macht jeden Drecks-Job
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ihrem Schatten genügt, um Angehörige höherer Kasten zu verunreinigen.<br />
Verstohlen hat Schwester Hilaria Soundari ein Stück Sari vor die<br />
Nase geschoben. „Es ist sehr schmerzhaft, das zu sehen“, sagt sie.<br />
„Es ist entwürdigend.“ Die 37-Jährige ist promovierte Sozialwissenschaftlerin,<br />
stammt aus wohlhabender Familie und hätte vermutlich<br />
wie ihre Geschwister eine glänzende Karriere machen können. Aber<br />
dann schickte ihr Orden sie während der Ausbildung aufs Land. „Wir<br />
arbeiteten in den Reisfeldern. Ich fand es furchtbar, wie ich da im<br />
Matsch stand.“ Bis sie auf einmal begriff, dass es die niedere Arbeit<br />
war, gegen die sie sich so sträubte. „Von da an war für mich klar:<br />
Wenn ich etwas tun wollte, dann für die Armen.“<br />
Erste Hoffnungszeichen<br />
Als Schwester Hilaria später nach Vathalagundu kam, sah sie sofort,<br />
wer hier am dringendsten Hilfe brauchte. Beharrlich hat sie Kontakt<br />
zu den Latrinenreinigern gesucht. Die Leute waren skeptisch. Denn<br />
die Ordensfrau ist die Erste, die sich ernsthaft um sie kümmert. Allmählich<br />
jedoch hat sie ihr Vertrauen gewonnen und sie überzeugt,<br />
sich zu organisieren. Heute gibt es drei Selbsthilfegruppen mit rund<br />
50 Mitgliedern. Alle haben sich verpflichtet, 20 Rupien, etwa 40 Cent,<br />
im Monat zu sparen. Aus ihrem Sparfonds können die Scavengers**<br />
Kleinkredite füreinander finanzieren und dem ein oder anderen<br />
irgendwann die Chance geben, sich mit einem Laden oder einer Teestube<br />
selbständig zu machen.<br />
Für Dalits ist das etwas Besonderes. Denn sie stehen außerhalb des<br />
streng hierarchischen Kastenwesens, das die Verfassung zwar seit<br />
1951 verbietet, das aber bis heute soziale Stellung, Beruf, Verbote<br />
und Privilegien bestimmt. Weil Dalits als unrein gelten, finden sie oft<br />
nur als Straßenfeger, Müllsammler oder Kanalreiniger Arbeit.<br />
Mahalakshmi hat inzwischen ihre Schüssel mehrfach gefüllt und<br />
den Inhalt auf einen Haufen geleert. Ein städtischer Lastwagen<br />
wird später vorbeikommen und ihn abholen.<br />
Weiter geht es durch ein Gewimmel von Gassen zur öffentlichen<br />
Toilette. Die Stehklos starren vor Dreck, im Hof tanzen Scharen von<br />
Fliegen um Reihen übelriechender Exkremente. Das bedeutet mindestens<br />
zwei Stunden Arbeit. „Es ist widerlich, die Scheiße von anderen<br />
wegzumachen“, klagt Mahalakshmi.<br />
„Überall wird dieser Beruf<br />
abgeschafft, warum hier nicht?“<br />
Um elf Uhr hat sie es geschafft – fürs<br />
Erste. Mariappan, ihr Mann, ist schon<br />
zu Hause. Auch er ist Latrinenreiniger.<br />
„Manchmal gehen wir zusätzlich in Privathäuser<br />
und reinigen dort die Toiletten“,<br />
erzählen sie zögernd. „Das ist ein<br />
kleines Zusatzeinkommen. Und manchmal<br />
bekommen wir auch Essensreste<br />
von diesen Familien.“ 2000 Rupien,<br />
etwa 40 Euro, bringen sie so im Monat<br />
Sr. Hilaria Soundari, 37, entstammt<br />
einer reichen indischen Familie und<br />
gehört zu den „Sisters of the Cross of<br />
Chavanod”, einem Orden, der sich<br />
besonders für die Armen einsetzt.<br />
Früher stand sie ganz oben in der<br />
Gesellschaft auf der Seite derer, die<br />
das Sagen hatten. Heute kämpft sie<br />
von ganz unten mit den Scavengers<br />
für eine bessere, menschenwürdigere<br />
Zukunft.<br />
FÄKALIEN ZU BESEITIGEN, DAS IST DIE AUFGABE VON LATRINENREINIGERN IN INDIEN.<br />
DIESEN BERUF SUCHT SICH NIEMAND AUS, MAN WIRD „DAFÜR GEBOREN”.<br />
zusammen. „Es reicht nicht. Aber es geht irgendwie“, sagt Mahalakshmi.<br />
Wenn ihre Töchter eine neue Schuluniform brauchen,<br />
müssen sie einen Kredit aufnehmen und mühsam abstottern.<br />
Deswegen sind beide froh, dass es die Selbsthilfegruppen gibt.<br />
Denn dort sind die Zinsen viel niedriger<br />
als bei der Bank. Außerdem<br />
gibt ihnen die Gruppe Gelegenheit,<br />
sich mit anderen auszutauschen.<br />
Hier begegnen sie Menschen, die<br />
wie sie ums Überleben kämpfen und<br />
um ein wenig Anerkennung. „Mein<br />
größter Wunsch ist, dass diese<br />
Arbeit mit uns zu Ende geht“, erklärt<br />
Mahalakshmi. „Unsere Kinder sollen<br />
das niemals machen!“ ■<br />
* Der Begriff Latrine bezeichnet sehr einfach<br />
gehaltene Toiletten oder Senkgruben.<br />
** Die Scavengers gehören zur Gruppe der Dalits<br />
und bilden die unterste Schicht innerhalb<br />
der Kastenlosen. Sie verrichten die niedrigsten<br />
Arbeiten, z. B. Kanal- und Latrinenreinigen.<br />
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