensitiven Intervallen gewesen,<br />

jetzt aber greife ich zu meinem alten Farbtopf.<br />

Richard Wagner<br />

Mißkredit bringt, sondern es<br />

ist eine Sünde, eine Schuld<br />

von religiöser, existentieller<br />

Bedeutung. [...]<br />

Der Begriff der Sünde erscheint<br />

im „<strong>Parsifal</strong>“ geradezu<br />

reduziert auf die Hingabe an<br />

die Sexualität. Es duldet jedenfalls<br />

keinen Zweifel, daß einzig<br />

und allein die Keuschheit<br />

die Voraussetzung für die Mitgliedschaft<br />

in der Gralsgemeinschaft<br />

bildet. Wer nicht<br />

keusch ist, findet den Weg<br />

zum Gral nicht; zu ihm gelangt<br />

man nur „auf Pfaden, die<br />

kein Sünder findet“. Andere<br />

Vergehen dagegen hindern<br />

nicht daran, Knappe, Ritter<br />

oder gar König des Grals zu<br />

werden. Wagner hat an einer<br />

ganzen Reihe von Verfehlungen,<br />

die im Laufe der Handlung<br />

vorgeführt oder erzählt<br />

werden, deutlich gezeigt, daß<br />

allein der Verstoß gegen das<br />

Gebot der Keuschheit von Gewicht<br />

ist. [...] Das unfaßbare<br />

Ausmaß der Schuld, die die<br />

Hingabe an Sinnlichkeit und<br />

Sexualität darstellt, wird<br />

schließlich daran ablesbar,<br />

daß derjenige, der sie auf sich<br />

geladen hat, Amfortas, völlig<br />

außerstande ist, selbst etwas<br />

zur Sühne zu tun. Ein anderer<br />

muß kommen, um ihn zu befreien,<br />

dieser andere aber ist<br />

kein hilfsbereiter Gralsritter,<br />

kein barmherziger Samariter,<br />

wie man ihn, aber nicht häufig,<br />

immer wieder einmal findet.<br />

Das Ausmaß dieser<br />

Schuld, der das Opfer des Heilands<br />

in Frage stellt, ist angewiesen<br />

auf einen neuen Heiland,<br />

einen Messias, jenen<br />

„Einen“, von dem Wagner<br />

nach Cosimas Tagebuch vom<br />

2. März 1878 glaubte oder<br />

hoffte, daß es ihn „durch die<br />

Äonen doch ein Mal“ gebe.<br />

Wie schwer muß eine Schuld<br />

wiegen, deren Sühne man sich<br />

nichts wirklich konzentrieren –nicht die Regierung<br />

und nicht die Bourgeoisie und nicht die jeweiligen<br />

Mächte des Auslandes. So drang er in<br />

alle Poren des täglichen Lebens und konnte sich<br />

nach allen Richtungen verbreiten, konnte die<br />

phantastischsten und unvorhersehbarsten Formen<br />

annehmen; nichts blieb von ihm geschützt,<br />

und es gab keine Sache in der Welt, bei der man<br />

sich sicher sein konnte, daß der Haß sich nicht<br />

plötzlich auf sie konzentrieren könnte.<br />

nur als Utopie vorstellen kann!<br />

[...] „<strong>Parsifal</strong>“, das Bühnenweihfestspiel<br />

dieser reinen und<br />

wahren Form des Christentums,<br />

erscheint als Versuch,<br />

die eigenen zutiefst verinnerlichten<br />

Schuldgefühle zu verklären.<br />

Maxime könnte dabei<br />

jener indische Spruch gewesen<br />

sein, den Cosima am 28. Januar<br />

1876 in ihrem Tagebuch<br />

notierte: „Wer sein Leben<br />

(hin)durch schöne Werke hervorbringt,<br />

hat die Sinnlichkeit<br />

überwunden.“ Die Musik des<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ ist allerdings, auch<br />

wenn sie selbstverständlich –<br />

vor allem am Ende –auch dazu<br />

dient, die Überwindung von<br />

Sinnlichkeit und Sexualität zu<br />

preisen, wesentlich Ausdruck<br />

jener „Qual der Liebe“, von der<br />

<strong>Parsifal</strong> im zweiten Aufzug<br />

spricht, Ausdruck vor allem<br />

von Schmerz und Leid, wie sie<br />

die aus der Überzeugung von<br />

Verwerflichkeit der Sinnenlust<br />

folgenden Schuldgefühle hervorrufen.<br />

Es duldet überdies<br />

keinen Zweifel, daß Wagner<br />

die Darstellung von Qual und<br />

Leid –wie so häufig in seinen<br />

Werken – viel überzeugender<br />

und eindringlicher gelungen<br />

ist als diejenige von Glück und<br />

Erlösung von aller Qual. Insofern<br />

ist <strong>Parsifal</strong>, dessen Musik<br />

zudem heute gewiß allgemein<br />

viel mehr interessiert als sein<br />

Text, weniger eine Festschreibung<br />

oder Verherrlichung<br />

christlich-bürgerlicher Sexualmoral<br />

als vielmehr ein erschütterndes<br />

Zeugnis für deren<br />

Konsequenzen. „<strong>Parsifal</strong>“ ist<br />

eine Tragödie.


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 9<br />

Liebeswahrheiten<br />

Aus: Roland Barthes, „Wahrheit“<br />

1. Der Andere ist mein Heil und<br />

meine Weisheit: ich allein kenne<br />

ihn, lasse ihn in seiner<br />

Wahrheit existieren. Jeder, der<br />

nicht ich ist, verkennt ihn [...].<br />

In Wirklichkeit begründet umgekehrt<br />

der Andere mich: nur<br />

mit dem Anderen fühle ich<br />

mich als „ich selbst“. Aufgrund<br />

dieser Beziehung weiß ich mehr<br />

über mich als alle, die von mir<br />

eben nur folgendes nicht wissen:<br />

daß ich liebe.<br />

(Liebe macht blind: Dieses<br />

Sprichwort ist falsch. Die Liebe<br />

öffnet die Augen weit, sie<br />

macht hellseherisch: „Von dir,<br />

über dich habe ich das absolute<br />

Wissen.“ Bericht des Schreibers<br />

an seinen Herrn: du hast alle<br />

Macht über mich, aber ich<br />

habe alles Wissen über Dich.)<br />

2. Immer die gleiche Umkehrung:<br />

was die Welt für „objektiv“<br />

hält, halte ich selbst für<br />

eingebildet, und was sie für<br />

Narrheit, Illusion, Irrtum hält,<br />

halte ich für Wahrheit. Im in-<br />

Schützengraben<br />

Aus: Klabund, „Die Plejaden“<br />

Ich stopfe dir mein Taschentuch in die Wunde<br />

Oder was einmal Taschentuch gewesen.<br />

Gott schlägt die elfte Stunde.<br />

Soll ich dir aus der Bergpredigt vorlesen?<br />

Liebet euch untereinander. Ich hab nie gewagt<br />

Jemand zu lieben: wie ich liebe jetzt dich, halbtoter Freund.<br />

Und du bist doch nur ein Hund, der auf fremden Feldern streunt<br />

Und (wie nach Kaninchen) nach letzter Liebe jagt.<br />

Räudiger Hund. Wir sind alle von Ungeziefer zerzaust.<br />

Ehe wir uns in den Himmel bequemen,<br />

Müssen wir ein (russisches) Dampfbad nehmen,<br />

Und Gottvater selber ists, der uns laust.<br />

So war es mein Kuß,<br />

der welthellsichtig<br />

dich machte?<br />

Mein volles<br />

Liebesumfangen<br />

läßt dich dann<br />

Gottheit erlangen!<br />

Kundry, „<strong>Parsifal</strong>“, II. Aufzug<br />

nersten Kern der Illusion nistet<br />

sich bizarrerweise das Wahrheitsgefühl<br />

ein. Die Illusion<br />

entäußert sich ihres Schmucks,<br />

sie wird so rein, daß sie, wie<br />

ein Edelmetall, nichts mehr<br />

entstellen kann: sie wird unzerstörbar.<br />

Werther hat sich zu<br />

sterben entschlossen: „... und<br />

das schreie ich dir ohne romantische<br />

Überspannung, gelas-<br />

... wir fordern den Sex<br />

auf, seine Wahrheit zu<br />

sagen (aber weil er ein<br />

Geheimnis ist, das sich<br />

selbst entgeht, halten<br />

wir uns damit zurück,<br />

die endlich<br />

aufgeklärte, die<br />

endlich entzifferte<br />

Wahrheit seiner<br />

Wahrheit zu sagen) ...<br />

Michel Foucault<br />

sen.“ Verschiebung: nicht die<br />

Wahrheit ist wahr, es ist die<br />

Beziehung zur Illusion, die<br />

wahr wird. Um in der Wahrheit<br />

zu sein, genügt es mir, mir<br />

hartnäckig Mühe zu geben:<br />

eine unbegrenzt bejahte „Illusion“<br />

wird, entgegen und trotz<br />

allem, zur Wahrheit. (Fraglich<br />

bleibt, ob es in der leidenschaftlichen<br />

Liebe nicht letztlich ein<br />

Körnchen ... wahrer Wahrheit<br />

gibt.)<br />

Teure Seele!<br />

Nicht mehr schreien<br />

und protestieren! An<br />

das Erlebnis Ihrer<br />

Umarmungen denke<br />

ich als den<br />

berückendsten<br />

Rausch, an den<br />

höchsten Stolz meines<br />

Daseins.<br />

Richard Wagner an<br />

Judith Gauthier<br />

Pflegend/kühl –lockend/erotisch<br />

[W]elch eminente Funktion der<br />

„weißen Krankenschwester“ im<br />

psychischen Sicherheitssystem<br />

dieser Männer zukommt [, zeigen<br />

Lebenserinnerungen und<br />

Romane von Freikorpssoldaten<br />

der Weimarer Republik]: sie ist<br />

der Inbegriff der Vermeidung<br />

aller erotisch/bedrohlichen<br />

Weiblichkeit. Sie garantiert den<br />

Bestand des Schwester-Inzesttabus<br />

und die Verbindung zu<br />

einer übersinnlich/pflegenden<br />

Muttergestalt.<br />

Ihre Präsenz im Krieg macht<br />

sie für die Funktionen noch geeigneter:<br />

außer den Krankenschwestern<br />

existieren für den<br />

Weltkriegssoldaten fast keine<br />

Frauen. Entweder lag man<br />

selbst im Larzarett oder einer<br />

der von dort kommenden Kameraden<br />

erzählte. Ihr Bild<br />

geistert durch alle Texte. [...]<br />

„Sie sahen appetitlich aus<br />

wie frische Früchte in Seidenpapierpackung,<br />

und ihre Gesichter<br />

blickten weiß und rosig<br />

unter den Häubchen. Die meisten<br />

waren Friesinnen, blond<br />

und zart.“<br />

In Seidenpapier packt der<br />

anspruchsvolle Schauwecker<br />

seine Bilder von den weißen<br />

Schwesternleibern; die derberen<br />

Witzeleien der Mannschaften<br />

tauchen sie in ein schärferes<br />

Entsinnlichungsmittel: als<br />

„Karbolmäußchen“, das einem<br />

leidenden Soldaten keinen<br />

Wunsch abschlägt, erscheint sie<br />

dort. Karbol war als Desinfektionsmittel<br />

in den Larzaretten<br />

gebräuchlich. Seidenpapier<br />

oder Karbol – es sind desinfi-<br />

Die Stadt hatte einen juwelenartigen Glanz.<br />

Die riesigen Cafés erinnerten mich an<br />

Ozeandampfer, die vom Rhythmus ihrer<br />

Orchester angetrieben werden.<br />

Überall war Musik.<br />

Josephine Baker<br />

Das Thun und Treiben in direktester Nähe der<br />

Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche bei Nacht,<br />

diese wahnsinnigen Lichter-Orgien, diese<br />

gemeinen Aufschriften, diese widerlichen<br />

Anpreisungen und Anlockungen, diese tobende<br />

Unruhe, –ich hatte das Gefühl eines<br />

Jahrmarktes des Satans und dass die<br />

Menschheit auf dem Rand eines<br />

Höllenabgrundes schamlos tanze.<br />

Daniela Thode<br />

Aus: Klaus Theweleit, „Männerphantasien“<br />

zierte „Mäuschen“, Parodien<br />

auf die sinnliche Frau.<br />

Ihr Bild variiert auf einer<br />

Skala zwischen pflegend/kühler<br />

Mütterlichkeit und lockend/erotischer<br />

Schwester; im<br />

„Karbolmäuschen“ liegt sie näher<br />

am erotischen Schwestern/Huren-Bild.<br />

Die Schwester-Schwester<br />

lockt und verführt,<br />

die Mutter-Schwester<br />

weist ab und pflegt. Sie setzt<br />

sich durch, exemplarisch bei<br />

Jünger:<br />

„Trotzdem ich kein Weiberfeind<br />

bin, irritierte mich jedesmal<br />

das weibliche Wesen, wenn<br />

mich das Schicksal der Schlacht<br />

in das Bett eines Krankensaales<br />

geworfen hatte. Aus dem<br />

männlichen, zielbewußten und<br />

zweckmäßigen Handeln des<br />

Krieges tauchte man in eine<br />

Atmosphäre undefinierbarer<br />

Austrahlungen. Eine wohltuende<br />

Ausnahme bildete die abge-<br />

Jahrgang 1899<br />

Erich Kästner<br />

klärte Sachlichkeit der katholischen<br />

Ordensschwestern.“<br />

Bekannterweise ist eine der<br />

verbreitetsten Männervorstellungen<br />

in dieser Gesellschaft<br />

die sexueller Beziehungen zu<br />

einer Krankenschwester. [...]<br />

Weniger bekannt dürfte sein,<br />

daß sie [...] selten dazu aufgefordert<br />

werden [...].<br />

Die Krankenhaussituation<br />

kommt dieser phantasierten<br />

Liebes/Nichtliebessituation<br />

sehr entgegen. Der verwundete<br />

Mann liegt fast nie allein, seine<br />

Verwundung macht ihn meist<br />

körperlich liebesbehindert. Er<br />

ist auf Pflege angewiesen, als<br />

Sexualobjekt erniedrigt. [...]:<br />

ihre Mutter/Kind- bzw. Bruder/Schwester-Bedürfnisse<br />

konnten sie umso besser an den<br />

„Schwestern“ festmachen.<br />

Männer, die ein sexuelles<br />

Verhältnis daraus machen wollen,<br />

leben nicht lange.<br />

Wir haben die Frauen zu Bett gebracht,<br />

als die Männer in Frankreich standen.<br />

Wir hatten uns das viel schöner gedacht.<br />

Wir waren nur Konfirmanden.<br />

Dann holte man uns zum Militär,<br />

bloß so als Kanonenfutter.<br />

In der Schule wurden die Bänke leer,<br />

zu Hause weinte die Mutter.<br />

Dann gab es ein bißchen Revolution<br />

und schneite Kartoffelflocken;<br />

dann kamen die Frauen, wie früher schon,<br />

und dann kamen die Gonokokken.<br />

Inzwischen verlor der Alte sein Geld,<br />

da wurden wir Nachtstudenten.<br />

Bei Tag waren wir bureau-angestellt<br />

und rechneten mit Prozenten.<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ 1918 bis 1939<br />

Dann hätte sie fast ein Kind gehabt,<br />

ob von dir, ob von mir –was weiß ich!<br />

Das hat ihr ein Freund von uns ausgeschabt.<br />

Und nächstens werden wir Dreißig.<br />

Wir haben sogar ein Examen gemacht<br />

und das meiste schon wieder vergessen.<br />

Jetzt sind wir allein bei Tag und bei Nacht<br />

und haben nichts Rechtes zu fressen!<br />

Wir haben der Welt in die Schnauze geguckt,<br />

anstatt mit Puppen zu spielen.<br />

Wir haben der Welt auf die Weste gespuckt,<br />

soweit wir vor Ypern nicht fielen.<br />

Man hat unsern Körper und hat unsern Geist<br />

ein wenig zu wenig gekräftigt.<br />

man hat uns zu lange, zu früh und zumeist<br />

in der Weltgeschichte beschäftigt!<br />

Die Alten behaupten, es würde nun Zeit<br />

für uns zum Säen und Ernten.<br />

Noch einen Moment. Bald sind wir bereit.<br />

Noch einen Moment. Bald ist es so weit!<br />

Dann zeigen wir Euch, was wir lernten!


