Magazin2021 Ausgabe 3 - Tutech Innovation Gmbh
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021<br />
Wissensschatz | ClusterNews | Weiße Biotechnologie<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin<br />
Karrierewege<br />
Beruflich konsequent auf Schnittstellen<br />
gesetzt – Stefanie Heiden<br />
im Interview<br />
Seite 8<br />
Symrise – Naturstoffe<br />
herstellen leicht gemacht<br />
Aromenhersteller setzt auf<br />
biokatalytischen Modellprozess<br />
Seite 14<br />
Trends, Visionen,<br />
<strong>Innovation</strong>en<br />
Edelgard Bulmahn über die<br />
deutsche Biotechnologiebranche<br />
Seite 12<br />
Forscher aktuell<br />
Friedrich Rippmann und<br />
Matthias Rarey im Fokus<br />
Seite 5<br />
<strong>Ausgabe</strong> Nr. 3
Anzeige<br />
Editorial 3<br />
Ruhm & Ehre 4<br />
Pionier der Genomforschung in Deutschland – der Mikrobiologe Gerhard Gottschalk<br />
Forscher aktuell 5<br />
Friedrich Rippmann und Matthias Rarey im Fokus<br />
Inhalt<br />
Alles Cluster 6<br />
BMBF-Wettbewerb „BioIndustrie 2021“, BIOKATALYSE2021 unter der Lupe & im Profil<br />
Karrierewege 8<br />
Beruflich konsequent auf Schnittstellen gesetzt – Stefanie Heiden im Interview<br />
Alles für den Nachwuchs 10<br />
Extrem unterwegs: Adriane Lochners abenteuerlicher Weg in die Welt der Biotechnologie<br />
Impressum 10
Editorial<br />
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Halbzeit – nicht nur im Sport bedeutet sie eine<br />
kurze Phase des Sammelns, des Resümierens und des<br />
Formulierens einer zielgerichteten Taktik für den weiteren<br />
Spielverlauf. Auch BIOKATALYSE2021 rüstet<br />
sich rückblickend auf eine zweieinhalbjährige erfolgreiche<br />
Projekt-Laufzeit – für die zweite Halbzeit.<br />
Die Entwicklung erster Produkte, wie ein biologisch<br />
hergestellter antimikrobieller Wirkstoff für Naturkosmetika<br />
oder Enzyme für Backwaren, aber auch im Cluster<br />
konzipierter Aufarbeitungsverfahren, konnte bereits<br />
erfolgreich abgeschlossen werden. In anderen Projekten<br />
Trends, Visionen, <strong>Innovation</strong>en 12<br />
Edelgard Bulmahn über die deutsche Biotechnologiebranche<br />
Symrise – Naturstoffe herstellen leicht gemacht 14<br />
Aromenhersteller setzt auf biokatalytischen Modellprozess<br />
Wie die Industrielle Biotechnologie das Klima schützt 16<br />
Studie des WWF und Novozymes belegt immenses Potenzial<br />
zur Kohlendioxid-Reduktion<br />
wurden vielversprechende Zwischenergebnisse erzielt.<br />
Alle Projekte mussten sich einer kritischen internen Evaluation<br />
durch den BIOKATALYSE2021-Lenkungsausschuss<br />
unterziehen, bevor der Start in die zweite Phase<br />
freigegeben wurde.<br />
Auch von offizieller Seite wurde uns die äußerst positive<br />
Entwicklung des Clusters bestätigt. Die im März<br />
2010 erfolgte Zwischenevaluation durch das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung hat BIOKATALY-<br />
SE2021 laut Gutachterausschuss „mit Bravour“ bestanden.<br />
Um die Industrielle Biotechnologie in Norddeutschland<br />
weiterhin so erfolgreich zu fördern, durch Forschung<br />
und Unternehmensgründungen voranzutreiben<br />
und die Präsenz in der Öffentlichkeit zu stärken, wurde<br />
am 9. Dezember vergangenen Jahres die Gründung des<br />
Trägervereins IBN e.V. vollzogen. Diesem schlagkräftigen<br />
Verein gehören Hochschulen und Unternehmen<br />
sowie die fünf norddeutschen Länderagenturen an, die<br />
bereits im Cluster BIOKATALYSE2021 aktiv sind.<br />
Frei nach dem Motto „nachhaltig für die Nachhaltigkeit“<br />
ist auch hier unser Blick gen Zu-<br />
kunft gerichtet – denn der Trägerverein<br />
ist für uns ein bedeutsamer Schritt auf<br />
dem Weg zu unserem fest anvisierten<br />
Ziel: Der Gründung der Forschungsgesellschaft<br />
IBN GmbH. Dadurch wollen<br />
wir sicherstellen, dass wir auch nach Ablauf der fünfjährigen<br />
Förderperiode die Synergie von BIOKATALYSE2021<br />
weiter nutzen und ausbauen können. Denn die Aktivitäten<br />
innerhalb des IBN e.V. dienen dazu, die Erfolge, die<br />
wir jetzt mit BIOKATALYSE2021 verbuchen, für die Zukunft<br />
festzuhalten, auszubauen und auch auf andere The-<br />
„Erfolge<br />
für die Zukunft<br />
sichern“<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
menfelder auszuweiten. Und Sie sind natürlich herzlich<br />
und ausdrücklich eingeladen, an dieser für die Zukunft<br />
der Industriellen Biotechnologie wichtigen Entwicklung<br />
teilzuhaben und aktiv mitzuwirken. Wir sind immer offen<br />
für neue Projekte und motivierte Partner. Zögern Sie<br />
nicht, sich an unser Cluster-Büro in Hamburg zu wenden<br />
– wir stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.<br />
Wie „umtriebig“ BIOKATALYSE2021 ist, können Sie<br />
in der Ihnen vorliegenden aktuellen <strong>Ausgabe</strong> unserer „2021“<br />
nachlesen. Neben Neuigkeiten über den BIOKATALYSE-<br />
Nachwuchs und unseren nationalen wie internationalen<br />
Netzwerkaktivitäten porträtieren wir Gerhard Gottschalk<br />
– einen der bekanntesten Mikrobiologen Europas und<br />
Vorsitzender unseres BIOKATALYSE2021-Lenkungsausschusses<br />
– und sein Lebenswerk. Auf Seite 12 blicken wir<br />
gemeinsam mit der ehemaligen Bundesforschungsministerin<br />
Edelgard Bulmahn auf die Entwicklung der Biotechnologie<br />
in Deutschland. Ihre Aussage, dass biokatalytischen<br />
Produktionsprozessen und der damit einhergehenden<br />
Nachhaltigkeit die Zukunft gehört, bestätigt uns, an unserer<br />
Zielsetzung tatkräftig festzuhalten. Unternehmen wie<br />
Symrise, das im niedersächsischen Holzminden ansässig<br />
ist, haben diesen Trend bereits in Ihrer Forschungs-Agenda<br />
verankert. Auf Seite 14 schildern wir Ih-<br />
nen, wie der Duft- und Aromenhersteller<br />
mit Hilfe der Biokatalyse Nachhaltigkeit<br />
und Rentabilität erfolgreich vereint. Und<br />
wie aus einer Grundlagenforscherin eine<br />
der erfolgreichsten Wissenschaftsmanagerinnen<br />
geworden ist, erfahren Sie in unserem Interview<br />
mit Stefanie Heiden, die ihr Amt als Hauptgeschäftsführerin<br />
der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen<br />
(AIF) im Mai diesen Jahres aufgenommen hat.<br />
2021 bietet Ihnen also wieder anregenden und diesmal<br />
auch duftenden Lesestoff.<br />
Viel Freude bei der Lektüre wünscht Ihnen<br />
Helmut Thamer<br />
Auf Stippvisite 18<br />
Wie geht’s, wie steht’s: Zwischenbilanz der „BioIndustrie 2021“-Gewinner<br />
Gut vernetzt 20<br />
Internationale Partnerschaften von BIOKATALYSE2021, biocat2010<br />
Gala 22<br />
Clusterjahr in Bildern, Cartoon<br />
3
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Ruhm & Ehre<br />
Zum ersten Mal vergibt der Trägerverein Industrielle Biotechnologie Nord im<br />
Jahr 2010 den IBN-Award und zeichnet den Mikrobiologen Gerhard Gottschalk<br />
für sein Lebenswerk aus. Anlass für uns, diesen Ausnahmeforscher zu porträtieren<br />
Gerhard Gottschalk, Eckart Gottschalk, Ellen-Marie Gottschalk<br />
Bakterien sind unsichtbar, sie machen krank – davon<br />
hält man sich lieber fern. Dieses Bild, so Gerhard<br />
Gottschalk, haben die meisten Menschen<br />
von Bakterien. „Kein Wunder, dass die Mikrobiologie<br />
für sie ein Buch mit sieben Siegeln ist, dabei sind Mikroorganismen<br />
wahre Tausendsassa.“ Dass er einmal zum<br />
Großmeister der Forschung an diesen unsichtbaren Alleskönnern<br />
wird, ahnte er wohl kaum, als er 1953 in Schwedt<br />
an der Oder das Abitur bestand.<br />
Von seiner stark zerstörten Heimatstadt zog es Gottschalk<br />
an die Humboldt-Universität in Ost-Berlin, wo<br />
er sein Chemiestudium begann. Als Leiter der Orientierungsphase<br />
lernte er seine spätere Ehefrau, die junge<br />
Chemiestudentin Ellen-Marie, kennen und lieben. Die<br />
Liebe zu ihr war auch entscheidend für Gottschalks wissenschaftliche<br />
Karriere. Nachdem er sein Studium mit<br />
einem sehr guten Diplom 1959 absolviert hatte, wagte er,<br />
wie schon ein Jahr zuvor Ellen-Marie, die Flucht in den<br />
Westen nach Göttingen.<br />
Allen Vorurteilen zum Trotz, wie: Warum blieb ein<br />
ausgezeichneter Chemiker nicht an seiner Universität?<br />
War er am Ende vielleicht ein Spion?, konnte Gottschalk<br />
mit seiner sympathischen Art und seiner überzeugenden<br />
fachlichen Kompetenz die „Westler“ schnell von sich<br />
überzeugen. Die Bekanntschaft zu Professor Hans Günter<br />
Schlegel war dabei wegweisend. Der damalige Ordinarius<br />
für Mikrobiologie an der Georg-August-Universität Göttingen<br />
erkannte das Potenzial des jungen Forschers und<br />
bot ihm an, in der Mikrobiologie zu promovieren.<br />
Seitdem hat sich auf diesem Fachgebiet vieles getan.<br />
Mit dem Einzug der Genetik in die Biologie hat sich die<br />
Erforschung von Mikroorganismen verändert: Früher untersuchte<br />
man Stoffwechselwege mit biochemischen Methoden.<br />
Heute betrachtet man die genetische Grundlage<br />
4<br />
dieser Stoffwechselwege. Als einer der Ersten erkannte<br />
Gottschalk, wie wichtig es ist, das „Rezeptbuch“ einer<br />
Zelle zu lesen, um den Metabolismus zu verstehen. „Ich<br />
bin aber kein Mikrobengenetiker geworden, der sich für<br />
Promotorstrukturen, Mutationsraten oder Details der<br />
Konjugation interessiert“, stellt er klar. Vielmehr begeistert<br />
ihn die gegen Mitte der 1990er Jahre aufkommende<br />
Genomforschung. So gründete er 1997 gemeinsam mit<br />
Professor Hans-Joachim Fritz das Genomlabor am Göttinger<br />
Institut für Mikrobiologie und Genetik. Die Genome<br />
zahlreicher Mikroorganismen wurden hier inzwischen<br />
entschlüsselt. Gottschalk interessiert besonders, welche<br />
bisher unbekannten physiologischen Eigenschaften auf<br />
der Grundlage der Gene zu erwarten sind.<br />
Der vielseitige Professor der Mikrobiologie ist dafür<br />
bekannt, immer wieder neue Blickwinkel auf ein Forschungsgebiet<br />
zu eröffnen. Raum für interdisziplinäre<br />
Diskussionen bietet ihm die Göttinger Akademie der<br />
Wissenschaften, die er neben der Universität sein zweites<br />
zu Hause nennt. Er genießt den regen Austausch mit<br />
Wissenschaftlern aller Disziplinen. Auf einer Sitzung des<br />
Senats der Deutschen Forschungsgemeinschaft hatte der<br />
belesene Naturwissenschaftler die Aufgabe, das geisteswissenschaftliche<br />
Akademienprogramm der Union der<br />
deutschen Akademien der Wissenschaften, deren langjähriger<br />
Präsident Gottschalk war, vorzustellen. Seine<br />
mit Begeisterung gehaltene Ansprache, in der Gottschalk<br />
auch die Gebrüder Grimm und Johann Sebastian Bach<br />
für seine Argumentation heranzog, überzeugte den Senat<br />
und das Programm konnte sich als feste Institution in der<br />
deutschen Forschungslandschaft etablieren.<br />
Durch seine Offenheit und sein vielseitiges Engagement<br />
knüpft Gottschalk weltweite Netzwerke und gestaltet so<br />
die wissenschaftliche Landschaft. Bis an die Hebräische<br />
Universität Jerusalem reichen seine Kontakte, mit der die<br />
Göttinger Universität seit einem Besuch Gottschalks vor<br />
über 30 Jahren eine Partnerschaft pflegt.<br />
Doch nicht nur als Wissenschaftler ist Gottschalk hoch<br />
anerkannt. Auch als Betreuer unzähliger Doktorandinnen<br />
und Doktoranden, die ihm den Spitznamen „GO“ gaben<br />
und mit denen er auch während seiner Gastprofessur an der<br />
University of California, Berkeley regen Briefkontakt hielt<br />
oder als Rektor der Universität Göttingen, die er Mitte der<br />
1970er Jahre sicher durch unruhige Zeiten lenkte, wurde<br />
Gottschalk allseits geschätzt. Für seine wissenschaftlichen<br />
Verdienste erhielt er neben zahlreichen Auszeichnungen<br />
auch das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.<br />
Gottschalks Familie spielt eine tragende Rolle im Leben<br />
des vielbeschäftigten Professors. Auch wenn seine<br />
drei Kinder verstreut über die Welt leben, bleibt die Familie<br />
in engem Kontakt. „Wir gehen gerne Segeln, und<br />
bis letztes Jahr sind wir jedes Jahr gemeinsam Ski gefahren“,<br />
so der jüngste Sohn Eckart. Beruflich ist das Ehepaar<br />
Gottschalk immer noch aktiv. Ellen-Marie Gottschalk,<br />
ehemalige Hochschuldozentin für Klinische Chemie an<br />
der Universität Göttingen, unterrichtet auch nach ihrer<br />
Emeritierung Pathobiochemie an Medizinschulen.<br />
Für BIOKATALYSE2021 wacht Gerhard Gottschalk<br />
als Lenkungsausschuss-Vorsitzender über den Fortschritt<br />
der Cluster-Projekte. Er findet es spannend, „Forschungsvorhaben<br />
aus Universität und Industrie zusammenzubringen,<br />
um sicherzustellen, dass die Ergebnisse auf dem kürzesten<br />
Weg in die Anwendung gelangen“. So werden die<br />
„unsichtbaren Alleskönner“ zu Fabriken des Fortschritts in<br />
der Biotechnologie.<br />
IBN-Award<br />
Für seine bahnbrechenden Forschungsarbeiten<br />
auf dem Gebiet des bakteriellen Stoffwechsels wurde<br />
Professor Gerhard Gottschalk mit dem in diesem<br />
Jahr erstmals verliehenen „IBN-Award“ ausgezeichnet.<br />
Die Übergabe des neuen wissenschaftlichen „Oscar“<br />
an Gerhard Gottschalk erfolgte im Rahmen der IBN<br />
2010 am 17. Juni in Hamburg durch die US-Generalkonsulin<br />
Karen E. Johnson und Professor Garabed<br />
Antranikian, Vorstandsvorsitzender des IBN e.V.<br />
Die vom Trägerverein Industrielle Biotechnologie<br />
Nord ins Leben gerufene jährliche Ehrung erhalten<br />
künftig Forscher, Industrievertreter oder Politiker mit<br />
besonderen Leistungen im Bereich der Industriellen<br />
Biotechnologie. Bei dem Award handelt es sich um<br />
eine Skulptur des Hamburger Künstlers Yves Rasch,<br />
der sich beim Formideal von dreidimensionalen, röntgen-kristallographisch<br />
bestimmten Enzymstrukturen<br />
inspirieren ließ.
