Remifentanil - Dr. Dietmar Weixler
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<strong>Remifentanil</strong> (Ultiva ® Trockenstechampullen zu 1mg und 2mg)<br />
Charakteristik: <strong>Remifentanil</strong> ist ein neues ultrakurz wirksames, sehr starkes µ-Opioid<br />
(analgetische Potenz entspricht Fentanyl = 100-300x Morphin). Es wird<br />
organunabhängig durch unspezifische Plasma- und Gewebeesterasen inaktiviert und ist<br />
extrem gut steuerbar. Die Anwendung erfolgt meistens durch kontinuierliche<br />
intravenöse Infusion. Sehr häufig treten Bradykardie, Hypotension und Muskelrigidität<br />
auf, nie Histaminfreisetzung.<br />
Der Handelsname des Opiods suggeriert eine Pharmakokinetik, die eine ultimative<br />
Steuerbarkeit eines Pharmakons erwarten lässt. Die Wirkung tritt 30 Sekunden nach Zufuhr<br />
ein und ist 5-10 Minuten nach Beendigung der Zufuhr beendet, auch wenn das Pharmakon<br />
über längere Zeit (Tage) kontinuierlich verabreicht worden ist. Durch die organunabhängige<br />
Hydrolyse (v.a. in Geweben der Skelettmuskulatur) kommt es nie zur Kumulation der<br />
Substanz. Daher sind auch bei Leber-, Niereninsuffizienz etc. keine Dosisanpassungen<br />
vorzunehmen. Die Dosis orientiert sich am Idealgewicht eines Patienten, bei Menschen über<br />
65 Jahren ist eine Dosisreduktion auf 50% notwendig. Die Pseudocholinesterase ist am Abbau<br />
des Pharmakons nicht involviert, daher ist bei Vorliegen einer atypischer<br />
Plasmacholinesterase keine Dosisanpassung durchzuführen.<br />
Die besondere Pharmakokinetik von <strong>Remifentanil</strong> bedingt, dass es besser nicht durch<br />
wiederholte Bolusdosen verabreicht wird, sondern durch kontinuierliche i.v.-Infusion. Eine<br />
Allgemeinanästhesie kann mit einem i.v.-Bolus von 1µg/kg über 30 Sekunden eingeleitet<br />
werden, die Atemdepression erfolgt rasch und regelmäßig. Die Erhaltungsdosis liegt zunächst<br />
bei 0,25µg/kg/min und wird alle 5 Minuten in 25%-Schritten an den nozizeptiven Stimulus<br />
adaptiert. Bei der letzten Hautnaht wir die Infusion gestopt.<br />
Häufiger als bei anderen Opioiden tritt eine ausgeprägte Bradykardie und Hypotension auf<br />
(in maximaler Ausprägung 3-5 Minuten nach Beginn). Die Inzidenz und Intensität der<br />
Muskelrigidität am Brustkorb ist abhängig von der Höhe der Dosis und von der<br />
Geschwindigkeit der Aplikation. Remifentanyl ist ideal für kurze Eingriffe mit hoher<br />
Schmerz- oder Stimulusintensität, die postoperativ nicht mehr existent ist (Laryngoskopie,<br />
Bronchoskopie, bronchoskopische Wachintubation, Laparoskopie etc.). Ist für den<br />
postoperativen Zietraum mit anhaltenden Schmerzen zu rechnen, so muss man zeitgerecht<br />
(noch während Remifentanylzufuhr) ein langanhaltendes Opioid supplementieren (bzw. ein<br />
Opioid mit einem Nichtopioid kombinieren).<br />
„<strong>Remifentanil</strong> ist wahrscheinlich kein ideales Pharmakon für Conscious Sedation“ lautet die<br />
Expertise von Niemann und Gropper in einem vor kurzem publizierten Buch über Conscious<br />
Sedation (2). In den letzten Jahren wurden mehrere Arbeiten über die Anwendung des neuen<br />
Opioids für operative Eingriffe veröffentlicht, Indikationen waren Eingriffe in<br />
Regionalanästhesie wie Carotis-TEA (85), ophthalmologische Operationen - vor der<br />
peribulbären Blockade bzw. zur Supplementierung (86,87), Supplementierung von Plexus-<br />
und Spinalanästhesie (88), Stosswellenlithotripsie (89), Wach-Kraniotomie (90), ambulante<br />
Kieferchirurgie (91), endoskopische Wachintubation (92), Geburtsschmerz (93), schmerzhafte<br />
minimale Eingriffe im Allgemeinen (94) und Herzkatheterdiagnostik bei Kindern (95).<br />
Zum Teil wurde <strong>Remifentanil</strong> mittels PCS (patient-controlled-analgesia) zugeführt.<br />
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Einsatz von Remifentanyl dann erfolgreich war,<br />
wenn die nozizeptiven Stimuli keine große Streuung des Analgetikabedarfs erforderlich<br />
gemacht haben, d.h. wenn der Schmerz oder die Irritation von umschriebener Intensität war<br />
(z.B. fiberoptischen Wachintubation, Parabulbärblock, Carotis-TEA). Bemerkenswert und<br />
nicht akzeptabel sind die hohen Inzidenzen von Apnoe unter Anwendung von Remifentanyl<br />
unter Spontanatmung bei einigen Publikationen (Atemstillstand in 46% (88), 53%(89), 74%<br />
(94) der Fälle). Ein Abfall der Atemfrequenz unter Spontanatmung bereits ab Dosen von 0,2 -