Nordbayerischer Kurier<br />

10 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

„Es ist vollbracht“ –Handlung ohne Denken?<br />

Houston Stewart Chamberlain<br />

Es war der Abend jenes Karfreitags,<br />

an welchem <strong>Parsifal</strong> in der<br />

Gralsburg ankam und durch die<br />

Berührung mit dem heiligen<br />

Speere Amfortas‘ furchtbare<br />

Wunde heilte. Der letzte Knappe<br />

hatte mit tiefer Verneigung<br />

das Schlafgemach verlassen. Als<br />

König befand sich <strong>Parsifal</strong> zum<br />

ersten Mal allein. Müde war er<br />

sehr; wohl ebenso müde wie an<br />

jenem Weihnachtsabend, von<br />

welchem ich dir erzählte; denn<br />

was hatte<br />

sich alles im<br />

Verlaufe dieses<br />

einen<br />

kurzen Tages<br />

zugetragen!<br />

[...]<br />

Als hätte er<br />

durch die<br />

Augen eines<br />

anderen geschaut, so sah er sich<br />

selber am frühen Morgen dieses<br />

Tages; neben ihm lag der vor<br />

wenigen Augenblicken verschiedene<br />

Allat, und in einiger<br />

Entfernung, über dichtbewaldete<br />

Abhänge hinweg, blitzten die<br />

Zinnen der Gralsburg in den<br />

ersten Strahlen der soeben über<br />

den Horizont aufsteigenden<br />

Sonne. [...] <strong>Parsifal</strong> war ein<br />

ernster Mensch. Er verstand es<br />

nicht, mit dem einen Auge zu<br />

weinen und mit dem anderen<br />

zu lachen. Darum freute ihn der<br />

strahlende Morgen nicht mehr.<br />

Seine schwarze Rüstung erschien<br />

ihm jetzt wie ein Trauergewand<br />

für den toten Allat. In<br />

seinen Kummer versenkt,<br />

schritt er dahin; er gedachte<br />

nicht einmal mehr der Grals-<br />

Dritter Aufzug<br />

burg. So teuer hatte er das<br />

Glück erkaufen müssen! Daß<br />

Keiner seine Tränen sähe,<br />

schloß er das Visier.<br />

Aus diesem düsteren Nachsinnen<br />

hatte ihn des Gurnemanzen<br />

Stimme geweckt. Doch<br />

nicht auf einmal; so verwirrt<br />

war sein Sinn, daß er zuerst<br />

nicht wußte, wo er stand; auch<br />

dünkte ihm der fromme Ritter<br />

mächtig gealtert und alles um<br />

ihn herum seit seinem früheren<br />

Aufenthalt auf Grals Gebiet so<br />

verändert, daß er sich fragte, ob<br />

Das ist wirklich kein Theater mehr,<br />

das ist keine Kunst mehr, das ist Religion<br />

und wie Gott selber.<br />

Romain Rolland<br />

er nicht träume, oder ob er selber,<br />

tief umgewandelt, das Altbekannte<br />

nicht mehr<br />

zu erkennen<br />

vermöge.<br />

Als aber<br />

Gurnemanz<br />

ihm kündete,<br />

heute sei<br />

der Tag, an<br />

dem der<br />

Heiland<br />

starb, da<br />

kehrte ihm das volle Bewußtsein<br />

wieder. Was der Tod bedeute,<br />

das hatte er soeben wieder<br />

an einem armen Tiere gesehen;<br />

nun erschaute er über die<br />

Berge und die Wasser und über<br />

die Jahrhunderte hinweg den<br />

gebrochenen Blick von Gottes<br />

Parole an die Bewohner großer Städte<br />

Helmut Mader<br />

Werft die letzten Bäume hinaus<br />

und schließt die Parks mit den Springbrunnen.<br />

Gegen das offene Land<br />

errichtet eine Mauer.<br />

Nichts soll bleiben als diese Stahl- und Betonkonstruktionen.<br />

Die Leuchtreklamen<br />

und der Himmel ohne Gestirne.<br />

Das ist die kahle Begegnung<br />

zwischen Mensch und Gott;<br />

in dem lärmenden Kreuz<br />

zweier Straßen.<br />

Irgendwo liegt eine Handgranate bereit.<br />

Reklame<br />

Ingeborg Bachmann<br />

Wohin aber gehen wir<br />

ohne sorge sei ohne sorge<br />

wenn es dunkel und wenn es kalt wird<br />

sei ohne sorge<br />

aber<br />

mit musik<br />

was sollen wir tun<br />

heiter und mit musik<br />

und denken<br />

heiter<br />

angesichts eines Endes<br />

mit musik<br />

und wohin tragen wir<br />

am besten<br />

unsre Fragen und den Schauer aller Jahre<br />

in die traumwäscherei ohne sorge sei ohne sorge<br />

was aber geschieht<br />

am besten<br />

wenn Totenstille<br />

eintritt<br />

eigenem Sohne, den die Menschen<br />

an das Kreuz geschlagen!<br />

Ach, welchen Blick! Da wurde<br />

er sich seines hohen Lebensamtes<br />

wieder bewußt. Den Lanzenspeer,<br />

der das heiligste Blut<br />

vergossen, er hielt ihn in der<br />

Hand: durch Gottes Gnade<br />

durfte er ihn halten. Voll Demut<br />

und Dankbarkeit kniete er vor<br />

der geweihten Waffe nieder;<br />

sollte er nicht hoffen, daß,<br />

wenn selbst dieser verbrecherische<br />

Stahl durch die Berührung<br />

des göttlichen Blutes auf ewig<br />

geheiligt war,<br />

auch sein sün-<br />

denbelastetes<br />

Haupt durch<br />

die Berührung<br />

mit jenem Blicke<br />

des GekreuzigtenErlösung<br />

finden<br />

werde? Er betete<br />

nicht den Speer an, das<br />

glaube nicht; aber im Staube<br />

Es wäre entschieden an der Zeit, mit der<br />

unzulänglichen und frevelhaften Auffassung<br />

der Kunst als Religion und des Theaters als<br />

Tempel ein für allemal aufzuräumen.<br />

Igor Strawinsky<br />

hingestreckt, schaute er hinauf<br />

zu dessen Spitze; er sah den<br />

Heiland am Holze hängen und<br />

das heilige Blut sah er an der<br />

Lanze herunterfließen... Daß er<br />

diese gerade am Karfreitag, am<br />

Gedenktage ihrer entsetzlichen<br />

Tat, in die Gralsburg zurück-<br />

„Dienen, dienen“ –Fremde und eigene Fehler<br />

„Natürlich ist heute alles ganz<br />

anders, unter meinem neuen<br />

Dienstherrn –einem Amerikaner.“<br />

„Amerikaner, so. Nun, sie sind<br />

die einzigen, die sich das heute<br />

noch leisten können. So, da sind<br />

Sie also beim Haus geblieben.<br />

Als Teil des Inventars.“ Er drehte<br />

sich zu mir um und grinste.<br />

„Ja“, sagte ich mit einem kurzen<br />

Auflachen. „Ganz recht, Teil<br />

des Inventars.“<br />

Der Mann wandte den Blick<br />

wieder dem Meer zu, holte tief<br />

Atem und seufzte befriedigt.<br />

Wir saßen dann noch einige Minuten<br />

schweigend da.<br />

„Die Sache ist natürlich die“,<br />

sagte ich nach einer Weile, „daß<br />

ich Lord Darlington mein Bestes<br />

gegeben habe. Ich gab ihm das<br />

Beste, das ich zu geben hatte,<br />

und jetzt –nun, jetzt sehe ich,<br />

daß nicht mehr viel übrig ist,<br />

was ich noch geben kann.“<br />

Der Mann sagte nichts, nickte<br />

aber, und so fuhr ich fort:<br />

„Seit mein neuer Dienstherr,<br />

Mr. Farraday, da ist, versuche<br />

ich alles, wirklich alles, um die<br />

Dienstleistung zu erbringen, die<br />

ihm meiner Ansicht nach zusteht.<br />

Ich habe alles und alles<br />

versucht, aber was ich auch tue,<br />

ich stelle fest, daß ich den Maßstäben,<br />

die ich mir einst selbst<br />

gesetzt habe, nicht mehr gerecht<br />

werde. Immer mehr Versehen<br />

und Schnitzer schleichen<br />

sich in meine Arbeit ein. Völlig<br />

belanglose Dinge an sich –zumindest<br />

bis jetzt. Aber es sind<br />

solche, die mir früher nie unterlaufen<br />

wären, und ich weiß, was<br />

führen durfte, das war gewißlich<br />

auch kein Zufall. Überall<br />

waltete jene unsichtbare Macht.<br />

Beruhigt, gestärkt, nunmehr zu<br />

voller Mannesreife gelangt, mit<br />

einem Glauben, fester als Felsen<br />

es sind, war er aufgestanden<br />

und hatte er dem edlen<br />

Gurnemanz die Hand gereicht.<br />

Und nun sah er auch alles<br />

wieder, was in so schneller Folge<br />

geschehen war: die Fußwaschung,<br />

die Salbung, die Erfüllung<br />

seines ersten königlichpriesterlichen<br />

Amtes an der unglücklichen<br />

Kundry, den Eintritt<br />

in die Gralsburg, die Heilung<br />

des Amfortas... Einsam an<br />

seinem Bette knieend, fragte er<br />

sich jetzt, wie er das alles wohl<br />

vollbracht haben mochte [...];<br />

er hatte ebensowenig Bewußtsein<br />

gehabt von dem, was folgen<br />

werde, wie der Stamm von<br />

dem Blatte, das er zu tragen bestimmt<br />

ist; ebenso unfehlbar<br />

jedoch war stets das Richtige<br />

geschehen. Nie,<br />

dessen entsann<br />

er sich bestimmt,<br />

waren<br />

ihm Zweifel gekommen,<br />

wie er<br />

handeln sollte,<br />

noch hatte er es<br />

sich hin und her<br />

überlegt; mit<br />

sicherer Bestimmtheit<br />

und<br />

mit dem Bewußtsein einer<br />

Notwendigkeit, die kein weiteres<br />

Denken zuließ, war er von<br />

einer Tat zur nächsten geschritten.<br />

Und nun war das Werk<br />

vollbracht!<br />

Tief neigte er sein Haupt im<br />

Dankgebete.<br />

Aus: Kazuo Ishiguro, „Was vom Tage übrigblieb“<br />

sie bedeuten. Ich habe alles versucht,<br />

wirklich alles, aber es hat<br />

keinen Zweck. Ich habe gegeben,<br />

was ich zu geben hatte. Ich<br />

habe alles Lord Darlington gegeben.“<br />

„Du liebe Güte, Mann, brauchen<br />

Sie ein Taschentuch? Ich<br />

hab irgendwo eins. Ah ja, da. Ist<br />

noch ziemlich sauber. Hab mich<br />

nur einmal hineingeschneuzt,<br />

heute morgen. Kommen Sie<br />

schon, Mann.“<br />

„Oh nein, nein, vielen Dank,<br />

schon in Ordnung. Es tut mir<br />

leid, das Reisen muß mich doch<br />

ermüdet haben. Es tut mir sehr<br />

leid.“<br />

„Sie müssen diesem Lord<br />

Dingsda sehr nahegestanden<br />

haben. Vor drei Jahren ist er gestorben,<br />

sagen Sie? Doch, man<br />

sieht, daß Sie ihm sehr nahegestanden<br />

haben.“<br />

„Lord Darlington war kein<br />

schlechter Mensch. Er war wirklich<br />

kein schlechter Mensch.<br />

Und zumindest war es ihm gegeben,<br />

am Ende seines Lebens<br />

sagen zu können, er habe seine<br />

eigenen Fehler gemacht. Seine<br />

Lordschaft war ein mutiger<br />

Mann. Er entschied sich für<br />

einen bestimmten Weg im Leben,<br />

es stellte sich heraus, daß<br />

es ein falscher war, aber immerhin<br />

hatte er sich selbst dafür<br />

entschieden, das zumindest<br />

kann er sagen. Was mich betrifft,<br />

so kann ich nicht einmal<br />

das für mich in Anspruch nehmen.<br />

Sehen Sie, ich habe vertraut.<br />

Ich habe auf seiner Lord-<br />

Die Anhängerschaft an Wagner zahlt sich<br />

teuer. Ein dunkles Gefühl hierüber ist auch<br />

heute noch vorhanden.<br />

Friedrich Nietzsche<br />

27. Mai 1945<br />

Aus: Anonyma, „Eine Frau in Berlin. Tagebuch-Aufzeichnungen“<br />

Wir standen Kette über den<br />

Hof, die Sonne stach. Wir reichten<br />

Zinkbarren und scharfkantigen<br />

Zinkbruch von Hand zu<br />

Hand. Die Kette, wohl hundert<br />

Meter lang, war dünngliedrig.<br />

Bis zur nächsten Frau mußte<br />

man immer zwei, drei Schritte<br />

mit dem schweren Zeug gehen.<br />

[...] Seit gestern haben wir<br />

wieder elektrischen Strom.<br />

Vorbei die Kerzenzeit, vorbei<br />

das Klopfen an der Tür, vorbei<br />

die Stille. Das Radio wird vom<br />

Berliner Sender beschickt. Es<br />

bringt meistens Nachrichten<br />

schaft Klugheit vertraut. All die<br />

Jahre, die ich ihm diente, habe<br />

ich darauf vertraut, daß ich etwas<br />

tue, was der Mühe wert ist.<br />

Ich kann nicht einmal sagen,<br />

daß ich meine eigenen Fehler<br />

gemacht hätte. Wirklich –man<br />

muß sich fragen –, welche<br />

Würde liegt überhaupt darin?“<br />

„Nun kommen Sie, Mann, ich<br />

weiß nicht, ob ich alles mitgekriegt<br />

habe, was Sie da sagen –<br />

aber wenn Sie mich fragen, haben<br />

Sie eine ganz falsche Einstellung,<br />

wissen Sie? Schauen<br />

Sie nicht die ganze Zeit zurück,<br />

da muß man ja depressiv werden.<br />

Und schön, Sie können<br />

Ihren Job nicht mehr so machen<br />

wie früher einmal. Aber so geht<br />

es doch ins allen, nicht? Wir<br />

müssen alle irgendwann mal<br />

Feierabend machen. [...]“ Und<br />

an der Stelle, glaube ich, sagte<br />

er dann: „Sie müssen sich amüsieren.<br />

Der Abend ist der<br />

schönste Teil des Tages. Sie ha-<br />

und Enthüllungen, Blutgeruch,<br />

Leichen und Grausamkeit. In<br />

großen Lagern im Osten sollen<br />

Millionen Menschen verbrannt<br />

worden sein, meistens Juden.<br />

Aus ihrer Asche sollen die<br />

Kunstdünger hergestellt haben.<br />

Und was das Tollste ist: Alles<br />

das soll in dicken Büchern säuberlich<br />

notiert sein, eine Buchführung<br />

des Todes. Wir sind<br />

eben ein ordentliches Volk.<br />

Spätabends kam Beethoven,<br />

und damit kamen Tränen. Hab<br />

abgedreht. Man verträgt das<br />

jetzt nicht.<br />

ben Ihre Arbeit getan. Jetzt<br />

können Sie Feierabend machen<br />

und sich amüsieren. So sehe ich<br />

das. Fragen Sie, wen Sie wollen,<br />

jeder wird Ihnen das bestätigen.<br />

Der Abend ist der schönste Teil<br />

des Tages.“ [...]<br />

Jetzt sind es etwa zwanzig<br />

Minuten, seit der Mann gegangen<br />

ist, aber ich blieb hier auf<br />

dieser Bank sitzen, um das Ereignis<br />

abzuwarten, das gerade<br />

stattgefunden hat, nämlich das<br />

Aufleuchten der Lampen auf<br />

der Pier. Wie gesagt, die Fröhlichkeit,<br />

mit der die auf der Pier<br />

versammelten Vergnügungssuchenden<br />

das kleine Ereignis begrüßten,<br />

könnte für die Korrektheit<br />

der Aussage meines<br />

Banknachbarn sprechen; für<br />

sehr viele Menschen ist der<br />

Abend der erfreulichste Teil des<br />

Tages. Vielleicht hat dann auch<br />

sein Rat etwas für sich, daß ich<br />

aufhören soll, soviel zurückzuschauen,<br />

daß ich eine positivere<br />

Einstellung gewinnen und versuchen<br />

sollte, aus dem, was<br />

vom Tage übrigbleibt, noch das<br />

Beste zu machen. Was haben<br />

wir schließlich davon, wenn wir<br />

ständig zurückblicken und uns<br />

Vorwürfe machen, weil aus<br />

unserem Leben nicht das geworden<br />

ist, was wir uns vielleicht<br />

einmal vorgestellt hatten?<br />

Tatsache ist doch jedenfalls,<br />

daß gewöhnlichen Leuten<br />

wie unsereinem kaum etwas<br />

anderes übrigbleibt, als ihr<br />

Schicksal letztendlich in die<br />

Hände jener großen Herren an<br />

der Nabe dieser Welt zu legen,<br />

die uns in Dienst nehmen.


