Clonidin und Dexmedetomidin - Dr. Dietmar Weixler
Clonidin und Dexmedetomidin - Dr. Dietmar Weixler
Clonidin und Dexmedetomidin - Dr. Dietmar Weixler
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zentrale Alpha-2-adrenerge Agonisten:<br />
<strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> <strong>Dexmedetomidin</strong><br />
Alpha-2-Agonisten sind eine vielversprechende Gruppe von Pharmaka, sie vereinen<br />
wesentliche Wirkungen eines praktikablen Sedativums:<br />
• Analgesie<br />
• Anxiolyse<br />
• Sedierung<br />
• fehlende Atemdepression<br />
• Kardioprotektion<br />
<strong>Clonidin</strong> (Catapresan ® ), <strong>Dexmedetomidin</strong> <strong>und</strong> Mivazerol (in Europa nicht zugelassen) sind zentrale α2-<br />
Agonisten, die klinisch von Bedeutung sind. <strong>Clonidin</strong> ist seit vielen Jahren als Antihypertensivum registriert, in<br />
den letzten Jahren hat die Wissenschaft, allen voran die Forscher aus Japan, ihr Augenmerk auf andere<br />
Wirkungen der Substanz gelenkt. Es gibt kaum ein Kompartiment des Körpers oder eine Fragestellung, die nicht<br />
in der Interaktion mit <strong>Clonidin</strong> untersucht worden ist. Die komplexe Kreislaufwirkung der Substanzen wird über<br />
eine zentrale Sympathikolyse <strong>und</strong> Vagusstimulation durch Angriff auf Bahnsysteme <strong>und</strong> Kerne des zentralen<br />
Sympathikus im Hirnstamm vermittelt. Die anxiolytische <strong>und</strong> ein Teil der analgetischen Wirkung dürfte auf eine<br />
Aktivitätshemmung am Locus coeruleus <strong>und</strong> nachgeschalteten Systemen (limbisches System, Hypothalamus,<br />
Cortex) zurückzuführen sein. Ausserdem existieren Bindungsstellen für α2-Agonisten im Bereich des<br />
Rückenmarks, die zur analgetischen Wirkung kontributieren <strong>und</strong> den Einsatz der Substanzen bei<br />
rückenmarksnahen Verfahren der Regionalanästhesie (I: neuropathischer Schmerz) rechtfertigen. Die beteiligten<br />
Rezeptoren sind in α1-Typen (Antagonist: Prazosin), α2-Typen (Antagonist: Yohimbin) <strong>und</strong> Imidazol-Typen<br />
subklassifiziert. Die α2-Agonisten binden mit unterschiedlicher Affinität an die α-Rezeptortypen: <strong>Clonidin</strong> hat<br />
ein α1/α2-Selektivität von 1/200, <strong>Dexmedetomidin</strong> von 1/1600. Die klinische Konsequenz aus diesem Fakt sind<br />
mehr Nebenwirkungen bei <strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> eine initiale hypertensive Kreislaufreaktion, die durch die Stimulation<br />
der α1-Rezeptoren bewirkt wird. <strong>Clonidin</strong> bindet sehr lange am Rezeptor, <strong>Dexmedetomidin</strong> kurz, daher ist<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> als Medikament besser steuerbar als <strong>Clonidin</strong>. Mit Atipamezol existiert ein spezifischer α2-<br />
Antagonist (111), er ist jedoch für eine klinische Anwendung nicht verfügbar (118).<br />
Tabelle 19 : Wirkungen von <strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> <strong>Dexmedetomidin</strong><br />
Erwünschte Wirkungen unerwünschte Wirkungen<br />
ZNS: Sedierung Benommenheit, Somnolenz,Energielosigkeit<br />
Anxiolyse Illusionen, Halluzinationen, Alpträume<br />
Analgesie Schmerzen der Glandula parotis<br />
Neuroprotektion<br />
Amnesie ? awareness ?<br />
Hämodynamik: Stabilisation<br />
Herzfrequenz ↓ symptomatische Bradykardie, AV-Block, Sinusarrest<br />
Blutdruck ↓ initial: Blutdruck↑ , Blutdruck ↓↓<br />
Myokardialer O2-Bedarf ↓ Cardiac output ↓<br />
Ischämieprotektion<br />
antiarrhythmische Wirkung<br />
Respiratorisches System: Bronchodilatation Abschwächung der respiratorischen Antwort auf pCO2↑<br />
GIT: Salivation/Sekretion ↓ M<strong>und</strong>trockenheit, Durst, Dysphagie: subjektiv störend<br />
Motilität ↓ Obstipation<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen ↓ verzögerte Magenentleerung (Nicht-Nüchternheit !)
