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Ergativität in der modernen generativen Grammatik

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SUSANNE HACKMACK<br />

<strong>Ergativität</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>neren <strong>generativen</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

1. E<strong>in</strong>leitung<br />

In diesem Text soll <strong>der</strong> Frage nachgegangen werden, wie im Rahmen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>neren <strong>generativen</strong><br />

<strong>Grammatik</strong> Chomskyscher Prägung 1 das Phänomen <strong>der</strong> Ergativsprachen behandelt werden kann<br />

und welche Fragestellungen diese Vorgehensweise potentiell aufwirft. Die Argumentation verläuft<br />

strikt theorie<strong>in</strong>tern, d.h. es wird ke<strong>in</strong>erlei Bezug genommen auf an<strong>der</strong>e Formalismen o<strong>der</strong> Modelle.<br />

Es geht zunächst darum, anhand des Englischen e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong> grundlegenden Annahmen dieses<br />

<strong>Grammatik</strong>modelles zu illustrieren. Anschließend wird gezeigt, dass diese Annahmen mit den <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Ergativsprache beobachteten Daten nicht problemlos <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d.<br />

2. Theoretische Grundlagen<br />

Die generative <strong>Grammatik</strong> als Zweig <strong>der</strong> theoretischen L<strong>in</strong>guistik verfolgt als Ziel die Konstruktion<br />

e<strong>in</strong>er <strong>Grammatik</strong>theorie, d.h. e<strong>in</strong>er Menge von Hypothesen über die mögliche Form und<br />

Organisation von <strong>Grammatik</strong>en natürlicher Sprachen. E<strong>in</strong> wesentliches Adäquatheitskriterium für<br />

e<strong>in</strong>e solche <strong>Grammatik</strong>theorie ist ihre Universalität: sie muß so geartet se<strong>in</strong>, daß sie Konstrukte und<br />

Instrumente zur Beschreibung aller natürlichen Sprachen zur Verfügung stellt (dazu zählen z.B. die<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grammatik</strong> verwendeten Operationen). Aufgabe dieser Theorie ist es, die (relativ abstrakten)<br />

Struktureigenschaften zu benennen, die allen natürlichen Sprachen zugrundeliegen. Entsprechende<br />

Angaben werden als 'Pr<strong>in</strong>zipien' bezeichnet. Die Unterschiede zwischen den E<strong>in</strong>zelsprachen werden<br />

<strong>in</strong> diesem Rahmen dadurch erklärt, daß den universalen Pr<strong>in</strong>zipien jeweils e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

Strukturoptionen zugeordnet se<strong>in</strong> können, die sogenannten 'Parameter', <strong>in</strong> denen die verschiedenen<br />

konkreten Realisierungsmöglichkeiten des Pr<strong>in</strong>zips aufgeführt s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> ganz wesentliches Moment<br />

dieses Ansatzes ist die Tatsache, daß bei <strong>der</strong> Beschreibung sprachlicher Phänomene bzw. <strong>der</strong><br />

Abfassung von generalisierenden Restriktionen darüber <strong>der</strong> Syntax zentrale Signifikanz zukommt,<br />

<strong>in</strong>sofern Kernbegriffe <strong>der</strong> Theorie – wie wir weiter unten sehen werden z.B. die grammatischen<br />

Funktionen – abgeleitet s<strong>in</strong>d aus syntaktischen Konfigurationen o<strong>der</strong> darauf Bezug nehmen.<br />

Diese sprachtheoretischen Grundlagen s<strong>in</strong>d für den vorliegenden Text <strong>in</strong>sofern relevant, als es zu<br />

h<strong>in</strong>terfragen gilt, <strong>in</strong>wieweit bestimmte <strong>der</strong> im Rahmen dieser Theorie verwendeten Begriffe und<br />