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Forscher aktuell<br />
Cluster-Köpfe und ihre Ideen im Fokus.<br />
In dieser <strong>Ausgabe</strong> Merck-Forscher Dr. Friedrich Rippmann aus Darmstadt<br />
und Professor Matthias Rarey vom Zentrum für Bioinformatik der Universität Hamburg<br />
Pharmazie und Programmieren sind und waren<br />
Friedrich Rippmanns berufliche Leidenschaften.<br />
„Einen Studiengang, der beides vereint, gab<br />
es damals allerdings leider noch nicht“, so der Chef der<br />
Bio- and Chemoinformatics-Gruppe beim Chemie- und<br />
Pharmaunternehmen Merck. Und so schlug Rippmann<br />
zunächst die Apotheker-Laufbahn ein – nicht ohne nebenbei<br />
fleißig weiter zu programmieren. Ein erfolgreicher<br />
Weg: Heute arbeiten 13 Wissenschaftler in seinem Team,<br />
darunter Chemiker, Biologen, Informatiker und Bioinformatiker.<br />
„Wir helfen unseren Chemikern dabei, bessere<br />
Inhibitoren für Proteine zu finden“, sagt Rippmann.<br />
Solche Inhibitoren sind in der Regel kleine Moleküle, die<br />
an körpereigene Proteine binden und so deren Wirkung<br />
blockieren. Zu diesem Zweck schaut sich Rippmann das<br />
identifizierte körpereigene Protein in 3D-Darstellung auf<br />
dem Computerbildschirm an.<br />
Wie sein BIOKATALYSE2021-Kollege Matthias Rarey,<br />
Chef des Zentrums für Bioinformatik der Universität<br />
Hamburg, sucht der Experte die Bindungstaschen,<br />
an denen ein potenzielles Wirkstoffmolekül „andocken“<br />
könnte. „Die grundsätzliche Frage ist: Welcher Schlüssel<br />
passt in eines der Schlösser des Proteins“, sagt Rippmann.<br />
Um diese Frage möglichst genau beantworten zu können,<br />
versucht der Forscher zu bestimmen, wo die zuvor grob<br />
identifizierte Bindungstasche anfängt und wo sie aufhört.<br />
Matthias Rarey<br />
Das sei keineswegs eine triviale Fragestellung, so Rippmann,<br />
man könne das jedenfalls nicht so einfach beantworten,<br />
wie bei einer Hemdtasche, also nach dem Motto:<br />
Wo kein Stoff mehr ist, ist Schluss. Mit diesem Bild der<br />
Bindungstasche des Proteins verkleinert Rippmann die<br />
Anzahl der in Frage kommenden Inhibitor-Kandidaten,<br />
die seine Chemiker-Kollegen im Labor auf ihre Wirksamkeit<br />
prüfen. „In der Regel findet man zunächst nur<br />
Moleküle, die nur schwach binden“, sagt Rippmann. Ein<br />
solcher schwach bindender Wirkstoff müsste aber in einer<br />
so hohen Dosis in den Körper gebracht werden, dass<br />
starke Nebenwirkungen zu befürchten sind. Rippmann<br />
schaut sich die Bindungstasche daher noch einmal genauer<br />
an – und überlegt, wie der Wirkstoff auszusehen<br />
hat, damit er besser bindet. Mit dieser Information können<br />
die Chemiker wiederum gezielt optimierte Inhibitoren<br />
synthetisieren. „Dann wird wieder geprüft, ob es<br />
passt – so lange, bis man mit dem Ergebnis zufrieden ist“,<br />
sagt Rippmann.<br />
Im BIOKATALYSE2021-Projekt P16 „COMPASITES:<br />
Computergestützte Analyse aktiver Zentren von Proteinen“<br />
kommt Rippmann nicht das erste Mal mit Matthias<br />
Rarey zusammen. Man arbeite bereits seit den 1990er<br />
Jahren zusammen, so der Merck-Forscher. „Wir sind eingespielt,<br />
das merkt man auch an den viel versprechenden<br />
Ergebnissen im aktuellen Projekt“, sagt Rippmann.<br />
Auf die Spur der Proteine – den Dreh- und Angelpunkt<br />
seiner wissenschaftlichen Karriere – habe<br />
ihn sein damaliger Informatikprofessor gebracht,<br />
sagt Matthias Rarey heute. Der geschäftsführende Direktor<br />
des Zentrums für Bioinformatik der Universität Hamburg<br />
kann sich noch gut an die Worte seines Diplomvaters<br />
erinnern: „Herr Rarey – im Bereich Lebenswissenschaften<br />
eröffnen sich gerade unerschöpfliche spannende Fragestellungen<br />
im Hinblick auf die Informatik.“<br />
Das ließ sich der frisch gebackene Informatik-Absolvent<br />
nicht zweimal sagen: Seit nun mehr 15 Jahren beschäftigt<br />
sich Rarey bereits damit, mit Hilfe des Rechners,<br />
den Proteinen die Rätsel über ihre genaue Funktionsweise<br />
zu entlocken. „Generell möchte man gerne wissen, wie<br />
Proteine, vor allem mit kleineren Molekülen, interagieren“,<br />
beschreibt Rarey die grundlegende Fragestellung seiner<br />
Arbeit. Denn, je mehr man darüber weiß, desto genauer<br />
und gezielter können seine Kollegen im realen Labor<br />
experimentieren – und so beispielsweise neue pharmazeutische<br />
Wirkstoffe entwickeln. „Wegen des äußerst komplexen<br />
Bindungsverhaltens der körpereigenen Proteine<br />
mit potenziellen Wirkstoffmolekülen, den sogenannten<br />
Liganden, ist das aber leichter gesagt als getan“, sagt Rarey.<br />
In jahrelanger Arbeit hat der Experte daher Computermodelle<br />
und Algorithmen entwickelt, die das „Andocken“<br />
des Ligands an das Protein möglichst genau vorhersagen<br />
Friedrich Rippmann<br />
können. Im einfachsten Fall liegt für das entsprechende<br />
Protein ein 3D-Strukturmodell auf dem Computer vor,<br />
das zuvor in einer Röntgenstrukturanalyse bestimmt<br />
worden ist. So kann Rarey Bindungstaschen – Zentren<br />
in Proteinen, an denen Liganden andocken – geometrisch<br />
und chemisch charakterisieren. Bestimmte Bindungstaschen<br />
sind beispielsweise typisch für das Binden einer bestimmten<br />
Molekülklasse, etwa von Zucker-Molekülen. Ist<br />
die grobe Klasse bekannt, wird weiter untersucht, welcher<br />
Zucker genau gebunden wird. Ist das Bindungsverhalten<br />
aufgeklärt, kann man andersherum natürlich auch fragen:<br />
Wie kann ein Protein beziehungsweise ein Enzym<br />
so modifiziert werden, damit es eine bestimmte Spezifität<br />
erreicht, also mit ausgewählten Liganden besonders gut<br />
reagiert? „Mit diesem Wissen könnte man Enzyme optimieren<br />
und in der Biokatalyse zielorientiert in Prozesse<br />
integrieren“, sagt Rarey.<br />
Im BIOKATALYSE2021-Projekt P16 „COMPASI-<br />
TES: Computergestützte Analyse aktiver Zentren von<br />
Proteinen“ arbeitet der Bioinformatiker zusammen mit<br />
Friedrich Rippmann vom Chemie- und Pharmaunternehmen<br />
Merck an diesen Fragestellungen. „Das Feld<br />
der Industriellen Biotechnologie ist für mich als Bioinformatiker<br />
hoch spannend – und so viel kann ich schon<br />
verraten: Wir sind da bereits auf einem sehr guten Weg“,<br />
sagt Rarey.<br />
5
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Alles Cluster<br />
BMBF-Cluster-Wettbewerb „BioIndustrie 2021“<br />
War die erste Zeit bei allen fünf Gewinnern<br />
des bundesweiten Wettbewerbs „BioIndustrie<br />
2021“ des Bundesministeriums für Bildung<br />
und Forschung (BMBF) im Wesentlichen dadurch<br />
geprägt, die eigenen Projekte auf den Weg zu bringen,<br />
neue Partner zu finden und Erfahrungen in der täglichen<br />
Netzwerkarbeit zu machen, verfolgt jetzt darüber hinaus<br />
der Arbeitskreis „BMBF-Cluster BioIndustrie 2021“ ein<br />
gemeinsames Ziel: Auf nationaler sowie internationaler<br />
Ebene soll das Gemeinschaftsprojekt dafür sorgen, dass<br />
die Industrielle Biotechnologie möglichst nachhaltig<br />
unterstützt wird, um Deutschlands Spitzenplatz in der<br />
Biotechnologie auch über die fünfjährige „BioIndustrie<br />
2021“-Förderperiode hinaus zu sichern. Um den enormen<br />
Nutzen und die Potenziale der Industriellen Biotechno-<br />
6<br />
Die fünf Gewinner des BMBF-Cluster-Wettbewerbs „BioIndustrie 2021“<br />
(Förderlaufzeit 2007-2012)<br />
Cluster BIOKATALYSE2021 – Biokatalyse auf neuen Wegen · TuTech <strong>Innovation</strong> GmbH<br />
Cluster Industrielle Biotechnologie – CLIB2021 · Cluster Industrielle Biotechnologie e.V.<br />
Cluster Biopolymere/Biowerkstoffe · BIOPRO Baden-Württemberg GmbH<br />
Cluster Integrierte Bioindustrie (CIB) Frankfurt · HA Hessen Agentur GmbH<br />
Netzwerk Bio M WB · Bio M WB GmbH<br />
BIOKATALYSE2021 unter der Lupe<br />
Das Jahr 2010 bedeutet Halbzeit für BIO-<br />
KATALYSE2021. Im Frühjahr stand die<br />
Evaluierung durch eine internationale Jury<br />
unter Federführung des BMBF sowie des Projektträgers<br />
Jülich an.<br />
Professor Gerhard Gottschalk vom Laboratorium für<br />
Genomanalyse der Georg-August-Universität in Göttingen<br />
berichtet: „Am 17. Februar in Hamburg und am<br />
5. März in Berlin prüften, ja man könnte sagen durchleuchteten,<br />
die Gutachter das bisher im Cluster BIOKA-<br />
TALYSE2021 Geleistete. Die Diskussion der vorgelegten<br />
Forschungsergebnisse und ihre Präsentation wurden<br />
einhellig positiv aufgenommen und mündeten in der<br />
Empfehlung, auf dem eingeschlagenen erfolgreichen<br />
Weg weiterzumachen. Auch für mich sind die erzielten<br />
Ergebnisse, die sehr gut funktionierende Kooperation<br />
mit Industrieunternehmen und insbesondere auch die<br />
Darstellung und Verbreitung der Clusteraktivitäten in<br />
der Öffentlichkeit wegweisend.“<br />
Der renommierte Mikrobiologe und Vorsitzende des<br />
BIOKATALYSE2021-Lenkungsausschusses soll dafür<br />
sorgen, dass jedes einzelne Projekt ein Erfolg wird. Dazu<br />
bewertet Gottschalk mit seinen Kollegen neue Projektanträge,<br />
kontrolliert anschließend, ob auch alles so läuft,<br />
wie es geplant wurde – und achtet akribisch darauf, dass<br />
Synergien zwischen den einzelnen Vorhaben auch genutzt<br />
werden.<br />
Mehr zur Zwischenbilanz im Artikel „Auf Stippvisite“ auf Seite en 18 und 19.<br />
logie zu verdeutlichen, setzt der Arbeitskreis vor allem<br />
auf die ganzheitliche und möglichst transparente Veranschaulichung<br />
von neu geschaffenen Wertschöpfungsketten.<br />
Insbesondere auf internationalen Kongressen und<br />
Messen präsentieren sich die fünf Gewinner-Cluster unter<br />
dem Motto „Discover Germany’s Competence in Industrial<br />
Biotechnology“ mit einem gemeinsam entwickelten<br />
Multimedia-Standkonzept. Durch die Synergien möchten<br />
die Partner Mehrwert für die gesamte Branche Industrielle<br />
Biotechnologie schaffen. Mehr zur Zwischenbilanz<br />
im Artikel „Auf Stippvisite“ auf den Seiten 18 und 19.<br />
Für die Koordination des Arbeitskreises „BMBF-Cluster<br />
BioIndustrie 2021“ wurde ein turnungsmäßiger Wechsel<br />
beschlossen. Auf Wunsch der Partner wurde sie zuerst<br />
BIOKATALYSE2021 übertragen.<br />
Das Gesamtvolumen der bisher begonnenen und geförderten<br />
Projekte liegt bei rund 26 Millionen Euro.<br />
20 Vorhaben wurden zur Förderung vorgeschlagen und<br />
vom BMBF bewilligt. Drei Projekte haben bereits zur industriellen<br />
Produktion geführt. Beispielsweise kommt die<br />
Bereitstellung der robusten Sulfhydryl-Oxidase bei den<br />
BIOKATALYE2021-Partnern SternEnzym und Henkel<br />
in der Lebensmittelherstellung beziehungsweise in der<br />
Klebstoffproduktion zum Einsatz. Die Optimierung dieser<br />
Oxidase ist das Ergebnis einer Zusammenarbeit von<br />
Forschungsgruppen der TU Hamburg-Harburg, der Universität<br />
Hannover und der Universität Greifswald. Das<br />
Gutachtergremium des BMBF besuchte die Firma SternEnzym<br />
in Ahrensburg und konnte sich selbst ein Bild<br />
vom kommerziellen Einsatz der Entwicklung machen.<br />
„Dass BIOKATALYSE2021 in unserer anwendungsorientierten<br />
Forschungslandschaft nicht mehr zu übersehen<br />
ist, verdanken wir der Kreativität und Arbeitsleistung der<br />
beteiligten Forscher. Ein entscheidendes Element des Erfolges<br />
ist auch die exzellente Kooperation mit den beteiligten<br />
Industrieunternehmen und das effizient arbeitende<br />
Management“, lobt Gottschalk.<br />
Das Cluster-Management fördert einen intensiven Dialog<br />
mit anderen Akteuren in der Szene und der breiten<br />
Öffentlichkeit. Als Medium dient neben dem jährlich zur<br />
BIOTECHNICA erscheinenden Clustermagazin 2021<br />
vor allem die Clusterwebseite www.biokatalyse2021.de mit Gerhard Gottschalk<br />
Ein Grandseigneur geht in Pension<br />
Mehr als 40 Jahre hat Dr. Ekkehard Warmuth im<br />
Staatsdienst gearbeitet, davon gut 30 Jahre im Bundesforschungsministerium.<br />
Es dürfte kaum ein deutsches<br />
Biotechnik-Unternehmen geben, dessen wissenschaftliche<br />
Konzepte und Businesspläne Warmuth nicht kennt.<br />
Stets fordernd und fördernd hat Ekkehard Warmuth<br />
nicht nur unsere Forschungs- und Cluster-Aktivitäten<br />
nachhaltig vorangetrieben, sondern mit hohem Sachverstand<br />
und großer Leidenschaft auch maßgeblich die<br />
gesamte deutsche Biotechnologie-Szene gestaltet.<br />
Die BIOKATALYSE2021 Cluster-Akteure wünschen<br />
sich, dass Ekkehard Warmuth auch als Privatier<br />
der Industriellen Biotechnologie in Deutschland<br />
verbunden bleibt.<br />
aktuellen Meldungen rund um das Thema Biotechnologie.<br />
Ab Oktober 2010 gibt hier eine Online-Expertendatenbank<br />
Auskunft über das Know-how der BIOKATALYSE2021-<br />
Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft.