Wasser/Elektrolyte : Diurese ↑ Harnretention<br />
Schutz vor Hypokaliämie<br />
Blut : Thrombozytenaggregation ↑ Risiko postoperativer Thromboembolien ↑ ?<br />
intraoperativer Blutverlust ↓ ?<br />
Auge : Tension ↓<br />
Endokrinium : Hemmung der Freisetzung von<br />
Noradrenalin, Renin, Insulin, Verschlechterung einer diabet. Stoffwechsellage ?<br />
ACTH. GH-RH↑ (Somatoliberin),<br />
Hemmung der Lipolyse<br />
Muskulatur: Kältezittern/shivering ↓ Hypothermie<br />
opioidinduzierte Muskelrigidität ↓<br />
Sedierung <strong>und</strong> Anxiolyse: Eine Sedierung durch <strong>Dexmedetomidin</strong> ist qualitativ von<br />
sedierenden Phänomenen anderer Pharmaka substantiell verschieden: trotz tiefer<br />
Sedierungseffekte können auch komplexe Aufgaben akkurat <strong>und</strong> fehlerfrei erledigt werden.<br />
Die Patienten erscheinen am Respirator sehr ruhig, sind aber äusserst kooperativ – das hat in<br />
den USA enthusiastische Äusserungen des Intensivpflegepersonals hervorgerufen. Die<br />
Anxiolyse wird als prof<strong>und</strong> beschrieben (102), sie sei mit einer Benzodiazepinprämedikation<br />
vergleichbar. <strong>Dexmedetomidin</strong> habe einen dosisabhängig amnestischen Effekt. Patienten, die<br />
eine Respiratortherapie hinter sich gebracht hatten <strong>und</strong> mit <strong>Dexmedetomidin</strong> sediert worden<br />
sind, kritisierten jedoch, diesen Zustand in sehr bewusster Weise erfahren zu haben <strong>und</strong><br />
beschrieben ihn als „unangenehm“ (122). Dies sei möglicherweise dosisassoziiert (118).<br />
Angelini et al. halten fest, dass <strong>Dexmedetomidin</strong> keinen amnestischen Effekt hätte <strong>und</strong> dass<br />
möglicherweise eine Kombination mit Benzodiazepinen erforderlich sei (124). In einer<br />
europäischen Multicenter-Studie über verzögertes Aufwachverhalten bei kardiochirurgischen<br />
<strong>und</strong> allgemeinchirurgischen Patienten wurde der Effekt von <strong>Dexmedetomidin</strong> positiv<br />
beurteilt, da der verlängerte sedierende Effekt von <strong>Dexmedetomidin</strong> zu einer Einsparung der<br />
Midazolamdosen von 80% <strong>und</strong> der Morphindosen von 50% geführt hat (122). Die Sedierung<br />
durch <strong>Clonidin</strong> wird als „gering“ bewertet, sie erfolgt dosisabhängig. In Analogie zum o.g.<br />
Vergleich wird der anxiolytische Effekt von 5µg/kg <strong>Clonidin</strong> mit Midazolam (0,1 mg/kg )<br />
verglichen (105), wenn man beide 60-90 Minuten vor einem Eingriff verabreicht. Fazi et al.<br />
(107) beschreiben, dass nach oraler Prämedikation mit <strong>Clonidin</strong> 4µg/kg bei Kindern ein<br />
optimaler Sedierungseffekt erst nach 105-120 Minuten erreicht wird; Midazolam 0,5mg/kg<br />
wird als stärker anxiolytisch beschrieben, durch <strong>Clonidin</strong> gelingt aber eine Einsparung von<br />
intraoperativen Sedativa <strong>und</strong> postoperativen Analgetika, die Rate an postoperativem<br />
Erbrechen wird vermindert (107). Beim Patienten am Respirator richtet sich die Dosis nach<br />
den Herzkreislaufeffekten, in der Prämedikation sind 2-5µg/kg üblich. Durch die sedierende<br />