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 11<br />

Der Krieg war vorbei, [...] Wieland,<br />

der, wie er selbst bemerkte,<br />

unter „Denkmalschutz“ gelebt<br />

hatte, eröffnete die Bayreuther<br />

Festspiele mit dem „<strong>Parsifal</strong>“.<br />

Und was sah man da? Man<br />

sah vorderhand kaum etwas,<br />

weil kaum etwas da war und<br />

dieses auch noch in zumeist tiefe<br />

Dunkelheit gehüllt: eine elliptische<br />

Scheibe als Grundriß<br />

für alle drei Akte; ein Gralsgebiet<br />

hinter Schleiern, von<br />

schrägen Lichtstrahlen durchschossene<br />

schemenhafte Stämme,<br />

eine Art Lichtwald àlaAppia;<br />

der Tempel reduziert auf<br />

vier aus dem Dunkel schimmernde<br />

Lichtsäulen, in der Mitte<br />

ein kreisrunder Aufbau fürs<br />

Liebesmahl, der sein Licht aus<br />

sich selbst zu holen schien. [...]<br />

Und die Aue –wieder nur goldgrün<br />

getönter Hintergrund,<br />

karge Blöcke für die Taufszenerie,<br />

schon gar keine Blumen.<br />

Die Gesten der Darsteller sind<br />

sparsam, ganz aus der inneren<br />

Karfreitagszauber 1951<br />

Aus: Nike Wagner, „Unbehagen am ,<strong>Parsifal</strong>‘“<br />

Spannung geholt, die Beziehungen<br />

der Personen weit über<br />

die Fläche gespannt, geometrische<br />

Beziehungen; „oratorienhaft“<br />

wird man sie nennen,<br />

„statuarisch“. Das Theater<br />

schien an die Grenze der<br />

Im Interesse einer reibungslosen<br />

Durchführung der Festspiele bitten wir, von<br />

Gesprächen und Debatten politischer Art<br />

auf dem Festspielhügel freundlichst<br />

Abstand nehmen zu wollen.<br />

„Hier gilt’s der Kunst.“<br />

Die Festspielleitung<br />

gez. Wieland Wagner gez. Wolfgang Wagner<br />

Bayreuth, im Sommer 1951<br />

Erlösungsoption<br />

Aus: Stefan Kunze ,„Der Kunstbegriff<br />

Richard Wagners“<br />

Durch die Kunst soll das Bild<br />

des Göttlichen (Wagner nannte<br />

es das „göttliche Traumbild“)<br />

wieder aufgerichtet werden<br />

[...]. Aus der christlichen Tradition<br />

wird das Motiv des Leids<br />

übernommen. Die Vorführung<br />

des Leidens und des Mitleidens<br />

als der einzig möglichen Kommunikation,<br />

nachdem Veränderung<br />

durch Aktion nicht mehr<br />

stattfindet, scheint als konkreter<br />

Inhalt dem Kunstbegriff angemessen,<br />

dessen tiefste Bestimmung<br />

die sakrale Enthobenheit<br />

aus der entstellten Welt ist. [...]<br />

Und in der Vereinsamung der<br />

handelnden Personen, die sich<br />

im entscheidenden Unterschied<br />

zum früheren musikalischen<br />

Theater nicht mehr zum Ensemble<br />

zusammenfinden, spiegelt<br />

sich die Einsamkeit des in<br />

seiner ästhetischen Sphäre eingeschlossenen<br />

Kunstwerks. Das<br />

Leid durchbricht die sich selbst<br />

mit religiöser Weihe umgebende<br />

Kunst. Sie muß daher danach<br />

trachten, dieses Leid apotheotisch<br />

wieder aufzuheben oder es<br />

zu verklären. Die Erlösungsidee<br />

im Wagnerschen Drama ist<br />

demnach nicht so sehr vom<br />

Christlichen abzuleiten, sondern<br />

von der Idee der Kunst selbst.<br />

Erlösung gehört zum Gedanken<br />

einer zur Sakralität enthobenen<br />

Kunst. Die Kunst soll die Erlösung<br />

einer im gesellschaftlich<br />

Wirklichen befangenen Welt<br />

bringen. Der Künstler, <strong>Parsifal</strong>,<br />

ist Erlöser. Wagner schwebt<br />

aber auch Regeneration im Sinne<br />

eines gesellschaftlichen<br />

Wandels vor –sie wäre ebenfalls<br />

Erlösung.<br />

Selbstaufhebung gekommen, so<br />

wenig Wirklichkeit war da, so<br />

wenig Aktion. [...] Nur im Orchester<br />

war alles wie früher.<br />

Hans Knappertsbusch, ein Fossil<br />

aus Tagen großer Wagner-<br />

Dirigenten, Schüler Hans Richters,<br />

sorgte zum Ausgleich<br />

gegen etwaige Religionsstörungen<br />

für „himmlische“ Längen,<br />

den großen Atem und die Weihe.<br />

Doch im Programmheft stand<br />

es anders zu lesen, oder nicht<br />

zu lesen: Wagners Untertitel<br />

„Ein Bühnenweihfestspiel“<br />

wurde dort in einem Akt familiärer<br />

Souveränität einfach gestrichen.<br />

Das mochte denjenigen<br />

gelten, die bei der Blut-<br />

Christi-Magie im Schlußtableau<br />

Die Kunst ist ein Spiel.<br />

Wladyslaw Tatarkiewicz<br />

–die man sich wiederum nicht<br />

zu streichen getraute –anliebgewordener<br />

christlicher Andacht<br />

festhalten wollten. Statt<br />

dessen erschien im Begleitbuch<br />

zur Wiedereröffnung der Festspiele<br />

das sogenannte „<strong>Parsifal</strong>-<br />

Kreuz“ Wieland Wagners, das<br />

zur Entkirchlichung des „<strong>Parsifal</strong>“<br />

insofern beitrug, als es das<br />

Heilszeichen nur mehr als graphisches<br />

Ordnungsschema für<br />

die Ideen und Personen des<br />

Dramas begriff. [...]<br />

Sucht man im weiteren historischen<br />

Umkreis nach Erklärungen<br />

für die unerhörte Wirkung<br />

dieser „<strong>Parsifal</strong>“-Inszenierung,<br />

so dürfte man sie in den<br />

folgenden Komponenten finden:<br />

im Wiederanknüpfen an<br />

die noch halbvertrauten Muster<br />

aus dem expressionistischen<br />

und neusachlichen Theater der<br />

zwanziger Jahre, seinen abstrahierenden<br />

Tendenzen und<br />

Lichtwirkungen, den symbolischen<br />

Symmetrien, Blockaufbauten<br />

und Schrägen, und in<br />

dem beruhigenden Charakter<br />

einer mythisch-archetypisch-<br />

Die Kunst mag ein Spiel sein,<br />

aber sie ist ein ernstes Spiel.<br />

Caspar David Friedrich<br />

Die Kunst ist das Spiel der menschlichen<br />

Freiheit mit sich selbst.<br />

Heinz Winfried Sabais<br />

Der Speer, der meine Wunde schlug<br />

Friedrich Rückert<br />

Der Speer, der meine Wunde schlug,<br />

Wird heilen meine Wunde.<br />

Wohin der Tod mein Leben trug,<br />

Otragt ohn‘ Aufschub und Verzug,<br />

Otragt in dieser Stunde<br />

Mich auch dahin im Trauerzug,<br />

Und legt mich hin im Grunde!<br />

Der Speer, der meine Wunde schlug,<br />

Wird heilen meine Wunde.<br />

Der deine Wunde schlug, der Speer<br />

Wird deine Wunde heilen.<br />

Er, dessen Hand auf dir ist schwer,<br />

Wer kann sie machen leicht, als er?<br />

Wer kann dir Trost ertheilen?<br />

Sanft lasse Gott von oben her<br />

Ergebung bei dir weilen!<br />

Der deine Wunde schlug, der Speer<br />

Wird deine Wunde heilen.<br />

symbolischen Zeichensprache<br />

auf der Bühne, die keine aggressive<br />

Sprache ist, sondern<br />

die einer Bestätigung ewig gültiger<br />

menschlicher Wahrheiten<br />

und Werte. Dies konnte das<br />

vom Zusammenbruch geschädigte<br />

Bewußtsein des Nachkriegspublikums<br />

sehr wohl gebrauchen,<br />

als Entlastung, als<br />

Erholung bei den großen allgemeinen<br />

Wahrheiten, den<br />

Abstrakta, Numinosa und Innerlichkeiten.<br />

Im Beschwören<br />

des „Wesens“ der Werke Wagners<br />

versuchten die kulturbesorgten<br />

Wiederaufbauer und<br />

Bayreuth-Mäzene, den eigentlichen<br />

und ideologisch sauberen<br />

Kern ihres Wagnerheiligtums<br />

aus der häßlichen braunen<br />

Haut zu schälen. In diesen verschwommenen<br />

Konturen des<br />

neuen Wagnerverständnisses<br />

und Wagnerbedürfnisses fügte<br />

sich die entkonkretisierte, enthistorisierte<br />

Neuinszenierung<br />

mit jenem leichten Vorsprung<br />

einer frühen Formulierung des<br />

Zeitgeistes, der ihr dann den<br />

dauerhaften Erfolg bescherte.<br />

Nochmals, keine Soldaten, kein Gesangsverein;<br />

verschleiertes C-Dur, Mysterium,<br />

„Zauberflöte“, geheimer Kult; keine kräftigen,<br />

diesseitigen Ritter. [...] Keine unnötigen<br />

crescendos und decrescendos, keine marcatos,<br />

alles mystisch, aber nicht deutsch und CDU.<br />

Wieland Wagner an den Chordirektor Wilhelm Pilz, 1966<br />

Wahrheitsillusion<br />

wird Kunst<br />

aus: Friedrich Nietzsche,<br />

„Über Wahrheit und Lüge im<br />

außermoralischen Sinne“<br />

Was ist also Wahrheit? Ein<br />

bewegliches Heer von Metaphern,<br />

Metonymien, Anthropomorphismen,<br />

kurz eine Summe<br />

von menschlichen Relationen,<br />

die poetisch und rhetorisch gesteigert,<br />

übertragen, geschmückt<br />

wurden und die nach langem<br />

Gebrauch einem Volke fest, kanonisch<br />

und verbindlich dünken:<br />

die Wahrheiten sind Illusionen,<br />

von denen man vergessen hat,<br />

daß sie welche sind, Metaphern,<br />

die abgenutzt und sinnlich kraftlos<br />

geworden sind, Münzen, die<br />

ihr Bild verloren haben und nun<br />

als Metall, nicht mehr als Münzen<br />

in Betracht kommen. […]<br />

Jener Trieb zur Metaphernbildung,<br />

jener Fundamentaltrieb<br />

des Menschen, den man keinen<br />

Augenblick wegrechnen kann,<br />

weil man damit den Menschen<br />

selbst wegrechnen würde, ist<br />

dadurch, daß aus seinen verflüchtigten<br />

Erzeugnissen, den<br />

Begriffen, eine reguläre uns starre<br />

neue Welt als eine Zwingburg<br />

für ihn gebaut wird, in Wahrheit<br />

nicht bezwungen und kaum gebändigt.<br />

Er sucht sich ein neues<br />

Bereich seines Wirkens und ein<br />

anderes Flußbette und findet es<br />

im Mythus und überhaupt in der<br />

Kunst.<br />

Ein stiller Ritter mit geschlossenem Visier<br />

Paul Verlaine<br />

Ein stiller Ritter mit geschlossenem Visier:<br />

Das Unglück, stach ins Herz mit seiner Lanze mir.<br />

Dem alten Herz entsprang das Blut in trüben Fluten,<br />

Versiegt auf Blum und Blatt in klaren Sonnengluten.<br />

Mein Auge deckte Nacht, laut schrie ich auf vor Schmerz,<br />

In wilden Schauern zuckend starb mein altes Herz.<br />

Der Ritter Unglück schwang hernieder sich vom Pferde,<br />

Mich fasste seine Hand mit finsterer Gebärde.<br />

Mit eh'rnem Handschuh griff in meine Wunde er,<br />

Sein mitleidlos Gebot ertönte hart und schwer.<br />

Und es geschah, da rauh sein Finger mich berührte,<br />

Dass ein erneutes Herz ich stolz und rein verspürte.<br />

Und dass von göttlicher Gnade heiß durchbebt<br />

Ein junges, tapfres Herz in tiefer Brust mir lebt.<br />

Und voller Ehrfurcht blieb ich, zweifelnd und benommen,<br />

Gleich einem Menschen, dem Gott selbst im Traum gekommen.<br />

Der gute Ritter stieg von neuem auf sein Pferd<br />

Und nickte scheidend, wie er von mir sich gekehrt.<br />

Und schrie, noch immer hör die Stimme ich mit Beben:<br />

Hüt' dich, so milde komm ich einmal nur im Leben.<br />

Wer, naiv-genügsamen Sinnes, den<br />

Wagnerschen „<strong>Parsifal</strong>“ als eine höhere<br />

Zauberoper auffassen mag und kann, als ein<br />

freies Spiel einer im Wunderbaren<br />

schwelgenden Phantasie, hat ihm die beste<br />

Seite abgewonnen und sich den möglichst<br />

ungetrübten Genuß errettet.<br />

Eduard Hanslick<br />

In Wirklichkeit ist es nicht das Leben,<br />

sondern der Betrachter, den die Kunst spiegelt.<br />

Oscar Wilde<br />

Entsagung<br />

Franz Grillparzer<br />

Eins ist, was altergraue Zeiten lehren,<br />

Und lehrt die Sonne, die erst heut getagt:<br />

Des Menschen ewges Los, es heißt: Entbehren,<br />

Und kein Besitz, als den du dir versagst.<br />

Die Speise, so erquicklich deinem Munde,<br />

Beim frohen Fest genippter Götterwein,<br />

Des Teuren Kuß auf deinem heißen Munde,<br />

Dein wär’s? Sieh zu! ob du vielmehr nicht sein.<br />

Denn der Natur alther notwendge Mächte,<br />

Sie hassen, was sich freie Bahnen zieht,<br />

Als vorenthalten ihrem ewgen Rechte,<br />

Und reißen’s lauernd in ihr Machtgebiet.<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ 1945 bis 2008<br />

All, was du hältst, davon bist du gehalten,<br />

Und wo du herrschest, bist du auch der Knecht.<br />

Es sieht Genuß sich vom Bedarf gespalten,<br />

Und eine Pflicht knüpft sich an jedes Recht.<br />

Nur was du abweist, kann dir wieder kommen.<br />

Was du verschmähst, naht ewig schmeichelnd sich,<br />

Und in dem Abschied, vom Besitz genommen,<br />

Erhältst du dir das einzig deine: Dich!


Nordbayerischer Kurier<br />

12 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

„Kunst ist der dunkle Wunsch aller Dinge“ Eine Kantinenbegegnung<br />

8. Juli 2008, 21.24 Uhr. Vor<br />

wenigen Minuten ist die Video-Dreharbeit<br />

auf der Probebühne<br />

IV des Festspielhauses<br />

zu Ende gegangen. <strong>Parsifal</strong>s<br />

Geburt ist glücklich im<br />

Kasten. Der schöne Nebeneffekt<br />

des Drehs: Zum ersten<br />

Mal hat man die Darsteller<br />

des kleinen <strong>Parsifal</strong> und seiner<br />

Mutter Herzeleide, in vollem<br />

Kostüm und Maske sehen<br />

können. So langsam werden<br />

die Ideen Wirklichkeit, nun<br />

kann es an den Endspurt gehen...<br />

Drei Tage noch bis zur<br />

Klavierhauptprobe, der letzten<br />

Probe, die allein dem Regieteam<br />

gehört.<br />

(Die Produktionsbeteiligten<br />

strömen etwas müde in die<br />

Kantine, bewaffnen sich mit<br />

Bier, Brezeln und den letzten<br />

Tagesköstlichkeiten aus der Vitrine<br />

und besprechen – wie<br />

selbstredend jeden Abend –<br />

Raum und Zeit des gemeinsamen<br />

Kunstunternehmens.<br />

Doch heute läuft ein Tonband<br />

mit, denn ein Gespräch soll für<br />

die Beilage des „Nordbayerischen<br />

Kuriers“ aufgezeichnet<br />

werden. Vorerst dokumentiert<br />

es Schluck- und Kaugeräusche...)<br />

Alexander Meier-Dörzenbach,<br />

Dramaturg der „<strong>Parsifal</strong>“-<br />

Produktion: Das wird aber rausgeschnitten,nichtwahr?<br />

Mark Schachtsiek, sein Assistent:<br />

Wir haben ja noch gar<br />

nicht angefangen. Ich dachte,<br />

ich lasse Euch erst noch einmal<br />

ein wenig Zeit, Euch zu erholen,<br />

bis ich mit Fragen traktiere,<br />

wie: „Wie war das eigentlich,<br />

als das Telefon klingelte und<br />

Familie Wagner dran war?“<br />

Stefan Herheim, Regisseur<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“: Ganz nett.<br />

(Auftritt der freundlich lächelndenKantinenmitarbeiterin,diefrischgezapftesBier,aber<br />

auch reichlich Wasser und<br />

Pommes frites und heimische<br />

Landjägerbringt.)<br />

Schachtsiek: Aber ganz<br />

ernsthaft, Stefan, vielleicht ist<br />

das ein guter Einstieg: Du hast<br />

vor ein paar Tagen erzählt, Du<br />

hättest den „<strong>Parsifal</strong>“ schon<br />

einmal an der Berliner Staatsoper<br />

abgesagt, und ihn dann<br />

wenige Monate später hier in<br />

Bayreuth angeboten bekommen.<br />

Aber bereits in Eurer<br />

„Rheingold“-Inszenierung für<br />

Riga und Bergen spielt das Festspielhaus<br />

als Walhall und die<br />

Wagner-Rezeption eine ganz<br />

zentrale Rolle. Man bekommt<br />

den Eindruck, dass Wagners<br />

Grüner Hügel schon sehr lange<br />

in Euren Köpfen herum gespukt<br />

hat...<br />

Herheim: Fasziniert hat mich<br />

das Phänomen Bayreuth natürlich<br />

schon –die Idee, dass man<br />

hierher pilgert um, um an geweihtem<br />

Ort Wagners Werke zu<br />

erleben. Aber gleichzeitig war es<br />

mir irgendwie suspekt. Deshalb<br />

musste ich tatsächlich ein wenig<br />

in mich gehen, als der Anruf kam<br />

–eswar Ende Dezember 2004<br />

und ich war mit Heike und Alex<br />

mitten in Proben zu Händels<br />

„Giulio Cesare“ in Oslo. Wagners<br />

wollten mich treffen, und weil<br />

ich über Weihnachten für ein<br />

paar probenfreie Tage in Berlin<br />

war, haben wir uns dann am<br />

zweiten Weihnachtstag in Berlin<br />

zusammengesetzt und kennengelernt.<br />

In Bayreuth war ich<br />

dann mit Alex erst im darauffolgenden<br />

Sommer zum ersten<br />

Mal, auf Einladung der Wagners<br />

bei„TristanundIsolde“.<br />

Meier-Dörzenbach: Diese erste<br />

Begegnung war schon etwas<br />

ganz Besonderes, weil der Ort<br />

eine mythisch aufgeladene Aura<br />

besitzt. Auch der aus der Rückschau<br />

eigentlich banale Vor-<br />

Mark Schachtsiek im Gespräch mit Daniele Gatti, Stefan Herheim, Heike Scheele und Alexander Meier-Dörzenbach<br />