BIOKATALYSE2021 im Profil<br />
Industrielle Biotechnologie – Innovative Lösungen<br />
für die Zukunft<br />
Die Biotechnologie gilt als Schlüsseltechnologie mit<br />
großem Problemlösungspotenzial für fast alle Lebensbereiche.<br />
Eine wichtige Rolle spielt dabei die Industrielle<br />
Biotechnologie (Weiße Biotechnologie), die das große<br />
Potenzial von Enzymen oder Ganzzellsystemen für die<br />
Produktion von Feinchemikalien, Pharmavorstufen,<br />
Kosmetikwirkstoffen sowie von technischen Enzymen<br />
und Biokraftstoffen nutzt. Die Industrielle Biotechnologie<br />
fungiert dabei als <strong>Innovation</strong>smotor, von dem wichtige<br />
Impulse für zahlreiche Anwendungsfelder ausgehen.<br />
Seine Stärke verdankt dieser Biotechnologiezweig der<br />
interdisziplinären Kooperation von Chemikern, Biologen<br />
und Ingenieuren.<br />
BIOKATALYSE2021 – Biokatalyse auf neuen Wegen<br />
BIOKATALYSE2021 hat sich zum Ziel gesetzt, in einer<br />
gemeinsamen Forschungskooperation zwischen<br />
Wirtschaft und Wissenschaft das große Potenzial von<br />
Biokatalysatoren aus Mikroorganismen systematisch zu<br />
erforschen und es in industrielle Anwendung zu überführen.<br />
Hierbei kombiniert der Cluster die einzigartige<br />
Cluster BIOKATALYSE2021 – Gremien<br />
Clustermanagement<br />
Mit der Gesamtkoordination haben die Konsortialpartner<br />
des Clusters BIOKATALYSE2021 Prof. Dr.<br />
Garabed Antranikian, Leiter des Instituts für Technische<br />
Mikrobiologie an der Technischen Universität<br />
Hamburg-Harburg (TUHH) und Dr. Helmut Thamer<br />
(Federführung), Geschäftsführer von TuTech <strong>Innovation</strong><br />
GmbH (TuTech), betraut. Beide werden unterstützt<br />
durch das BIOKATALYSE2021-Office, für das<br />
Dr. Ralf Grote (TUHH) und Karin Meyer-Pannwitt<br />
(TuTech) verantwortlich sind.<br />
Lenkungsausschuss<br />
Die Qualität des Clusters BIOKATALYSE2021<br />
wird maßgeblich durch die Güte der einzelnen Projekte<br />
und die darauf aufbauenden Synergieeffekte<br />
bestimmt. Um dieses sicherzustellen, wurde ein Lenkungsausschuss<br />
als oberstes Steuerungsgremium eingesetzt,<br />
dessen Aufgabe die Bewertung von neuen<br />
Projektanträgen und die Evaluation von laufenden<br />
Vorhaben ist.<br />
Hochschulexpertise der fünf Norddeutschen Bundesländer<br />
mit der Wirtschafts- und <strong>Innovation</strong>skraft von global<br />
agierenden Unternehmen aus der gesamten Bundesrepublik.<br />
Die primären Forschungsziele des Clusters liegen<br />
in der Erschließung neuer Biokatalysatoren, die unter<br />
außergewöhnlichen Einsatzbedingungen (extreme Temperatur-,<br />
Druck-, pH-, Salz- und Lösungsmittelbereiche)<br />
neuartige Syntheseleistungen erbringen. Die Enzymsysteme<br />
werden sowohl als Endprodukt als auch in nachfolgenden<br />
Prozessen zur Herstellung von Feinchemikalien<br />
und Wirkstoffen eingesetzt. Dieses geht einher mit der<br />
Entwicklung einer innovativen Verfahrenstechnik unter<br />
unkonventionellen Bedingungen.<br />
Mitglieder des Lenkungsausschusses sind:<br />
Prof. Dr. Garabed Antranikian (TUHH), Prof. Dr.<br />
Gerhard Gottschalk, Vorsitzender (Universität Göttingen),<br />
Dr. Markus Kähler (IP Bewertungs AG), Dr. Ulrich<br />
Kettling (Süd-Chemie AG), Prof. Dr. Karl-Heinz Maurer,<br />
stellvertretender Vorsitzender (Henkel AG & Co. KGaA),<br />
Dr. Lutz Popper (SternEnzym & Co. KG), Dr. Helmut<br />
Thamer (TuTech)<br />
Beirat<br />
Zur Einbindung des Clusters in das gesellschaftliche,<br />
ökonomische und politische Umfeld sowie zur Einbindung<br />
in nationale und europäische Forschungsstrategien<br />
wurde ein Beirat berufen. Der Beirat besteht aus<br />
Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft<br />
und dem Finanzsektor.<br />
Mitglieder des Beirates sind:<br />
Dr. Gottfried von Bismarck (Körber AG), Prof. Dr.<br />
Kurt Faber (Biokatalysezentrum Graz), Dr. Frank<br />
Schneider (Investitionsbank Berlin), Prof. Nicholas<br />
Turner (Biokatalysezentrum Manchester), Dr. Albrecht<br />
Weiss (ehemals Cognis GmbH)<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Aachen<br />
Köln<br />
Bremerhaven<br />
Essen<br />
Düsseldorf<br />
Oelde<br />
Sankt Augustin<br />
Niebüll<br />
Stade<br />
Darmstadt<br />
Ludwigshafen<br />
Karlsruhe<br />
Pfinztal<br />
Bremen<br />
Flensburg<br />
Raisdorf<br />
Nörten-Hardenberg<br />
GROSSUNTERNEHMEN GROSSUNTERNEHMEN KMU<br />
HOCHSCHULEN<br />
KMU<br />
HOCHSCHULEN FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN<br />
FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN LÄNDERAGENTU<br />
GROSSUNTERNEHMEN<br />
GROSSUNTERNEHMEN<br />
GROSSUNTERNEHMEN KMU<br />
KMU HOCHSCHULEN<br />
HOCHSCHULEN FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN<br />
LÄNDERAGENTUREN<br />
LÄNDERAGENTUREN<br />
KMU<br />
Rostock<br />
Moosburg<br />
HOCHSCHULEN<br />
FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN<br />
15 Großunternehmen, 19 kleinen und mittelständischen<br />
LÄNDERAGENTUREN<br />
Technologiekoordinatoren<br />
Die Technologiekoordinatoren spüren Entwicklungsergebnisse<br />
und/oder Methoden in den Clusterprojekten<br />
auf, die für andere Teilprojekte relevant sein<br />
könnten oder das Potenzial für Unternehmensgründungen<br />
in sich bergen. Die Technologiekoordinatoren<br />
tragen damit zur Realisierung von Synergieeffekten<br />
im Cluster bei.<br />
Aktuell sind folgende Technologiekoordinatoren<br />
berufen:<br />
• Screening & Enzymoptimierung: Prof. Dr. Uwe<br />
Bornscheuer, (Ernst Moritz Arndt Universität<br />
Greifswald)<br />
• Biokatalyse & Expertendatenbank: Prof. Dr. Andreas<br />
Liese (TUHH)<br />
• Prozessentwicklung & Aufarbeitung: Prof. Dr.<br />
Bernd Niemeyer (Helmut-Schmidt-Universität<br />
Hamburg)<br />
• Querschnittsaufgabe Qualifizierung: Prof. Dr.<br />
Ulrich Schwaneberg (RWTH Aachen), Prof. Dr.<br />
Wolfgang Streit (Universität Hamburg)<br />
Kiel<br />
Hannover<br />
Holzminden<br />
Ahrensburg<br />
Hamburg<br />
Göttingen<br />
Stuttgart<br />
Steinheim<br />
Halle<br />
München<br />
Teterow<br />
Dresden<br />
Greifswald<br />
Berlin<br />
BIOKATALYSE2021 bündelt die Expertisen von derzeit<br />
Firmen sowie 27 akademischen Forschungsgruppen und<br />
7 <strong>Innovation</strong>s- und Wirtschaftsförderagenturen. Der<br />
Cluster ist offen für weitere Partner & Projekte. Interessenten<br />
sind herzlich willkommen.<br />
7
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Karrierewege<br />
Von der Grundlagenforschung ins Wissenschaftsmanagement – Professorin Stefanie<br />
Stefanie Heiden<br />
Frau Heiden, wie sind Sie damals in Ihr bis heute<br />
sehr abwechslungsreiches und erfolgreiches Berufsleben<br />
gestartet?<br />
Mich hat es immer schon gereizt, Schnittstellen zu<br />
beherrschen. Und da bietet sich die Biotechnologie eben<br />
besonders an. Hinzu kam, dass mir ziemlich früh klar<br />
war, dass ich Chemie, Biochemie und Genetik miteinander<br />
kombinieren will. Noch als Schülerin, das muss gut<br />
zwei Jahre vor meinem Abitur gewesen sein, habe ich den<br />
Biochemiker und Mikrobiologen Professor Rudolf Thauer<br />
kennengelernt, meinen späteren Doktorvater. Er ist heute<br />
Anzeige<br />
noch mein wissenschaftlicher Sparringspartner. Ich hatte<br />
einfach das Glück, dass mich jemand inspiriert hat, neben<br />
meinen Eltern, die sehr aufgeschlossen für alle möglichen<br />
Orientierungen waren.<br />
Und nach dem Abitur sind Sie dann Herrn Thauer<br />
an die Philipps-Universität Marburg gefolgt?<br />
Ja, als ich 1985 anfing, gab es in Marburg den Studiengang<br />
Humanbiologie. Da konnte man auch Mikrobiologie<br />
vertiefen. Mir war klar, dass über diesen Weg ein<br />
paar der Dinge, von denen ich träumte, realisierbar sein<br />
könnten.<br />
Haben Sie während Ihres Studiums mal darüber<br />
nachgedacht, in die Wirtschaft zu wechseln?<br />
Eigentlich war mir immer klar, dass ich promovieren<br />
will. Aus diesem Grund bin ich für die Diplomarbeit ja<br />
auch in die Arbeitsgruppe von Professor Thauer gegangen.<br />
Spätestens zu dieser Zeit war ich zu hundert Prozent<br />
sicher, dass das der richtige Weg für mich ist. Das Thema<br />
Mikrobiologie faszinierte mich, das Umfeld und die<br />
ganze Arbeitsatmosphäre waren so überzeugend, dass ich<br />
eigentlich nie gezweifelt habe.<br />
Sie haben sich von Beginn Ihres Studiums an bereits<br />
auf die Promotion gefreut?<br />
Ja klar. Das kann ich bei jeder beruflichen Station sagen.<br />
Ich bin immer mit Freude, mit viel Engagement und<br />
Tatendrang bei der Sache.<br />
Das hört sich fast zu perfekt an. Hatten Sie nie einen<br />
Hänger oder Motivationsschwierigkeiten?<br />
Nein. Ich denke, ich besitze eine Art intrinsische Motivation.<br />
Das heißt, ich bin ständig auf der Suche nach<br />
einem Freiraum, in dem ich all die Dinge verwirklichen<br />
kann, die in meinem Kopf stecken, die mir in den Fingern<br />
kribbeln. Wenn ich diesen Freiraum für mich gefunden<br />
habe, dann kann ich gar nicht anders, als loszulegen.<br />
Sie sind also eine Gestalterin?<br />
Ja, bestimmt.<br />
Wir bringen die<br />
Industrielle Biotechnologie<br />
auf Kurs.<br />
Wie haben Sie ihre Promotion in Erinnerung?<br />
Eine tolle und spannende Zeit – es ging um das Thema<br />
Energiekonservierung methanogener Archaea und<br />
den daran beteiligten außergewöhnlichen Enzymen. In<br />
dem Feld wusste man zwar schon sehr lange, dass diese<br />
Mikroorganismen fähig sind, Energie zu speichern, aber<br />
nicht genau, wie sie es machen. Wir konnten dann erstmals<br />
herausfinden, dass Zytochrome für diesen Vorgang<br />
verantwortlich sind.<br />
Haben Sie während Ihrer Promotion, abgesehen von<br />
Herrn Thauer, schon Kontakte zu Menschen geknüpft,<br />
die Sie auch heute noch im Berufsleben begleiten?<br />
Die Arbeitsgruppe Thauer war ohnehin Bestandteil<br />
eines engen Netzwerks. Da hat man natürlich Gott und<br />
die Welt kennengelernt. Hinzu kommt, dass die Mikrobiologenfamilie<br />
in Deutschland eine recht überschaubare,<br />
eingeschworene Gemeinschaft ist. Leuten, die sich in<br />
diesem Kreis bewegen, begegnet man deshalb immer mal<br />
wieder im Leben. Wissenschaft und Wissenschaftsmanagement<br />
leben davon, Brücken zu schlagen, Netzwerke<br />
zu etablieren und zu pflegen. Darum ist es wichtig, kontinuierlich<br />
Kontakte zu knüpfen. Damals in Marburg habe<br />
ich übrigens auch Garabed Antranikian zum ersten Mal<br />
getroffen.<br />
Wann sind Sie mit dem Thema Wissenschaftsmanagement<br />
in Kontakt gekommen?<br />
Das war Anfang der 1990er Jahre. Herr Thauer hatte<br />
es damals geschafft, ein Max-Planck-Institut für terrest-<br />
8<br />
Nordlichter sind heller: Innovativ. Kompetent. Vernetzt. Werden Sie Partner im IBN e.V. – Setzen Sie Ihre Ideen gemeinsam mit uns zu konkreten Projekten um.<br />
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Heiden über ihren beruflichen Werdegang<br />