Annahmen tatsächlich universell anwendbar s<strong>in</strong>d.<br />

Um die Sache halbwegs nachvollziehbar zu halten, wird <strong>der</strong> Versuch gemacht, auf e<strong>in</strong>ige <strong>der</strong><br />

komplexeren Konstrukte, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> jüngeren Zeit im Rahmen dieses Formalismus verwendet werden,<br />

zu verzichten. Statt dessen soll die Problematik beispielorientiert anhand e<strong>in</strong>es eher <strong>in</strong>formellen<br />

kle<strong>in</strong>en Modells angegangen werden. Dieses M<strong>in</strong>i-Modell – e<strong>in</strong>e Art Hybrid aus Annahmen ältererer<br />

und neuerer Modellversionen – weist die für die Argumentation wesentlichen Punkte auf; ist<br />

problemlos <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e mo<strong>der</strong>ne Variante übersetzbar und basiert auf den folgenden Prämissen:<br />

Die syntaktische Struktur von Sätzen wird auf zwei Repräsentationsebenen dargestellt, e<strong>in</strong>er<br />

tiefenstrukturellen (fortan TS) und e<strong>in</strong>er oberflächenstrukturellen Ebene (fortan OS), die sich<br />

h<strong>in</strong>sichtlich ihrer Funktion im Wesentlichen an Tiefen- bzw. Oberflächenstrukturen o<strong>der</strong> D- bzw. S-<br />

Strukturen <strong>der</strong> <strong>generativen</strong> <strong>Grammatik</strong> orientieren: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefenstruktur soll syntaktischsemantische<br />

Information bezüglich Argumentstruktur und thematischer Relationen (<strong>in</strong> diesem Text<br />

ausschließlich Agens und Patiens) ausgedrückt se<strong>in</strong>; die Oberflächenstruktur enthält darüber h<strong>in</strong>aus<br />

Information über die Oberflächenanordnung <strong>der</strong> Elemente e<strong>in</strong>es Satzes e<strong>in</strong>erseits und über<br />

Flexionsmerkmale an<strong>der</strong>erseits, hier allerd<strong>in</strong>gs ausschließlich bezüglich Kasus. TS und OS s<strong>in</strong>d<br />

1 Das Attribut 'mo<strong>der</strong>ner' wurde gewählt, damit 'generative <strong>Grammatik</strong>' nicht sofort mit 'Standardtheorie' gleichgesetzt<br />

wird. Darunter zu verstehen sei im wesentlichen die <strong>in</strong> den 80er Jahren aufgekommene Modellvariante 'Government<br />

und B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g'. Im vorliegenden Text allerd<strong>in</strong>gs wurde diese mit Bezug auf ihre formalen Aspekte stark entschärft.


über nicht-strukturverän<strong>der</strong>nde Bewegungstransformationen <strong>in</strong> Beziehung gesetzt. 'Nicht-strukturverän<strong>der</strong>nd'<br />

bedeutet, daß <strong>der</strong> grundlegende Aufbau e<strong>in</strong>es tiefenstrukturellen Phrasenstrukturbaumes<br />

durch e<strong>in</strong>e Bewegungstransformation nicht dah<strong>in</strong>gehend verän<strong>der</strong>t werden kann, daß<br />

willkürlich Knoten h<strong>in</strong>zugefügt o<strong>der</strong> getilgt werden können. Was – im vorliegenden Text! – für e<strong>in</strong>e<br />

Bewegungstransformation empfänglich ist, s<strong>in</strong>d nur diejenigen Strukturen, die unmittelbar von NP<br />

dom<strong>in</strong>iert s<strong>in</strong>d und ggf. von e<strong>in</strong>er Position <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e, bereits existierende Position bewegt<br />

werden. Die <strong>in</strong> <strong>der</strong> TS kodierte Information ist <strong>der</strong> OS dadurch zu entnehmen, daß bewegte<br />

Elemente an <strong>der</strong> Position, aus <strong>der</strong> heraus sie bewegt wurden, e<strong>in</strong>e Spur (gekennzeichnet als t, für<br />

engl. trace) h<strong>in</strong>terlassen.<br />

3. Nom<strong>in</strong>ativ-Akkusativsprache<br />

In dem Satz<br />

(a) He kicks him<br />

hat das Verb zwei Argumente, die jeweils durch e<strong>in</strong> Pronomen realisiert s<strong>in</strong>d. Bezüglich ihrer<br />