Wirkung von <strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> <strong>Dexmedetomidin</strong> kann die Dosis anderer Sedativa um bis zu 45%<br />
eingespart werden, die MAC der volatilen Anästhetika vermindert sich um 40-70%. <strong>Clonidin</strong><br />
hat sich in der Therapie des Alkoholentzugsdelirs sehr bewährt. Man geht davon aus, dass<br />
beim Alkoholiker die Anzahl der Opioidrezeptoren vermindert oder ihre Empfindlichkeit<br />
herabgesetzt ist. Unter Alkoholabstinenz kommt es zum plötzlichen Mangel morphinähnlicher<br />
Produkte des Intermediärstoffwechsels, die üblicherweise bei der Alkoholelimination<br />
entstehen. Dieser Mangel wird vom Körper mit einem enthemmten „Noradrenalinsturm“ (73)<br />
beantwortet. Beim Opioidentzug ist <strong>Clonidin</strong> das Medikament der ersten Wahl. Im Rahmen<br />
der Entzugstherapie wurden unter hohen Dosen unerwünschte Wirkungen durch <strong>Clonidin</strong><br />
beschrieben, die statistisch am 2. <strong>und</strong> 3. Behandlungstag den Gipfel ihrer Inzidenz ereichten:<br />
M<strong>und</strong>trockenheit, Schluckstörung, Benommenheit, Energielosigkeit., Schlafstörungen,
Alpträume <strong>und</strong> Halluzinationen (103). Es wäre würdig zu diskutieren, welcher Faktor das<br />
Auftreten dieser Phänomene eher beeinflusst: das Pharmakon oder der Gr<strong>und</strong> für seine<br />
Anwendung ? Wesentlich ist, dass <strong>Clonidin</strong> nicht antidelirant oder antiepileptisch wirkt, daher<br />
ist beim Alkoholentzug die Kombination mit einem Antipsychotikum <strong>und</strong> einem<br />
Benzodiazepin sinnvoll. Postoperative Exzitationsphänomene bei Kindern können durch<br />
intravenöses <strong>Clonidin</strong> (2µg/kg) supprimiert werden (116). <strong>Clonidin</strong> kann als alternative<br />
medikamentöse Therapie bei ADHD (attention-deficit/hyperactivity disorder) zum Einsatz<br />
kommen, da es die Noradrenalinfreisetzung hemmt (145). Da Kinder mit dieser Erkrankung<br />
der Gruppe der „schwer zu sedierenden“ Menschen angehören, wäre die Substanz für die<br />
Prämedikation dieser Kinder vor Operationen gut geeignet. Einer Kombination von<br />
Methylphenidat (Ritalin ® ) + <strong>Clonidin</strong> ist mit Respekt zu begegnen, in der Literatur wurden<br />
bisher 4 Todesfälle publiziert (145). Eine Sedierung durch <strong>Clonidin</strong> dauert sicher mehr als 2<br />
St<strong>und</strong>en an <strong>und</strong> kann in der Tageschirurgie den Aufenthalt im Krankenhaus verlängern.<br />
Werden präoperativ niedrige Dosen (2µg/kg) von <strong>Clonidin</strong> i.v. appliziert, so resultiert keine<br />
postoperative Restsedierung (114).<br />
Analgesie: <strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> <strong>Dexmedetomidin</strong> wirken analgetisch. Sie verstärken <strong>und</strong> verlängern<br />
eine opioidvermittelte Analgesie. Sie sind geeignet, den Opioidbedarf um 40% zu reduzieren<br />
(73). In der Sedoanalgesie des kritisch Kranken kann durch gleichzeitige Verabreichung von<br />
α2-Agonisten <strong>und</strong> Opioiden Opioid eingespart werden, die Entwicklung einer Opioidtoleranz<br />