0,25µg/kg/min regelhaft und nur von der Dauer der Zufuhr abhängig (92,146). Durch<br />
Dosisreduktion von <strong>Remifentanil</strong> steigt jedoch die Atemfrequenz innerhalb von 3 Minuten<br />
wieder an (87). Eine Analgesie mit Remifentanyl als Monosubstanz in einer Dosis bis<br />
0,5µg/kg/min hat den Vorteil, dass der Kontakt zum Patienten ununterbrochen unterhalten<br />
werden kann und er bei Bedarf zur Atemtätigkeit angeregt werden kann. Bei schwer<br />
kontrollierbaren Schmerzen von stark undulierender Intensität (z.B. Geburtsschmerz) kam es<br />
zu einer weiten interindividuellen Dosisstreuung (93). Hypoxämie und Sedierungseffekte bei<br />
der Mutter und eine reduzierte Herzfrequenzvariabilität beim Feten (93) sind unerwünschte<br />
Wirkungen, die einen Einsatz von <strong>Remifentanil</strong> in dieser Indikation dubios erscheinen lassen,<br />
da es eine exzellente Alternative in der Therapie des Geburtsschmerzes gibt. Weitere<br />
unerwünschte Wirkungen unter <strong>Remifentanil</strong> bei Conscious Sedation sind Übelkeit,<br />
Erbrechen, Schwitzen und Juckreiz (95). Die Rate an Übelkeit und Erbrechen kann gesenkt<br />
werden, wenn man <strong>Remifentanil</strong> mit Propofol kombiniert (87). Möglicherweise kann<br />
<strong>Remifentanil</strong> ein sinnvolles Supplement zur Regionalanästhesie sein, wenn zusätzlich<br />
Analgesie benötigt wird, dazu ist aber eine äusserst aufmerksame und engmaschige Kontrolle<br />
der Vitalparameter Vorraussetzung (Atemfrequenz, exspiratorisches CO2 ). In der Zielsetzung<br />
„Sedierung“ gibt es bessere Alternativen. Wird die PCS-Technik verwendet, so soll das<br />
minimale lockout-Intervall 1-2 Minuten sein (89). Ältere Menschen benötigen nur die halben<br />
empfohlenen Dosen, die Erholung erfolgt jedoch gleich schnell wie bei Jüngeren. Bei der<br />
fiberoptischen Wachintubation werden die Atemwegsreflexe und die Kreislaufreaktion in<br />
erwünschter Weise effektiv gedämpft (92). Die meisten Patienten husten nicht, wenn der<br />
Tubus den Larynx passiert, Herzfrequenz und Blutdruck bleiben auf präprozeduralem Niveau<br />
(92). Es ist als wahrscheinlich anzusehen, dass die Dämpfung der kardiovaskulären<br />
Stressreaktion durch <strong>Remifentanil</strong> das kardiovaskuläre Risiko vermindert. Es wurden jedoch<br />
noch keine relevanten Studien veröffentlicht, die das beweisen würden.<br />
Tabelle 15: Beispiele erfolgreicher <strong>Remifentanil</strong>-Protokolle<br />
1. Ophthalmologie: a) <strong>Remifentanil</strong> 0,02-0,04µg/kg/min + Propofol 0,5-0,9mg/kg/h vor Peribulbärblock (87)<br />
oder b) <strong>Remifentanil</strong>-Bolus 0,3µg/kg + Midazolam 0,5-1mg 1 Minute vor Peribulbärblock (86)<br />
2. Fiberoptische Wachintubation: a) <strong>Remifentanil</strong> 0,1-0,25-0,5µg/kg/min unter Beobachtung von Komfort,<br />
Sedierungsgrad, Atemfrequenz (92)<br />
oder b) <strong>Remifentanil</strong> 0,05µg/kg/min + Propofol 2mg/kg/min (97)<br />
3. Carotis-TEA (+ kombinierter Block des Plexus cervicalis): <strong>Remifentanil</strong> 0,04µg/kg/min (85)<br />
Seit kurzem wurde in Österreich die Zulassung von <strong>Remifentanil</strong> für die Analgosedierung in<br />
der Intensivmedizin auf 3 Tage kontinuierliche Anwendung verlängert. Die einzigartige<br />
Pharmakokinetik von <strong>Remifentanil</strong> bedingt, dass die kontextsensitive Halbwertszeit in jedem<br />
Fall kürzer als 15 Minuten ist (83). Unter Remifentanyl bleiben Hämodynamik und ICP (auch<br />
bei Bronchialtoilette) stabil. Die Extubation ist 15 Minuten nach Infusionsstop erfolgreich<br />
(84). Die mittlere Dosis von Remifentanyl liegt um 0,15µg/kg/min (Ziel: Patient ruhig, wach,<br />
kooperativ, toleriert Tubus, befolgt Aufforderungen = Ramsey-Score 2-3). Vor<br />
Manipulationen und Eingriffen (Lagerung, Bronchoskopie, <strong>Dr</strong>ainagen etc.) kann die Dosis<br />
entsprechend adaptiert werden. Die Berechnung der Initialdosierung in ml/h erfolgt am besten<br />
mit einer beweglichen Dosierungstabelle.<br />
Wird <strong>Remifentanil</strong> verwendet, so ist folgendes zu beachten:<br />
• Bolusdosen maximal 0,3µg/kg<br />
• keine Bolusdosen zu einer laufenden <strong>Remifentanil</strong>infusion
• jede kontinuierliche Infusion von 0,2 – 0,25µg/kg/h führt zur Atemdepression, es<br />
handelt sich nur um eine Frage der Zeit, bis sie auftritt<br />
• die kontinuierliche Dosis orientiert sich an der Atemfrequenz und am Schmerz<br />
• beträgt die Atemfrequenz