Morphologie e<strong>in</strong>erseits und ihrer semantischen Funktion bzw. Theta-Rolle an<strong>der</strong>erseits unterscheiden<br />

sie sich, <strong>in</strong>sofern das Agens he im Subjekts-; das Patiens him dagegen im Objektskasus<br />

steht. Der nachstehende Baumgraph gibt die Oberflächenstruktur dieses Satzes wie<strong>der</strong>:<br />

(1) S<br />

NP VP<br />

Pron V NP<br />

He kicks Pron<br />

him<br />

Die beiden NP haben <strong>in</strong> dieser Struktur hierarchisch betrachtet unterschiedlichen Status: die NP him<br />

ist Tochter <strong>der</strong> VP, also Schwester des Verbs; die NP he dagegen ist Tochter des S, also Schwester<br />

<strong>der</strong> VP. Die grammatischen Funktionen Subjekt und Objekt können <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Phrasemarker wie (1)<br />

differenziert werden über die unterschiedlichen Positionen e<strong>in</strong>er Konstituente im Phrasenstrukturbaum,<br />

und genau so wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>generativen</strong> <strong>Grammatik</strong> verfahren: die unmittelbar von S<br />

dom<strong>in</strong>ierte Konstituente wird als Subjekt; die unmittelbar von <strong>der</strong> VP dom<strong>in</strong>ierte Konstituente als<br />

Objekt identifiziert. Da e<strong>in</strong>e Konstituente durch e<strong>in</strong>e Bewegungstransformation möglicherweise<br />

ihre Position verän<strong>der</strong>t, ist es allerd<strong>in</strong>gs möglich, daß sie z.B. als tiefenstrukturelles Objekt, aber<br />

oberflächenstukturelles Subjekt identifiziert wird. Man muß <strong>in</strong> diesem Ansatz mith<strong>in</strong><br />

Tiefensubjekte und Oberflächensubjekte; Tiefenobjekte und Oberflächenobjekte vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

unterscheiden.<br />

Ferner – und das ist e<strong>in</strong> ganz wichtiger Punkt – wird davon ausgegangen, daß e<strong>in</strong> systematischer<br />

Bezug besteht zwischen <strong>der</strong> syntaktischen Position e<strong>in</strong>er Nom<strong>in</strong>alkonstituente e<strong>in</strong>erseits und ihren<br />

oben angeführten Eigenschaften, sprich Kasusform und Theta-Rolle, an<strong>der</strong>erseits.<br />

Diese Annahmen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Oberflächenstruktur für zweiwertige Verben schematisiert:<br />

(2) S<br />

XP1 VP<br />

GF: Subjekt<br />

Kasus: 1<br />

Theta: A<br />

V XP2<br />

GF: Objekt<br />

Kasus: 2<br />

Theta: B<br />

So die XP nom<strong>in</strong>ale Konstituenten s<strong>in</strong>d, stellt sich die Frage, woher die konkreten Werte für die<br />

Merkmale Kasus und Theta kommen.<br />

32


2.1 KASUSMARKIERUNG<br />

Wie weiter oben schon ausgesagt wurde, gilt Kasusmarkierung <strong>in</strong> diesem Ansatz als e<strong>in</strong><br />

Oberflächenphänomen. Es ist zu berücksichtigen, daß nur diejenigen Konstruktionen wohlgeformt<br />

s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> denen (nicht-leeren) nom<strong>in</strong>alen Konstituenten auch tatsächlich Kasus zugewiesen ist. Was<br />

die jeweilige Kasusform <strong>der</strong> NP angeht, soll die folgende Annahme gelten: 2<br />

NP steht im Objektskasus, wenn sie unmittelbar von VP dom<strong>in</strong>iert wird<br />

NP steht im Subjektskasus, wenn sie unmittelbar von S dom<strong>in</strong>iert wird<br />

Das heißt schlichtweg, daß die vom Verb regierten NP (also die OS-Objekte) im Objektskasus<br />

stehen; die von S regierte NP (also das OS-Subjekt) im Subjektskasus. Die Oberflächenstruktur für<br />

e<strong>in</strong> entsprechendes zweiwertiges Verb hätte mith<strong>in</strong> die folgende Form:<br />