rische Mikrobiologie zu lancieren. In der Phase der Ausgründung,<br />
der Gründung und des Neubaubeginns war<br />
ich in Marburg und habe neben dem Forscherischen wohl<br />
schon ganz gut meine Managementqualitäten unter Beweis<br />
gestellt.<br />
Und wie ging es dann nach dem Abschluss ihrer<br />
Promotion weiter – gleich ins Wissenschaftsmanagement?<br />
Ich hatte ein Stipendium für das Pasteur-Institut in Paris.<br />
Das war bereits ein erster Bruch, weg von der reinen<br />
Grundlagenforschung hin zur Anwendungsforschung. Da<br />
ging es um Zellkontakt zwischen parasitären, also krankmachenden<br />
Keimen, und den Menschen. Es war schon<br />
alles geplant, ich war in Paris und wusste, wo ich nach der<br />
Zeit im Pasteur-Institut habilitieren würde. Doch dann<br />
kam der Anruf von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt<br />
(DBU).<br />
...der Sie offenbar dazu bewogen hat, Ihre Berufspläne<br />
spontan zu ändern...<br />
Ja, das war eine Herausforderung – und zudem eine<br />
Möglichkeit, etwas aktiv zu gestalten.<br />
Damals wusste ich von der Stiftung nur so viel: Das<br />
ist eine junge Einrichtung mit unendlich viel Geld. Und<br />
die suchten jemanden, der die Stiftung mit aufbauen soll.<br />
Dazu kamen aber auch noch persönliche Umstände. Irgendwie<br />
passte alles zusammen.<br />
Konnten Sie bei der DBU der Biotechnologie treu<br />
bleiben?<br />
Aber ja. 1997 habe ich dort den Schwerpunkt „Industrielle<br />
Biotechnologie“ etabliert. Damit waren wir Vorreiter<br />
über Jahre hinweg, vor allen anderen nationalen und<br />
internationalen Förderern. Wir haben damals den nachsorgenden<br />
Umweltschutzgedanken abgelöst in Richtung<br />
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„Weiße Biotechnologie 2011“<br />
Eine Sonderbeilage des GoingPublic Magazins<br />
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3 Sonderbeilage März 2010 / 5,00 € www.goingpublic.de<br />
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Weiße Weiße Biotechnologie<br />
Biotechnologie<br />
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Märkte – Technologien – Finanzierung – Investment<br />
Vorsorge. Dadurch war Umweltschutz nicht mehr nur<br />
ein Kostenfaktor, sondern wurde als Produktivitätsfaktor<br />
auch für unternehmerisch denkende Menschen attraktiv.<br />
Der Gedanke des präventiven Umweltschutzes<br />
passt auch zu Ihrer neuen Funktion als Hauptgeschäftsführerin<br />
der Arbeitsgemeinschaft industrieller<br />
Forschungsvereinigungen (AIF). Wie sind sie da hingekommen?<br />
Ich war 14 Jahre bei der DBU, zuletzt als stellvertretende<br />
Abteilungsleiterin „Umweltforschung und Naturschutz“.<br />
Ich hatte mit der Stiftung im Grunde all das erreicht,<br />
was ich erreichen konnte. Und im Laufe der Zeit<br />
werden ja viele Dinge an einen herangetragen. Zuletzt<br />
unter anderem eben das Angebot der AIF. Da habe ich<br />
mir gesagt: Okay, Schnittstellen interessieren mich immer.<br />
Warum also nicht einfach mal die Nase rausstrecken...<br />
Schnittstelle bedeutet ja, sich zwischen Wissenschaft,<br />
Wirtschaft und Politik zu bewegen.<br />
Genau. Die Wirtschaft, das Unternehmertum, das ist<br />
mir besonders wichtig. Mein Ziel ist es immer gewesen,<br />
<strong>Innovation</strong>en auf den breiten Markt zu bringen. Dafür<br />
brauche ich als Schlüssel den verantwortlichen Unternehmer.<br />
Ihn muss ich überzeugen, ihn muss ich aber auch<br />
unterstützen, das heißt, ihm Zugänge verschaffen, etwa<br />
zur Presse oder auch zu neuen Ideen. So gesehen bedeutet<br />
die Tätigkeit bei der AIF einerseits eine Weiterführung<br />
dessen, was ich vorher gemacht habe. Andererseits bin ich<br />
nun aber in einer noch verantwortlicheren Position, in der<br />
ich noch mehr gestalten kann als früher.<br />
Wie viel haben Sie dort noch mit Biotechnologie zu<br />
tun?<br />
Die AIF hat ja 101 Forschungsvereinigungen. Da gibt<br />
es natürlich auch biotechnische Anwendungen. Grund-<br />
2. Jg!<br />
Die Sonderbeilage „Weiße Biotechnologie 2011“<br />
erscheint am 26. Februar 2011!<br />
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Fax-Antwortschein:<br />
0049 – (0)89 2000 339-39<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
sätzlich ist die AIF natürlich breiter aufgestellt, das geht<br />
von A wie Antriebstechnik bis Z wie Ziegel. Da spielt<br />
die Biotechnologie aber als Querschnittstechnologie eine<br />
wichtige Rolle. Aber ich würde mir natürlich wünschen,<br />
dass sie in Zukunft noch viel bedeutender wird.<br />
Das haben Sie als Hauptgeschäftsführerin ja nun<br />
selbst in der Hand...<br />
Meine Aufgabe ist es, das Forschungsumfeld neu zu<br />
positionieren, ihm ein anderes Bild zu verleihen. Meine<br />
Disziplin werde ich nie verlassen, zumal ich ja immer<br />
noch Honorarprofessorin für den Fachbereich Biotechnologie/Umwelttechnik<br />
an der Uni Osnabrück bin. Insofern<br />
bleibe ich dem Fach, mit dem ich groß geworden bin, natürlich<br />
treu.<br />
Nach diesem eindrucksvollen Weg – haben Sie noch<br />
berufliche Karriereziele? Dinge, Themen, die Sie gestalten<br />
wollen?<br />
Ich würde mir wünschen, dass das Thema Nachhaltigkeit<br />
in den Unternehmen noch stärker gelebt wird. Noch<br />
in unserer Generation wird dieses Thema einen viel höheren<br />
Stellenwert erfahren, als das heute der Fall ist. Die<br />
Nachhaltigkeit wird uns in einer Art und Weise beschäftigen,<br />
wie man es zur Zeit des Club of Rome nicht einmal<br />
hätte ahnen können. Ich hoffe und ich glaube, dass wir<br />
Zeitzeugen dieser Entwicklung werden.<br />
GoingPublic Magazin, Sonderbeilage<br />
„Weiße Biotechnologie 2011“ (2. Jg.)<br />
Erscheinungstermin: 26. Februar 2011<br />
Anzeigenschluss: 14. Februar 2011<br />
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9
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Alles für den Nachwuchs<br />
Sie bereiste Australien, trekkte zum Fuße des Mount Everest, durchquerte die USA mit<br />
Alto: Doktorandin Adriane Lochner hat schon so einiges erlebt. Heute sucht sie am Oak<br />
die industrielle Herstellung von Biotreibstoffen<br />
Adriane Lochner<br />
Adriane Lochner zu erreichen, ist gar nicht so<br />
einfach: „Morgen gehe ich in den Great Smoky<br />
Mountains hiken, sonntags arbeite ich als Volunteer<br />
in einer Horse Rescue Station...“, sprudelt sie in<br />
gemischtem Deutsch-Englisch.<br />
Die Liebe zum Extremen scheint der Doktorandin aus<br />
Kulmbach im Blut zu liegen. Als Kellnerin und Erntehelferin<br />
reiste sie nach dem Abitur zehn Monate durch Australien.<br />
Mit 19 trekkte sie auf eigene Faust zum Mount<br />
Everest Basecamp. „Darauf bin ich bis heute stolz“, so<br />
10<br />
Impressum<br />
Anschrift & Bestelladresse<br />
BIOKATALYSE2021<br />
c/o TuTech <strong>Innovation</strong> GmbH<br />
Harburger Schloßstraße 6-12, 21079 Hamburg<br />
Telefon 040 76629-6121 | Fax 040 76629-6119<br />
E-Mail biokatalyse2021@tutech.de<br />
www.biokatalyse2021.de<br />
Herausgeber<br />
Das Magazin wird herausgegeben im Rahmen der Öffentlichkeits-<br />
arbeit für den BMBF-geförderten Cluster BIOKATALYSE2021.<br />
Verantwortlich sind:<br />
Dr. Helmut Thamer, TuTech <strong>Innovation</strong> GmbH (TuTech)<br />
Prof. Dr. Garabed Antranikian, Technische Universität Hamburg-<br />
Harburg (TUHH)<br />
die 27-Jährige. Bereits einen Tag nach Abgabe ihrer Diplomarbeit<br />
an der Universität Regensburg saß Lochner im<br />
Flugzeug nach Kalifornien. In Palo Alto an der San Francisco<br />
Bay verbrachte sie 2008 vier Monate als Trainee bei<br />
Hoffmann-La Roche.<br />
Verschlungene Wege führten Lochner an das Oak Ridge<br />
National Laboratory (ORNL). „Ich wollte in die Biotech-<br />
Industrie, hatte Erfahrung in Proteinbiochemie und wollte<br />
auch mal an die frische Luft“, sagt sie. Damals schwebte<br />
ihr vor, in Gummistiefeln durch heiße Quellen zu waten<br />
Chefredaktion<br />
Dr. Ralf Grote (TUHH), Karin Meyer-Pannwitt (TuTech)<br />
Redaktion<br />
Denis Dilba, Maren Grotzke, Oliver Mau (TUHH), Tina Schmidt-<br />
Nausch (TuTech), Ulrike Richter, Jannina Zanner (TuTech)<br />
Konzept, Koordination & Anzeigen<br />
Tina Schmidt-Nausch<br />
Gesamtgestaltung, Layout & Satz<br />
Noel Hertling (TuTech)<br />
Lektorat<br />
Jannina Zanner<br />
Illustration & Cartoon<br />
Jan-Hendrik Holst<br />
Fotos<br />
ACIB, Adriane Lochner, AIF, Noel Hertling, JAMSTEC, Roman<br />
Jupitz (TUHH), Merck, Ulrike Richter<br />
oder durch arktisches Eis zu stapfen, um extremophile<br />
Mikroorganismen zu suchen. „Von denen bin ich sehr beeindruckt“,<br />
sagt Lochner, „weil sie in Säure, Salz oder bei<br />
Temperaturen von über 100 Grad Celsius überleben“.<br />
Doch es kam anders, als sie dachte: Über Professor Karl<br />
Otto Stetter, Entdecker zahlreicher extremophiler Mikroorganismen<br />
und Gründer des Archaeenzentrums an der<br />
Universität Regensburg, knüpfte sie Kontakt zu Professor<br />
Martin Keller am ORNL. Er isoliert sogenannte Extremozyme<br />
– Enzyme aus extremophilen Mikroorganismen<br />
– für die biotechnologische Nutzung. Lochner erzählt von<br />
ihrem ersten Treffen mit Martin Keller: „Er lud mich zu<br />
einem richtig amerikanischen Vorstellungsgespräch ein,<br />
das einen ganzen Tag lang dauerte. Ich hielt zunächst ein<br />
Seminar, habe mich dann mit allen Gruppenleitern getroffen<br />
und wurde danach zum Abendessen eingeladen.<br />
Das fand ich anstrengend, aber auch wahnsinnig spannend<br />
und ich war sehr beeindruckt von diesem riesigen<br />
Nationallabor.“<br />
Keller bot ihr an, für die praktische Arbeit ihrer Dissertation<br />
sein Labor zu nutzen. Und in Professor Garabed<br />
Antranikian, dem international renommierten Extremophilenforscher,<br />
hatte sie bereits den idealen Doktorvater<br />
gefunden. Im Rahmen einer transatlantischen Partnerschaft<br />
mit dem Oak Ridge National Laboratory betreut<br />
er ihr Projekt.<br />
Adriane Lochner wäre nicht Adriane Lochner, wenn<br />
sie nicht auch den Umzug von Kalifornien nach Tennessee<br />
zu einem Abenteuer gemacht hätte. „In Palo Alto<br />
hatte ich mir einen alten Volvo gekauft, für wenig Geld<br />
aber mit vielen Meilen auf dem Tacho. Mit dem bin ich<br />
von Palo Alto über Los Angeles, Las Vegas, den Grand<br />
Canyon, New Orleans und Knoxville (Tennessee) gefahren<br />
– ein richtiger Roadtrip“, schwärmt sie.<br />
Druck<br />
Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG<br />
TuTech-Verlag, ISSN 1869-2060, ISBN 978-3-941492-26-4<br />
Alle im Magazin 2021 vertretenen Auffassungen und Meinun-<br />
gen können nicht als offizielle Stellungnahme des Herausgebers,<br />
der Förderer und der Partner des Clusters BIOKATALYSE2021<br />
interpretiert werden. Angaben ohne Gewähr. Das Heft erscheint in<br />
einer Auflage von 7.000 Exemplaren. Nachdruck der Texte nur mit<br />
Rücksprache des Herausgebers. Der Bezug ist kostenfrei.
