StBZ-Jun_2010.pdf / 5 770 258 Byte - Steirischer ...
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Blasmusik in der Steiermark 15<br />
<strong>Jun</strong>i 2010 – 02/10<br />
Praxis erfahrbar machen. Dazu muss man aber „Mehrsprachigkeit“<br />
als positiven Wert anerkennen. Scheinbar ist aber schon das mittlerweile<br />
keine Selbstverständlichkeit mehr! Eine „unbewusste“<br />
Pflege dieser Tradition kann nämlich auch äußerst bedenkliche<br />
Erscheinungen hervorrufen.<br />
An erster Stelle steht dabei für mich der in vielen Titeln markant<br />
präsente Militarismus und Heroismuskitsch. Natürlich hat „man das<br />
damals anders gesehen“, war die Gesellschaft als Ganzes von weitgehend<br />
unrelativierten Vorstellungen von „Heldentod“ und<br />
„Vaterland“ beherrscht (vor allem formuliert von den Schichten,<br />
die davon profitierten, deutlich weniger von jenen, die im Be -<br />
darfsfall dann den Kopf hinzuhalten hatten!), aber schon während<br />
des Weltkriegs, an dessen Ende auch das Ende „Altösterreichs“ stehen<br />
sollte, wurde jedem Vollsinnigen klar, dass diese Normen keine<br />
Geltung mehr beanspruchen durften.<br />
Gegensätze zwischen Johann Strauß Vater und Sohn<br />
Nach den später im 20. Jahrhundert gemachten, zum Teil noch viel<br />
schlimmeren Erfahrungen sollte es jedenfalls heute nicht mehr<br />
möglich sein, den Heroismuskult in den Titeln dieser Stücke unkommentiert<br />
zu lassen.<br />
Um konkret zu bleiben: „Der Traum eines österreichischen<br />
Reservisten“ ist deshalb nicht zu „verbieten“, das wäre lächerlich<br />
und dumm, aber: Unkommentiert darf man den hier gefeierten<br />
Militarismus heute nicht mehr lassen, will man nicht die hier vorausgesetzten<br />
„Werte“ als auch in der Gegenwart unverändert gültig<br />
bezeichnen.<br />
Eine kleine Anregung dazu: Kombinieren Sie die Aufführung<br />
des Stücks einmal mit Texten aus jener Zeit, die schon damals<br />
den Heroismus nicht unkritisiert gelassen haben (etwa<br />
Texte aus Karl Kraus’ „Die letzten Tage der Menschheit“). Zweitens<br />
ist es generell dem Publikum bei Konzerten zuzumuten, im<br />
Rahmen der Moderation die jeweiligen geschichtlichen<br />
Umstände zu erwähnen, die bei der Entstehung beispielsweise<br />
zahlreicher altösterreichischer Militärmärsche eine<br />
Rolle gespielt haben.<br />
Um das möglicherweise bekannteste Beispiel heranzuziehen:<br />
Ziemlich zur gleichen Zeit, als Johann Strauß Vater dem in Italien<br />
die dortigen Nationalrevolutionäre bekämpfenden Feldmarschall<br />
Radetzky seinen Marsch widmete, schrieb Johann Strauß Sohn in<br />
Wien als Sympathisant der auch hier brodelnden Revolution seinen<br />
„Revolutionsmarsch“. Dass das Neujahrskonzert einmal mit beiden<br />
Märschen enden könnte, halte ich für eine Illusion, aber im<br />
Blasmusikkonzert wäre das doch einen Versuch wert?<br />
Drittens und ganz allgemein: Blasmusik sollte grundsätzlich<br />
nicht zur Staffage politischer Propaganda verkommen!<br />
Gerade „altösterreichische“ Märsche sollen nicht dazu missbraucht<br />
werden, die von vielen Politikern angestrebte „Mir san mir“-<br />
Stimmung anzuheizen (da sollen sich die Interessenten der<br />
Tonkonserven bedienen, die können sich nicht mehr wehren)!<br />
Viele vor allem slawische Musiker fanden als Kapellmeister in den<br />
Regimentern der altösterreichischen Armee Karrierechancen vor,<br />
die sie auch nützten (abseits vom Militär war das für „Nicht -<br />
Deutsche“ und „Nicht -Ungarn“ viel schwieriger).<br />
Es wäre eine Schande, wenn die von ihnen aus diesem Zu -<br />
sammenhang heraus komponierten bis heute zu Recht bekannten<br />
und beliebten Märsche nun zur Begleitmusik von Forderungen degenerierten,<br />
die nicht zuletzt die Nachkommen dieser Komponisten<br />
am liebsten aus Österreich aussperren würden!<br />
Dann wäre „Tradition“ tatsächlich (zumindest!) „Schlamperei“.