(3) S<br />

NP VP<br />

Kasus: Subj<br />

V NP<br />

2.2 THETAMARKIERUNG<br />

Kasus: Obj<br />

Was die Theta-Rolle betrifft s<strong>in</strong>d diesbezügliche Angaben, also Angaben darüber, <strong>in</strong> welcher<br />

Relation die Argumente des Verbes zu diesem stehen, im Lexikone<strong>in</strong>trag des Verbs vermerkt. Der<br />

Lexikone<strong>in</strong>trag für kick könnte z.B. so aussehen:<br />

kick NP NP<br />

Agnt Ptnt<br />

Der E<strong>in</strong>trag enthält Information über Anzahl (2), Kategorie (NP) und Theta-Rolle <strong>der</strong> Argumente<br />

des Verbs. Dabei ist zu berücksichtigen, daß – wie auch bei <strong>der</strong> Kasusmarkierung – diese<br />

Argumente von vornhere<strong>in</strong> unterschiedlichen Status haben, was im Lexikone<strong>in</strong>trag dadurch<br />

markiert ist, daß das e<strong>in</strong>e Argument unterstrichen wird. Wor<strong>in</strong> liegt nun <strong>der</strong> Unterschied? Dazu das<br />

folgende Zitat:('maximal projection of the verb' soll hier als VP verstanden werden):<br />

The subject argument has a special status. It is not a sister of the verb, but is <strong>in</strong> fact a sister of the maximal<br />

projection of the verb. For this reason, we may call this argument the "external argument" of the verb – it is<br />

located external to the maximal projection of the verb, whereas the other arguments are <strong>in</strong>ternal to the verb.<br />

[...] The locality restriction on the external argument can be rationalized by view<strong>in</strong>g the external argument as<br />

bear<strong>in</strong>g the same relation to the maximal projection of the verb as the <strong>in</strong>ternal arguments bear to the verb itself.<br />

This means that the maximal projection of the verb bears a theta-role, and that theta role is assigned to the<br />

external argument. So the maximal projection of the verb is a predicate, <strong>in</strong> fact a one-place predicate.<br />

(WILLIAMS 1995:105,6)<br />

Die beiden Argumente e<strong>in</strong>es zweiwertigen Verbs werden also mit Bezug auf die Prädikation, sprich<br />

e<strong>in</strong>en logisch-semantischen Aspekt vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> differenziert: e<strong>in</strong>em Argument kommt als<br />

'externem' Argument e<strong>in</strong> Son<strong>der</strong>status zu, <strong>der</strong> sich auf <strong>der</strong> syntaktischen Ebene manifestiert,<br />

<strong>in</strong>sofern genau dieses Argument nicht – wie das <strong>in</strong>terne Argument – Schwester des Verbs, son<strong>der</strong>n<br />

Schwester <strong>der</strong> VP ist. Bezüglich <strong>der</strong> Theta-Rolle gilt, daß diese nur dem <strong>in</strong>ternen Argument direkt<br />

vom Verb zugewiesen ist; dem externen Argument dagegen von <strong>der</strong> VP. Dieser Sachverhalt<br />

korreliert mit <strong>der</strong> Annahme, dass die Komb<strong>in</strong>ation von Verb + potentiellem <strong>in</strong>ternem Argument die<br />

Prädikation für das externe Argument liefert, also mit <strong>der</strong> traditionellen Aufteilung e<strong>in</strong>es Satzes <strong>in</strong><br />

Subjekt und Prädikat. Am Beispiel von kick kann dieser logisch-semantische Aspekt wie folgt<br />

illustriert werden; <strong>der</strong> Pfeil ist als 'weist zu' zu <strong>in</strong>terpretieren:<br />

2 Vgl. dazu z.B. WEBELHUTH 1995: 43 Nr. 89b+c:<br />

– NP is objective if governed by V<br />

– NP is nom<strong>in</strong>ative if governed by Tense<br />

Da hier ke<strong>in</strong>e funktionalen Kategorien verwendet werden, ist hier auch ke<strong>in</strong> Bezug auf Tense o<strong>der</strong> Infl o.ä. möglich.<br />