dem Auto und war Trainee bei Hoffman-La Roche in Palo<br />
Ridge National Laboratory nach neuen Extremozymen für<br />
Und auch der Laboralltag bleibt spannend. Wenn auch<br />
im Laborkittel statt in Gummistiefeln, so geht Lochner<br />
doch jeden Tag auf eine kleine Entdeckungsreise. Für ihre<br />
Dissertation charakterisiert sie Zellulose abbauende Enzyme<br />
aus Extremophilen mit dem Ziel, Kandidaten für<br />
die Bioethanol-Produktion zu identifizieren. Finanziert<br />
wird das Projekt vom BioEnergy Science Center (BESC)<br />
des amerikanischen Energieministeriums. Besonders gefällt<br />
ihr der interdisziplinäre Ansatz ihres Projektes. Am<br />
ORNL arbeitet sie mit Wissenschaftlern verschiedener<br />
Fachgebiete zusammen: „In der Mikrobiologie lernte ich,<br />
wie man extremophile Bakterien kultiviert, die Biochemiker<br />
halfen mir, Enzymassays zu entwickeln und die<br />
Proteomics bieten eine großartige Möglichkeit, die Komponenten<br />
einer Proteinmischung zu identifizieren und zu<br />
quantifizieren.“ Sie kombiniert traditionelle Methoden<br />
mit modernsten Technologien wie der multidimensionalen<br />
Massenspektrometrie.<br />
Und wenn sie schon im Zuge ihrer Arbeit nicht „an<br />
die Luft kommt“, so holt sie das in ihrer Freizeit ausgie-<br />
„Aus Gras mach Gas“<br />
big nach. Ständig ist sie unterwegs, ob zum Reiten oder<br />
Wandern und Klettern im Great Smoky Mountains Nationalpark.<br />
Seit Kurzem lernt sie Gitarre. „Bei der ausgeprägten<br />
Musikkultur hier kam ich nicht drum herum,<br />
selbst ein Instrument zu spielen“, gibt sie schmunzelnd<br />
zu. Ein Grund mehr, in Knoxville zu wohnen, einer Studentenstadt,<br />
die „jede Menge Kunst, Kneipen und Live<br />
Musik“ zu bieten hat.<br />
Geschockt war Lochner bei ihrer Ankunft in den USA<br />
von den riesigen Distanzen, die sie täglich zurückzulegen<br />
hat. „Ich dachte doch tatsächlich, ich käme ohne Auto<br />
aus. Da hatte ich mich sehr geirrt, denn allein der Parkplatz<br />
vor dem Supermarkt ist größer als ein Fußballfeld.“<br />
An die Fahrerei hat sie sich mittlerweile gewöhnt und<br />
sie sieht daher einen wirklich großen Bedarf an Treibstoffalternativen,<br />
denn „öffentliche Transportmittel machen<br />
in den dünn besiedelten Gegenden einfach nicht<br />
viel Sinn“. Diese Erkenntnis bestärkt sie immer wieder in<br />
ihrer Arbeit, einen Beitrag zur industriellen Gewinnung<br />
von Bioethanol aus Pflanzen zu leisten.<br />
Um aus Pflanzen Biotreibstoff zu gewinnen, hat das amerikanische Energieministerium (DOE) widerspenstiger<br />
Biomasse den Kampf angesagt. Das DOE BioEnergy Science Center (BESC) unter der Leitung von Martin Keller<br />
bündelt Forschung aus den Bereichen Pflanzen- und Mikrobiologie, Biochemie und Proteomik. Botaniker und<br />
Mikrobiologen arbeiten zusammen, um pflanzliche Zellwände leichter abbaubar zu machen und Biokatalysatoren<br />
zu entwickeln, die aus dem modifizierten Pflanzenmaterial in einem Schritt Bioethanol produzieren.<br />
Koordiniert vom Joint Institute for Biological Sciences am Oak Ridge National Laboratory, verfolgen BESC-Wissenschaftler<br />
drei Forschungsansätze<br />
• den natürlichen Aufbau von Biomasse (z.B. Zellwände) zu verstehen und diesen zu modifizieren<br />
• die effiziente Umwandlung von Biomasse in Bioethanol zu ermöglichen<br />
• Modelle und Simulationen zu entwickeln, mit deren Hilfe der Zusammenhang zwischen Aufbau der Biomasse<br />
und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber enzymatischem Abbau vorhergesagt werden können<br />
Ziel der interdisziplinären Forschung ist es, Pflanzenmaterial für den Abbau zu optimieren und biologische<br />
Abbaumethoden zu entwickeln, um kostengünstig fermentierbare Zucker zu gewinnen. 19 Institute sind im BESC<br />
gebündelt, darunter die National Laboratories, Universitäten und private Unternehmen. Gemeinsam stehen ihnen<br />
jährlich rund 25 Millionen Dollar zu Forschungszwecken zur Verfügung.<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
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BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
12 14<br />
Magazin 2021<br />
Im Gespräch mit<br />
Edelgard Bulmahn<br />
Der Biotechnologie steht eine große Zukunft bevor<br />
Energie ist der Blutkreislauf einer hoch entwickelten<br />
Industriegesellschaft. Gerade das Rohöl<br />
spielt in vielen wirtschaftlich wichtigen Branchen<br />
immer noch eine entscheidende Rolle – doch<br />
das wird über kurz oder lang knapp werden. Biotechnologische<br />
Verfahren, die alternative Rohstoffe wie<br />
Biomasse zur Energiegewinnung nutzen können oder<br />
wertvolle Ressourcen durch effizientere und nachhaltige<br />
Prozesse einsparen, bieten die Möglichkeit, sich<br />
von Rohstofflieferanten unabhängiger<br />
zu machen. „Genau deshalb“, sagt die<br />
ehemalige Bundesministerin für Bildung<br />
und Forschung Edelgard Bulmahn,<br />
„steht der Biotechnologie eine<br />
große Zukunft bevor“. Sieben Jahre,<br />
zwischen 1998 und 2005, kümmerte sich Bulmahn<br />
qua Amt um Zukunft und Fortschritt und brachte<br />
mit gezielten Förderprogrammen die Biotechnologie<br />
in Deutschland auf einen erfolgreichen Weg. Auch<br />
nach ihrer Zeit als Bundesforschungsministerin blieb<br />
sie dem Thema „Technologie“ als Vorsitzende der AG<br />
Weltwirtschaft treu.<br />
BIOKATALYSE2021 blickt mit der Forschungspolitikerin<br />
auf die Entwicklung der Biotechnologie in<br />
Deutschland – und fragt nach, wie und wo die Branche<br />
künftig ihre Stärken zum Wohl der Gesellschaft<br />
ausspielen kann. In ihrem Büro im siebten Stock des<br />
Berliner Paul-Löbe-Hauses stand Edelgard Bulmahn<br />
uns Rede und Antwort. Obwohl die Biotechnologie<br />
in Deutschland bereits sehr gut aufgestellt sei, so Bulmahn,<br />
habe sie ihre stärkste Anwendungsphase noch<br />
vor sich. Davon ist die Politikerin überzeugt. Denn<br />
die Biotechnologie biete nach wie vor ein enormes<br />
Forschungs- und <strong>Innovation</strong>spotenzial. „Die Fähigkeit,<br />
Neues zu schaffen und Altes zu verbessern, macht<br />
die Biotechnologie zum kommenden Motor der Wirtschaft“,<br />
prophezeit Bulmahn. Sie wird einen wichtigen<br />
Teil dazu beitragen, unser Land weiter wettbewerbsfähig<br />
zu halten, Arbeitsplätze langfristig zu sichern und<br />
neue zu schaffen.<br />
Die Biotechnologie, so Bulmahn, ist in Deutschland<br />
inzwischen erwachsen geworden, aber doch noch eine<br />
junge Erwachsene. „In viele unterschiedliche Bereiche<br />
haben biotechnische Verfahren inzwischen erfolgreich<br />
Eingang gehalten“, wie etwa in der Medizin, der<br />
chemischen Industrie, der Umweltbranche, der Energiegewinnung<br />
aus Biomasse oder der Textilindustrie<br />
als auch in der Nahrungsmittelindustrie. „Es kommt<br />
jetzt entscheidend darauf an, dass in diesen Branchen<br />
die große Bedeutung der Biotechnologie richtig eingeschätzt<br />
wird und dass die <strong>Innovation</strong>smöglichkei-<br />
„Biotechnologie –<br />
kommender Motor<br />
der Wirtschaft“<br />
ten, die sich dadurch für die jeweilige Branche bieten,<br />
noch stärker genutzt werden“, so Bulmahn.<br />
Das Interesse der Wirtschaft an dem Thema sei seit<br />
den 1990er Jahren erfreulicherweise stark angestiegen.<br />
Damals war es nicht immer ganz einfach, Industriepartner<br />
für Forschungsprogramme zu gewinnen.<br />
„Aber mit Ausdauer im Dienst der Sache und mit der<br />
Überzeugung um die Wichtigkeit der Biotechnologie<br />
klappte das auch“, blickt Bulmahn zu-<br />
rück. Sie könne sich noch gut an die<br />
erste zögerliche Reaktion der Unternehmen<br />
auf das von ihr gestartete Forschungsprogramm<br />
„GenoMik - Genomforschung<br />
an Mikroorganismen“<br />
erinnern. Dass dann aber vier Kompetenznetze und<br />
über 42 Arbeitsgruppen aus dem Programm resultierten,<br />
bestätigte sie in ihrer Zielsetzung.<br />
Stand damals noch Forschung im Mittelpunkt<br />
und die Anwendung in den Kinderschuhen, sind die<br />
Vorteile „insbesondere auch aus unternehmerischer<br />
Sicht“ der heute reiferen Biotechnologie nicht mehr<br />
zu übersehen.<br />
Die Ex-Bundesministerin hat vier Hauptvorteile<br />
ausgemacht: Erstens bieten biotechnologische Verfahren<br />
den Vorteil, dass sie mit Rohstoffen arbeiten,<br />
die nicht endlich sind. „Vor dem Hintergrund der<br />
steigenden Rohstoffpreise und vor allem auch steigenden<br />
Rohölpreise und dem Wissen, dass viele unserer<br />
Rohstoffe, die wir heute einsetzen, endlich sind,<br />
bietet die Biotechnologie daher Zukunftssicherheit“,<br />
sagt Bulmahn. Das gelte vor allem für den Bereich<br />
der Kunststoffe, die heute in der Hauptsache aus Erdöl<br />
hergestellt werden: „Hier brauchen wir andere Verfahren,<br />
um diese Stoffe zu ersetzen.<br />
Inzwischen gibt es beispielsweise Biokunststoffe,<br />
die, langfristig gesehen,<br />
das Potenzial haben, Kunststoffe auf<br />
Rohölbasis zu ersetzen.“<br />
Der zweite große Vorteil sei der, dass biotechnologische<br />
Verfahren eine Erweiterung von konventionellen<br />
Verfahren darstellen – und so Schritt für Schritt<br />
zur Optimierung und Effizienzsteigerung beitragen.<br />
Bulmahn dazu: „Entscheidend ist hier aber, dass diese<br />
Verfahren zu einer wirklich nachhaltigen Produktion<br />
führen.“ Dieses wichtige Ziel sei ohne die Biotechnologie<br />
heute überhaupt nicht mehr denkbar. Die neuen<br />
„grüneren“ Produktionsprozesse gehen häufig mit weniger<br />
Energieverbrauch einher, dazu kommt, dass die<br />
Produkte ebenso häufig deutlich umweltfreundlicher<br />
„Biotechnologie<br />
bietet Zukunftssicherheit“<br />
sind. „Und dieses Potenzial zu nutzen, halte ich für<br />
eine Pflicht“, unterstreicht Bulmahn.<br />
Aus der Nachhaltigkeit erkläre sich auch sofort der<br />
dritte große Vorteil der Biotechnologie: Die Steigerung<br />
der Qualität, vor allem unter dem Gesichtspunkt der<br />
Abbaubarkeit und der Umweltverträglichkeit. Ebenfalls<br />
unter den Punkt Qualität falle auch das große<br />
<strong>Innovation</strong>spotenzial. Vierter Vorteil, und das sei ganz<br />
wichtig, so Bulmahn: „Die Tendenz bei Produkten<br />
aus biotechnologischer Produktion ist, dass man die<br />
Preise im Rahmen halten kann.“<br />
Diese Vorzüge bietet die Biotechnologie bereits<br />
heute. Um die Effekte noch zu verstärken und so den<br />
maximalen gesellschaftlichen Nutzen aus der Querschnittstechnologie<br />
zu ziehen, muss sie aber weiter<br />
gefördert werden, fordert Bulmahn.<br />
„Biotech<br />
sich<br />
mac<br />
„Die BMBF-Initiative „BioIndustrie<br />
2021“ ist hier die logische und erfolgreiche<br />
Fortsetzung von den Programmen<br />
zur Biotechnologie, die bereits<br />
gelaufen sind“, sagt die Politikerin.<br />
Die Gewinner-Cluster der Initiative, darunter auch<br />
BIOKATALYSE2021, zeigen durch die aktive Beteiligung<br />
der Wirtschaft deutlich, dass der Stellenwert der<br />
Biotechnologie und das Bewusstsein um deren Bedeutung<br />
deutlich gestiegen sind.<br />
„Wichtig wird aber auch weiterhin sein, dass wir die<br />
Forschungsanstrengungen im Feld der Biotechnologie<br />
generell hoch halten – nicht nur im Rahmen eines<br />
solchen Clusterprogramms, sondern auch in der Finanzierung<br />
von Grundlagenforschung“, so Bulmahn.<br />
Daneben werde es genauso wichtig sein, anwendungsnähere<br />
Einzelthemen zu stärken.<br />
„Generell muss man in einem breiten<br />
Bereich fördern, sonst bekommt man<br />
nicht die Stärke, die erforderlich ist, damit<br />
sich die Technologie durchsetzen<br />
kann“, sagt Bulmahn. Es gelte Strukturen<br />
zu schaffen, Netzwerke zwischen Wissenschaft<br />
und Wirtschaft zu bilden und die wichtigen Themen<br />
für die Wirtschaft aufzugreifen. In ihrer Amtszeit betrug<br />
das Volumen der Förderung für die Biotechnologie<br />
bereits grob eine Milliarde Euro. „Das ist natürlich<br />
eine Summe, die muss bei steigendem Bruttoinlandsprodukt<br />
immer weiter wachsen“, so die Politikerin.<br />
Nicht zu vernachlässigen seien weiterhin die Förderung<br />
des Nachwuchses sowie Existenzgründerprogramme.<br />
„Bildung ist immer wichtig – und einer der
Bundesforschungsministerin a.D., MdB<br />
wichtigsten und nachhaltigsten Erfolgsfaktoren“, so<br />
Bulmahn. Deutschland stehe im internationalen Vergleich<br />
aber gut da. Ein Schwerpunkt sei allerdings der<br />
schulische Bereich und das geringe Interesse an technischen<br />
oder naturwissenschaftlichen Studiengängen.<br />
Es gehe daher darum, das hohe Niveau der Ausbildung<br />
zu halten und auszubauen. „Wichtig ist es daher,<br />
besonders früh anzusetzen – etwa indem Kinder und<br />
Jugendliche schon in der Schule an die Biotechnologie<br />
herangeführt werden“, fordert Bulmahn. So wecke<br />
man Interesse und schaffe Aufmerksamkeit für das<br />
Thema. Dass dies auch gelinge, zeigten die zahlreichen<br />
Modellversuche vieler Jahre. Das empfehle<br />
sie übrigens generell und nicht nur für den<br />
Nachwuchs: Biotechnologie müsse sichtbarer<br />
gemacht werden. Denn während die Vorteile<br />
augenscheinlich seien, wisse man oft nicht<br />
sofort, „wo Biotechnologie<br />
nologie<br />
tbar<br />
hen“<br />
drinsteckt“. Abhilfe könne<br />
da gezielte Information über<br />
die Produkte aus der nachhaltigen<br />
biotechnologischen<br />
Produktion und deren Lebenszyklus<br />
schaffen. Dazu gehören natürlich<br />
auch themenbezogene Publikationen<br />
in Rundfunk, Fernsehen und Zeitschriften.<br />
Warum sollte zum Beispiel ein „Biotechnologie<br />
inside“-Siegel in Anlehnung an die<br />
Kampagne eines großen Chipherstellers<br />
nicht auch in der Biotechnologie positive<br />
Wirkung zeigen, sagt Bulmahn.<br />
Insgesamt zeigen ihre langjährigen Erfahrungen,<br />
dass die Einstellung der Menschen<br />
gegenüber biotechnologischen Verfahren,<br />
etwa aus dem Bereich der Industriellen<br />
Biotechnologie, sehr positiv ist. „Es ist doch<br />
allen bewusst, dass wir in einer Zeit leben, in<br />
der wir erfahren werden, dass Rohstoffe zu Ende<br />
gehen – wir müssen also in Richtung Nachhaltigkeit<br />
handeln.“ Das Gute sei aber, dass die revolutionäre<br />
Biotechnologie uns zur Verfügung stehe,<br />
sagt Bulmahn: „Daher sollten wir sie jetzt auch in<br />
breiter Form nutzen und weiterentwickeln.“<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Trends<br />
Visionen<br />
<strong>Innovation</strong>en<br />
13
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
14<br />
Symrise – Naturstoffe herstellen<br />
Begehrt sind die sekundären Pflanzenstoffe derzeit in vielen Bereichen, allen voran<br />
der Lebensmittelbranche – doch oft lassen sie sich nur sehr schwer oder auf<br />
chemischen Weg und damit nicht nachhaltig gewinnen. Biokatalytische<br />
Produktionsverfahren lösen beide Probleme auf<br />
einmal – und sparen Kosten<br />
Jens-Michael Hilmer, Director Enzyme & Reaction Technology im Bereich „Research & <strong>Innovation</strong>“ bei Symrise<br />
Sekundäre Pflanzenstoffe, so kann man in einschlägigen<br />
Lexika nachlesen, sind bestimmte chemische<br />
Verbindungen, die, geordnet nach der chemischen<br />
Struktur, folgende Klassen umfassen: Phenolische<br />
Verbindungen, isoprenoide Verbindungen, Alkaloide,<br />
spezielle Aminosäuren sowie spezielle Stoffe, die in<br />
photosynthetisch aktiven Pflanzenteilen zu finden<br />
sind. Dem stimmt Jens-Michael Hilmer uneingeschränkt<br />
zu. Der Director Enzyme & Reaction Technology<br />
im Bereich „Research & <strong>Innovation</strong>“ des Duft-<br />
und Aromenherstellers Symrise hat aber noch eine<br />
„Für Nachhaltigkeit,<br />
Natürlichkeit<br />
und Wirtschaftlichkeit<br />
setzen wir auf Biokatalyse“<br />
andere Definition für die zu den Polyphenolen gehörenden<br />
sekundären Pflanzenstoffe parat: „Sekundäre<br />
Pflanzenstoffe sind ein wichtiger Baustein für<br />
die Zukunft unseres Unternehmens“, so der Chemiker.<br />
Was die derzeit im Fokus der Wissenschaft stehenden<br />
sekundären Pflanzenstoffe so spannend für das<br />
Unternehmen macht: Ihnen werden die unterschiedlichsten<br />
positiven Wirkungen auf den menschlichen<br />
Organismus zugeschrieben. So können sekundäre<br />
Pflanzenstoffe unter anderem das Risiko für Krebserkrankungen<br />
vermindern, den Blutdruck regulieren,<br />
den Blutcholesterinspiegel senken oder das Immunsystem<br />
stärken. Darüber hinaus können sie antibakteriell,<br />
antiviral und entzündungshemmend wirken.<br />
Und genau diese Eigenschaften treffen den Nerv der<br />
Gesellschaft: „Früher sollte ein bestimmtes Lebensmittel<br />
nach Blaubeere schmecken“, sagt Hilmer. Heute<br />
müsse es nach Blaubeere schmecken und gleichzeitig<br />
auch einen gesundheitlichen Zusatznutzen bieten.<br />
„Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe wie zum Beispiel<br />
Polyphenole können das teilweise leisten“, informiert<br />
der Forscher, „daher sind sie mehr denn je gefragt“.<br />
Verfahren, diese Stoffe zu gewinnen, gebe es natürlich<br />
bereits, sagt Hilmer. Sie können aus Pflanzenmaterial,<br />
wie etwa Orangen oder Zitronen, gewonnen werden.<br />
Dazu werden die Schalen, in denen sich die Wertstoffe<br />
anreichern, zunächst getrocknet, dann gemahlen<br />
und anschließend mit natürlichem Lösungsmittel<br />
versetzt. Nach einem Trennverfahren bleibt dann der<br />
gewünschte Stoff übrig.