gang, dass wir in der ersten Pause<br />

zu Wagners zum fürstlichen<br />

Essen gebeten wurden und dort<br />

über köstlichen Speisen erste<br />

Ideen formulierten, war ein bisschen<br />

so, als wäre man vom Papst<br />

in den Petersdom geladen, um<br />

ihm den Katholizismus zu erklären.<br />

Durch die konkrete Zusammenarbeit<br />

hat sich dieser<br />

Eindruck natürlich relativiert. Es<br />

ist nicht das süße Fleisch der dynastischen<br />

Verklärung, sondern<br />

der solide Kern der tatsächlichen<br />

Kooperation, der zählt. Entsprechend<br />

gab es bei späteren Treffen<br />

dann auch mal Schwarzbrot…<br />

Es war ein wenig InquisitionmitHäppchen.<br />

Herheim: Liebe geht natürlich<br />

nicht immer durch den Magen<br />

und es gab in diesen Phasen auch<br />

Momente, die ich als Vereinnahmung<br />

empfand. Ich kam<br />

hierher, um mich Richard Wagners<br />

Werk anzunähern und erlebte<br />

zum Teil, dass ich dabei allem,<br />

was Bayreuth bedeutet,<br />

gleichzeitig entgegenzukommen<br />

hatte. Es galt also zunächst,<br />

so wertungsfrei wie möglich<br />

klarzustellen, welche Traditionen<br />

und Methoden hier gepflegt<br />

werden und wie man damit<br />

konstruktiv umgehen kann. Wo<br />

immer eine Fackel weitergegeben<br />

wird, gibt es eine Verbrennungsgefahr,<br />

die beide Parteien<br />

zurWachsamkeitruft.<br />

Schachtsiek: Dass heißt,<br />

wenn jetzt im ersten Aufzug Eurer<br />

Inszenierung die Gralsritter<br />

und die Damen der Statisterie in<br />

den Garten der Villa Wahnfried<br />

kommen, ist darin auch ein wenig<br />

die besondere Aura dieses<br />

Abends aufgegangen, selbst<br />

wenn die Wagners schon lange<br />

nichtmehrinWahnfriedleben?<br />

Meier-Dörzenbach: Nein, das<br />

was dort auf der Bühne geschieht,<br />

hat mit der Erlösungssucht<br />

des wilhelminischen<br />

Deutschlands zu tun. Doch auch<br />

damals gab es die Einladung ins<br />

Meisterhaus und Cosima war ja<br />

sehr darauf bedacht, den musikalischen<br />

Weihen der Festspiele<br />

auch noch die gesellschaftlichen<br />

in eleganten Empfängen folgen<br />

zulassen.<br />

Heike Scheele, Bühnenbildnerin<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“ (gesellt<br />

sich mit einem frischen Bier und<br />

Handy in der Hand dazu): Gute<br />

Nachrichten von der Mutterstation:<br />

Gesine geht’s bestens!<br />

[Gesine Völlm, Kostümbildnerin<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“, konnte wegen<br />

dem nahenden Ende ihrer<br />

Schwangerschaft seit ein paar<br />

Tagen nicht mehr am Hause<br />

sein] Allerdings lässt das Kind<br />

immer noch auf sich warten.<br />

Meier-Dörzenbach: Kein<br />

Wunder –solange, wie Gesine<br />

hochschwanger noch gearbeitet<br />

hat… Das Kind ruht sich jetzt sicherersteinmalaus,bevoresaus<br />

dem Mutterhügel auf den GrünenHügelkommt.<br />

Schachtsiek: Und Sie, Maestro<br />

Gatti, waren Sie eigentlich<br />

schon vor dieser Produktion in<br />

Bayreuth?<br />

Daniele Gatti, Dirigent des<br />

„<strong>Parsifal</strong>“: Seit Ende 2005, Anfang<br />

2006 war ich natürlich viele<br />

Male hier, wir waren alle zusammen<br />

hier, haben uns mit<br />

Gudrun und Wolfgang Wagner<br />

und den anderen Mitarbeitern<br />

des Festspielhauses getroffen<br />

und alles mögliche besprochen.<br />

Als wir 2006 anfingen, die Besetzung<br />

zusammenzustellen,<br />

hatte ich dann endlich Gelegenheit,<br />

die hervorragende Akustik<br />

des Hauses kennen zu lernen –<br />

sie ist wirklich etwas Besonderes.<br />

Doch eine Aufführung habe<br />

ich hier erst vor zwei Jahren das<br />

erste Mal gesehen und zwar die<br />

alte „<strong>Parsifal</strong>“-Produktion.<br />

Herheim: Für mich war dieser<br />

erste „<strong>Parsifal</strong>“ im Bayreuther<br />

Festspielhaus ein ziemlich<br />

überwältigendes Erlebnis. Ich<br />

hatte den Eindruck, dass ich<br />

mich in etwas hinein begebe, das<br />

mir alle Koordinaten meines<br />

Selbst nehmen wird. Das hatte<br />

aber auch mit den äußeren Um-<br />

ständen zu tun, es war ein extrem<br />

heißer Tag, mindestens 35<br />

Grad, und ich hatte zu wenig getrunken,<br />

so dass ich kurz vor der<br />

Vorstellung einen Kreislaufkollaps<br />

hatte. Zuerst dachte ich, ich<br />

könne gar nicht in die Vorstellung<br />

gehen. Das Erlebnis dieses<br />

Abends hat mich so überfordert,<br />

dass ich Schlingensiefs Inszenierung<br />

in den darauffolgenden<br />

Jahren erneut angesehen habe,<br />

klareren Kopfes. Bis dahin hatten<br />

wir aber bereits das Haus von<br />

Innen heraus entdeckt, unsere<br />

eigene Produktion weitgehend<br />

entwickelt und ich dachte schon<br />

etwas nüchterner: Das ist ein<br />

Hauswiejedesandere.<br />

Schachtsiek: Tatsächlich?<br />

Obwohl Eure Inszenierung so<br />

mit der Aura des Ortes spielt,<br />

ständig daran erinnert, dass wir<br />

uns an dem Ort befinden, für den<br />

Wagner „<strong>Parsifal</strong>“ komponiert<br />

hat?<br />

Herheim: Ich wollte nur sagen,<br />

dass ich damals meine Berührungsängste<br />

mit dem auratischen<br />

Mythos dieses Ortes und<br />

der Familie Wagner weitgehend<br />

überwunden hatte.<br />

Gatti: Es ist natürlich sehr<br />

wichtig für mich, dass wir uns<br />

am Ort der Uraufführung befinden,<br />

für den dieses Werk geschrieben<br />

wurde. Aber ich muss<br />

gestehen, dass, seit Stefan und<br />

ich am ersten Tag hier mit den<br />

Proben begonnen haben, unsere<br />

ganze Konzentration der Arbeit<br />

selbst gilt. In den letzten Jahren<br />

haben wir viel über sein Konzept<br />

gesprochen, aber nun haben wir<br />

begonnen, musikalisch zu arbeiten,<br />

Takt für Takt, Phrase für<br />

Phrase. Ich bin bei jeder Probe,<br />

auch jeder szenischen Probe<br />

anwesend und wir gehen den<br />

Weg gemeinsam. Natürlich<br />

denkt man manchmal daran,<br />

was es bedeutet, hier in Bayreuth<br />

zu sein, aber eigentlich<br />

konzentrieren wir uns ganz auf<br />

das, was es nun zu tun gilt: Unsere<br />

eigene Produktion entstehen<br />

zulassen.<br />

Schachtsiek: Dass heißt aus<br />

der Distanz und bei der ersten<br />

Begegnung ist Bayreuth auch in<br />

Wirklichkeit jener auratische<br />

Ort, den die Inszenierung bespielt,<br />

oder kann es zumindest<br />

sein, doch dann nutzt dieses Gefühlsichab?<br />

Meier-Dörzenbach: Abnutzung<br />

ist kein schönes Wort, denn<br />

es bedeutet Verbrauch, Verfall.<br />

Es ist vielmehr eine Entzauberung,<br />

in der dennoch eine unglaubliche<br />

Magie liegen kann. Es<br />

ist ein anderes Bewusstsein, ein<br />

anderes Sehen, ein anderes Verstehen,<br />

das einen bestimmt –<br />

eigentlich ein Moment, das sehr<br />

viel mit unserer Inszenierung zu<br />

tunhat.<br />

Herheim: Eine solche Konzeption<br />

wie die unsere, in der die<br />

Gralsritter als Wagnerianer aller<br />

Zeiten erscheinen, kommt ja nur<br />

zustande, wenn man das, was<br />

hier tatsächlich vorhanden ist,<br />

mythisch auf sich wirken lässt.<br />

Bei mir war es so. Das Bayreuther<br />

Festspielhaus kannte ich<br />

seit meiner Kindheit von Bildern,<br />

die meine Phantasie angeregt<br />

haben. Meinen Vater, der<br />

Orchestermusiker am Osloer<br />

Opernhaus war, faszinieren<br />

Schiffe, Kirchen und Opernhäuser<br />

–und so gab es in meinem El-<br />

ternhaus viele Bildbände von<br />

Opernhäusern. Wenn wir durch<br />

Europa reisten, haben wir uns<br />

die Häuser immer ganz genau<br />

angeschaut und sie fotografiert.<br />

Nur in Bayreuth haben wir nie<br />

Station gemacht, obwohl meine<br />

MutterursprünglichFränkin ist.<br />

Aber ich habe in Papas Büchern<br />

geblättert und fand, was hier in<br />

Bayreuth erstrebt wurde, extrem<br />

faszinierend. Und obwohl<br />

ich nie hier war, habe ich viel<br />

von diesem Ort geträumt, fast<br />

so, wie unser kleiner <strong>Parsifal</strong>-<br />

Junge hier in der Inszenierung,<br />

der in einer Art Traum-Albtraum-Welt<br />

gerät und sich selbst<br />

dabeierkundet.<br />

Schachtsiek: Euer „<strong>Parsifal</strong>“<br />

erzählt ja auf mehreren Ebenen<br />

von der Bewusstseinsentwicklung<br />

durch Macht und Gewalt<br />

auf nationaler und auch ganz individueller<br />

Ebene – „<strong>Parsifal</strong>“<br />

nicht nur als Marker eines<br />

Deutschtums, sondern auch als<br />

sichentwickelndesKind.<br />

Gatti: Ich bin wirklich froh,<br />

dass wir mit Christopher Ventris<br />

einen Sänger für die Rolle des<br />

<strong>Parsifal</strong> gefunden haben, der<br />

diese Entwicklung auch vokal zu<br />

beglaubigen weiß. Zu Anfang<br />

des Stückes erscheint <strong>Parsifal</strong><br />

tatsächlich –auch stimmlich –<br />

als ein kleiner Junge. Und Chris<br />

ist es wunderbar gelungen für<br />

den dritten Aufzug, wenn er zurückkehrt,<br />

eine ganz neue<br />

Stimmfarbe zu finden. Ich denke,<br />

so hat Wagner es gemeint;<br />

erst so versteht man, dass die Figur<br />

gereift ist, wirklich weitreichende<br />

und eindrückliche Erfahrungen<br />

gemacht hat. Der<br />

<strong>Parsifal</strong> des dritten ist ein ganz<br />

anderer als der des ersten Aufzuges.<br />

Aber es ist sehr schwer,<br />

einen Sänger zu finden, der das<br />

nicht nur verstehen, sondern<br />

auch umsetzen kann. Aber wenn<br />

man genau und detailliert arbeitet<br />

und immer nah an den Worten<br />

bleibt, so dass die Szene fast<br />

eine schauspielerische Qualität<br />

erreicht, im ersten Akt dagegen<br />

einfach singt, dann kann man<br />

einen großen Unterschied gestalten.<br />

Wir haben wirklich viel<br />

Glück mit unserer Besetzung<br />

hier; sie alle verstehen, dass es<br />

um die Psychologie der Figuren<br />

gehtundnichtumSchöngesang.<br />

Schachtsiek: Die Psychologie<br />

und das Drama stehen also für<br />

SieganzstarkimVordergrund?<br />

Gatti: Das ist vielleicht der<br />

Unterschied zu einer konzertanten<br />

Aufführung; wenn man szenisch<br />

arbeitet, muss es menschlicher<br />

werden. Was wir hier auf<br />

die Bühne bringen, ist ein Drama,<br />

das von der Entwicklung<br />

eines Mannes erzählt, des Menschen<br />

<strong>Parsifal</strong>. Und zugleich erzählen<br />

wir von der Sehnsucht<br />

nach Erlösung und von dem, was<br />

Hingabe bedeutet. Das sind<br />

Themen, die auch heute noch<br />

sehr aktuell sind, und ich denke,<br />

dieZuschauerwerdensichihnen<br />

sehr nah fühlen. Dafür ist es<br />

wichtig, dass wir die Geschichte<br />

nicht auf einem anderen Planeten<br />

stattfinden lassen. Das Reich<br />

desGralesistunsnichtfern,esist<br />

vermutlich Teil unserer Welt, solange<br />

wir auf der Suche nach etwas<br />

sind. Es ist auch deshalb<br />

richtig, sich hier und jetzt mit<br />

deutscher Geschichte von 1882<br />

bis nach dem zweiten Weltkrieg<br />

auseinander zu setzen –gerade<br />

die krisenhaften Momente darin,<br />

machen die Geschichte lesbarer.<br />

Scheele: Letztlich war das<br />

eine Folge der Idee der Zeitreise.<br />

Wenn man darin die NS-Zeit<br />

aussparen würde, würde das<br />

keinen Sinn machen. Und so<br />

wird sie eben am Ende des zweiten<br />

Aufzugs kurz angerissen. Sie<br />

ist die Irrfahrt, die bei Wolfram<br />

von Eschenbach den Großteil<br />

der Geschichte ausmacht und<br />

bei Wagner bis auf das Vorspiel<br />

zum dritten Aufzug ausgespart<br />

ist. Szenisch gibt es nur einen<br />

kurzen, aber erschreckenden<br />

Moment, der klarmacht, wo es<br />

jetzt hingeht. Nur das Davor und<br />

das Danach sind sichtbar in Zeit<br />

gedehnt.<br />

Herheim: Die Tatsache der<br />

Theatralisierung bleibt aber.<br />

Wir spürten hatten eine immense<br />

Notwendigkeit, diese Implikationen<br />

sichtbar machen zu<br />

müssen, angefangen mit dem<br />

fröhlichen Marschieren in die<br />

Welt am Ende des ersten Aufzugs.<br />

Uns war ganz wichtig, da<br />

einen realistischen Bezug herzu-<br />

stellen, denn diese Szene ist ja<br />

kein Gottesdienst –esist eine<br />

Umkehrung, eine ziemlich<br />

schwarze Messe als Feier eines<br />

Wahns, dem eine politische<br />

Ideologie zugrunde liegt. die<br />

man sich wiederum als Perversion<br />

eines Heils-Topos vor Augenführenmuss.<br />

Meier-Dörzenbach: Die Nähe<br />

der erlösungstriefenden Worte<br />

Wagners und der wilhelminischen<br />

Rhetorik sind schon beängstigend.<br />

Der Marsch der<br />

Gralsritter in die Welt hinaus<br />

wird mit der Naivität korreliert,<br />

mit der die Menschen im August<br />

1914 in den Ersten Weltkrieg gezogen<br />

sind. Übrigens ist das ja<br />

auch das Jahr, in dem das Werk<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ aus dem Tempel Festspielhaus<br />