33


kick → THETAb: <strong>in</strong>ternes Argument → THETAa: externes Argument<br />

Verb + <strong>in</strong>ternes Argument, also die VP, können abstrahiert als die Prädikation 'jemanden treten' für<br />

das Subjekt <strong>in</strong>terpretiert werden.<br />

Die Unterscheidung zwischen <strong>in</strong>ternem und externem Argument sagt natürlich noch nichts aus<br />

darüber, welche Theta-Rollen denn konkret zugewiesen werden – entsprechende Information fände<br />

sich jeweils, wie gesehen im Fall von kick, im Lexikon. Doch auch hier gibt es Vorschläge, ähnlich<br />

wie bei <strong>der</strong> Kasusmarkierung, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Zuordnung e<strong>in</strong>er spezifischen Theta-Rolle und e<strong>in</strong>er<br />

syntaktischen Position zu treffen:<br />

Uniformity of Theta Assignment Hypothesis<br />

Identical thematic relationships between items are represented by identical structural relationships between<br />

those items at the level of D-structure. (BAKER 1988:46)<br />

Universal Thematic Alignment Doctr<strong>in</strong>e<br />

If a head's theta grid conta<strong>in</strong>s an agent argument, then this argument is the external argument.<br />

If a head's theta grid conta<strong>in</strong>s a patient argument, then this argument is associated with [YP,X'] (WEBELHUTH<br />

1995: 31)<br />

Die Uniformity of Theta Assignment Hypothesis (fortan UTAH) zunächst restr<strong>in</strong>giert das<br />

Abbildungsverhältnis von Theta-Rollen und syntaktischen Positionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tiefenstruktur e<strong>in</strong>es<br />

Satzes <strong>in</strong>dem sie besagt, daß identische thematische Relationen auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Tiefenstruktur<br />

über identische strukturelle Relationen repräsentiert s<strong>in</strong>d. Informell gesagt bedeutet das, daß z.B.<br />

die Relation 'Patiens' nicht das e<strong>in</strong>e Mal über e<strong>in</strong>e XP, die Schwester des Verbs ist, und e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es<br />

Mal über e<strong>in</strong>e XP, die Schwester <strong>der</strong> VP ist, repräsentiert se<strong>in</strong> kann.<br />

Die Universal Thematic Alignment Doctr<strong>in</strong>e (fortan UTAD) ist noch spezifischer: sie stellt e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>deutigen Bezug zwischen Agens und externem Argument, sprich Tiefensubjekt her, und e<strong>in</strong>en<br />

e<strong>in</strong>deutigen Bezug zwischen Patiens und <strong>in</strong>ternem Argument, sprich Tiefenobjekt.<br />

Die Tiefenstruktur für e<strong>in</strong> entsprechendes zweiwertiges Verb kann also wie folgt konkretisiert<br />

werden:<br />

(4) S<br />

NP VP<br />

Theta: Agnt<br />

V NP<br />

Schema (3) bezieht sich auf die Oberflächenstruktur; Schema (4) dagegen auf die Tiefenstruktur. Im<br />

Falle unseres Beispielssatzes (a) gibt es diesbezüglich ke<strong>in</strong>e weiteren Komplikationen – die<br />

syntaktische Position <strong>der</strong> Nom<strong>in</strong>alkonstituenten ist jeweils dieselbe; TS-Subjekt entspricht OS-<br />

Subjekt; TS-Objekt entspricht OS-Objekt.:<br />

(5) S<br />

Subjekt<br />

Kasus: Subj<br />

Theta: Agnt<br />

Theta: Ptnt<br />

NP VP<br />

Pron V NP<br />

He kicks Pron<br />

him<br />

Für e<strong>in</strong> Verb wie kick mit entsprechendem Argumentraster gälten somit die folgenden Reihen, die<br />

Angaben über syntaktische Position und grammatische Funktion s<strong>in</strong>d für TS und OS gleich:<br />

externes Argument – Agens – unmittelbar von S dom<strong>in</strong>ierte NP – Subjekt – Subjektskasus<br />