leicht gemacht<br />
Doch so einfach ist es in der Regel nicht, an die kleinen<br />
Gesundmacher zu kommen: Protzen Zitrusfrüchte<br />
gerade zu mit ihren sekundären Pflanzenstoffen,<br />
geizt die Mehrzahl der Pflanzen damit. Die geringen<br />
Konzentrationen in den entsprechenden Pflanzenteilen<br />
machen die Isolierung entsprechend aufwendig<br />
und damit die Reinsubstanzen relativ teuer. In manchen<br />
Pflanzen sind die sekundären Pflanzenstoffe<br />
sogar kaum noch nachweisbar. Sie können im technischen<br />
Maßstab bisher nur über einen chemischen<br />
Weg wirtschaftlich gewonnen werden. Für natürliche<br />
Aromen erlaubt der Gesetzgeber allerdings nur<br />
physikalische, enzymatische oder auch fermentative<br />
Verfahren, erklärt Hilmer.<br />
Zudem widersprechen diese chemischen Verfahren<br />
häufig dem grundsätzlichen Gedanken der Nachhaltigkeit:<br />
Sie verbrauchen mehr Wasser, Energie und<br />
Rohstoffe auf Basis von Erdöl – und haben damit einen<br />
erhöhten Kohlendioxid-Ausstoß zur Folge. „Wir<br />
streben aber bei jeder neuen Produktentwicklung<br />
seit einigen Jahren bereits konsequent nachhaltige<br />
Prozesse an“, so Forscher Hilmer. „Um Nachhaltigkeit,<br />
Natürlichkeit und Wirtschaftlichkeit bei der<br />
Produktion von sekundären Pflanzenstoffen unter<br />
einen Hut zu bringen, setzen wir nun auf die Biokatalyse“,<br />
sagt Hilmer. Welche Vorteile das Verfahren<br />
bietet, wird an der bei Symrise bereits praktizierten<br />
biokatalytischen Produktion von Vanillin klar:<br />
Die Ausgangsbasis des Geschmacksstoffes bildet<br />
ein nachwachsender natürlicher Rohstoff. So ist es<br />
möglich, auf die Verwendung bisher eingesetzter<br />
beispielsweise chlorhaltiger Ausgangsprodukte zu<br />
verzichten. Auch Rohstoffe aus fossilen Quellen, wie<br />
Erdöl, sind nicht mehr notwendig, so Hilmer. Weiterhin<br />
werden Schwermetallrückstände vermieden,<br />
wie sie bei der herkömmlichen Katalyse anfallen.<br />
Und last but not least: Da der Prozess bei Raumtemperatur<br />
abläuft, wird Energie gespart, und auch das<br />
Abwasser ist pH-neutral.<br />
Von den gleichen positiven Effekten möchte Symrise<br />
jetzt auch bei der Herstellung von sekundären<br />
Pflanzenstoffen profitieren. Im Rahmen des BIOKA-<br />
TALYSE2021-Clusters arbeitet Hilmer daher zusammen<br />
mit Uwe Bornscheuer, dem Leiter des Instituts<br />
für Biochemie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität<br />
Greifswald und Thomas Scheper dem Leiter des Instituts<br />
für Technische Chemie der Gottfried Wilhelm<br />
Leibniz Universität Hannover, an einem biokatalytischen<br />
Modellprozess zur Produktion von speziellen<br />
sekundären Pflanzenprodukten.<br />
„Die Arbeiten sind schon weit fortgeschritten“, freut<br />
sich Hilmer. In einem mehrstufigen Screening-Prozess<br />
hat das Team zunächst geeignete Enzym-Kandidaten<br />
identifiziert, die als Biokatalysatoren für den gewünschten<br />
Prozess in Frage kommen. Dazu wurden<br />
mehrere tausend in Frage kommende Bakterien<br />
und Pilze auf sogenannte 96-Loch-<br />
Platten aufgebracht – und anschließend<br />
mit dem natürlichen Grundstoff, aus<br />
dem das ersehnte Zielmolekül entstehen<br />
soll, zusammengebracht.<br />
„An einer Farbreaktion haben<br />
wir dann gesehen, ob die Mikroorganismen<br />
ihren Job ausüben“,<br />
erklärt Hilmer. Über<br />
Nacht hat dieses erste automatisierte<br />
Enzym-Casting<br />
zehn mögliche Anwärter<br />
hervorgebracht. Diese habe<br />
man dann in der nächsten<br />
Stufe eine Nummer größer<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
kultiviert, beschreibt Hilmer das Vorgehen. Im Schüttelkolben<br />
untersuchte der Wissenschaftler genau, ob<br />
die Reaktion tatsächlich vollständig abläuft – und ob<br />
das Zielmolekül nachher nicht doch wieder abgebaut<br />
wird. „Das ist natürlich ganz und gar nicht das, was<br />
wir wollen“, sagt Hilmer. Mittels Hochdruckchromatographie<br />
überprüfte er daher alle drei Stunden die<br />
exakten Konzentrationen des Ausgangsstoffes und<br />
des Endproduktes. Nur wenige Organismen haben<br />
das harte Auswahlverfahren überstanden. Diese seien<br />
laut Hilmer aber „sehr viel versprechend“.<br />
Gerade sei man dabei, den Up-Scaling-Prozess vorzubereiten,<br />
eine der letzten Stufen auf dem Weg zur<br />
Produktion im industriellen Maßstab, so der Symrise-<br />
Forscher. Belüftung, Temperatur und pH-Wert müssen<br />
dabei so eingestellt werden, dass die Reaktion in<br />
den Mini-Fermentern mit einem Volumen zwischen<br />
ein und zehn Litern mit einer möglichst großen Ausbeute<br />
abläuft. „Wenn wir das erreicht haben, steht<br />
einer ersten Demonstrationsanlage im Produktionsmaßstab<br />
aus wissenschaftlicher Sicht<br />
nicht mehr viel im Wege“, sagt Hilmer.<br />
Er sei sehr zuversichtlich, auch<br />
diesen Schritt bald nehmen zu<br />
können. Jetzt die Industrielle<br />
Biotechnologie auszubauen,<br />
sei eine unternehmerisch<br />
sinnvolle Strategie für die<br />
Zukunft – und zwar gleich<br />
in zweierlei Hinsicht, so<br />
Hilmer und weiter: „Der<br />
Markt wird in zunehmendem<br />
Maße danach<br />
verlangen – und langfristig<br />
sind wir es der<br />
Umwelt schuldig.“<br />
15
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Wie die Industrielle Biotec<br />
Um die Klimaschutzziele des Kyoto-Protokolls erreichen zu können, müssen Wissenschaft<br />
Die Industrielle Biotechnologie bietet Lösungen – wie groß deren Anteil am Klimaschutz<br />
Fast wie Stroh zu Gold: Organischer Pflanzenabfall als zukünftiger Energie- und Chemierohstoff<br />
Der Gesamtausstoß aller Treibhausgase in<br />
Deutschland betrug im Jahr 2008 rund 945<br />
Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Für 2009<br />
liegen die Zahlen noch nicht vor, Experten rechnen aber<br />
mit einem leichten Anstieg. Die gute Nachricht: Mit diesen<br />
Werten liegen die Emissionen im Zielkorridor des<br />
Kyoto-Protokolls. Dem 1997 vereinbarten Klimaschutz-<br />
Übereinkommen zufolge muss Deutschland seine jährlichen<br />
Treibhausgas-Emissionen im Durchschnitt der Jahre<br />
2008 bis 2012 um 21 Prozent mindern – bezogen auf das<br />
Basisjahr 1990. Für 2008 ergibt sich eine Minderung von<br />
23,3 Prozent. Deutschland sei Vorreiter beim Klimaschutz<br />
und habe die Kyoto-Ziele bereits drei Jahre vor der Ziellinie<br />
erreicht, freut man sich im Bundesforschungsministerium<br />
(BMBF). Fordert aber gleichzeitig die Wirtschaft<br />
auf, sich nicht auf dem Erreichten auszuruhen, sondern<br />
sich fit für die Zukunft zu machen – und auf Techniken<br />
zu setzen, die die Klimagas-Emissionen weiter senken.<br />
Nun die noch bessere Nachricht: Deutschland, viel<br />
mehr die Welt, könnte schon längst weitaus besser in<br />
Sachen Kohlendioxid-Emissionen dastehen. Denn eine<br />
Technologie, die einen signifikanten Beitrag zur Minderung<br />
des CO2-Ausstoßes liefert, gibt es bereits: Die<br />
16<br />
Biotechnologie. Allein – sie wird noch nicht konsequent<br />
genug eingesetzt und gefördert. Wie groß der Beitrag der<br />
Biotechnologie am Klimaschutz tatsächlich ist und wie<br />
die Zukunftstechnologie diesen Anteil in Zukunft noch<br />
einmal deutlich steigern könnte, haben unlängst die dänische<br />
Sektion der Umweltschutzorganisation World Wide<br />
Fund For Nature (WWF) und das dänische Biotech-<br />
Unternehmen Novozymes vorgerechnet. In ihrer Studie<br />
kommen sie zu dem Schluss,<br />
dass sich, würde die Industrielle<br />
Biotechnologie in vollem<br />
Maße ausgenutzt, zwischen einer<br />
Milliarde und 2,5 Milliarden<br />
Tonnen Kohlendioxid bis<br />
2030 einsparen ließen. Und das<br />
pro Jahr. Damit die Dimensionen<br />
klar werden: Die Menge<br />
übersteigt die gesamten Emissionen<br />
Deutschlands aus dem<br />
Jahr 2008.<br />
Enzyme verbessern CO2-Bilanz<br />
„Die Industrielle Biotechnologie könnte dazu beitragen,<br />
eine wirklich grüne Wirtschaft des 21. Jahrhunderts zu kre-<br />
ieren“, heißt es in dem Report. Viele Anwendungen sind<br />
bereits im alltäglichen Einsatz. „Es gibt eine Vielzahl von<br />
Branchen, in denen die Biotechnologie aktiv hilft, Kohlendioxid-Emissionen<br />
einzusparen“, sagt Per Henning Nielsen,<br />
der bei Novozymes verantwortlich für die Bewertung der<br />
Umwelteinflüsse ihrer Technologien ist. In der Textilindustrie<br />
werden normalerweise viel Wasser, Energie und<br />
Chemikalien dazu eingesetzt, um aus Baumwolle fertige<br />
Textilprodukte herzustellen. Der<br />
pflanzliche Rohstoff muss dabei<br />
zunächst sorgfältig gewaschen<br />
werden, bevor er getrocknet und<br />
weiterverarbeitet werden kann.<br />
Um den Schmutz gründlich<br />
entfernen zu können, geschehe<br />
dies aber in der Regel bei hohen<br />
Temperaturen, so der Umwelt-<br />
Experte. Novozymes biete hier<br />
Enzyme an, welche diesen Arbeitsschritt<br />
bei niedrigen Temperaturen<br />
ausführen. „Damit sparen wir Energie ein, die<br />
zuvor zum Aufheizen des Spülwassers eingesetzt werden<br />
musste. Und auf diese Weise verbessern wir die CO2-Bilanz<br />
des Prozesses“, so Nielsen.
