artensuite
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<strong>artensuite</strong><br />
Kunst im Buch<br />
Abwesenheit<br />
■ «Evolutionär gesehen ist Kunst etwas<br />
ganz Aussergewöhnliches. Sie ist<br />
ein Raum, über den man vereinbart hat,<br />
dass er sich in, aber auch knapp neben<br />
unserer Welt befindet. Sie ist ein fens-<br />
terartiger Zauberraum, in den man<br />
Dinge stellen oder in dem man Dinge<br />
stattfinden lassen kann. Kunst macht<br />
es möglich, Dinge in ihrer Nacktheit zu<br />
erleben.» In diesem Sinne müsste man<br />
den holländischen Künstler Mark Manders<br />
(*1968) wohl als schwarzen Magier<br />
bezeichnen. Seine Werke faszinieren<br />
genauso, wie sie irritieren, oder vielmehr<br />
ist es gerade die von seinen Werken<br />
ausgelöste Irritation, was so fasziniert.<br />
Dunkle, surreale, traumartige<br />
Räume entwickelt Manders und formt<br />
so eine sehr eigenständige Position innerhalb<br />
der Skulptur und Installation.<br />
Seit der Arbeit «Self-Portrait as a<br />
Building» von 1986 arbeitet Manders<br />
kontinuierlich an einem Selbstporträt<br />
der ganz besonderen Art. Besonders,<br />
weil er zwar im Zentrum steht, doch es<br />
ist nicht sein Äusseres oder seine festgeschriebene<br />
Biografie, die er thematisiert.<br />
Vielmehr entsteht sein Selbstporträt<br />
über die Materialisierung von<br />
eigenen Gedanken, Gefühlen, Erinnerungen,<br />
vielleicht sogar Träumen und<br />
Alpträumen. Er erarbeitet sich seither<br />
ein Selbstporträt als Gebäude, als architektonische<br />
Form, in der Formen und<br />
Dinge zur Wörtern werden, jedoch nie<br />
Sprache und Schrift benutzt wird. Sein<br />
The Absence of Mark<br />
Manders. Katalog<br />
der Ausstellung im<br />
Kunstverein Hannover,<br />
2007, Bergen<br />
Kunsthall, 2008,<br />
Stedelijk Museum voor<br />
Actuele Kunst, Ghent,<br />
2008/2009, Kunsthaus<br />
Zürich, 2009,<br />
Hatje Cantz, 2007,<br />
278 Seiten, Englisch/<br />
Deutsch/Niederländisch,<br />
Fr. 58.90.<br />
«Self-Portrait as a Building» bestand aus einem mit Schreib-<br />
utensilien auf dem Boden ausgelegten Grundriss. Dies zeigt<br />
schon, wie abstrakt und konzeptionell dieses Selbstporträt in<br />
Manders assoziativen Erinnerungsräumen angelegt ist.<br />
«A Place Where My Thoughts Are Frozen Together» von<br />
2001 ist eine seiner poetischsten Arbeiten: Ein menschlicher<br />
Oberschenkelknochen liegt hier neben einer gewöhnlichen<br />
Kaffeetasse. Verbunden sind die beiden Objekte, die jeweils<br />
schon für sich einen enormen Assoziationsraum eröffnen,<br />
einzig durch einen kleinen Zuckerwürfel. Alltägliches und<br />
Gedanken zur Evolution gehen hier Hand in Hand. Die Kaffeetasse<br />
ist für Manders über eine Jahrtausende lange Entwicklung,<br />
von zusammengehaltenen Händen, um Wasser zu<br />
schöpfen, über ein einfaches Holzgefäss, das eine Flüssigkeit<br />
halten kann bis über eine Tasse und bis hin zur Henkeltasse.<br />
Am 20. März eröffnet die Ausstellung (sie war vorher bereits<br />
in Hannover, Bergen und Gent zu sehen) «The Absence<br />
Of Mark Manders» im Zürcher Kunsthaus. Aus Anlass dieser<br />
Ausstellungen ist bei Hatje Cantz die erste Überblickspublikation<br />
zu Manders Schaffen erschienen. Der Katalog beinhaltet<br />
neben zahlreichen Bildern Texte von Stephan Berg,<br />
Douglas Fogle und Mirjam Varadinis. Zu ausgewählten Werken<br />
sind zudem Erklärungen oder Hinweise des Künstlers<br />
selbst abgedruckt. Sie schlagen die Türe zur Gedankenwelt<br />
des Künstlers einen kleinen Spalt weit auf, jedoch nie so<br />
weit, dass die Werke überinterpretiert und zerredet werden<br />
– die Werke bleiben geheimnisvoll und auch beunruhigend.<br />
Selten hat eine Abwesenheit so beeindruckt und kaum ein<br />
Selbstporträt wurde so spannend in Form von dreidimensionalen<br />
Fotografien oder Gemälden erschaffen wie es Mark<br />
Manders gelingt. (di)<br />
Summerday<br />
■ Da sitzt ein Mädchen auf einem<br />
riesigen Knochen und spielt mit ihren<br />
Haaren; eine Schafherde steht vor<br />
einem Bergpanorama; eine junge Frau<br />
hängt Wäsche zum Trocknen auf; ein<br />
Vogelnest voll mit Eiern liegt in einer<br />
Astgabel; ein Mann legt farbige Papiere<br />
auf dem Boden aus; ein lachendes<br />
Sonnen-Gesicht strahlt uns entgegen.<br />
Solches und vieles mehr zeigt Irene Bisang<br />
(*1981) in ihren kleinformatigen<br />
Bildern. Es ist nicht möglich, alle ihre<br />
Motive in Beziehung zu setzen oder<br />
gar ein einziges Thema zu finden, dass<br />
die junge Künstlerin beschäftigt. Sie<br />
scheint alles aufzusaugen und in ihre<br />
Bildsprache zu übersetzen. Alltägliche<br />
Szenen herrschen jedoch vor. Menschen<br />
in ihrem wohlbekannten Umfeld,<br />
in ihren Wohnungen, der Küche<br />
oder alltägliche Dinge, ein Vogelnest,<br />
Mandarinenschnitze. Doch dann wird<br />
dieses Gewohnte wieder jäh durchbrochen<br />
von märchenhaften, fantastischen<br />
und traumartigen Szenen: einer Fee, die<br />
ein Sparschwein erschlägt, das bereits<br />
erwähnte Sonnengesicht oder ein Monster<br />
mit einem leuchtenden Stern am<br />
unförmigen Körper. Bisangs Schaffen<br />
verbindet Michaël Borremans Surrealität<br />
mit der Lakonie von Francis Alÿs,<br />
Vidya Gastaldons Märchenwelt mit Edwars<br />
Hoppers Einsamkeit zu einer neuen,<br />
eigenständigen Bildsprache.<br />
Bisang malt meist mit Aquarell auf<br />
unterschiedliches Papier. Der transpa-<br />
<strong>artensuite</strong> März Nr. 3 | 09