gezogen ist, da das Urheberrecht<br />

abgelaufen war. Es<br />

kam zu einem regelrechten<br />

Boom und das Werk wurde in<br />

ganz Europa in vielen Sprachen<br />

aufgeführt –indem Europa, das<br />

sich wenige Monate danach bekriegte.<br />

Aus dem künstlichen<br />

Gralsgeläut wurden so reale Totenglocken.<br />

Scheele: Von diesem wichtigen<br />

Moment ausgehend haben<br />

wir dann auch die historische<br />

Konsequenz gezogen. Wir mussten<br />

weiter durch die Geschichte<br />

und wollten mit der bewusster<br />

und erwachsener werdenden<br />

Figur <strong>Parsifal</strong> weiter durch die<br />

Zeit...<br />

Schachtsiek: Gehörten<br />

eigentlich diese beiden Aspekte<br />

der Inszenierung, Identitätsfindung<br />

<strong>Parsifal</strong>s, die parallel als<br />

kollektive der Deutschen erzählt<br />

wird, und die Geschichte der<br />

Bayreuther Festspiele als herausgehobener<br />

Ort deutscher Erlösungssucht<br />

schon am Anfang<br />

Eurer Überlegungen zu „<strong>Parsifal</strong>“<br />

zusammen? Oder kam das<br />

erst mit dem Bayreuther Angebot?<br />

Herheim: Die Idee, dass „<strong>Parsifal</strong>“<br />

–entstanden in einer Umbruchphase<br />

der deutschen Geschichte<br />

– mit der kollektiven<br />

Suche nach Identität zu tun haben<br />

muss, ist mir schon sehr früh<br />

gekommen. Sie spielte schon<br />

eine wichtige Rolle bei der Entwicklung<br />

eines Konzeptes für<br />

Berlin, denn dort wollte ich auch<br />

schon eine deutsche Zeitreise<br />

zur Selbstfindung via Katastrophe<br />

inszenieren. Aus privaten<br />

Gründen wurde es mir unmöglich,<br />

diesen Faden weiter zu verfolgen<br />

und ich musste die Produktion<br />

absagen, kurz bevor das<br />

Bayreuther Angebot kam. Daraufhin<br />

habe ich zunächst versucht,<br />

in eine ganz andere Richtung<br />

zu gehen –letztlich haben<br />

wir die endgültige Entscheidung<br />

für den Ort, bzw. für dieses<br />

Raum-Zeit-Verhältnis, in dem<br />

dieser „<strong>Parsifal</strong>“ nun spielt, extremlangeherausgezögert.<br />

Schachtsiek: Die Wahl dieses<br />

Ortes als Bühnenbild war also<br />

auch die Entscheidung dafür,<br />

Dich mit Deiner eigenen ambivalenten<br />

Haltung zum Ort Bayreuthzukonfrontieren?<br />

Herheim: Ja, bzw. zu der weihevollen<br />

Verklärung und Instrumentalisierung<br />

des Wagnerschen<br />

Werks. Wir haben uns viele<br />

Gedanken über die Institution<br />

Bayreuth, über Geschichte und<br />

Gegenwart dieses „Bühnenweihfestspiels“<br />

und den Mythos,<br />

der um diesen „<strong>Parsifal</strong>“ gesponnen<br />

wurde, gemacht. Man<br />

musseinezwiespältige,kritische<br />

Haltung dazu einnehmen. Als<br />

ich 16 Jahre alt war, habe ich in<br />

meiner Heimatstadt Oslo als Statist<br />

im „<strong>Parsifal</strong>“ mitgewirkt. Das<br />

war das erste Mal überhaupt,<br />

dass ich Musiktheater nicht nur<br />

eine anregenden Wirkung auf<br />

mich hatte, sondern auch eine<br />

wirklich einschüchternde. Ich<br />

empfand das Ganze als tatsächlich<br />

beängstigend, doch das<br />

überwindet man eben in der<br />

konkreten Auseinandersetzung<br />

–gerade dann, wenn man diese<br />

ausgerechnet in Bayreuth führen<br />

kann. Der Auftrag schien mir<br />

eineeinmaligeHerausforderung<br />

zu sein, über meinen Schatten zu<br />

springen.<br />

Fortsetzung auf Seite 13


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 13<br />

Fortsetzung von Seite 12<br />

Schachtsiek: Heißt das, dass<br />

Du die Musik des „<strong>Parsifal</strong>“ immer<br />

nur durch diesen quasi<br />

doppelten Erlösungsmissbrauch<br />

hören konntest? Und Dich erst<br />

jetzt, durch den Weg in die szenische<br />

Auseinandersetzung, davon<br />

befreit hast?<br />

Herheim: Nein, anders als bei<br />

anderen Opern sprach die Musik<br />

gerade nicht in diesen Bildern<br />

zu mir. Vielmehr hatte ich<br />

das Gefühl, einen gedanklichen<br />

Überbau, eine Aussage zu brauchen,<br />

von der ausgehend ich die<br />

Partitur in ihrer Gesamtheit<br />

verräumlichen kann. Darin lag<br />

eine große Schwierigkeit für<br />

mich, weil ich sonst immer aus<br />

dem Bauch heraus –quasi musisch<br />

intuitiv –weiß, womit ich<br />

zu tun habe. Von diesem Zugang<br />

musste ich mich hier weitgehend<br />

verabschieden und mir<br />

das nötige Selbstvertrauen anders<br />

erarbeiten. Dieser Prozess<br />

spiegelt sich auch in den Themen<br />

wieder, die in „<strong>Parsifal</strong>“<br />

problematisiert werden. „<strong>Parsifal</strong>“<br />

hat mich nie unmittelbar<br />

ergriffen, bzw. habe ich es mir<br />

nicht erlaubt, darin aufzugehen.<br />

Ich musste ihn mir extrem<br />

erarbeiten, doch jetzt entsteht<br />

zwischen festem Unter- und<br />

großem Überbau die sinnliche<br />

Welt, die – wie ich glaube –<br />

wirklich berühren kann und<br />

darf.<br />

Meier-Dörzenbach: Hoffentlich<br />

nicht nur uns, sondern auch<br />

das Publikum. Liest man beispielsweise<br />

den Uraufführungskritiker<br />

Eduard Hanslick, so<br />

liest man von einer „höheren<br />

Zauberoper“ und dem „freien<br />

Spiel einer im Wunderbaren<br />

schwelgenden Phantasie“ als<br />

beste Seiten des Werkes. Theatrale<br />

Sinnlichkeit soll ja nicht<br />

nur Augen und Ohren verbinden,<br />

sondern auch das dazwischen<br />

wabernde Gehirn derart<br />

stimulieren, dass sich Fragenräume<br />

öffnen, auch wenn sich<br />

der Vorhang schließt…<br />

Herheim: Dabei sind wir immer<br />

wieder vom Werk ausgegangen.<br />

Alexander hat in unserer<br />

intensiven Konzeptionsphase<br />

auch immer wieder Nietzsche<br />

und seine Zeitgenossen und deren<br />

Blick auf Wagner angeführt.<br />

Doch ich hatte den Eindruck,<br />

wenn ich mich stark darauf berufe,<br />

nehme ich Wagner nicht<br />

wirklich ernst. Und das war natürlich<br />

mein Anspruch. Das<br />

Problem lag darin, dass ich mich<br />

keines großen Pathos’ – erst<br />

recht nicht des <strong>Parsifal</strong>schen<br />

ethisch und ästhetisch bedienen<br />

kann, ohne selbst wirklich zu<br />

glauben, das er human im<br />

selbstzweifelnden, selbstkritischen<br />

Sinne ist. „<strong>Parsifal</strong>“ ist<br />

eben ganz stark ein Gedankenkonstrukt,<br />

und es ist schwer dahinter<br />

zu kommen, wie Wagner<br />

dramaturgisch operiert. Mit<br />

dem Kuss ist das Stück im Sinne<br />

einer psychologischen Entwicklung<br />

eigentlich abgeschlossen.<br />

Doch dann kommen noch weitere<br />

zwei Stunden. Wagners Zelebrieren<br />

der vermeintlich gelungenen<br />

Initiation geht für<br />

mich nur als Theater auf dem<br />

Theater. So findet die Analyse<br />

auf einer ganz anderen Reflexionsebene<br />

statt; wir setzen sozusagen<br />

ein Brechtsches Heilmittel<br />

ein. Diese affirmative Art<br />

den dritten Aufzug zu inszenieren<br />

scheint mir legitim, weil wir<br />

zuvor sehr differenziert mit den<br />

ideologischen Implikationen<br />

umgehen. Aber es ist und bleibt<br />

zugleich, wenn Du so willst,<br />

eine große Verweigerung, jenseits<br />

des Theaters mit der Idee<br />

der Erlösung umzugehen.<br />

Meier-Dörzenbach: Nicht<br />

eine Verweigerung zu erlösen,<br />

sondern vielmehr ein wirkliches<br />

ästhetisches Annehmen der bestehenden<br />

Wagnerschen Erlösungsbedürftigkeit,Erlösungsmöglichkeit<br />

und der Erlösungsfähigkeit<br />

– doch es bleibt ein<br />

Prozess, der nicht einen einbzw.<br />

erlösenden Abschluss finden<br />

kann. Und dieses entscheidende<br />

Moment konfrontiert uns<br />

dann mit dem Abbild unserer<br />

selbst. Und das ist auch sinnlich<br />

zu erfahren. Ich glaube bei dieser<br />

Inszenierung gibt es –mehr<br />

noch als bei allen anderen gemeinsamen<br />

Arbeiten – eine<br />

Vielschichtigkeit, die vom naiv<br />

erzählenden Blick bis hin zu den<br />

tiefsten assoziativ angereicherten<br />

Einsichten Zugänge zum<br />

Werk ermöglichen wird.<br />

Scheele: Wie Du siehst, war<br />

es ein sehr langwieriger Prozess,<br />

bis wir bei diesen Bildern<br />

angekommen sind, die Du jetzt<br />

auf der Bühne siehst.<br />

Herheim: Ganz am Anfang<br />

stand eigentlich eine ganz stark<br />

selbstreferentielle Konzeption:<br />

Ich stellte mir eine Bühnenbildnerschule<br />

vor, die von Gurne-<br />

manz geleitet wird und in der<br />

ununterbrochen Modelle, Modelle,<br />

Modelle gebaut werden.<br />

In diesem Raum sollte sich die<br />

Geschichte sozusagen verselbständigen<br />

und Erlösung durch<br />

das versuchte Entgegenkommen<br />

des Werkes „<strong>Parsifal</strong>“ zu<br />

einem gegenwärtigen Bedürfnis<br />

erfahrbar werden. So konnte<br />

ich dem Stück aber nicht gerecht<br />

werden und brach zu neuen<br />

Ufern auf.<br />

Meier-Dörzenbach: Dann<br />

spielte auch eine zeitlang Berlin,<br />

dann die Metropole per se<br />

eine ganz zentrale Rolle in<br />

unseren Überlegungen –geboren<br />

aus dem von Stefan schon<br />

angesprochenen Impuls, sich in<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ mit deutscher Geschichte<br />

auseinanderzusetzen<br />

und ihn als Zeitreise zu erzählen<br />

–allerdings mit einem anderen<br />

Zentrum.<br />

Herheim: Wenn man sich<br />

einem Stück, einer neuen Partitur<br />

annähert, dann gibt es oft<br />

ganz schnell spezifische Bilder,<br />

aber diese Bilder sind noch<br />

nicht gerahmt. So wusste ich<br />

zum Beispiel bei unserer Grazer<br />

„Carmen“-Inszenierung sofort,<br />

dass es sich um eine Art Hinrichtungsstätte<br />

der vermeintlichen<br />

Realität handeln musste –<br />

ein Zentrum, um das alle kreisen.<br />

Dabei geht es um das Nachspüren<br />

von ganz klaren Mechanismen,<br />

und es dauert oft lang,<br />

bis man dieses Gefühl konkret<br />

als Vorstellung fassen kann, bis<br />

man so einen Raum gestalten,<br />

betreten, in ihm leben, fühlen<br />

und denken kann, ohne dass er<br />

kaputt geht. Das ist wie in der<br />

Liebe. Man stellt seine Beziehungsfähigkeit<br />

auf die Probe.<br />

Scheele: Man hat eben eine<br />

Idee, entwickelt daraus einen<br />

Raum, doch der muss dann<br />

plötzlich wieder ganz anders<br />

bespielt werden. Und so gibt es<br />

so etwas wie eine Spiralbewegung,<br />

bis alles seinen Platz gefunden<br />

hat. Auch beim „<strong>Parsifal</strong>“<br />

sind wir letztlich wie die<br />

Katze um den heißen Brei herumgeschlichen.<br />

In spiralförmigen<br />

Bewegungen immer drum<br />

herum und zuletzt eben doch<br />

nicht vorbei.<br />

Meier-Dörzenbach: Gerade<br />

das lange Aushalten der wechselnden<br />

Spannungen von<br />

Bauch und Kopf in der Konzeptionsphase,<br />

das ständige<br />

Überprüfen und Redigieren,<br />

Erweitern und Konzentrieren<br />

und vor allem die Bereitschaft,<br />

permanent Perspektiven zu<br />

wechseln führt zu einer kaleidoskopartigen<br />

Vielfarbigkeit,<br />

die doch immer ein klares Zentrum<br />

ausweist, das sich erst<br />

allmählich räumlich und verbal<br />

herausschälen lässt.<br />

Scheele: Es bleibt dabei aber<br />

immer etwas hängen. Gesines<br />

Kostüme für die Blumenmädchen<br />

im zweiten Aufzug beispielsweise<br />

sind auch Anleihen<br />

an einen früheren Konzeptentwurf<br />

en, in dem „<strong>Parsifal</strong>“ in<br />

einer Großstadt spielen sollte.<br />

Dort sollte der zweite Akt im<br />

Hinterhof von Klingsors Nachtklub<br />

„The Spear“ spielen, in<br />

dem eine Art Charrell-Revue<br />

stattfindet. Schade, dass sie<br />

jetzt nicht dabei ist, dann könnte<br />

sie von ihrer genauen Recherche<br />

und der Umsetzung erzählen.<br />

Meier-Dörzenbach: Und das<br />

nicht nur in den bei bunten Federn-<br />

und Perlenfreuden, sondern<br />

auch in der Erfindung der<br />

Gralsritter –eine Kombination<br />

aus kindlichem Matrosenanzug<br />

und pickelhaubigem Soldaten.<br />

Die schillernden Revuegirls beispielsweise<br />

bilden den Kontrast<br />

zur lustverdrängenden aber erlösungssüchtigen<br />

Epoche des<br />

Wilhelminismus. Interessant<br />

ist, dass oft, wenn Entscheidungen<br />

für bestimmte Örtlichkeiten<br />

wirklich konkret geworden<br />

sind, man auf anderen Wegen<br />

zu Dingen zurückkommt, die<br />

man schon verworfen hatte –<br />

Stefan hat es vorhin „Mechanismus“<br />

genannt: Bestimmte<br />

Kernideen lassen sich doch immer<br />

wieder finden. Ob nun im<br />

Bühnenbildneratelier, in der<br />

Stadtlandschaft Berlin oder im<br />

Haus Wahnfried. Letztlich sind<br />

das ästhetische Techniken, mit<br />

denen sich bestimmte Inhalte<br />

dann sinnlich vermitteln lassen.<br />

Schachtsiek: Das bedeutet<br />

ja, dass die konkrete Bühnenbildidee<br />

Haus Wahnfried und<br />

damit die Entscheidung, die<br />

wilhelminische Gesellschaft<br />

und den Ort, an dem der „<strong>Parsifal</strong>“<br />

entstanden ist und nun aufgeführt<br />

wird zu thematisieren,<br />

erst spät entstanden ist.<br />

Meier-Dörzenbach: Vermutlich<br />

war das, was nun „Haus<br />

Wahnfried“ geworden ist, von<br />

Anfang an da, aber noch kein<br />

konkretes Bild, das alle erzählerischen<br />

Anliegen – die Entwicklungpsychologie<br />

des Jungen,<br />

das kunstreligiöse Verklären<br />

und die deutsche Identitätssuche<br />

in der Geschichte –zusammenführen<br />

konnte.<br />

Herheim: Wir kamen immer<br />

wieder zurück auf die wilhelminische<br />

Zeit und dieses extreme<br />

Phänomen, dass bestimmte<br />

imperialistische Aspek-<br />

te verdrängt und zugleich in der<br />

Kunst verherrlicht werden.<br />

Doch ich konnte die Werk immanenten<br />

Widersprüche nicht<br />

bildlich fassen und suchte lange<br />

nach einer Übersetzung, einer<br />

Abstraktion des Vorgangs. Und<br />

dann wurde es klar, dass die<br />

Verortung nur just jenes Wahnfried,<br />

dort wo „mein Wähnen<br />

Frieden fand“, sein konnte...<br />

Schachtsiek: Das war doch<br />

der Moment, in dem Du in die<br />

Produktion eingestiegen bist,<br />

oder Heike?<br />

Scheele: Ja, Stefan hat alles<br />

Vorherige verworten und mich<br />

gefragt, ob ich einsteige. Ich<br />

habe mir das einen Tag überlegt,<br />

und dann bin ich nach Berlin<br />

gezogen, in Gesines Wohnung<br />

und wir haben dort letztlich<br />

zehn Wochen lang rund um<br />

die Uhr an der Ausgestaltung<br />

der dieser Konzeption gearbeitet.<br />

Der Wahnfried-Gedanke<br />

war dann ziemlich schnell da.<br />

Und dass sich die Bühne dreht,<br />

aber immer alles irgendwie<br />

gleich bleibt. Dass es eine Art<br />

Negativseite gibt, oder Traumseite,<br />

die sich eben doch nicht<br />

als eine andere erweist, das war<br />

tatsächlich schon früh wichtig.<br />

Meier-Dörzenbach: So wie ja<br />

auch der Zaubergarten Klingsors<br />

lediglich auf der Ostseite<br />

des Gralsberges blüht…<br />

Scheele: Zunächst gab es in<br />

diesem Raum vier Betten und<br />

ganz viele Möglichkeiten. Einige<br />

Teile der Elemente, die in<br />

der jetzt realisierten Variante<br />

zur Stimmung beitragen, gab es<br />

aber schon, so die Tapeten, die<br />

Bäume, die ins Zimmer ragen.<br />

Und märchenhafte Durchblicke:<br />

den Gruselfilm im Kinderzimmer.<br />

Dann haben wir angefangen<br />

zu kondensieren.<br />

Schließlich trat die Idee hinzu,<br />

dass sich alles in einem Garten<br />

abspielt, der sich stets verändert<br />

und doch immer gleich<br />

bleibt.<br />

Herheim: „Verwandlung“<br />

war mir von Anfang an ein zentrales<br />

Stichwort. Nicht nur Zeit,<br />

sondern auch Seele muss hier<br />

zum Raum werden und umgekehrt.<br />

Meier-Dörzenbach: Wobei<br />

Innen und Außen, Raum und<br />

Zeit keine verlässlichen Konstanten<br />

sein durften, sondern<br />

vielmehr ausgefranste Begrifflichkeiten,<br />

mit denen man etwas<br />

zu halten versucht, das sich<br />

nicht halten lässt.<br />

Scheele: Ganz genau. Also<br />

brauchten wir trotz eines assoziativ<br />

aufgeladenen Raums eine<br />

Flexibilität. Nun fuhren Bäume<br />

von rechts nach links und zurück,<br />

doch die Mitte, die war<br />

immer noch leer, sie war in gewisser<br />

Weise der Joker. Und<br />

eines Tages hat Stefan dann<br />

einen von Gesines blauen Frühstückstellern<br />

in mein Modell<br />

gestellt. Erinnerst Du Dich? Du<br />

hast ihn hineingestellt und lange<br />

sinnend geguckt? Damit war<br />

der Brunnen da und damit ging<br />

es eigentlich erst richtig los, mit<br />

den ganzen Zaubermitteln im<br />

Wahnfried-Garten. Die Rotunde<br />

des Hauses wurde umgedreht<br />

und es ergaben sich ganz<br />

neue Möglichkeiten.<br />

Herheim: Es wurde immer<br />

klarer, dass Wahnfried nicht<br />

abstrakter Hintergrund bleiben<br />

darf, sondern tatsächlich viel<br />

tiefer greifen muss –eben mythisch,<br />

historisch und zugleich<br />

psychologisch gegenwärtig.<br />

Meier-Dörzenbach: Mir war<br />

immer der Ausgang von einer<br />

wilhelminischen Erlösungsund<br />

Heilssehnsucht wichtig.<br />

Der Grüne Hügel als eine Art<br />

akustisch motivierter Zauberberg,<br />

der zwischen Askese und<br />

Erotik alles verschlingt und am<br />

Ende die Subjektivität auflöst.<br />

Herheim: Richtig, Du dachtest<br />

da auch an medizinische-<br />

Heilkuren, doch ich konnte<br />

damit nicht so viel anfangen.<br />

Meier-Dörzenbach: So dass<br />

wir diesen Vorgang nun noch<br />

mehr ins Metaphysische projiziert<br />

und uns auf Heilkunststatt<br />

Heilwassergenuss bezogen<br />

haben.<br />

Scheele: Und als allerletztes<br />

Element kam dann noch das<br />

Grab ins Bühnenbild. Wir haben<br />

uns sozusagen von hinten<br />

nach vorne gearbeitet. Wie es<br />

zu diesen großen Fortschritten<br />

kommt, kann man letztlich gar<br />

nicht beschreiben, sie entstehen<br />

immer unerwartet und irgendwie<br />

magisch. Und der letzte<br />

Sprung sind dann immer die<br />

ersten Probentage. Obwohl<br />

eigentlich gar nicht viel passiert,<br />

gibt es noch einmal einen<br />

großen Sprung vorwärts. Wie<br />

schreibt Peter Brook in seinem<br />

Buch „Der leere Raum“? Die<br />

Konzeptionsprobe ist eigentlich<br />

nur dafür da, dass man sie überlebt<br />

und dann zu arbeiten beginnen<br />

kann.<br />

Schachtsiek: Jetzt haben wir<br />

so viel über die Um- und Irrwege<br />

der szenischen Vorbereitungen<br />

geredet, wie war denn die<br />

Vorbereitung aus Ihrer Sicht,<br />

Maestro?<br />

Gatti: Wie ich schon sagte,<br />

haben wir uns zwar drei-, viermal<br />

in den vergangenenJahren<br />

getroffen, um über die Konzeption<br />

zu reden, die wirklich gemeinsame<br />

Arbeit hat aber erst<br />

hier begonnen, als wir anfingen<br />

musikalisch zu arbeiten. Ich<br />

hatte Gelegenheit, im Januar in<br />

Rom eine konzertante Aufführung<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“ zu erarbeiten<br />