<strong>in</strong>ternes Argument – Patiens – unmittelbar von VP dom<strong>in</strong>ierte NP – Objekt – Objektskasus<br />

Kommen wir nun zu e<strong>in</strong>em Fall, <strong>in</strong> dem das Verb nicht zwei, son<strong>der</strong>n nur e<strong>in</strong> Argument hat, z.B. <strong>in</strong><br />

(b) He jumped.<br />

34<br />

Objekt<br />

Kasus: Obj<br />

Theta: Ptnt


Die Repräsentation dieses Satz ist unproblematisch – die Nom<strong>in</strong>alkonstituente steht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Agens-<br />

Relation zum Verb, ist dessen externes Argument, sprich TS- und OS-Subjekt und erhält auf <strong>der</strong> OS<br />

Subjektskasus zugewiesen:<br />

externes Argument – Agens – unmittelbar von S dom<strong>in</strong>ierte NP –Subjekt – Subjektskasus<br />

E<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Situation liegt vor <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Passivkonstruktion wie<br />

(c) He was kicked.<br />

Auch <strong>in</strong> diesem Satz hat das Verb nur e<strong>in</strong> Argument, dieses allerd<strong>in</strong>gs steht zu ihm <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Patiensrelation. Unter Berücksichtigung von UTAH und UTAD kann diesem Satz nur e<strong>in</strong>e<br />

Tiefenstruktur zugrundeliegen, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Nom<strong>in</strong>alkonstituente als Schwester des Verbs auftritt.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs weist die TS für diesen Satz ebenfalls e<strong>in</strong>e Position für e<strong>in</strong> externes Argument auf, die<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht belegt ist. Hier spielt das 'erweiterte Projektionspr<strong>in</strong>zip' e<strong>in</strong>e wichtige Rolle, dessen<br />

S<strong>in</strong>n und Zweck hier nicht näher diskutiert werden kann, dessen Kernaussage aber dar<strong>in</strong> besteht,<br />

daß e<strong>in</strong> je<strong>der</strong> Satz e<strong>in</strong> Subjekt aufweisen muß:<br />

Not only must lexical properties of words be projected <strong>in</strong> the syntax, but <strong>in</strong> addition, regardless of their<br />

argument structure, sentences must have subjects. The latter requirement has come to be known as the<br />

extended projection pr<strong>in</strong>ciple (EPP). (HAEGEMANN 1991:59)<br />

Da, wie weiter oben geschil<strong>der</strong>t, Bewegungstransformationen nicht strukturverän<strong>der</strong>nd se<strong>in</strong> dürfen,<br />

muß also bereits die TS e<strong>in</strong>es Satzes e<strong>in</strong>e entsprechende syntaktische (Subjekts-)Position aufweisen.<br />

Die TS von Satz (c) hätte also die folgende Form, das 'e' steht für empty:<br />

(6) S<br />

NP VP<br />

e V NP<br />

be kicked Pron<br />

h-<br />

Dabei wird klar, daß die NP argumenttechnisch betrachtet des Status e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternen Argumentes<br />

hat. Damit aus (6) e<strong>in</strong>e akzeptable Struktur wird, muß allerd<strong>in</strong>gs etwas geschehen: was kicked h-<br />

bzw. was kicked him ist schließlich ke<strong>in</strong> wohlgeformter englischer Satz. An dieser Stelle wird e<strong>in</strong><br />

weiterer <strong>in</strong>teressanter Aspekt dieses Ansatzes deutlich, nämlich die '<strong>in</strong>termodulare' Koppelung von<br />

Kasusmarkierung und Argumentstruktur und <strong>der</strong>en enge Verbandelung mit <strong>der</strong> (Oberflächen-)<br />

L<strong>in</strong>earität des Satzes. Es gelte die folgende Annahme:<br />

Weist e<strong>in</strong> Verb ke<strong>in</strong> externes Argument auf, ist die unmittelbar von VP dom<strong>in</strong>ierte NP auch<br />

nicht kasusmarkiert. 3<br />

Genau dieser Fall liegt <strong>in</strong> (c) bzw. (6) vor. Da nun e<strong>in</strong>e NP ohne Kasusmarkierung den Wohlgeformtheitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

unseres Modells wi<strong>der</strong>spricht (siehe dazu den Abschnitt Kasusmarkierung), würde<br />

die Struktur unter (6) ausgefiltert – es sei denn, die NP <strong>in</strong> question 'gelangte' <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Position, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

ihr Kasus zugewiesen werden kann. Hier genau setzt e<strong>in</strong>e Bewegungstransformation e<strong>in</strong>, <strong>in</strong>sofern<br />

