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StBZ-Jun_2010.pdf / 5 770 258 Byte - Steirischer ...

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Blasmusik in der Steiermark 7<br />

Es sind viele Faktoren und wohl auch außermusikalische<br />

Zufälligkeiten, die dazu führen, dass einem Komponisten im<br />

nationalen oder im internationalen Rahmen der Durchbruch gelingt.<br />

Weder Johann Sebastian Bach noch Mozart, weder Schubert<br />

noch Gustav Mahler sind allein der musikalischen Qualität wegen<br />

aus dem Kreis ihrer komponierenden Zeitgenossen zu heute angenommener<br />

Größe aufgestiegen. Obgleich es innerhalb unserer europäisch-abendländischen<br />

Kultur für die Zeit zwischen 1650 und<br />

1900 noch feste stilistische Vor stellungen über Barock, Wiener<br />

Klassik, musikalische Romantik und damit ästhetische<br />

Wertkriterien gegeben hat und gibt. Aber welche Parameter sollten<br />

seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wohl gelten, da stilistische<br />

Pluralität zum ästhetischen Maßstab geworden ist? Atonale und serielle,<br />

aleatorische und postmoderne, freejazzige und ethnische<br />

Klanginstallationen prägen die Avant garde, die sich denkbar weit<br />

vom Musikbedarf des Großteils der<br />

Bevölkerung entfernt hat.<br />

Nehmen wir Franz Cibulka, der am<br />

19. März 2010 mit dem hochangesehenen<br />

Josef Krainer-Kulturpreis des<br />

Landes Steiermark ausgezeichnet<br />

wurde. Seit vierzig Jahren komponiert<br />

er, sein Werkverzeichnis umfasst<br />

mehr als fünfhundert Titel.<br />

Un mittelbar nach Kriegsende, am<br />

23. Dezember 1946 in der obersteirischen<br />

Bergbaustadt Fohnsdorf geboren,<br />

kam er als Jugendlicher zum<br />

Musik studium nach Graz.<br />

Zunächst am Konservatorium, dann<br />

an der Musik hoch schule bzw. Kunst-<br />

Universität belegte er die Fächer<br />

Klarinette, Komposition und Diri -<br />

gieren. Der akademische Abschluss<br />

erfolgte 1984 in dem damals vom<br />

Unterzeichneten geleiteten Institut für Musik ethnologie mit der<br />

Graduierung zum Mag. art. Cibulka hat mit Walde mar Bloch und<br />

Andrzej Dobrowolski hervorragende Lehrer in der Komposition gehabt,<br />

der eine eher in der Spätromantik verankert, mit leichten<br />

Neigungen zur Polytonalität, der andere aus der Polnischen<br />

Penderecki-Schule, also damals die Spitze der europäischen<br />

Avantgarde. Cibulka probierte – mit bescheidenen regionalen<br />

Erfolgen – das eine wie das andere aus. Doch keinem dieser Lehrer<br />

mochte er letztlich folgen.<br />

Etwa um 1990 kam Cibulka auf das Blasorchester. Es war die Zeit,<br />

da nach der Gründung der IGEB und der WASBE das musikalische<br />

Niveau unserer Blaskapellen sich zu verbessern begann und – damit<br />

verbunden – die gesellschaftliche Anerkennung sich langsam<br />

verbreiterte. Die WASBE-Konferenz 1997 erwies sich für Cibulka<br />

als Glücksfall.<br />

In meinem Bemühen, Spitzenorchester aus Europa, Amerika und<br />

Asien für österreichische Komponisten zu interessieren, ist es gelungen,<br />

mehrere Cibulka-Werke zu (Ur-)Aufführungen in Schlad -<br />

ming zu bringen.<br />

Und da gelang ihm jener Durchbruch, der ihn mit einem Schlag international<br />

bekannt machte. Gerne erinnere ich mich etwa an die<br />

Beifallsstürme der 1.200 Besucher in der Dachstein-Tauern-Halle<br />