verzögert werden <strong>und</strong> die Entwöhnungsphase verkürzt werden (73). Der analgetische Effekt<br />
von <strong>Clonidin</strong> ist nicht durch Naloxon antagonisierbar, jedoch durch α2-Antagonisten, z.B.<br />
durch Phentolamin (15). Wird <strong>Dexmedetomidin</strong> präoperativ verabreicht, so verringert sich der<br />
intra- <strong>und</strong> postoperative Opioidbedarf (110). Scheinin et al. konnten durch intramuskuläre<br />
Injektion von <strong>Dexmedetomidin</strong> in einer Dosis von 2,5µg/kg eine St<strong>und</strong>e vor nichtkardialen<br />
Eingriffen zeigen, dass der intaoperative Fentanylbedarf um 60% reduziert werden konnte<br />
(123). <strong>Clonidin</strong> unterdrückt dosisabhängig die Intensität des postoperativen Schmerzes:<br />
Dosen von 5µg/kg sind sehr effektiv hinsichtlich Analgesie, führen jedoch häufig zu<br />
behandlungswürdigen Kreislaufeffekten. Die optimale postoperative Dosis wird mit 3µg/kg<br />
angegeben, gefolgt von einer Dauerinfusion mit 0,3µg/kg/h (104). Orale Dosen von 4µg/kg<br />
bei Kindern 60-90 Minuten vor Einleitung einer Narkose zur Tonsillektomie sind<br />
äquianalgetisch wie 3µg/kg Fentanyl intraoperativ, sind aber in 63% postoperativ anhaltend<br />
sedierend wirksam (versus 6% bei Fentanyl) (115). Beer et al. verglichen Midazolam<br />
0,15mg/kg, Morphin 0,3mg/kg <strong>und</strong> <strong>Clonidin</strong> 1,5µg/kg bei Gesichtsoperationen in<br />
Lokalanästhesie <strong>und</strong> kommen zu dem Schluss, dass <strong>Clonidin</strong> die beste Prämediaktion für<br />
diese Eingriffe ist, da es analgetisch, anxiolytisch, antiemetisch wirkt <strong>und</strong> zu stabilen<br />
Kreislaufparametern führt (125).<br />
Kardiovaskuläre Wirkungen: Durch die Hemmung des zentralen Sympathikotonus <strong>und</strong><br />
eine Vagusstimulation resultieren dosisabhängig eine Blutdrucksenkung <strong>und</strong> eine Reduktion<br />
der Herzfrequenz. Initial kann es durch <strong>Dexmedetomidin</strong>, eher aber durch <strong>Clonidin</strong> zu einer<br />
Stimulation von peripheren α1-Rezeptoren mit Vasokonstriktion <strong>und</strong> Hypertension<br />
kommen.Anschließend tritt eine Vasodilatation mit Hypotonie auf. Bei bestehender<br />
Hypovolämie ist der blutdrucksenkende Effekt wesentlich stärker ausgeprägt (124). Falls der<br />
Blutdruckabfall kritisch ist, wird die Dosis des α2-Agonisten reduziert oder pausiert , die<br />
symptomatische Therapie erfolgt an der Intensivsation mit Volumen, dann mit Noradrenalin<br />
(108), sonst mit Volumen <strong>und</strong> Ephedrin (104). Bei ges<strong>und</strong>en freiwilligen Versuchspersonen<br />
kommt es durch <strong>Dexmedetomidin</strong> zu einem Abfall von Blutdruck <strong>und</strong> Herzfrequenz so wie zu<br />
einer dosisabhängigen Reduktion der Freisetzung von endogenen Katecholaminen. Bei einem<br />
ges<strong>und</strong>en Freiwilligen kam es ca. 3 St<strong>und</strong>en nach intramuskulär verabreichten<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> zu einem symptomatischen Sinusarrest (111). Ein vasovagaler Kollaps <strong>und</strong><br />