und konnte mich dabei<br />

ganz detailliert mit dem Werk<br />

auf musikalischer Ebene auseinandersetzen,<br />

mit den Sängern<br />

am Textausdruck zu arbeiten,<br />

Farben und den richtigen<br />

Ausdruck zu finden. Nun kann<br />

ich diese Entscheidungen noch<br />

einmal überdenken, auch im<br />

Hinblick auf das Szenische.<br />

Fortsetzung auf Seite 14


Nordbayerischer Kurier<br />

14 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

Fortsetzung von Seite 13<br />

Gatti (Fortsetzung): Bei einer<br />

konzertanten Aufführung konzentriert<br />

man sich auf die Musik<br />

und den Text, aber die Erfahrung<br />

geht eben über das Hörbare,<br />

meinen engeren Arbeitsbereich,<br />

nicht hinaus. Mein<br />

Grundkonzept ist natürlich dasselbe<br />

geblieben, doch es muss<br />

für die Situation hier adaptiert<br />

werden. Die Arbeit mit den<br />

Sängern war sehr tiefgreifend.<br />

Wir haben viel am Text und an<br />

den Stimmfarben gearbeitet –<br />

wir versuchen, alle der Tausenden<br />

von Ausdrucksmöglichkeiten<br />

der menschlichen Stimme<br />

zu nutzen. Was ich an Stefan<br />

wirklich schätze, ist, dass er<br />

selbst Musiker ist; er hat die Fähigkeit,<br />

Musik zu verstehen, sie<br />

zu lesen und genau nachzuvollziehen,<br />

was in der Partitur niedergeschrieben<br />

ist. Das hat zu<br />

einer ganz besonderen Zusammenarbeit<br />

geführt und ich habe<br />

auch aktiv an den szenischen<br />

Proben Teil.<br />

Herheim: Ja, es ist wirklich<br />

wunderbar, wie Du die Sänger<br />

immer aufforderst, alles Szenische<br />

noch viel genauer zu machen,<br />

insofern es aus der Musik<br />

hervorgeht.<br />

Gatti: Es gibt ja bei Wagner<br />

musikalisch so viele dramatische<br />

Möglichkeiten, er hat keine<br />

Detailvorschriften zu forte,<br />

mezzoforte, piano, legato usw.<br />

gemacht. So gibt es die Freiheit,<br />

die Sänger darum zu bitten,<br />

in einem bestimmten Moment<br />

ihre Stimme auf ganz<br />

spezifische Weise einzusetzen.<br />

So haben wir zum Beispiel<br />

ganz ausführlich an Gurnemanz<br />

gearbeitet und unsere<br />

Bühnenfigur erscheint nun als<br />

ein sehr leidenschaftlicher<br />

Mann. Unser Gurnemanz-Sänger<br />

Kwangchul Youn hat eine<br />

ganz besondere Fähigkeit sein<br />

piano einzusetzen –sodass uns<br />

seine Erzählung plötzlich als<br />

Drama ganz nahe kommt. Wir<br />

erfahren, was in seinem Herzen<br />

vor sich geht, anstatt bloß<br />

einem Sänger zuzuhören, der<br />

uns eine Geschichte erzählt.<br />

Ähnlich ergiebig und präzise ist<br />

die Arbeit mit unserer Kundry,<br />

Mihoko Fujimura. Vielleicht<br />

bringe ich das als ein Dirigent<br />

mit, der sehr viel italienisches<br />

Opernrepertoire, aber auch<br />

mitteleuropäisches symphonisches<br />

Repertoire dirigiert hat.<br />

Ich bitte die Sänger immer<br />

theatral zu gestalten und ich<br />

bin sehr froh, dass Stefan da<br />

ganz auf meiner Linie ist. Mal<br />

macht er mir einen Vorschlag,<br />

mal mache ich ihm einen Vorschlag.<br />

Erst heute morgen haben<br />

wir mit Thomas Jesatko<br />

geprobt, unserem Klingsor, und<br />

fanden in der Partitur ein For-<br />

te, dann ein Piano im nächsten<br />

Takt und dann eine Pause. Mir<br />

lag viel daran, diesen Wechsel<br />

szenisch zu motivieren. Eine<br />

Kleinigkeit, eine Bewegung des<br />

Kopfes oder einer Hand genügt,<br />

doch es muss einen<br />

Stimmungswechsel geben, eine<br />

neue Farbe ist immer eine Änderung<br />

der Stimmung. Natürlich<br />

benötigt man für diese Art<br />

zu arbeiten viel Zeit, aber ich<br />

glaube, dass das Ergebnis faszinierend<br />

sein kann, und ich<br />

hoffe, dass das Publikum etwas<br />

davon mitbekommen wird-<br />

Schachtsiek: Das ist eine besondere<br />

Art zu arbeiten. Sie<br />

proben ja, anders als an normalen<br />

Operhäusern, hier jeden<br />

Tag, und dann auch noch stets<br />

szenisch-musikalisch und dann<br />

so detailliert und intensiv.<br />

Gatti: Ich muss sagen, ich<br />

fühle mich trotzdem nicht gestresst.<br />

Nun arbeiten wir hier<br />

schon vier Wochen ohne einen<br />

einzigen probenfreien Tag.<br />

Aber mir gefällt das, es ist glaube<br />

ich ein Faktor dessen, was es<br />

so anziehend macht, nach Bayreuth<br />

zu kommen. Diese Musik<br />

und diese Oper sind so fantastisch<br />

–ich scheine ihrer nicht<br />

müde zu werden. Jeden Tag<br />

freue ich mich, auf die Probe<br />

gehen zu können.<br />

Scheele: Alle sind hier auf<br />

besondere Weise konzentriert,<br />

weil man immer unter Zeitdruck<br />

arbeitet. Niemand kann<br />

hier unvorbereitet anzukommen<br />

und erwarten, dass ihm<br />

jemand erst sagt, wo es langgehen<br />

soll.<br />

Herheim: Es liegt aber auch<br />

immer daran, wie man den Leuten<br />

gegenüber trittt. Man muss<br />

jeden der Wege, den man gemeinsam<br />

gehen will, auch<br />

schmackhaft machen können.<br />

Man lotet dabei ihre Grenzen<br />

aus –bei der Theaterarbeit geht<br />

es immer um Grenzen, die gedehnt<br />

werden wollen und müssen,<br />

auch die eigenen.<br />

Scheele: Man muss aber<br />

auch sagen, dass man hier mit<br />

offenen Armen empfangen<br />

wird, wenn man etwas will. Der<br />

Ehrgeiz aller Beteiligten und die<br />

Freunde daran, dass ist schon<br />

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etwas ganz besonderes. (Die<br />

Mitarbeiter der Kantine des<br />

Festspielhauses haben inzwischen<br />

alle Gläser abgeräumt<br />

und weggespült. Nur der Tisch<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“-Teams ist noch<br />

besetzt. Ob jemand noch etwas<br />

trinken möchte, oder ob sie die<br />

Küche nun schließen darf,<br />

möchte sie wissen. Sie darf.)<br />

Gatti: Wir versuchen all das,<br />

was an Klang in der Partitur angelegt<br />

ist, in eine szenische Atmosphäre<br />

zu übersetzen, eine<br />

ganz besondere Atmosphäre für<br />

die Sänger. So versuchen wir<br />

der Idee des „Gesamtkunstwerks“<br />

nahe zu kommen –um<br />

ein Wort Wagners zu benutzen.<br />

Das ist das besondere an unserer<br />

Zusammenarbeit hier in<br />

Bayreuth. Es ist nicht so, dass<br />

jeder hier mit einem fertigen<br />

Konzept kommt, das dann eins,<br />

zwei umgesetzt wird. Nein, Stefan<br />

versucht alle Sänger in eine<br />

Situation zu versetzen, in der<br />

sie nicht nur gut singen, sondern<br />

etwas auszudrücken vermögen.<br />

Ja, es gibt auch ein inhaltliches<br />

Konzept, eine Deutung,<br />

aber für mich besteht Regie<br />

vor allem darin, dass man<br />

die Sänger dazu bringt, zu spielen.<br />

Es gibt nicht einen einzigen<br />

Takt, in dem das Bühnengeschehen<br />

statisch bleibt, wo einfach<br />

nur gesungen würde. Im<br />

zweiten Aufzug zum Beispiel ist<br />

der Chor der Blumenmädchen<br />

ununterbrochen in Bewegung –<br />

und das ist das, was, zumindest<br />

aus meiner Sicht, die Aufgabe<br />

von Regie ist. Ja, konzeptionelle<br />

Überlegungen sind ungeheuer<br />

wichtig, doch ist entscheidend,<br />

ob es gelingt, einem vierzig minütigen<br />

Duett wie gegen Ende<br />

des zweiten Aufzugs eine szenische<br />

Spannung zu verleihen.<br />

Dazu muss man die Figuren<br />

entwickeln und zwar mit theatralen<br />

Mitteln.<br />

Schachtsiek: Im Zentrum<br />

steht also Wagners Musikdrama<br />

als Theater? Ich finde es sehr<br />

schön, dass Sie das so formulieren,<br />

weil ich in den Proben den<br />

Eindruck hatte, dass Ihr Ansatz<br />

und der Deines Regieteams,<br />

Stefan, sich hier treffen. Zu Eurem<br />

Weg der Auseinandersetzung<br />

gehört es auch, sich ein<br />

Stück weit vom Gedankenkonstrukt<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“ zu lösen und<br />

genau auf das Theater zu hören,<br />

das sich in der Musik ereignet.<br />

Sowohl im ersten, als auch im<br />

zweiten Akt gibt es ganz viele<br />

Momente, wo dadurch die Musik<br />

plötzlich eine andere Qualität<br />

kriegt, was ich sehr spannend<br />

finde. Es gibt einzelne fast<br />

operettenartige Momente, die<br />

mich besonders faszinieren,<br />

weil sie so weit von dem weg<br />

sind, was ich bei „<strong>Parsifal</strong>“ erwarte.<br />

Und als ich für die Beilage<br />

zu rekonstruieren versucht<br />

habe, wie „<strong>Parsifal</strong>“ im Verlauf<br />

der Rezeptionsgeschichte<br />

wahrgenommen wurde, sind<br />

diese Aspekte auch immer wieder<br />

aufgetaucht: Es ist eben –<br />

auch –großes Theater.<br />

Herheim: Absolut. Was wir<br />

machen, ist eine ernsthafte<br />

handwerkliche Benennung dieser<br />

Aspekte der Partitur, die wir<br />

dann auch relativ stabil einlösen.<br />

Meier-Dörzenbach: Auch<br />

wenn Wagner sein „Bühnen-<br />

weihfestspiel“ schon nominell<br />

von der gemeinen Oper des<br />

Amusements trennen wollte,<br />

liegt ja gerade in einem Theater,<br />

dass sich seiner Theatralität<br />

bewusst ist, ein Konzept, das alle<br />

vier Elemente des Genres sui<br />

generis bedient. Die ernsthafte<br />

Einlösung liegt eben auch in der<br />

bewussten Annahme der eigenen<br />

medialen Begrenzungen.<br />

Eine bewusste Desillusionierung<br />

kann etwas Verzauberndes<br />

haben.<br />

Schachtsiek: Aber die These,<br />

die Du immer wieder so stark<br />

machst, gibt es doch auch: Nach<br />

Bayreuth pilgert man seit 1882<br />

der Erlösung wegen und die<br />

Frage ist, ob das auch 2008<br />

noch so ist.<br />

Herheim: Dieses Verständnis<br />

von Bayreuth zeugt eben von<br />

einem Missverständnis. Die tradierten<br />

Erwartungshaltungen,<br />

mit denen wir groß werden,<br />

entsprechen oft nicht der Wirklichkeit.<br />

Das Bayreuth, das sich<br />

die Leute imaginieren, ist weitgehend<br />

eine Illusion, die von<br />

dieser Illusion wiederum lebt.<br />

Um dieses Phänomen und seine<br />

historischen Folgen, aus denen<br />

wir Gegenwart gestalten, geht<br />

es mir. Es geht um den Prozess,<br />

dem wir uns hier, an diesem Ort<br />

– und zwar nicht nur wir als<br />

Team, sondern auch unser Publikum<br />

-aussetzen. Dieser Ort<br />

provoziert ganz konkrete historische<br />

und zeitgenössische Diskurse<br />

rund um den „<strong>Parsifal</strong>“<br />

und wir haben versucht, diese<br />

Konzeption aus seiner eigenen<br />

Geschichte theatral immer weiter<br />

zu entwickeln.<br />

Schachtsiek: Ist das also das<br />

Fazit: Am Ende ist –trotz aller<br />

Aura des Ortes –auch das Bayreuther<br />

Festspielhaus nur ein<br />

Theater?<br />

Gatti: Nehmen Sie es mir<br />

nicht übel, dass ich das sage,<br />

aber wenn Sie in der Mailänder<br />

Scala „Falstaff“ oder „Otello“<br />

dirigieren, Werke, die auch für<br />

dieses spezifische Haus geschrieben<br />

wurden, ist es nicht<br />

viel anders. Man wird Teil einer<br />

großen Tradition. Man fällt ein<br />

wenig aus seiner eigenen Zeit,<br />

als sei man der Welt entrückt.<br />

Aber wenn man versucht, in<br />

sich die Dinge zu unterdrücken,<br />

die einen selbst ausmachen,<br />

dann kann das sehr gefährlich<br />

werden – insofern muss man<br />

immer weiter arbeiten und<br />

arbeiten. Jeder erwartet von<br />

uns, dass wir hier etwas ganz<br />

Besonderes entstehen lassen.<br />

Und wir versuchen, alles in<br />

unserer Macht stehende dafür<br />

zu tun, so gut wir können.<br />

Schachtsiek: Wenn Sie die<br />

Bayreuther Tradition so stark<br />

als Theatertradition verstehen –<br />

die ist ja auch stark von italienischen<br />

Dirigenten geprägt worden.<br />

Spielt das für Sie eine Rolle?<br />

Gatti: Durchaus. Wenn ich<br />

über die Dirigenten nachdenke,<br />

die vor mir hier dirigiert haben,<br />

und was für Dirigenten das waren,<br />

allein unter den Italienern,<br />

große Dirigenten wie Toscanini,<br />

de Sabata, Erede, und dann<br />

Sinopoli –dann fühle ich mich<br />

verpflichtet, dieses Erbe in<br />

unserer Generation weiterführen.<br />

Diese Verantwortung<br />

macht mich glücklich, aber,<br />

wenn ich ehrlich bin, auch ein<br />

wenig besorgt – beim Gedanken<br />

an jeden einzelnen der Musiker,<br />

die vor uns hier waren.<br />

Nun sind wir hier und in gewisser<br />

Weise erfüllt mich auch ein<br />

Gefühl der Demut. Doch wir<br />

werden das Beste tun, was wir<br />

können, und dann liegt es am<br />

Publikum das Ergebnis zu bewerten.<br />

Schachtsiek: Das wäre ein<br />

sehr schönes Schlusswort,<br />

Maestro Gatti, wenn nicht…<br />

(Mehrere Handys summen,<br />

klingeln, tönen und verkünden<br />

die Ankunft einer sms. Fast<br />

schon unisono freut sich das<br />

Team.)<br />

Scheele, Herheim, Meier-<br />

Dörzenbach: Gesine ist glückliche<br />

Mutter einer gesunden<br />

Tochter geworden!<br />

Schachtsiek: Damit siegt das<br />

Leben ja schon fast über die<br />

Kunst – wie in der Inszenierung.<br />

Meier-Dörzenbach: Nur ist<br />

hier ein Mädchen geboren –<br />

vielleicht liegt ja doch darin das<br />

Geheimnis der Erlösung…<br />

(Das Tonband wird abgeschaltet.<br />

Ein letztes Bier wird<br />

auf das Wohl der neuen Erdenbürgerin<br />

getrunken und alle<br />

machen sich auf den Weg nach<br />

Hause. Die Dame aus der Kantine<br />

kann endlich schließen. In<br />

wenigen Stunden, um 11 Uhr<br />

geht es weiter auf Probebühne<br />

IV.)<br />

Biographien des<br />

„<strong>Parsifal</strong>“-Teams<br />

Daniele Gatti<br />

Daniele Gatti wurde in Mailand<br />

geboren und studierte Klavier,<br />

Violine, Komposition und Dirigieren<br />

am Konservatorium seiner<br />

Heimatstadt. Mit 27 Jahren<br />

dirigierte er erstmals an der<br />

Mailänder Scala, wo er 2007<br />

auch für „Lohengrin“ und 2008<br />

für „Wozzeck“ die musikalische<br />

Leitung hatte. Es schlossen sich<br />

Gastdirigate am Teatro La Fenice<br />

in Venedig, am Teatro Comunale<br />

di Bologna, an der Berliner<br />

Staatsoper sowie an der<br />

New Yorker Metropolitan Opera<br />

an. 1992 -1997 war er Musikdirektor<br />

des Orchesters der Accademia<br />

di Santa Cecilia in Rom,<br />

von 1994 bis 1997 wirkte er als<br />

Principal Guest Conductor am<br />

Royal Opera House Covent Garden.<br />

1996 übernahm er die Leitung<br />

des Royal Philharmonic<br />

Orchestra, dessen Chefdirigent<br />

er nach wie vor ist. 1997 -2007<br />

stand er darüber hinaus dem<br />

Teatro Comunale di Bologna als<br />

Musikdirektor vor. Im Laufe<br />

seiner Karriere hat Daniele Gatti


Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008 <strong>Parsifal</strong> 2008 15<br />