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
hnologie das Klima schützt<br />
und Wirtschaft neue nachhaltige Produktionsprozesse entwickeln.<br />
künftig werden kann, wurde nun in einer viel beachteten Studie dargelegt<br />
Mehr oder weniger den gleichen Effekt haben Novozymes-Enzyme,<br />
die lederverarbeitende Unternehmen<br />
einsetzen können. Neben der Energieeinsparung könne<br />
hier auch gleichzeitig der Einsatz von aggressiven Chemikalien<br />
verringert werden, die sonst zum Lösen der<br />
Haare auf den Häuten verwendet werden müssen. Da<br />
die Produktion dieser Chemikalien ebenfalls das Klimagas<br />
freisetzt, werde auch hier der Gesamt-Kohlendioxid-<br />
Ausstoß reduziert, erklärt Nielsen. Anders verhält es sich<br />
beim Herstellungsprozess von Ölen und Fetten. Hier<br />
erhöhen Enzyme bei den Reaktionen die Ausbeute der<br />
gewünschten Ausgangsstoffe. Resultat: Bei Öl aus Sojabohnen<br />
wird weniger Rohstoff<br />
für die Produktion der gleichen<br />
Menge benötigt. Und neben den<br />
bekannten Spar-Effekten bei<br />
Energie, Wasser und Chemikalien<br />
komme hier noch ein interessanter<br />
Quereffekt zum Tragen,<br />
informiert der Novozymes-Forscher.<br />
„Sojabohnen nehmen viel<br />
Stickstoff auf – den einen Teil<br />
nutzen sie, um zu wachsen, den<br />
anderen Teil geben sie allerdings<br />
in Form von Distickstoffmonoxid,<br />
besser bekannt als Lachgas, in die Atmosphäre ab“,<br />
und Nielsen weiter: „Dieses Gas beeinflusst das Klima<br />
aber dreihundertmal stärker als Kohlendioxid.“ Biotechnologie<br />
hilft hier, die Anbaufläche bei gleichem Öl-Ertrag<br />
zu verkleinern – und liefert auf diesem Weg auch wieder<br />
einen Beitrag zum Klimaschutz.<br />
Kraftstoffe aus Abfall<br />
„Es ist richtig, dass die Industrielle Biotechnologie einen<br />
deutlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann“,<br />
sagt Dr. Ulrich Kettling, Leiter der Bioraffinerieforschung<br />
beim Münchener Spezialchemie-Unternehmen<br />
Süd-Chemie. Seiner Meinung nach sollte man sich zunächst<br />
mit den großen Themen wie Biokraftstoffe und<br />
Biobased Chemicals beschäftigen. Ziel müsse hier sein,<br />
Alternativen zu Prozessen auf Basis von Mineralöl zu entwickeln.<br />
„Das schützt nicht nur das Klima, indem der<br />
CO2-Ausstoß reduziert wird, sondern macht darüber<br />
hinaus auch unabhängiger von ölfördernden Regionen“,<br />
so der Wissenschaftler. Solche biokatalytischen Prozesse<br />
hätten zudem den Vorteil, deutlich ungefährlicher zu<br />
sein als etwa die Förderung von Öl. „Negativ-Beispiel ist<br />
hier die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko“, so Kettling.<br />
Der Bedarf, Dinge zu ändern, sei also groß.<br />
Der Münchener Chemiekonzern ist daher nicht untätig:<br />
Als einziges Unternehmen in Deutschland betreibt<br />
Süd-Chemie derzeit eine Pilotanlage, die Stroh und andere<br />
zellulosehaltige Abfallstoffe in Ethanol umwandelt.<br />
Noch in diesem Jahr soll mit Planung und Bau einer größeren<br />
Demonstrationsanlage begonnen werden, kündigt<br />
Kettling an. Diese biologischen Treibstoffe der zweiten<br />
Generation haben laut dem Wissenschaftler ein hohes<br />
Klimaschutz-Potenzial – und lösen gleich noch ein weiteres<br />
Problem: Anders als bei Biokraftstoffen der ersten<br />
Generation nutzt das neue Verfahren nicht Mais- oder<br />
Weizenstärke, sondern deren Abfallstoffe. „Damit steht<br />
die Biokraftstoffproduktion nicht in Konkurrenz zur<br />
Nahrungsmittelherstellung – wir können jetzt beides<br />
gleichzeitig“, sagt Kettling.<br />
Auch Novozymes ist in diesem Feld aktiv. So bauen<br />
der führende US-Bioethanolhersteller Poet als auch der<br />
Agrarkonzern COFCO in Kooperation mit dem Mineralölunternehmen<br />
Sinopec zurzeit Bioethanol-Produktionsanlagen,<br />
in denen Enzyme des<br />
dänischen Unternehmens zum<br />
Einsatz kommen sollen. Nielsen<br />
kann von weiteren Fortschritten<br />
berichten: Kürzlich habe Novozymes<br />
ein Enzym entwickelt,<br />
mit dem erstmals aus Kornabfall<br />
Treibstoff zu einem fast jetzt<br />
schon wettbewerbsfähigen Preis<br />
hergestellt werden kann. Solchen<br />
Bioraffinerien trauen die<br />
Autoren der Klimaschutz-Studie<br />
einen wesentlichen Beitrag zur<br />
Rettung des Klimas zu. Die Anlagen sollen dann allerdings<br />
nicht nur Bio-Kraftstoff produzieren: „Bioraffinerien<br />
werden künftig auch in der Lage sein, Rohstoffe<br />
für andere Biomaterialien herzustellen“, erklärt Professor<br />
Garabed Antranikian, wissenschaftlicher Leiter des<br />
BIOKATALYSE2021-Clusters. So könnte der Beitrag<br />
zur Einhaltung der Klimaschutzziele noch größer ausfallen,<br />
sagt der Experte. Im Report werden die Einsparmöglichkeiten<br />
solcher geschlossenen Bioverwertungssysteme<br />
auf bis zu 633 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr<br />
eingeschätzt. Zusammen mit kurzfristigen Lösungen in<br />
der Lebensmittel- und Tierfutterherstellung sowie langfristigen<br />
Entwicklungen, erdölbasierte Chemieprodukte<br />
durch Bioplastik und biobasierte Grundchemikalien zu<br />
ersetzen, ergibt sich das gewaltige Einsparpotenzial von 1<br />
bis 2,5 Milliarden Tonnen CO2.<br />
Keine Alternative zur Biotechnologie<br />
Biotech-Lösungen würden von Politikern, Investoren<br />
und auch Unternehmen noch häufig übersehen werden,<br />
sagt John Kornerup Bang, Leiter der Globalisierungs-<br />
Abteilung beim WWF Dänemark. Dabei liegen die<br />
Vorteile auf der Hand, so der Co-Autor der Studie: Die<br />
Industrielle Biotechnologie erhöht die Effizienz in der<br />
Produktion, ersetzt fossile Treibstoffe und erdölbasierte<br />
Materialien durch biologische Stoffe – und führt darüber<br />
hinaus zu einer Perfektion des Recyclings. Langfristig<br />
könne man sich sogar einen geschlossenen Materialkreislauf<br />
vorstellen, der nur noch Rohstoffe, aber keinen Abfall<br />
mehr kennt, so der WWF-Mann. Bei der Umstellung<br />
der Industrie auf biotechnologische Lösungen hofft<br />
Umwelt-Experte Nielsen auf die Unterstützung seitens<br />
der Politik.<br />
Mögliche Anreize sieht Nielsen in Gebühren für Umweltverschmutzungen<br />
durch erdölbasierte Produkte und<br />
eine Art Gütesiegel für biotechnologisch und auf diese<br />
Weise nachhaltig hergestellte Produkte, damit die Verbraucher<br />
klarer auf die umweltfreundlichen Erzeugnisse<br />
setzen können. Novozymes arbeitet weiter hart daran,<br />
seinen Beitrag zum Klimaschutz kontinuierlich zu erhöhen,<br />
so Per Henning Nielsen. Werden mit ihren Enzymen<br />
bereits heute rund 25 Millionen Tonnen CO2<br />
eingespart, solle diese Menge bis 2015 auf 75 Millionen<br />
Tonnen anwachsen. Die Welt könne sich einfach nicht<br />
leisten, auf diese Art der Kohlendioxid-Reduktion zu verzichten,<br />
mahnt Kornerup Bang vom WWF. Für ihn ist<br />
die Sache glasklar: „Es gibt keine Alternative dazu, diesen<br />
innovativen Weg zu verfolgen.“<br />
RAF F I NE R I E<br />
Bioraffinerie der Zukunft<br />
<strong>Innovation</strong>en<br />
im Cluster – Neue Wege<br />
zur integrierten Bioraffinerie<br />
Der Cluster BIORAFFINERIE2021 strebt<br />
die Entwicklung einer integrierten<br />
und nachhaltigen Bioraffinerie an, die<br />
auf dem Einsatz von Lignocellulose<br />
basiert. Ziel ist die Überführung einer<br />
bestehenden Bioethanolanlage in ein<br />
integriertes Bioraffinerie-Konzept.<br />
Für eine verbesserte Wertschöpfungstiefe<br />
erforschen sieben Partner aus<br />
der Industrie und neun aus der Wissenschaft<br />
optimierte Produktionsverfahren,<br />
eine Erweiterung der Rohstoffbasis und<br />
die Herstellung weiterer hochwertiger<br />
Produkte für die chemische Industrie.<br />
Gefördert vom BMBF im Rahmen von<br />
„BioEnergie 2021 - Forschung für die Nutzung<br />
von Biomasse“<br />
www.bioraffinerie2021.de<br />
17
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
18<br />
Auf Stippvisite<br />
BIOKATALYSE2021 fragt nach: Vier Fragen – 16 Antworten<br />
„BioIndustrie 2021“ Zwischenbilanz<br />
Wie bewerten Sie im Rückblick die erste<br />
Phase und welche Ziele stehen bei Ihnen<br />
für die kommende im Vordergrund?<br />
Welche Punkte/Ereignisse<br />
stehen in Ihrem Cluster für<br />
Nachhaltigkeit?<br />
Nennen Sie uns<br />
ein Highlight Ihrer<br />
Clusteraktivitäten.<br />
Was können Sie zum<br />
Thema Vernetzung/<br />
Kooperation sagen?<br />
■ CLIB2021 hat sich zu einem internationalen Cluster<br />
mit hoher Ausstrahlung und Sichtbarkeit entwickelt. Heute<br />
kooperieren 80 Mitglieder aus der chemischen Großindustrie,<br />
biotechnologischen KMUs, Investoren und Infrastruktureinrichtungen<br />
und circa 50 weitere Partner in<br />
akademischen und industriellen Forschungsprojekten mit<br />
einem Finanzvolumen von derzeit 44 Millionen Euro. Dabei<br />
werden alle Produktgruppen und Prozessschritte der<br />
Industriellen Biotechnologie angesprochen. Neben dem<br />
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)<br />
sind das Ministerium für <strong>Innovation</strong>, Wissenschaft, Forschung<br />
und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
(MIWFT) sowie das Bundesministerium für Ernährung,<br />
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Fördermittelgeber.<br />
■ Im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung adressiert<br />
CLIB2021 mit dem CLIB-Technologiecluster, welcher die<br />
Themenbereiche „Polyomics“, „Biocatalysis“, „Expression“<br />
und „Downstream Processing“ umfasst, die akademische<br />
Grundlagenforschung. Die strategische Nachwuchsausbildung<br />
für die Industrielle Biotechnologie wird mit dem<br />
CLIB-Graduiertencluster unterstützt.<br />
■ 2010 entwickelte sich die erste internationale CLIB-<br />
Konferenz als sichtbares Highlight. 140 Teilnehmer aus<br />
Deutschland, vielen weiteren europäischen Ländern,<br />
Amerika, Russland und Asien diskutierten 3 Tage über<br />
das breite Spektrum der Industriellen Biotechnologie.<br />
■ Durch aktive Mitgliederbetreuung und den strategischen<br />
Aufbau der Mitgliedschaft schafft CLIB2021 den<br />
spezifischen Clustermehrwert. Schlüssel zum Erfolg sind<br />
persönliche Kontakte. Diese zu initiieren und zu pflegen<br />
ermöglichen Veranstaltungen wie die CLIB-Foren<br />
und -Konferenzen, die zunehmend für die erfolgreiche<br />
Anbahnung von Forschungs- und Geschäftskooperationen<br />
genutzt werden.
■ Der Cluster Biopolymere/Biowerkstoffe hat die<br />
Schwerpunkte seines Konzepts von Beginn an konsequent<br />
umgesetzt. Dazu zählte die gesamte Wertschöpfungskette<br />
vom Basisstoff bis zum industriellen Endprodukt im Blick<br />
zu behalten, aber auch die enge Interaktion zwischen Forschung,<br />
Entwicklung und industriellen Verarbeitern von<br />
biobasierten Kunststoffen.<br />
Für die nächste Phase werden wir das biotechnologische<br />
Potenzial weiterer Organismen ausloten und dabei<br />
wieder die Systembiologie einbinden. Es hat sich gezeigt,<br />
dass die Anwendung systembiologischer Methoden sehr<br />
früh zu sehr guten Erkenntnissen führt. Diese waren für<br />
die Weiterentwicklung der Projekte enorm wichtig. Wir<br />
wollen des Weiteren prüfen, inwiefern CO2-fixierende<br />
Organismen Wert- und Grundstoffe für die Kunststoffbranche<br />
liefern können. Hier sehen wir ein großes Nachhaltigkeitspotenzial.<br />
■ Nachhaltigkeit ist das treibende Thema dieses Clusters.<br />
Letztlich geht es darum, biotechnologische Verfahren<br />
zu finden, mit denen wichtige Basiskomponenten der<br />
Kunststoffindustrie oder Plattformchemikalien wie Bernsteinsäure<br />
hergestellt werden können. Biotechnologie ist<br />
schon in ihrer grundsätzlichen Ausrichtung nah dran<br />
am Thema Nachhaltigkeit. Nährstoffe wie Glucose kommen<br />
aus nachwachsenden Rohstoffen, und auch bei den<br />
Kunststoffen gibt es viele Komponenten, wie zum Beispiel<br />
Pflanzenfasern, Öle oder/und komplexe Kohlenhydrate,<br />
die aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden<br />
können. Das wollen wir vorantreiben.<br />
■ Es ist schwierig, aus einer erfolgreichen Zusammenarbeit<br />
ein Ereignis hervorzuheben. Sehr gefreut hat uns die<br />
überaus positive Rückmeldung der Evaluierungsjury. Das<br />
hat uns darin bestätigt, dass unser Konzept, aber auch unsere<br />
Form der Umsetzung viel Substanz hat. Höhepunkte<br />
waren aber auch die Ergebnisse in den einzelnen Projekten.<br />
Das Bernsteinsäureprojekt zeigt, dass Biotechnologie<br />
ein großes Potenzial für die chemische Industrie hat. Aber<br />
auch der Lüfterprototyp aus Nylon-5,10, der im Biopolyamid-Projekt<br />
angefertigt wurde, war ein Höhepunkt. Damit<br />
haben wir ein echtes Produkt gemacht für eine große<br />
Industrie, nämlich die Automobilindustrie. Ein weiterer<br />
Beweis, dass Biotechnologie nach und nach in klassische<br />
Industriesektoren ausstrahlen wird.<br />
■ Neben der clusterinternen Vernetzung haben wir uns<br />
auch mit den anderen „BioIndustrie 2021“-Clustern vernetzt.<br />
Gemeinsame Kongress- und Messeauftritte, wie<br />
etwa auf den Deutschen Biotechnologietagen, der Achema<br />
oder der Biotechnica, sind wichtige gemeinsame Maßnahmen,<br />
um geschlossen die verschiedenen <strong>Innovation</strong>sprojekte<br />
vorzustellen. In regelmäßigen Arbeitskreistreffen<br />
gibt es einen interessanten Informations- und Erfahrungsaustausch<br />
und es zeigt sich, dass es auch zwischen<br />
den Clustern thematische Schnittstellen gibt, die wir zukünftig<br />
nutzen wollen.<br />
■ In den vergangenen zwei Jahren konnten die wichtigsten<br />
strukturellen Grundlagen für die Arbeit des Clusters<br />
Integrierte Bioindustrie Frankfurt geschaffen werden. So<br />
hat CIB Frankfurt sich inzwischen als zentraler Ansprechpartner<br />
für die Belange der Fein- und Spezialchemie positioniert.<br />