eine Sinusarrest kann sich trotz prophylaktischer Gabe von Glykopyrrolat ereignen (121). Bei
30% der Patienten, die intraoperativ <strong>Dexmedetomidin</strong> erhalten hatten, war auch noch 4<br />
St<strong>und</strong>en postoperativ der Blutdruck um 10-20% erniedrigt (123).<br />
Präoperativ verabreichtes <strong>Dexmedetomidin</strong> reduziert das Herzzeitvolumen <strong>und</strong> den<br />
myokardiale Sauerstoffverbrauch. In hohen Dosen wird die Durchblutung – wie im Schock -<br />
zugunsten der vitalen Organen verschoben. α2-Agonisten führen zu einer Protektion des<br />
Myokards vor Ischämie bei bekannter koronarer Herzkrankheit oder bei Patienten mit<br />
kardialen Risikofaktoren (117), in dem sie die Herzfrequenz senken, den myokardialen<br />
Sauerstoffverbrauch senken, die Herzarbeit ökonomisieren <strong>und</strong> antiarrhythmisch wirken. Sie<br />
schützen vor einer präoperativen Hypokaliämie (113), die möglicherweise durch Stress<br />
ausgelöst wird (erhöhtes endogenes Adrenalin schleust extrazelluläres Kalium nach<br />
intrazellulär). Präoperativ verabreichtes orales <strong>Clonidin</strong> (150-300µg) stabilisiert den Kreislauf<br />
insofern, dass es Tachykardien <strong>und</strong> hypertensive Reaktionen auf chirurgische <strong>und</strong><br />
nichtchirurgische stressanaloge Stimuli verhindern kann ohne signifikante Bradykardien zu<br />
verursachen (114, 117). Möglicherweise können durch <strong>Clonidin</strong>therapie <strong>und</strong> die daraus<br />
folgende Senkung des arteriellen Mitteldrucks perioperative Blutverluste reduziert werden<br />
(107).<br />
Respiratorische Wirkungen: <strong>Dexmedetomidin</strong> reduziert die respiratorische Antwort auf<br />
einen erhöhten Kohlendioxid-Partialdruck im Blut, führt aber nicht zu einer signifikanten<br />
Atemdepression oder zu einer Verminderung der Sauerstoffsättigung (108). Auch bei<br />
Verabreichung von Bolusdosen bleibt eine atemdepressive Wirkung aus. Die atemdepressive<br />
Wirkung der Opioide wird nicht verstärkt (73). <strong>Dexmedetomidin</strong> führt zu einer Dilatation der<br />
glatten Muskulatur der Bronchien (108). Auch nach Extubation kann die Therapie mit<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> fortgeführt werden. Die Schutz- <strong>und</strong> Abwehrreflexe bleiben dabei erhalten<br />
(118).<br />
antiemetische Wirksamkeit: <strong>Clonidin</strong> wirkt antiemetisch <strong>und</strong> verstärkt den antiemetischen<br />
Effekt von Propofol (106,114). Eine Dosis von 2µg/kg ist effektiv (114). Ein hoher<br />
Sympathikotonus <strong>und</strong> eine erhöhte Katecholaminfreisetzung könnten Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen<br />
antriggern (114). Übelkeit <strong>und</strong> Erbrechen ist eine typische Nebenwirkung, wenn man niedrig<br />
dosiertes Adrenalin an wache Patienten verabreicht. <strong>Clonidin</strong> wirkt hemmend auf Motiliät<br />
<strong>und</strong> Sekretion des Gastrointestinaltrakts (108). M<strong>und</strong>trockenheit <strong>und</strong> Durst sind subjektiv<br />
störende Faktoren. Die Transitzeit der Ingesta wird durch die α2-Agonisten verlängert, die<br />