viele bedeutende Orchester dirigiert,<br />

unter anderem die Chicago<br />

Symphony, die London Symphony,<br />

das Symphonieorchester<br />

des Bayerischen Rundfunks, Israel<br />

Philharmonic, New York<br />

Philharmonic, die Wiener und<br />

Berliner Philharmoniker, die<br />

Staatskapelle Dresden sowie das<br />

Boston Symphony Orchestra. An<br />

der Wiener Staatsoper debütierte<br />

er 2002 mit „Simon Boccanegra“<br />

und leitete seither u.a. die<br />

Premierenproduktionen „Otello“,<br />

„Boris Godunow“ und „Moses<br />

und Aron“. 2007/2008 ging<br />

er mit den Wiener Philharmonikern<br />

auf Europatournee, die<br />

ihren Höhepunkt mit dem Verdi-<br />

Requiem im Vatikan fand. Als<br />

Musikdirektor dirigierte er das<br />

Royal Philhamonic Orchestra in<br />

der Royal Albert Hall, der Royal<br />

Restival Hall und alljährlich zum<br />

BBC Proms. Daniele Gatti machte<br />

mehrere Aufnahmen von<br />

Werken Rossinis, Mahlers, Prokofievs,<br />

Bartòks und Respighis<br />

für BMG/RCA Red Seal. Mit<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ gibt er sein Debut bei<br />

den Bayreuther Festspielen.<br />

Stefan Herheim<br />

Stefan Herheim wurde 1970 in<br />

Oslo geboren, wo er u.a. Cello<br />

studierte. Nach Beschäftigungen<br />

an der Norwegischen Opernhochschule<br />

bereiste er das Land<br />

mit seiner eigenen Puppenkompanie.<br />

Er studierte Regie unter<br />

Götz Friedrich an der Hochschule<br />

für Musik und Theater in<br />

Hamburg und erhielt das Diplom<br />

für seine Inszenierung von<br />

„Die Zauberflöte“ im Jahre<br />

1999. Seitdem wohnt er in Berlin,<br />

doch haben ihn seine Arbeiten<br />

von Deutschland auch nach<br />

Schweden, Norwegen, Estland,<br />

Lettland und immer wieder Österreich<br />

geführt. Unter anderem<br />

inszenierte er Verdis „Falstaff“<br />

im Staatstheater Oldenburg,<br />

Mozarts „Così fan tutte“ an der<br />

Volksoper Stockholm, Wagners<br />

„Tannhäuser“ sowie Verdis<br />

„Don Carlo“ am Landestheater<br />

Linz. Für die Münchner Biennale<br />

brachte er zwei Weltpremieren<br />

auf die Bühne: Die Kollektivoper<br />

„Über Frauen – über<br />

Grenzen“ im Jahre 2000 und<br />

André Werners „Marlowe: Der<br />

Jude von Malta“ zwei Jahre später.<br />

Im Jahr 2004 erhielt Herheim<br />

den Götz-Friedrich-Preis<br />

für Regie für seine Produktion<br />

von Bellinis „I Puritani“ am Essener<br />

Aalto-Theater und inszenierte<br />

an der Wiener Volksoper<br />

„Madama Butterfly“. Bei den<br />

Salzburger Festspielen wurde<br />

seine viel diskutierte Interpretation<br />

von Mozarts „Die Entführung<br />

aus dem Serail“ 2006 zum<br />

dritten Mal herausgebracht.<br />

Kontroverse Inszenierungen wie<br />

Händels „Giulio Cesare“ an der<br />

Norwegischen Staatsoper, Verdis<br />

„La forza del destino“ an der<br />

Deutschen Staatsoper Berlin<br />

und Wagners „Das Rheingold“<br />

an der Lettischen Nationaloper<br />

in Riga in Zusammenarbeit mit<br />

dem Bergen Festival haben ihn<br />

zu einem der gefragtesten Regisseure<br />

seiner Generation gemacht.<br />

Seine „Don Giovanni“-<br />

Interpretation am Aalto-Theater<br />

in Essen 2007 wurde von Publikum<br />

und Presse gefeiert. Herheim<br />

hat sowohl an der Opernhochschule<br />

in Oslo als auch an<br />

der Hochschule für Musik,<br />

Hanns Eisler in Berlin sowie auf<br />

internationalen Workshops<br />

unterrichtet. Seine zukünftigen<br />

Projekte umfassen Dvoraks „Rusalka“<br />

in Brüssel, Strauss’ „Der<br />

Rosenkavalier“ in Stuttgart,<br />

Bergs „Lulu“ in Kopenhagen und<br />

Helsinki und von Wagner<br />

„Tannhäuser“ in Oslo und „Lohengrin“<br />

an der Berliner Staatsoper.<br />

Heike Scheele<br />

Heike Scheele hat 1985 ihr Studium<br />

in Bühnenbild und Kostümdesign<br />

bei Erich Wonder mit<br />

dem Kolo-Moser-Preis abgeschlossen.<br />

Sie hat mehrere Jahre<br />

als Assistentin an verschiedenen<br />

Theatern und Opernhäusern<br />

in Berlin gearbeitet, bevor<br />

sie 1989 als freischaffende<br />

Künstlerin ihre Karriere in<br />

Deutschland, Schweden, Österreich,<br />

der Schweiz und Norwegen<br />

begann. Zu den vielen Produktionen,<br />

die Scheele für die<br />

Theater-, Opern- und Musicalbühnen<br />

ausstattete, zählen<br />

Shakespeares „Hamlet“, Schumanns<br />

„Genoveva“, Molières<br />

„Tartuffe“, Leoncavallos „Edipo<br />

Re / Pagliacci“, Tschechows<br />

„Die Möwe“, Bernsteins „West<br />

Side Story“, Kálmáns „Gräfin<br />

Mariza“, Bizets „Die Perlenfischer“,<br />

die Deutschlandpremiere<br />

von Tan Duns Oper „Tee“ und<br />

Kálmáns „Die Csárdásfürstin“.<br />

Zuletzt hatte das Musical „Titanic“<br />

mit einem Bühnenbild von<br />

Heike Scheele in Magdeburg<br />

Premiere. Ihre Zusammenarbeit<br />

mit Stefan Herheim begann<br />

1999 mit einer Produktion von<br />

„Die Zauberflöte“ in Oldenburg,<br />

wo die beiden im Anschluss<br />

auch Verdis „Falstaff“ gemeinsam<br />

herausbrachten. Scheele<br />

stattete auch die Herheimschen<br />

Produktionen von Mozarts „Così<br />

fan tutte“ in Stockholm, Verdis<br />

„Don Carlo“ in Linz, Händels<br />

„Giulio Cesare in Oslo“, Wagners<br />

„Rheingold“ in Riga und<br />

Bergen, sowie „Carmen“ in<br />

Graz aus. Als zukünftige Produktionen<br />

mit ihm sind „Rusalka“<br />

in Brüssel, „Lohengrin“ in<br />

Berlin und „Tannhäuser“ in Oslo<br />

geplant.<br />

Gesine Völlm<br />

Gesine Völlm, geboren in Sindelfingen,<br />

studierte Bühnen–<br />

und Kostümbild bei Jürgen Rose<br />

an der Staatlichen Akademie<br />

der bildenden Künste in Stuttgart.<br />

Nach Arbeiten als freischaffende<br />

Künstlerin war sie<br />

als Bühnenbildassistentin am<br />

Schauspielhaus Hamburg tätig<br />

und arbeitete unter der Intendanz<br />

von Frank Baumbauer mit<br />

Anna Viebrock, Barbara Bürck<br />

und Corinna Bethge. Danach<br />

war Völlm am Staatstheater<br />

Hannover engagiert, wo sie mit<br />

Albrecht Puhlmann und Wilfried<br />

Schulz arbeitete. Dort zeichnete<br />

sie bei Aurelia Eggers verantwortlich<br />

für „Zaide“, „Il Giasone“,<br />

bei Markus Bothe für John<br />

Kaltenbrunners Amerika. Außerdem<br />

arbeitete sie neben Stefan<br />

Thoss auch mit Stefan Otteni<br />

bei „Brüder Löwenherz“ und<br />

„<strong>Parsifal</strong>“. Während ihrer freiberuflichen<br />

Tätigkeit als Kostümbildnerin<br />

und Regisseurin in<br />

Schauspiel, Tanz und Oper<br />

arbeitete sie u.a. mit Jossi Wieler,<br />

Joachim Schlömer am Theater<br />

Basel, mit Anselm Weber im<br />

Schauspiel Frankfurt und am<br />

Wiener Burgtheater, mit Katrin<br />

Beier bei den Nibelungenfestspielen<br />

in Worms, mit Barbara<br />

Frey am Deutschen Theater in<br />

Berlin, mit Philipp Himmelmann<br />

an der Bremer Oper und<br />

an der Deutschen Oper am<br />

Rhein in Düsseldorf. Richard<br />

Wagners „<strong>Parsifal</strong>“ ist die erste<br />

gemeinsame Arbeit mit Stefan<br />

Herheim und Heike Scheele. Im<br />

Dezember 2008 folgt die Oper<br />

„Rusalka“ in Brüssel, im Frühjahr<br />

2009 „Lohengrin“ an der<br />

Staatsoper in Berlin und im<br />

Herbst dann „Rosenkavalier“ an<br />

der Staatsoper Stuttgart.<br />

Alexander<br />

Meier-Dörzenbach<br />

Alexander Meier-Dörzenbach<br />

wurde 1971 in Hamburg geboren<br />

und, nach Abschluss seines<br />

Studiums in Amerikanistik,<br />

Germanistik, Pädagogik sowie<br />

Kunstgeschichte, mit einem interdisziplinären<br />

Thema über<br />

Gertrude Stein, Sherwood Anderson<br />

und die Kunst der Moderne<br />

an der Hamburger Universität<br />

promoviert. Seit Stefan<br />

Herheims Regie-Diplom von<br />

„Die Zauberflöte“ arbeitet er<br />

regelmäßig eng mit ihm zusammen,<br />

so bei „I Puritani“ in<br />

Essen, „Madame Butterfly“ an<br />

der Wiener Volksoper, „Giulio<br />

Cesare“ in Oslo, „La forza del<br />

destino“ an der Berliner Staatsoper,<br />

„Das Rheingold“ in Riga<br />

und Bergen, „Carmen“ in Graz<br />

und „Don Giovanni“ in Essen.<br />

Mit der Regisseurin Karoline<br />

Gruber erarbeitete er zuletzt<br />

die Inszenierung von „Ariadne<br />

auf Naxos“ in Leipzig, die im<br />

Juni 2008 Premiere hatte. Weitere<br />

Projekte mit Stefan Her-<br />

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FESTSPIELNACHRICHTEN<br />

B A Y R E U T H 2008<br />

PREMIEREN-KRITIKEN<br />

AKTUELLE FEUILLETONS<br />

REPORTAGEN<br />

KÜNSTLER-INTERVIEWS<br />

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<strong>Parsifal</strong><br />

Mit großem Wagner-Preisausschreiben<br />

heim sind in Vorbereitung, so<br />

„Lohengrin“ an der Berliner<br />

Staatsoper im April 2009, „Lulu“<br />

in Kopenhagen und „Tannhäuser“<br />

in Oslo. Neben seiner<br />

Dramaturgentätigkeit erfüllt<br />

Meier-Dörzenbach mehrere<br />

Lehraufträge im Fachbereich<br />

Amerikanistik über Literatur,<br />

Malerei und Musik an der Universität<br />

Hamburg, sowie über<br />

Dramaturgie an der Hochschule<br />

für Angewandte Wissenschaften<br />

und ist als Kunst- und<br />

Kulturlehrender freischaffend<br />

tätig.<br />

Musikalisches Bayreuth,nicht nur<br />

zur Festspielzeit: Besuchen Sie auch<br />

das Osterfestival 2009 mit internationaler<br />

Besetzung aus jungen Musikern unter<br />

Leitung von Miguel Gomez-Martinez im<br />

Markgräflichen Opernhaus, einem Juwel<br />

unter den Theaterbauten des 18. Jahrhunderts!Bayreuth<br />

lohnt sich auch im April!<br />

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2008<br />

2008<br />

ESTSPIELE Festspielnachrichten<br />

1) <strong>Parsifal</strong> 2) Tristan u. Isolde<br />

3) Meistersinger<br />

4) Rheingold/ Walküre<br />

5) Siegfried/Götterdämmerung<br />

Preis pro Heft € 3,–


Nordbayerischer Kurier<br />

16 <strong>Parsifal</strong> 2008 Nordbayerischer Kurier - Freitag, 25. Juli 2008<br />