Darüber hinaus konnten wir über die Initiative<br />
CIB Invest ein Investorennetzwerk etablieren, welches die<br />
Finanzierung von Unternehmen der Industriellen Biotechnologie<br />
sicher stellen soll.<br />
■ Nachhaltigkeit steht in erster Linie natürlich für die Industrielle<br />
Biotechnologie selbst, die wir in unserem Netzwerk<br />
fördern – mit Technologieplattformen, Partnering-<br />
Veranstaltungen und der Vermittlung von Fördermitteln.<br />
■ Der größte Erfolg der letzten zwei Jahre war sicherlich<br />
die positive Bewertung von CIB Frankfurt bei der Zwischenevaluierung<br />
durch das BMBF und einer internationalen<br />
Jury. Hier konnten wir vor allem mit der Zahl und<br />
der Qualität der im Cluster realisierten Projekte überzeugen.<br />
Darüber hinaus ist die Förderung der Industriellen<br />
Biotechnologie fester Bestandteil der Hessischen Koalitionsvereinbarungen.<br />
So fließen bis 2013 rund 25 Millionen<br />
Euro aus dem LOEWE Förderprogramm (Landes-Offensive<br />
zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer<br />
Exzellenz) in Zentren und Schwerpunkte mit Industriell<br />
Biotechnologischem Fokus.<br />
■ Vernetzung ist die zentrale Aufgabe des Clustermanagements.<br />
Wie alle „BioIndustrie 2021“-Cluster vernetzen<br />
wir die Akteure der Industriellen Biotechnologie<br />
entlang der gesamten Wertschöpfungskette und initiieren<br />
so Projekte, um zeitnah marktfähige Produkte und<br />
Dienstleistungen auf dem Markt zu bringen. Doch Vernetzung<br />
und Kooperationen gibt es nicht nur innerhalb<br />
des Clusters; Kooperationen werden auch über die Clustergrenzen<br />
gepflegt. Als Arbeitskreis der „BioIndustrie<br />
2021“-Cluster arbeiten wir gemeinsam an einer einheitlichen<br />
Außendarstellung der Industriellen Biotechnologie<br />
„Made in Germany“ im nationalen und im internationalen<br />
Umfeld. Auch auf Projektebene streben wir eine<br />
intensivere Zusammenarbeit mit den anderen Clustern<br />
an. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, Synergien zu nutzen<br />
und so die Industrielle Biotechnologie in Deutschland<br />
nachhaltig zu stärken.<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
■ Im Netzwerk der Bio M WB laufen technische Projekte<br />
mit einem Gesamtprojektvolumen von fast 25 Millionen<br />
Euro; weitere Projekte mit einem vergleichbaren<br />
Volumen werden momentan begutachtet. Unsere Hauptaufgaben<br />
werden auch in Zukunft die Katalyse des Technologietransfers<br />
neuer innovativer Projekte im Bereich<br />
der Weißen Biotechnologie und die aktive Unterstützung<br />
unserer Netzwerkpartner bei der Akquisition von<br />
Fördergeldern sein. Start-up Unternehmen in der Weißen<br />
Biotechnologie in Bayern wollen wir von Anfang an<br />
begleiten.<br />
Unser Netzwerk lebt von der Dynamik seiner Akteure,<br />
daher werden wir den Kreis der Netzwerkmitglieder nach<br />
wie vor strategisch erweitern. Die Zusammenarbeit der<br />
„BioIndustrie 2021“-Gewinnercluster wird auch zukünftig<br />
zu einer verstärkten öffentlichen Wahrnehmung der<br />
Weißen Biotechnologie beitragen. Um die Weiße Biotechnologie<br />
als Standortvorteil für Bayern und Deutschland<br />
nachhaltig auszubauen und zu fördern, wird der erfolgreich<br />
gestartete Dialog zwischen Wirtschaft und Politik<br />
weiterhin gepflegt werden.<br />
■ Ein wesentlicher Aspekt unserer technischen Projekte<br />
ist die nachhaltige Verwertung von Reststoffen aus der<br />
land- oder forstwirtschaftlichen Produktion bzw. Kaskadennutzung<br />
von natürlichen Materialien. Beispielsweise<br />
die Verwertung von Lignocellulose aus Reststoffen zur<br />
biotechnologischen Erzeugung von Plattformchemikalien.<br />
Nach deren Nutzung für diverse Produkte schließt die<br />
energetische Nutzung die Kaskade ab.<br />
■ Die Veranstaltung internationaler Workshops in Brüssel<br />
unter Beteiligung von Landes- und Europapolitik,<br />
Industrie und Akademie (in Zusammenarbeit mit ERR-<br />
MA) sowie die Einrichtung des Forschungszentrums der<br />
TU München und des Masterstudiengangs für Industrielle<br />
Biotechnologie markieren Highlights unserer Netzwerkaktivitäten.<br />
■ Zwischen unseren über 70 Mitgliedern entstehen Kooperationen<br />
entlang der gesamten Wertschöpfungskette,<br />
z.B. vom Erzeuger von Agrar-Produkten bis zum Hersteller<br />
eines Produktes für den Endverbraucher, wie beispielsweise<br />
eines Formteiles aus Biopolymeren. Durch kurze<br />
Kommunikationswege innerhalb unseres Netzwerkes<br />
können die geeigneten Partner schnell und leicht gefunden<br />
und die gegenseitigen Anforderungen optimal aufeinander<br />
abgestimmt werden. Das Netzwerkmanagement<br />
– die Bio M WB – spielt hierbei als zentrale Anlaufstelle<br />
eine essentielle Rolle.<br />
19
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
Gut vernetzt<br />
BIOKATALYSE2021 und das Austrian Centre of Industrial<br />
Biotechnology (ACIB) planen enge Zusammenarbeit<br />
Im Januar 2010 hat das Austrian Centre of Industrial<br />
Biotechnology (ACIB) seine Forschungsaktivitäten<br />
offiziell gestartet. Das Kompetenzzentrum<br />
wurde als „K2 Zentrum“ im Rahmen des COMET<br />
Programms (Competence Centers for Excellent Technologies)<br />
von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft<br />
(FFG) ausgezeichnet.<br />
Im ACIB werden wichtige österreichische Biotech-<br />
Institutionen gebündelt, um in Zukunft gemeinsam<br />
an den Standorten Wien, Graz und Innsbruck biotechnologische<br />
Forschung auf höchstem internationalen<br />
Niveau zu betreiben. Zum jetzigen Zeitpunkt<br />
sind 32 nationale und internationale Industriepartner<br />
beteiligt. Als wissenschaftliche Partner sind insgesamt<br />
sieben österreichische Universitäten mit an Bord.<br />
Mit dem ACIB hat BIOKATALYSE2021 einen neuen<br />
starken Partner für die internationale Forschung im<br />
Bereich Enzyme für den industriellen Einsatz an seiner<br />
Seite.<br />
Baltische Zusammenarbeit<br />
Ein weiterer Partner von BIOKATALYSE2021 ist<br />
das Mecklenburg-Vorpommersche Biotechnologie-Netzwerk<br />
BioCon Valley. Das 1996 gegründete<br />
Netzwerk mit Zentren in Rostock und Greifswald<br />
bündelt Forschung im Bereich der modernen Lebenswissenschaften<br />
und der Gesundheitswirtschaft. BioCon<br />
Valley gehört zu den Initiatoren des internationalen Netzwerks<br />
ScanBalt, zu dem sich Biotechnologie-Initiativen<br />
rund um die Ostsee zusammengeschlossen haben. Mit<br />
den Kopenhagener Unternehmen Novozymes und Ge-<br />
20<br />
Enge Kontakte bestehen bereits zu Professor Kurt<br />
Faber vom Institut für Chemie der Technischen Universität<br />
Graz. Kurt Faber ist seit Start des Clusters im<br />
Jahr 2007 Mitglied des BIOKATALYSE2021-Beirates.<br />
Faber leitet eine der fünf sogenannten Areas des ACIB:<br />
Das Forschungsgebiet „Biocatalytic Synthesis“. „Die<br />
breite Produktpalette der Industriellen Biotechnologie<br />
ist vor der Öffentlichkeit leider noch recht versteckt“,<br />
sagt Faber. Dass zahlreiche Kunststoffe, Arzneimittel<br />
oder auch Parfüms auf Basis von biokatalytisch gewonnenen<br />
Stoffen hergestellt werden, sei vielen Verbrauchern<br />
nicht bewusst. Biokatalyse-Prozesse zeichnen<br />
sich durch ihre hohe Spezifität, Selektivität und<br />
Effektivität aus und können konventionelle Technologien<br />
in der chemischen Industrie und in der Herstellung<br />
von Pharma-, Agrar- und Lebensmittelprodukten<br />
ablösen. Der Einsatz biologischer Prozesse kann die<br />
Erträge industrieller Produktion steigern und gleichzeitig<br />
Umwelt und Ressourcen schonen.<br />
Die Koordinatoren des ACIB: Kurt Faber, Georg Gübitz, Alois Jungbauer, Helmut Schwab, Anton Glieder und Diethard Mattanovich<br />
nencor – einem Unternehmen der Danisco-Gruppe – gehören<br />
die weltweit größten Enzymhersteller dem Netzwerk<br />
an. Im September 2010 hat das neunte ScanBalt<br />
Forum in Tallinn, Estland, unter dem Titel „Gesunde<br />
Zukunft“ stattgefunden. Neben Themen wie der alternden<br />
Gesellschaft, gesunder Ernährung und Bioökonomie<br />
stand in diesem Jahr auch die Industrielle Biotechnologie<br />
auf dem Programm. Vertreter von BIOKATALYSE2021<br />
haben einen Workshop zu diesem Thema organisiert und<br />
über die Clusteraktivitäten berichtet.<br />
Neues aus Japan<br />
Seit mehreren Jahren arbeiten Wissenschaftler aus<br />
dem Cluster mit japanischen Kollegen zusammen.<br />
Mit dem Tiefsee-Forschungsinstitut Japan<br />
Agency for Marine-Earth Science and Technology, kurz<br />
JAMSTEC, gibt es gemeinsame Forschungsprojekte wie<br />
auch einen Austausch von Doktoranden. Auch auf Tiefsee-Expeditionen<br />
blicken BIOKATALYSE2021-Partner<br />
und JAMSTEC-Wissenschaftler bereits zurück. Zuletzt<br />
gingen sie mit dem größten Bohrschiff der Welt, der ja-<br />
MS Chikyu<br />
panischen „Chikyu“, in der Suruga-Bucht auf die Suche<br />
nach extremophilen Mikroorganismen. Die Proben dieser<br />
Expedition werden derzeit in Deutschland und Japan<br />
ausgewertet.<br />
Blick über den Atlantik<br />
Eine transatlantische Partnerschaft verbindet den<br />
BIOKATALYSE2021-Cluster mit dem Oak<br />
Ridge National Laboratory in Knoxville, Tennessee<br />
(USA). Im Labor von Professor Martin Keller forscht<br />
eine von Professor Garabed Antranikian betreute Doktorandin<br />
(siehe Beitrag auf Seite 10), die in Tennessee neue<br />
Enzyme für die industrielle Nutzung identifiziert. Ein<br />
enger Kontakt besteht außerdem zum amerikanischen<br />
BioEnergy Science Center (BESC). Gemeinsam konzipierten<br />
BIOKATALYSE2021, BESC, der Verein Industrielle<br />
Biotechnologie Nord (IBN e.V.) und der Cluster<br />
BIORAFFINERIE2021 im Juni 2010 das internationale<br />
IBN-Symposium „Impulse der Weißen Biotechnologie für<br />
die Bioraffinerie der Zukunft“ in Hamburg. Schirmherrin<br />
der IBN 2010 war Karen E. Johnson, Generalkonsulin<br />
der Vereinigten Staaten von Amerika, Hamburg.<br />
Karen E. Johnson
Biocat Award 2010 & „5 th International Congress on<br />
Biocatalysis – biocat2010“ in Hamburg<br />
Jurymitglied Koki Horikoshi, Garabed Antranikian, Byung-Gee Kim und Karl-Heinz Maurer<br />
Als Auszeichnung für herausragende wissenschaftliche<br />
und industrielle Forschungsexzellenz auf dem<br />
Gebiet der Biokatalyse wurde am 31. August der<br />
„Biocat Award 2010“ verliehen. Ausgezeichnet wurden:<br />
•<br />
•<br />
•<br />
Professor Roger Sheldon (Delft University of Technology)<br />
in der Kategorie „Lebenswerk“<br />
Professor Byung-Gee Kim (Seoul National University)<br />
in der Kategorie „Wissenschaftliche Forschung“<br />
Professor Karl-Heinz Maurer (Henkel, Düsseldorf) in<br />
der Kategorie „Industrielle Forschung“<br />
Der Biochemiker Professor Karl-Heinz Maurer leitet<br />
die biotechnologische Forschung im Unternehmensbereich<br />
Wasch-/Reinigungsmittel von Henkel. Das Unternehmen<br />
nutzt die sogenannte Weiße Biotechnologie, um<br />
mit Mikroorganismen wichtige Inhaltsstoffe für Waschmittel,<br />
wie Enzyme, zu optimieren und zu produzieren.<br />
„Ich freue mich sehr über den Preis“, sagt Maurer und lobt<br />
gleichzeitig die exzellente Arbeit seiner Mitarbeiter: „Ohne<br />
mein tolles Team wäre die hiermit gewürdigte Forschung<br />
nicht denkbar.“ Der Wissenschaftler ist seit 1986 in verschiedenen<br />
Positionen bei Henkel tätig und war maßgeblich<br />
an der Weiterentwicklung der Weißen Biotechnologie<br />
im Unternehmen beteiligt. Seit 2009 ist Karl-Heinz Maurer<br />
Honorarprofessor an der Universität Greifswald und<br />
seit Clusterstart auch stellvertretender Vorsitzender des<br />
BIOKATALYSE2021-Lenkungsausschusses.<br />
Die Preisverleihung war ein Höhepunkt des „5 th International<br />
Congress on Biocatalysis – biocat2010“. Vom<br />
29. August bis zum 2. September kamen rund 400 Experten<br />
aus über 30 Nationen an die Technischen Universität<br />
Hamburg-Harburg. Der von Professor Garabed Antranikian<br />
im Jahr 2002 initiierte und im zweijährigen Turnus<br />
stattfindende Kongress, hat sich als hochrangiges internationales<br />
Forum etablieren können. Renommierte Biologen,<br />
Biochemiker, Chemiker und Ingenieure aus Wissenschaft<br />
und Industrie präsentierten und diskutierten die Chancen<br />
für neue Produkte und innovative umweltschonende Prozesse.<br />
Dabei ging es diesmal insbesondere um neue Anstöße<br />
für die Industrielle oder Weiße Biotechnologie.<br />
Mit dem Biocat Award werden seit 2004 Wissenschaftler,<br />
Persönlichkeiten und Vertreter aus der Wirtschaft für<br />
herausragende Forschungsleistungen ausgezeichnet. Der<br />
Preis gilt in der Szene als eine der bedeutendsten Auszeichnungen<br />
auf dem Gebiet der Biotechnologie.<br />
Die bisherigen Preisträger sind:<br />
Professor Bernd Hauer (Ludwigshafen), Professor Nicholas<br />
Turner (Manchester, UK), Professor Romas Kaszlauskas<br />
(Minneapolis, USA), Professor Jon Stewart (Gainesville,<br />
USA), Dr. Marcel Wubbolts (Delft, Niederlande), Professor<br />
Herfried Griengl (Graz, Österreich), Professor Uwe Bornscheuer<br />
(Greifswald), Professor Hermann Sahm (Jülich)<br />
und Dr. Ramesh N. Patel (New Brunswick, USA).<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
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BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
22<br />
Gala<br />
BIOKATALYSE2021 – Das Clusterjahr in Bildern.<br />
Es wurde wieder viel genetzwerkt, geredet,<br />
gereist, getagt, getroffen, geehrt, gefachsimpelt,<br />
gearbeitet – und auch gefeiert. An dieser Stelle<br />
ein herzliches Dankeschön an alle, die an der<br />
aktuellen <strong>Ausgabe</strong> mitgewirkt haben! Wir freuen<br />
uns schon auf die nächste 2021!
BIOKATALYSE2021-Cartoon<br />
BIOKATALYSE2021 – Clustermagazin · <strong>Ausgabe</strong> Nr. 3<br />
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