Magenentleerung verzögert. Diese Effekte sind jedoch im Vergleich zu den Opioiden von<br />
marginaler Intensität (108).<br />
Reduktion von Muskelzittern: <strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> <strong>Dexmedetomidin</strong> werden erfolgreich gegen<br />
postoperatives Muskelzittern eingesetzt; eine Hypothermie kann die Folge sein, wenn der<br />
thermische Schwellenwert reduziert wird, der zum Muskelzittern führt. <strong>Dexmedetomidin</strong><br />
minimiert ausserdem eine opioidinduzierte Muskelrigidität (121)<br />
Neuroprotektion: <strong>Dexmedetomidin</strong> kann als neuroprotektiv bezeichnet werden, da es den<br />
cerebralen Blutfluss vermindert. Weitere Hinweise hinsichtlich Neuroprotektion wurden in<br />
Tierversuchen gewonnen (73).<br />
Rebo<strong>und</strong>phänomene: nach plötzlichem Absetzten einer hochdosierten Therapie mit <strong>Clonidin</strong><br />
kann es zu Rebo<strong>und</strong>-Phänomen der Kreislaufwirkung kommen (Hypertension +<br />
Tachykardie).<br />
Diese Phänomene sollen bei gleichzeitiger oder hochdosierter Betablockertherapie<br />
ausgeprägter (!) sein (15). Eine <strong>Clonidin</strong>therapie soll über 2-4 Tage ausgeschlichen werden,<br />
ein Betablocker soll einige Tage davor abgesetzt werden, wenn geplant ist, <strong>Clonidin</strong> zu<br />
beenden (15). Eine Rebo<strong>und</strong>-Hypertonie kann mit <strong>Clonidin</strong> oder Phentolamin behandelt<br />
werden.<br />
Ökonomie: durch die einsparende Wirkung des <strong>Clonidin</strong> <strong>und</strong> <strong>Dexmedetomidin</strong> auf Opioide<br />
(40-60%), Sedativa (45-80%) <strong>und</strong> volatile Anästhetika (40-70%) entsteht ein beweisbarer<br />
deutlicher ökonomischer Vorteil durch eine Therapie mit α2-Agonisten (109).
Tabelle 20 : Indikationen <strong>und</strong> Dosierung von <strong>Clonidin</strong><br />
Indikation Dosis<br />
anxiolytische Prämedikation p.o. 2-5µg/kg , 90-120 min vor dem Eingriff (117)<br />
anxiolytische Prämedikation i.v. 2µg/kg + 9ml NaCl 0,9% 15 min vor Eingriff<br />
anxiolytische Prämedikation/Kinder p.o. 4µg/kg, 120 Minuten vor Eingriff (107)<br />
Prävention sevofluraninduzierter Agitation bei Kindern i.v. 2µg/kg + 5ml NaCl 0,9% nach Einleitung (116)<br />
postoperative Analgesie i.v. 3µg/kg i.v., dann 0,3µg/kg/h (104)<br />
Emesisprophylaxe i.v. 2µg/kg + 9ml NaCl 0,9% bei Einleitung (114)<br />
Supplementierung einer Allgemeinanästhesie i.v. 2-4µg/kg über 5 min (15)<br />
Entzugstherapie p.o. 0,1-0,3mg 3-4x tgl., bis 1,2mg (15,103)<br />
Entzugstherapie i.v. (ICU) 25-180µg/h (132, s.u.)<br />
hypertensive Krise i.v. 0,15-0,3mg über 5 min (15)<br />
Pharmakokinetik von <strong>Clonidin</strong>:<br />
Eliminations-HWZ : 7-12 St<strong>und</strong>en, Bioverfügbarkeit 80% (117)<br />
Wirkungsbeginn: i.v.: 4 St<strong>und</strong>en, p.o. 8 St<strong>und</strong>en (15)<br />
<strong>Clonidin</strong>perfusor für Intensivstation: 1,5mg <strong>Clonidin</strong> (10ml=10A) + 38ml NaCl 0,9%<br />
(1ml=31,25µg <strong>Clonidin</strong>) Flussrate 0,8 -4ml/h - je nach Herzfrequenz, MAP <strong>und</strong><br />