Musikalische Leitung<br />

Daniele Gatti<br />

Inszenierung<br />

Stefan Herheim<br />

Bühnenbild<br />

Heike Scheele<br />

Kostüme<br />

Gesine Völlm<br />

Dramaturgie<br />

Alexander Meier-Dörzenbach<br />

Chorleitung<br />

Eberhard Friedrich<br />

Licht<br />

Ulrich Niepel<br />

Video<br />

fettfilm (M.Hinrichs, T. Møller)<br />

Amfortas<br />

Detlef Roth<br />

Titurel<br />

Diógenes Randes<br />

Gurnemanz<br />

Kwangchul Youn<br />

Titel: Collage von Stefanie<br />

Zwick unter Verwendung<br />

zweier Fotos von Mark Schachtsiek<br />

und Friedrich August von<br />

Kaulbachs „Germania 1914“ //<br />

S. 2: „Wagnergrab mit Villa<br />

Wahnfried“, Foto Mark<br />

Schachtsiek, 2008 / „Bibliothekssaal<br />

in Wahnfried“ (Ausschnitt),<br />

Aquarell von Susanne<br />

Schinkel, 1878 /„Wahnfried im<br />

Winter 1945/46“, unbekannter<br />

Fotograf, Richard-Wagner-Museum<br />

und Nationalarchiv der<br />

Richard-Wagner-Stiftung /„Villa<br />

Wahnfried“, Foto Mark<br />

Schachtsiek, 2008 // S. 3: „Das<br />

Heimweh“, Gemälde von René<br />

Magritte, ©VG-Bild /„Flügel“,<br />

Foto Mark Schachtsiek / „En<br />

mort de Richard Wagner“, Lithographie<br />

von Henri Fantin-<br />

Latour / „Die Erlangung des<br />

Grals“, (Ausschnitte), Gemälde<br />

von Edward Burne-Jones /<br />

„Gurnemanz, I. Akt“, Originalfigurine<br />

von Gesine Völlm // S. 4:<br />

„Cyrille et Alkonost, chanson de<br />

joie et chanson de tristesse“,<br />

Gemälde von Apollinari Mikhaïlovitch<br />

Vasnetsov / „Triumph<br />

des Todes“, Gemälde von Otto<br />

Dix, ©VG-Bild /„Der falsche<br />

Spiegel“, Gemälde von René<br />

Magritte, ©VG-Bild /„Blick in<br />

den Gralstempel“ (Ausschnitt),<br />

Entwurf zur Uraufführung des<br />

„<strong>Parsifal</strong>“ von Paul von Joukowsky<br />

// S. 5: „Enthüllung des Richard-Wagner-Denkmals<br />

(1.<br />

Oktober 1903)“, Gemälde von<br />

Anton von Werner /„Gral. Kakao-Butter-Seife-Gesellschaft<br />

MBH“, Lithographie von Fritz<br />

John /„Wagner mit Kaiser Wilhelm<br />

I. in Bayreuth“, Liebig-<br />

Sammelbild // S. 6: „Helm ab<br />

zum Gebet!“, Kriegspostkarte<br />

von 1914 / „<strong>Parsifal</strong>-Jungen“,<br />

Originalfigurine von Gesine<br />

Völlm /„<strong>Parsifal</strong> hält den Gral<br />

segnend empor“, Lithographie<br />

von Franz Stassen /„Kundry, I.<br />

Akt“, Originalfigurine von Gesine<br />

Völlm /„Die Kunst der Konversation“,<br />

Gemälde von René<br />

Magritte, © VG-Bild / „Gralskelch“,<br />

Entwurf zur Uraufführung<br />

des „<strong>Parsifal</strong>“ von Paul von<br />

Joukowsky /„I. Akt“, Modellfoto<br />

von Heike Scheele /„Amfortas<br />

vollzieht das Gralsmysterium“,<br />

Lithographie von Franz<br />

Stassen /„Bett mit Herzeleide-<br />

Statistin Manuela Bauernfeind“,<br />

Endprobenfoto von Enrico<br />

Nawrath // S. 7: „Germania<br />

1914“, Gemälde von Friedrich<br />

August von Kaulbach / „Die<br />

Mitwirkende <strong>Parsifal</strong> 2008<br />

<strong>Parsifal</strong><br />

Christopher Ventris<br />

Klingsor<br />

Thomas Jesatko<br />

Kundry<br />

Mihoko Fujimura<br />

1. Gralsritter<br />

Arnold Bezuyen<br />

2. Gralsritter<br />

Friedemann Röhlig<br />

1. Knappe<br />

Julia Borchert<br />

2. Knappe<br />

Ulrike Helzel<br />

3. Knappe<br />

Clemens Bieber<br />

4. Knappe<br />

Timothy Oliver<br />

Klingsors Zaubermädchen<br />

Julia Borchert, Martina<br />

Rüping, Carola Guber,<br />

Anna Korondi, Jutta Böhnert,<br />

Ulrike Helzel<br />

Wacht am Rhein (Germania)“,<br />

Gemälde von Hermann Wislicenus<br />

/„Gruß aus Bayreuth“, historische<br />

Postkarte /„Mihoko Fujimura<br />

als Kundry, I. Akt“, Endprobenfoto<br />

von Enrico Nawrath<br />

/ „Wilhelminische Herren“, 3<br />

Originalfigurinen von Gesine<br />

Völlm /„Helgoland. Die Kaiserpfalz<br />

im Meere“, Gemälde von<br />

Eduard Daelen /„Gralsspeisung<br />

mit Detlef Roth als Amfortas<br />

und Chorherren“, Endprobenfoto<br />

von Enrico Nawrath // S. 8:<br />

„Die Proklamation des Deutschen<br />

Kaiserreiches (18. Januar<br />

1871)“ (Ausschnitt), Gemälde<br />

von Anton von Werner /„Unterzeichnung<br />

des Versailler Vertrages<br />

im Spiegelsaal zu Versailles<br />

1919“, Gemälde von William<br />

Orpen /„Dem Unbekannten<br />

Britischen Soldaten in<br />

Frankreich“ (Ausschnitt), Gemälde<br />

von William Orpen /„II.<br />

Akt“, Modellfoto von Heike<br />

Scheele /„Le Hamlet polonais:<br />

portrait d’Aleksander Wielopolski“,<br />

Gemälde von Jacek Malczewski<br />

/ „Demonstration von<br />

Kriegsversehrten für Entschädigungen<br />

auf dem Weg zum<br />

Kriegsministerium Dezember<br />

1918“, unbekannter Fotograf /<br />

„Die Versuchung des heiligen<br />

Antonius“, Pastell von Félicien<br />

Rops // S. 9: „Der Spiegelsaal<br />

des Versailler Schlosses als Larzarett<br />

nach dem 19. Januar<br />

1871“, unbekannter Fotograf /<br />

„Rockettes“, Foto von Cosmo-Sileo<br />

© MSG Entertainment /<br />

„Szene mit Thomas Jesatko als<br />

Klingsor“, Endprobenfoto von<br />

Enrico Nawrath /Filmplakat zu<br />

„Der blaue Engel“ /„Klingsor“,<br />

Originalfigurine von Gesine<br />

Völlm /„Christopher Ventris als<br />

<strong>Parsifal</strong> mit den Solo-Blumenmädchen<br />

Julia Borchert, Martina<br />

Rüping, Carola Guber, Anna<br />

Korondi, Jutta Böhnert und Ulrike<br />

Helzel“, Endprobenfoto von<br />

Enrico Nawrath / „Die sieben<br />

Todsünden“, Gemälde von Otto<br />

Dix, ©VG-Bild /„Blumenmädchen“,<br />

Originalfigurine von Gesine<br />

Völlm /„Trude Hesterberg<br />

1927“, unbekannter Fotograf //<br />

S. 10: „‚<strong>Parsifal</strong>‘-Uraufführung<br />

1882 mit Amalie Materna<br />

(Kundry), Hermann Winkelmann<br />

(<strong>Parsifal</strong>) und Emil Scaria<br />

(Gurnemanz)“, unbekannter<br />

Fotograf; Fotoarchiv der Bayreuther<br />

Festspiele // „Bühnenbildmodell<br />

zu ‚<strong>Parsifal</strong>‘, 2. Akt“<br />

(Ausschnitt), Entwurf von Paul<br />

von Joukowsky, Ausführung<br />

Altsolo<br />

Simone Schröder<br />

Chor und Orchester<br />

des Bayreuther Festspiele 2008<br />

Statisterie der<br />

Bayreuther Festspiele<br />

bildnachweise<br />

Studienleiter<br />

Felix Krieger<br />

Solorepetitor und<br />

Musikalische Assistenz<br />

Mats Knutsson<br />

Regieassistenz<br />

Stefan Ruhl, Annette B. Weber<br />

Bühnenbildassistenz<br />

Monika Reichert<br />

Kostümassistenz<br />

Wiebke Warskulat,<br />

Eefke Kretzmer<br />

Dramaturgieassistenz<br />

Mark Schachtsiek<br />

Max und Gotthold Brückner /<br />

„III. Akt“, Modellfoto von Heike<br />

Scheele / „Karfreitagszauber<br />

mit Christopher Ventris als <strong>Parsifal</strong>,<br />

Kwangchul Youn als Gurnemanz<br />

und Mihoko Fujimura<br />

als Kundry“, Endprobenfoto von<br />

Enrico Nawrath / „Trümmerfrauen“,<br />

Originalfigurine von<br />

Gesine Völlm // S. 11: Szenenfoto<br />

I. Akt „<strong>Parsifal</strong>“, Bayreuther<br />

Festspiele 1958 (Regie und Ausstattung:<br />

Wieland Wagner),<br />

Bildarchiv Bayreuther Festspiele<br />

/„Bundestag mit Detlef Roth<br />

als Amfortas und Chorherren“,<br />

Endprobenfoto von Enrico<br />

Narwath /„Abgeordnete“, Originalfigurine<br />

von Gesine Völlm<br />

/„Die Kunst der Konversation“,<br />

Gemälde von René Magritte, ©<br />

VG-Bild /„III. Akt“, Modellfoto<br />

von Heike Scheele // S. 12:<br />

„Herzeleide-Statistin Manuela<br />

Bauernfeind und Regieassistent<br />

Stefan Ruhl“ –„Das <strong>Parsifal</strong>-Baby“<br />

–„Requisitentisch auf Probebühne<br />

IV“ – „Alexander<br />

Meier-Dörzenbach, Stefan Herheim<br />

und Heike Scheele beim<br />

Proben“ –„Herzeleide-Statistin<br />

Manuela Bauernfeind und Regieassistentin<br />

Annette Weber“ –<br />

„Bühnenbildnerin Heike Scheele“<br />

–„Stefan Herheim und <strong>Parsifal</strong>-Junge<br />

Marius Adler“ –„Bühnenbildnerin<br />

und Regisseur<br />

beim Gralsburgbau“ –„Der <strong>Parsifal</strong>-Junge<br />

Marius Adler und<br />

seine Burg“, Impressionen vom<br />

Video-Drehtag, alle Fotos Mark<br />

Schachtsiek /„Christopher Ventris<br />

als <strong>Parsifal</strong> und Kwangchul<br />

Youn als Gurnemanz mit Raban<br />

Fischer als <strong>Parsifal</strong>-Jungen“,<br />

Endprobenfoto von Enrico<br />

Nawrath // S. 13: „Showgirls“,<br />

2Originalfigurinen von Gesine<br />

Völlm /„Szene aus der Charell<br />

Revue ‚Für Dich“, 1925“, unbekannter<br />

Fotograf / „Szene II.<br />

Akt mit Soloblumenmädchen,<br />

Damenchor und Statistinnen“,<br />

Endprobenfoto von Enrico<br />

Nawrath / „Rockettes“, Foto<br />

von Jimmy Sileo, ©MSG Entertainment<br />

/ „Kundry II. Akt“,<br />

Originalfigurine von Gesine<br />

Völlm /Autogrammkarte Marlene<br />

Dietrich, unbekannter<br />

Fotograf /„I. Akt –Sterbezimmer<br />

–frühe Variante“, Modellfoto<br />

von Heike Scheele /„Villa<br />

Wahnfried 2008“, Foto von<br />

Mark Schachtsiek / „I. Akt –<br />

Sterbezimmer –spätere Variante“,<br />

Modellfoto von Heike<br />

Scheele / „Gralstempel der<br />

‚<strong>Parsifal</strong>‘-Uraufführung“, unbe-<br />

Schwarz:<br />

Woran glaubst Du denn?<br />

Lulu:<br />

Ich weiß es nicht.<br />

Schwarz:<br />

Hast Du denn keine<br />

Seele?<br />

Lulu:<br />

Ich weiß es nicht.<br />

Schwarz:<br />

Hast Du schon einmal<br />

geliebt?<br />

Lulu:<br />

Ich weiß es nicht.<br />

Franz Wedekind:<br />

„Der Erdgeist“<br />

kannter Fotograf, Bildarchiv<br />

Bayreuther Festspiele /„Gralstempel“,<br />

Modellfoto von Heike<br />

Scheele /„Blick in den Gralstempel“<br />

(Ausschnitt), Entwurf<br />

zur Uraufführung des „<strong>Parsifal</strong>“<br />

von Paul von Joukowsky /<br />

„Bühnensituation 2. Akt“, Endprobenfoto<br />

von Enrico Nawrath<br />

/„II. Akt“, Modellfoto von Heike<br />

Scheele /„III. Akt“, Modellfoto<br />

von Heike Scheele // S. 14:<br />

„Daniele Gatti, Stefan Herheim<br />

und Mihoko Fujimura bei der<br />

Arbeit“, Probenfoto von Enrico<br />

Nawrath /„Daniele Gatti“, Foto<br />

von Karl-Heinz Lammel // S.<br />

15: „Stefan Herheim“, Foto von<br />

Karl-Heinz Lammel / „Heike<br />

Scheele“, Foto privat /„Gesine<br />

Völlm“, Foto privat /„Alexander<br />

Meier-Dörzenbach“, Foto privat<br />

// Rücktitel: „Frauengestalt mit<br />

Wagners Totemnaske“, Exlibris<br />

von Oskar Leuschner /Historische<br />

Bayreuth-Postkarte<br />

impressum<br />

„<strong>Parsifal</strong> 2008“ –eine Sonderveröffentlichung<br />

des Nordbayerischen<br />

Kuriers.<br />

Verantwortlich i.S.d.P.:<br />

Gert-Dieter Meier<br />

Redaktion:<br />

Mark Schachtsiek,<br />

Dr. Alexander Meier-Dörzenbach<br />

Anzeigenleitung:<br />

Andreas Weiß<br />

Technik/Herstellung:<br />

Wolfgang Döberlein<br />

Verlag: Nordbayerischer KURIER<br />

GmbH &Co. Zeitungsverlag KG,<br />

Theodor-Schmidt-Str. 17, 95448<br />

Bayreuth, und Maximilianstraße<br />

58/60, 95444 Bayreuth<br />

S. 2: Mark Schachtsiek: „Wozu<br />

das Ganze?“, Originalbeitrag /<br />

Hans Mayer: „Richard Wagner in<br />

Bayreuth. 1876-1976“, in: ders.:<br />

„Richard Wagner“, hrsg. v.<br />

Wolfgang Hofer, Suhrkamp Verlag,<br />

Frankfurt/Main 1998, S.<br />

241-244 (250ff) /Nike Wagner:<br />

„Wahn/Fried/Hof“, in: Dies.:<br />

„Wagner Theater“, ©Insel Verlag<br />

Frankfurt/Main und Leipzig<br />

1998, S. 243-425 (256ff) // S. 3:<br />

Stefan Kunze: „Der Kunstbegriff<br />

Richard Wagners“ BE 2058 (Seite<br />

162 bzw. 164 f.) ©Gustav<br />

Bosse Verlag, Kassel / Walter<br />

Benjamin: „Über den Begriff der<br />

Geschichte“, in: Ders.: „Gesammelte<br />

Schriften“ Band I/2, S.<br />

697f. // S. 4/5: Alexander Meier-<br />

Dörzenbach: „Die reine Wahrheit<br />

und die Ware Reinheit“,<br />

Originalbeitrag /S.6:Dietmar<br />

Holland: „Die paradoxe Welt des<br />

‚<strong>Parsifal</strong>’“ in: „Richard Wagner<br />

,<strong>Parsifal</strong>‘. Texte, Materialien,<br />

Kommentare“, Rowohlt Verlag,<br />

Reinbek bei Hamburg 1984, S.<br />

19-29 (28f) / Thomas Mann:<br />

„Leiden und Größe Richard<br />

Wagners“, in: Ders.: „Gesammelte<br />

Werke in 12 Bänden“, S.<br />

Fischer Verlag, Frankfurt/M<br />

1982 /Daniel Roche: „Ein Bett<br />

für zwei“, aus dem Französischen<br />

von Reinhard Kuh, aus:<br />

„Liebe und Sexualität“, Klaus<br />

Boer Verlag, o.O. 1995, S.<br />

205-211 /Oliver Hilmes: „Herrin<br />

des Hügels. Das Leben der<br />

Cosima Wagner“, ©2007 Wolf<br />

Jobst Siedler Verlag, München in<br />

der Verlagsgruppe Random<br />

House GmbH // S. 7: Hans Mayer:<br />

„Richard Wagners geistige<br />

Entwicklung“, in: ders.: „Richard<br />

Wagner“, hrsg. v. Wolfgang<br />

Hofer, Suhrkamp Verlag,<br />

Frankfurt/Main 1998, S. 11-69<br />

(58ff) /Michael Karbaum: „Studien<br />

zur Geschichte der Bayreuther<br />

Festspiele (1876-1976)“, BE<br />

2060 (Seite 9), ©Gustav Bosse<br />

Verlag, Kassel /Hermann Bahr:<br />

„<strong>Parsifal</strong>schutz ohne Ausnahmegesetz“,<br />

Berlin 1915, S.15ff. /<br />

Marcel Habert in der „Patrie“<br />

1909, zitiert nach: „Über Wagner.<br />

Von Musikern, Dichtern und<br />

Liebhabern“, hrsg. v. Nike Wagner,<br />

Philipp Reclam jun. Stuttgart,<br />

1995, S. 194f. /Igor Strawinsky:<br />

„<strong>Parsifal</strong>“, in: Ders.: „Leben<br />

und Werk“, Atlantis-Verlag,<br />

Zürich 1957 // S. 8: Hannah<br />

Arendt: „Elemente und Ursprünge<br />

totaler Herrschaft“,<br />

Frankfurt/M 1955, S. 431f. /<br />

Egon Voss: „Richard Wagners<br />

textnachweise<br />

Gurnemanz:<br />

Wo bist du her?<br />

<strong>Parsifal</strong>:<br />

Das weiß ich nicht.<br />

Gurnemanz:<br />

Wer ist dein Vater?<br />

<strong>Parsifal</strong>:<br />

Das weiß ich nicht.<br />

Gurnemanz:<br />

Wer sandte dich dieses<br />

Weges?<br />

<strong>Parsifal</strong>:<br />

Das weiß ich nicht.<br />

Richard Wagner:<br />

„<strong>Parsifal</strong>“<br />

‚<strong>Parsifal</strong>‘ – Das Spiel von der<br />

Macht der Schuldgefühle“ in:<br />

„Richard Wagner ,<strong>Parsifal</strong>‘. Texte,<br />

Materialien, Kommentare“,<br />

Rowohlt Verlag, Reinbek bei<br />

Hamburg 1984, S. 9-18 (12ff) //<br />

S. 9: Klaus Theweleit: „Männerphantasien“<br />

Copyright ©<br />

1977/78 und 1986 by Stroemfeld<br />

Verlag, Frankfurt am Main<br />

und Basel. Abdruck mit freundlicher<br />

Genehmigung des Stroemfeld<br />

Verlages. Der Band „Männerphantasien“<br />

ist zur Zeit in Lizenz<br />

als Taschenbuch der Serie<br />

Piper (ISBN 3-492-23041-5) lieferbar.<br />

/ Roland Barthes:<br />

„Wahrheit“, in: Ders.: „Fragmente<br />

einer Sprache der Liebe“, aus<br />

dem Französischen von Hans-<br />

Horst Henschen, Suhrkamp Verlag,<br />

Frankfurt/Main 1984, S.<br />

246-248 (246f.) // S. 10: Houston<br />

Stewart Chamberlain:<br />

„<strong>Parsifal</strong>’s Gebet, ein Ostermärchen“,<br />

in: Ders.: „<strong>Parsifal</strong>-Märchen“,<br />

F. Bruckmann A.-G. /<br />

München 1916, S. 27ff / Anonyma,<br />

„Eine Frau in Berlin. Tagebuch-Aufzeichnungen<br />

vom<br />

20. April bis 22. Juni 1945“,<br />

Eichborn, 19,90 Euro /Kazuo Ishiguro:<br />

„Was vom Tage übrigblieb“,<br />

aus dem Englischen von<br />

Hermann Stiehl, btb-Verlag<br />

2005, S. 284ff. Mit freundlicher<br />

Genehmigung des Rowohlt Verlages,<br />

Reinbek bei Hamburg,<br />

und der Paul &Peter Fritz AG,<br />

Zürich // S. 11: Nike Wagner:<br />

„Unbehagen am <strong>Parsifal</strong>“, in:<br />

dies.: „Wagner Theater“, ©Insel<br />

Verlag Frankfurt/Main und<br />

Leipzig 1998, S. 212-234 (201ff)<br />

/Stefan Kunze: „Der Kunstbegriff<br />

Richard Wagners“ BE 2058<br />

(Seite 164 f.) ©Gustav Bosse<br />

Verlag, Kassel /Friedrich Nietzsche:<br />

„Über Wahrheit und Lüge<br />

im außermoralischen Sinne“, in:<br />

Ders.: „Sämtliche Werke. Kritische<br />

Studienausgabe“, Bd. 1,<br />

hrsg. v. G. Colli und M. Montinari,<br />

München 1980ff // S. 12: Das<br />

Gespräch mit dem „<strong>Parsifal</strong>“-<br />

Team entstand für diese Beilage<br />

©Alexander Meier-Dörzenbach<br />

und Mark Schachtsiek. // Alle<br />

Originalbeiträge dieser Beilage<br />

stehen in neuer Rechtschreibung,<br />

historische Texte wurden<br />

in ihrer jeweiligen Rechtschreibung<br />

belassen. Wir danken allen<br />

Rechteinhabern für ihre Unterstützung.<br />

Urheber, die nicht erreicht<br />

werden konnten, werden<br />

um Nachricht zwecks nachträglicher<br />

Rechtsabgleichung gebeten.

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