nach der Uraufführung seines Posaunen konzertes, mit dem Grazer<br />

Posaunen-Ordinarius Carsten Svanberg als Solisten, begleitet vom<br />

<strong>Jun</strong>i 2010 – 02/10<br />

Josef Krainer-Kulturpreis des Landes Steiermark an Franz Cibulka<br />

Dänischen Konzertblasorchester. Einladungen in die USA und nach<br />

Australien folgten. Es würde zu weit führen, an dieser Stelle die<br />

Biografie Cibulkas auszubreiten.<br />

Man kann Lebensdaten und Fakten einschließlich des Werk -<br />

verzeichnisses im Steirischen Musiklexikon, 2. Auflage, Graz 2009,<br />

S. 78f., und im Blasmusik-Lexikon, 5. Auflage, Kraichtal 2009, S.<br />

163f., nachlesen (leider noch nicht in den großen Musik -<br />

enzyklopädien, wie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ oder<br />

im New Grove).<br />

Gerne füge ich jedoch an, was Franz Cibulka mir an Neuigkeiten<br />

für diesen Beitrag mitgeteilt hat: Mitte März hat die Stadtkapelle<br />

Steyr in Oberösterreich sein Concerto grosso „Styraburg“ zur<br />

Uraufführung gebracht. An bundesdeutschen Interpreten sind in<br />

diesem Jahr 2010 u. a. zu nennen: Die Polizeimusik München mit<br />

der Uraufführung des Violoncello-Konzertes, je ein Auftragswerk<br />

für die Stadtmusik Tiengen am<br />

Oberrhein und für die Stadtmusik<br />

Stockach; das Landesblasorchester<br />

Baden-Württemberg nimmt sich<br />

der Komposition „Clarinova“ an,<br />

die Stadtmusik Mindelheim des<br />

Werkes „Ferrum“. In Planung sind<br />

u. a. folgende Stücke: Konzert für<br />

Saxophon-Quartett und Blas -<br />

orchester; „Im Zeichen des<br />

Kreuzes“, Uraufführung mit der<br />

Militärmusik Steiermark in<br />

Lourdes; ein Chor-Orchesterwerk<br />

für das Radio-Sympho nie orchester<br />

Agram/Zagreb in Kroatien; ein<br />

Konzert für Tuba-Quartett und<br />

Blasorchester für das Blasorchester<br />

Franz Cibulka der Kunst-Universität Graz. Was<br />

macht den Erfolg von Cibulkas<br />

Werken aus?<br />

Er hat stilistisch zu einer Postmoderne gefunden, in der konventionelle<br />

Hör ge wohnheiten zwar dominieren, zugleich aber atonale, serielle,<br />

aleatorische, elektronische Klänge nicht als Selbstzweck, sondern<br />

als spezifische Sprechweise innerhalb tonal gewichteter<br />

Abläufe eingesetzt werden.<br />

Wer die auf der Zwölftonteilung der Oktave beruhende temperierte<br />

Stimmung benutzt, wird letztlich zu solchen Lösungen kommen<br />

müssen. Ob dies mit Anbiederung an einen Publikumsgeschmack<br />

zu tun hat, wie Kritiker dort und da meinen, würde ich nicht bestätigen.<br />

Insgesamt aber hat sich Franz Cibulka mit dem bisher vorliegenden<br />

umfangreichen musikalischen Oeuvre als Leitfigur österreichischer<br />

Blasmusik erwiesen, als jemand, der in den schwierigen<br />

Zeiten einer sich ausbreitenden populistischen Spaß(un)kultur den<br />

ernsthaft an der Musik interessierten Blasmusik-Amateuren in<br />

Mitteleuropa Mut macht, am künstlerischen Anspruch der Musik<br />

für Blasorchester festzuhalten.<br />

Wenn in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gerade dieser Tage<br />

zu lesen war (FAZ, 30. März 2010, S. 30), dass die „Kultur geistiger<br />

Anstrengungen passé“ sei, dann würde ich gerne einer solchen<br />

Annahme das Schaffen Franz Cibulkas entgegenhalten.<br />

Wolfgang Suppan<br />

www.artofcibulka.com

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