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Im Rückwärtsgang in die schwarze Pädagogik - Aktion Humane ...

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„natürlichen Aggressionsabbau“ stattf<strong>in</strong>den zu lassen. Warum um alles <strong>in</strong> der Welt<br />

e<strong>in</strong>e Zurückweisung des K<strong>in</strong>des, e<strong>in</strong> Kontaktabbruch, zu e<strong>in</strong>em „natürlichen Aggressionsabbau“<br />

führen soll, erklärt er uns nicht. Die Tatsache, dass e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Isolation<br />

nach e<strong>in</strong>iger Zeit ruhig wird, sagt aber auch gar nichts über <strong>die</strong> <strong>in</strong>nere Dynamik<br />

des K<strong>in</strong>des aus. Wer da geglaubt hat, <strong>die</strong> „Supernanny“ sei an Schlichtheit nicht<br />

mehr zu überbieten, f<strong>in</strong>det hier neben verhaltenstherapeutischen Simplifizierungen<br />

auch noch e<strong>in</strong>e eiskalte, lerntheoretisch und neurophysiologisch verbrämte Legitimation<br />

für <strong>die</strong> Abwehr lebendiger menschlicher Beziehungen. Auf der Grundlage von<br />

Beziehungslosigkeit soll hier Beziehungsfähigkeit erzwungen werden.<br />

K<strong>in</strong>der sollen es schwer haben im Leben<br />

E<strong>in</strong>e ebenfalls berechtige Kulturkritik an e<strong>in</strong>er Überflussgesellschaft, e<strong>in</strong>e Kritik <strong>die</strong><br />

breite Zustimmung f<strong>in</strong>den darf, wird aber sogleich genutzt, um gegen Bedürfnisbefriedigung<br />

und Lustorientiertheit zu Felde zu ziehen, denn hier liegt nach se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>schätzung<br />

<strong>die</strong> Ursache der zu beobachtenden schw<strong>in</strong>denden Frustrationstoleranz<br />

unserer K<strong>in</strong>der. Früher, ja früher, da erlebte der Mensch „<strong>die</strong> wahre, ursprüngliche<br />

Fremdbestimmung ... durch Hunger, Kälte oder Krieg“, den Fünfjährigen wurde noch<br />

abverlangt, “längere Zeit sitzend am Tisch zu verbr<strong>in</strong>gen... Die K<strong>in</strong>der mussten zusätzlich<br />

<strong>die</strong> Erfahrung machen, manchmal auch ohne Lust, <strong>die</strong>se Arbeiten ausführen<br />

zu müssen und währenddessen ihre Eigenbedürfnisse zurückzustellen.“ E<strong>in</strong> tiefenpsychologisches<br />

Analysieren und Verständnis der destruktiven Anteile des beschworenen<br />

Erziehungsstils mögen wir schon gar nicht mehr erhoffen. Stattdessen eröffnet<br />

sich hier erneut e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> <strong>die</strong> tiefe Lust- und Triebfe<strong>in</strong>dlichkeit des Verfassers.<br />

All <strong>die</strong>s zeugt von wenig pädagogischer Fachkenntnis und Wissen um lernpsychologische<br />

Erkenntnisse: Nicht nur, dass Lernen unter Lustbed<strong>in</strong>gungen besser gel<strong>in</strong>gt,<br />

gerade das Erlernen von Frustrationstoleranz geschieht bei K<strong>in</strong>dern nicht durch In-<br />

situ-Expositionen 9 aversiver Stimuli 10 , sondern durch Erfahrung von Beziehungen, <strong>in</strong><br />

denen geme<strong>in</strong>sam erlebte Spannungssituationen ertragbar, verstehbar und im besten<br />

Falle <strong>in</strong> der Beziehung bewältigbar werden. Fazit: K<strong>in</strong>der sollten es schwer haben<br />

im Leben.<br />

Uns Erwachsenen fehlt zudem <strong>die</strong> Re<strong>in</strong>igung durch Katastrophen und Elend, <strong>die</strong> uns<br />

wieder demütig und leidensfähig werden lässt. Das Buch h<strong>in</strong>gegen verlangt e<strong>in</strong>em<br />

erwachsenen Menschen e<strong>in</strong>e Menge Leidensfähigkeit ab und verrät uns e<strong>in</strong>iges über<br />

<strong>die</strong> verlorene Frustrationstoleranz und den erlebten Kontaktverlust des Autors im<br />

Umgang mit se<strong>in</strong>en großen und kle<strong>in</strong>en Patienten.<br />

Ach, könnte man <strong>die</strong>ses Buch doch e<strong>in</strong>fach ignorieren!<br />

1Unbed<strong>in</strong>gte Wertschätzung ist e<strong>in</strong>er der Schlüsselbegriffe <strong>in</strong> der Personzentrierten Psychotherapie und me<strong>in</strong>t <strong>die</strong><br />

Wertschätzung, <strong>die</strong> beispielsweise e<strong>in</strong>em K<strong>in</strong>d bed<strong>in</strong>gungslos entgegengebracht wird, also ohne dass das K<strong>in</strong>d<br />

zunächst irgendwelche Erwartungen zu erfüllen hat, für <strong>die</strong> es dann Wertschätzung „ver<strong>die</strong>nt“. Wertschätzung im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er humanistischen Psychologie ist also etwas, was wir unabhängig von unserem Verhalten beanspruchen<br />

dürfen.<br />

2 Psychodynamik me<strong>in</strong>t hier das Zusammenwirken unterschiedlicher Kräfte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Person, meist <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />

<strong>in</strong>neren Konfliktes, <strong>die</strong> zur Erklärung e<strong>in</strong>es bestimmten auffälligen oder unerwünschten Verhaltens <strong>die</strong>nen sollen.<br />

3 Mit Parentifizierung bezeichnet man <strong>in</strong> der Familientherapie e<strong>in</strong> Beziehungsmuster, bei dem <strong>die</strong> K<strong>in</strong>der nicht<br />

mehr <strong>in</strong> ihrer Rolle als K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Familie, sondern als Partner oder Eltern fungieren<br />

4 Fraktionierung me<strong>in</strong>t <strong>die</strong> Zergliederung des Menschen bzw. se<strong>in</strong>er Ganzheit <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelteile und <strong>die</strong> Behandlung<br />

<strong>die</strong>ser E<strong>in</strong>zelteile <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise, als hätten wir es noch mit dem ganzen Menschen zu tun.

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