artensuite
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Irene Bisang – Glück<br />
und Glas, hrsg. v.<br />
Klaus Herding und<br />
Hans-Werner Schmidt,<br />
mit Texten von Jean-<br />
Christoph Amman und<br />
Tina Schulz, Verlag<br />
für moderne Kunst<br />
Nürnberg, 96 Seiten,<br />
Deutsch/Englisch, Fr.<br />
36.00.<br />
rente Charakter der Aquarellfarbe trägt<br />
denn auch viel zur Atmosphäre und<br />
zum Charme ihrer Arbeiten bei. Es sind<br />
jeweils kleine, fragile und wie flüchtige<br />
Fragmente eines Lebens, eines Lebens,<br />
das über Generationen führt. In<br />
«On a Summerday» von 2007 finden<br />
sich denn auch die Worte: «On a summerday<br />
my great-great-great grandson<br />
found a picture of me (I don‘t look good<br />
on it)». Zeit ist kein fixer Parameter in<br />
Bisangs Schaffen. Sie zappt zwischen<br />
ihren Bildern durch verschiedene Epochen<br />
und dies auch innerhalb einzelner<br />
Bilder. Also kein Wunder, wenn auf<br />
einem Bild ein Mädchen einen Pulli<br />
auszieht und das weisse Tattoo auf ihrem<br />
Rücken ein Unendlichkeitszeichen<br />
(eine liegende Acht) darstellt. Bisangs<br />
Werke sind zwar jedes für sich kleine,<br />
fragmentierte Erzählungen, aber trotzdem<br />
gewinnen sie viel im Zusammenleben<br />
mit ihren Genossen. Ganze Erzählwelten<br />
eröffnen sich und ungeahnte<br />
Verbindungen werden sichtbar.<br />
Zwei Texte von Tina Schulz und<br />
Jean-Christoph Amman runden die<br />
Publikation ab. Schulz behandelt die<br />
Vielfältigkeit in Bisangs Motiven und<br />
Maluntergründen. Amman geht dem<br />
Phänomen Zeit in Bisangs Werken<br />
nach. (di)<br />
<strong>artensuite</strong> März Nr. 3 | 09<br />
Skulptur<br />
■ Barnett Newman erwähnte einmal,<br />
dass die Skulptur das ist, «woran du<br />
stösst, wenn du zurücktrittst, um ein<br />
Gemälde zu betrachten». Lange, auch<br />
noch während der Moderne, vielleicht<br />
sogar in besonderem Masse während<br />
der Moderne, war Skulptur höchstens<br />
ein Nebenprodukt der künstlerischen<br />
Tätigkeit. Vorrang hatte ohne Frage die<br />
Malerei. Erst in den 1960er Jahren verschob<br />
sich diese Gewichtung und seit-<br />
her ist Skulptur eine der innovativsten<br />
Gattungen überhaupt geworden. Aber<br />
was ist denn Skulptur eigentlich? Irgendeine<br />
künstlerische Formung im<br />
Raum? Wo sind die Grenzen zu Architektur<br />
oder gar Design? Ist eine Installation<br />
eine Skulptur? Was ist mit Begriffen<br />
wie Plastik, Objektkunst, Bildhauerei?<br />
Schon die Definition von Skulptur wird<br />
vor allem im Angesicht der zeitgenössischen<br />
Möglichkeiten von Skulptur enorm<br />
schwierig. Land Art, Installation, Environment<br />
oder gar Performance, Videokunst,<br />
Design und Architektur treten in<br />
direkte Nachbarschaft zur Skulptur. Die<br />
Publikation «Skulptur heute», bei Phaidon<br />
erschienen, widmet sich dem Phänomen<br />
Skulptur in der zeitgenössischen<br />
Kunst.<br />
Das umfanreiche Buch will jedoch<br />
nicht eine endgültige Antwort auf all<br />
die oben erwähnten Fragen geben. In<br />
einem einführenden Text grenzt Judith<br />
Collins zwar das weite Feld der Skulptur<br />
ab, sie verzichtet jedoch darauf, allzu<br />
Judith Collins, Skulptur<br />
Heute, Phaidon, 2008,<br />
483 Seiten, Fr. 129.00.<br />
<strong>artensuite</strong><br />
tief auf definitorische Fragen einzugehen. Sie setzt die Grenze<br />
der Darstellung von «Skulptur heute» in die 1970er Jahre. In<br />
dieser Zeit habe die bildhauerische Aktivität ausgesprochen<br />
zugenommen, verbunden mit radikalen Veränderungen innerhalb<br />
der Gattung. Verantwortlich für diesen Wandel sei<br />
eine neue Sicht von Raum und Ort und dem menschlichen<br />
Wesen überhaupt in der Folge neuer Technologien, dem Internet<br />
und neuen Möglichkeiten globaler Kommunikation<br />
und Mobilität. Weder ist die Darstellung nach Ismen noch<br />
chronologisch gegliedert. Vielmehr sind die 18 Kapitel nach<br />
unterschiedlichen Kriterien zusammengestellt: nach Motiven<br />
(«Seltsame Geschöpfe»), nach Materialien («Traditionelle<br />
Materialien»), nach Grösse («Monumentalität», «Grös-<br />
se und Massstab»). Diese Ordnung ist etwas irritierend, da<br />
sie nach so unterschiedlichen Kriterien funktioniert und teils<br />
nicht konsequent ist. Müsste nicht ein Kapitel zu neuen Materialien<br />
enthalten sein, wenn eines zu traditionellen Werkstoffen<br />
Aufnahme fand? Und eigenartiger Weise sind die Kapitelüberschriften<br />
im Inhaltsverzeichnis in Deutsch gehalten, im<br />
Innern werden sie jedoch Englisch geschrieben.<br />
Was die Kapitel aber inhaltlich und an Bildmaterial liefern,<br />
ist tadellos. Keine andere Publikation zur Skulptur gibt<br />
eine derart umfangreiche Überschau in diese so schwierig zu<br />
fassende Gattung. Die Publikation ist ein umfassendes Kompendium<br />
an skulpturalen Formungen unterschiedlichster Art.<br />
Beinahe 500 Seiten sind vollgestopft mit Namen und Beispielen,<br />
die einen sehr guten Einblick in die unzähligen Möglichkeiten<br />
der Skulptur gibt, aber natürlich bei Weitem nicht auf<br />
Vollständigkeit aus ist.<br />
Trotz der Vielfältigkeit lassen sich Tendenzen und bevorzugte<br />
Themen ausmachen. Der menschliche Körper ist erstaunlicherweise<br />
immer noch wichtig (vielleicht Andro Wekua<br />
oder Mai-Thu Perret in der Schweizer Kunst), auch wenn<br />
seit den 1960er Jahren die abstrakte Kunst im Vormarsch ist.<br />
Und was schnell einmal deutlich wird: Skulptur kann alles.<br />
(di)<br />
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