Sedierungsscore (Ramsey, Riker). Dosisreduktion im Alter. Ip Yam et al. (132) dosieren 60-<br />
120µg/h , maximal auch 180µg/h, das entspräche ca. 2-4ml/h, maximal 5,7ml/h. Die Dosis<br />
muss der Eliminationskinetik angepasst werden. Die wahrscheinlichste unerwünschte<br />
Wirkung ist eine arterielle Hypotension, sie ist geringfügig <strong>und</strong> leicht zu beherrschen, vor<br />
allem mit akkurater Intensivüberwachung (132).<br />
Kontraindikationen der α2-Agonisten:<br />
Hypovolämie, Zentralisation, Hypotension<br />
höhergradiger AV-Block<br />
Sick-Sinus-Syndrom<br />
Sinusbradykardie<br />
hypersensitiver Carotissinus<br />
Aortenstenose<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> (Precedex ® ; Abbott Labs, Abbott Park IL)<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> (Wirkungen: ab Seite ) ist in Europa nicht zugelassen, die parenterale<br />
Zubereitung von <strong>Clonidin</strong> (Catapresan ® ) ist hingegen in den USA nicht approbiert. (118). Die<br />
meisten klinischen Daten wurden im Zuge der postoperativen Intensivtherapie von Patienten<br />
nach aortocoronarem Bypass gewonnen. <strong>Dexmedetomidin</strong> wurde 1999 von der FDA für eine<br />
Anwendung unter 24 St<strong>und</strong>en zur Sedierung erwachsener kritisch Kranker zugelassen (118).<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> ist ein hochselektiver α2-Agonist <strong>und</strong> das rechtsdrehende Isomer von<br />
Medetomidin, einem Narkosemittel, das schon lange in der Veterinärmedizin zur Beruhigung<br />
von Tieren verwendet wird. <strong>Dexmedetomidin</strong> hat eine herausragende Pharmakokinetik:<br />
Seine Distributions-HWZ liegt um 6 Minuten, die Eliminations-HWZ bei 2-2,5 St<strong>und</strong>en<br />
(108). Die Clearence beträgt 39±10 Liter/St<strong>und</strong>e. Die interindividuelle Variabilität ist gering,<br />
Alter <strong>und</strong> Geschlecht haben keinen Einfluss auf die Pharmakokinetik. Die Proteinbindung
eträgt 94%, die Elimination erfolgt hepatisch als Glukuronid (108). Aus diesen Daten folgt,<br />
dass <strong>Dexmedetomidin</strong> für eine intravenöse Titration gut steuerbar ist.<br />
Klinisch sind die Patienten am Respirator sehr ruhig, scheinen zu schlafen, sind aber leicht<br />
erweckbar <strong>und</strong> sehr kooperativ (108,118). Die kognitiven Leistungen sind vom Pharmakon<br />
unbeeinträchtigt. Das Ausmaß an Amnesie, das mit <strong>Dexmedetomidin</strong> erreicht wird, bleibt<br />
unklar (118). Die wesentlichen unerwünschten Wirkungen sind Hypotension, Hypertension,<br />
Übelkeit <strong>und</strong> Bradykardie (112). Die Therapie mit <strong>Dexmedetomidin</strong> beginnt mit einer loading<br />
dose von 6µg/kg/h. Wenn diese über 20 Minuten verabreicht wird, sind unerwünschte<br />
Kreislaufreaktionen selten (118). <strong>Dexmedetomidin</strong> ist nicht mit Toleranz assoziert,<br />
beeinträchtigt die Funktion der Leukozyten nicht <strong>und</strong> hat nur eine minimale Supression der<br />
adrenalen Steroidgenese zur Folge.<br />
Indikationen/Intensivmedizin: Sedierung kritisch Kranker, Respiratorentwöhnung,<br />
Entzugstherapie nach längerer Verabreichung von Bezodiazepinen <strong>und</strong> Opioiden auf<br />
Intensivstationen, Detoxifikation von Opioidabhängigen in Narkose, Alkohol- <strong>und</strong><br />
Medikamentenentzug, Agitation bei nichtinvasiver Beatmung (CPAP, BIPAP,ASB über<br />
dichtsitzende Gesichtsmaske). Dosierung: loading-dose 6µg/kg/h für 20 Minuten, dann 0,2-<br />
0,7µg/kg/h nach Ramsey-score (73,122,124).<br />
Conscious Sedation: Wachkraniotomie (1 Fallbericht, 119), das Fehlen einer<br />
Atemdepression beim cortical mapping scheint ein wesentlicher Vorteil des <strong>Dexmedetomidin</strong><br />
zu sein. Eine weitere sinnvolle Indikation könnte die Sedierung von rekonstruktiven<br />
Gefäßoperationen in Regionalanästhesie sein (Carotis-TEA, femoropoplitealer Bypass etc.),<br />
da hier ein Kollektiv mit kardialen Risikofaktoren von einer Sympathikolyse <strong>und</strong> dem Schutz<br />
vor Myokardischämie profitieren könnte (120).<br />
Mögliche sinnvolle Indikationen für α2-Agonisten in der Zukunft:<br />
Endoskopie: für schmerzhafte oder langwierige endoskopische Verfahren (ERCP, operative<br />
Colonoskopie etc.) wäre eine Prämedikation mit <strong>Clonidin</strong> oder eine Sedoanalgesie mit<br />
<strong>Dexmedetomidin</strong> möglicherweise aus mehreren Gründen sinnvoll: a) analgetische Wirkung<br />
b) Reduktion der gastrintestinalen Motilität <strong>und</strong> Sekretion c) Sedierung bei erhaltener<br />
Kooperation d) kardiale Stressreduktion (bei Endoskopien kommt es mit, aber auch ohne<br />
Sedierung zu Abfall der Sauerstoffsättigung, zu Blutdruckspitzen <strong>und</strong> tachykarden Phasen)<br />
e) Reduktion von Übelkeit <strong>und</strong> Brechreiz (stört Komfort <strong>und</strong> Untersuchung) f) keine<br />
Atemdepression wie bei den anderen Sedativa g) Anxiolyse<br />
Ophthalmologische Operationen in Lokalanästhesie: die meist hochbetagten Patienten<br />
haben häufig ein hohes kardiopulmonales Risikoprofil <strong>und</strong> disponieren zu paradoxen<br />
Reaktionen <strong>und</strong> zu Atemwegskomplikationen durch Sedativa. <strong>Dexmedetomidin</strong> reduziert den<br />
Augeninnendruck. Limitierend könnte die Existenz des okulovagalen Reflexes sein.<br />
Gefäßchirurgie in Regionalanästhesie: es findet sich ein Kollektiv mit hohem kardialen<br />
Risiko <strong>und</strong> (langzeitige) Operationen mit schlechtem Patientenkomfort. Bei Carotis-TEA<br />
wäre die neurologische Funktion durch <strong>Dexmedetomidin</strong> unbeeinträchtigt. Der reduzierte<br />
arterielle Mitteldruck könnte geringere operativen Blutverlusten zeitigen. Die selbe<br />
Argumentation wäre auf orthopädische Operationen in Regionalanästhesie anwendbar.<br />
Limitierend für eine kontinuieliche Sedierung mit <strong>Dexmedetomidin</strong> könnte die Dauer der<br />
Operationen sein, für kurze Eingriffe ist möglicherweise eine einmalige intramuskuläre<br />
Injektion eher angemessen: Bronchoskopie. Unbeeinträchtigte Atemfunktion,<br />
Bronchodilatation, Analgesie <strong>und</strong> Anxiolyse sprechen für α2-Agonisten.<br />
Literatur beim Verfasser