Baum (6) auf Baum (7) abgebildet werden kann, <strong>in</strong> welchem das <strong>in</strong>terne Argument <strong>in</strong> <strong>der</strong> Position<br />

auftritt, <strong>der</strong> Kasus zugewiesen wird, und zwar natürlich Subjektskasus (das 't' steht für trace):<br />

(7) S<br />

NP VP<br />

Pron V NP<br />

Het was kicked t<br />

3 H<strong>in</strong>ter dieser 'Annahme' verbirgt sich natürlich so etwas wie 'Burzios Generalisierung', die sich z.B. <strong>in</strong> Webelhuth<br />

1995:44 <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Form f<strong>in</strong>det: A verb that governs an NP Case-marks this NP structurally iff the verb has an<br />

external argument, die allerd<strong>in</strong>gs für den vorliegenden Text umgestrickt werden mußte<br />

35


Über die Spur t, die die bewegte Konstituente an ihrer ursprünglichen Position h<strong>in</strong>terläßt, kann auch<br />

<strong>der</strong> Oberflächenstruktur die Information entnommen werden, daß diese Konstituente auf <strong>der</strong> TS<br />

Objektstatus hatte und also <strong>in</strong>ternes Argument ist. Für die NPgilt hier also die folgende Reihe:<br />

<strong>in</strong>ternes Argument – Patiens – TS: unmittelbar von VP dom<strong>in</strong>ierte NP – TS-Objekt – OS:<br />

unmittelbar von S dom<strong>in</strong>ierte NP – OS-Subjekt – Subjektskasus<br />

E<strong>in</strong>e etwas an<strong>der</strong>e Situation liegt vor <strong>in</strong> Satz (d):<br />

(d) He sank<br />

Wie <strong>in</strong> Satz (c) hat das Verb hier nur e<strong>in</strong> Argument, und zwar e<strong>in</strong> Patiens-Argument. Im<br />

Unterschied zu Satz (c) liegt aber hier ke<strong>in</strong>e Passivkonstruktion vor. So man sich aber an UTAH<br />

und UTAD orientiert, gelangt man zu <strong>der</strong> Erkenntnis, daß auch hier e<strong>in</strong>e TS vorliegen muß, die <strong>der</strong><br />

unter (7) entspricht:<br />

(8) S<br />

NP VP<br />

e V NP<br />

s<strong>in</strong>k Pron<br />

h-<br />

Das heißt: für das Argument von s<strong>in</strong>k <strong>in</strong> dieser Konstruktion treffen genau dieselben Kriterien zu<br />

wie die oa. für das Argument des passivierten kick (<strong>in</strong>ternes Argument, Patiens usw.)<br />

Bezüglich <strong>der</strong> hier aufgeführten Verben (kick, be kicked, jump, s<strong>in</strong>k) können nun bestimmte im<br />

Modell verankerte Korrespondenzen bezüglich grammatischer Funktion, syntaktischer Position,<br />

Theta-Rolle und Kasus ausgemacht werden. Am Rande sei erwähnt, daß <strong>in</strong> diesem Text ganz<br />

bewußt darauf verzichtet wird, diese Verben <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise mit Bezug auf Term<strong>in</strong>i wie<br />

'ergativ', 'unergativ', 'akkusativ', 'unakkusativ' etc. zu klassifizieren. Zur Begründung das folgende,<br />

etwas längere Exzerpt, welches die Leser cum grano salis nehmen sollen:<br />

...the terms "unaccusative" and "unergative" were co<strong>in</strong>ed by Geoff Pullum <strong>in</strong> a letter to Paul Postal <strong>in</strong> 1976.<br />

These terms were constructed from already familiar notions of grammatical case. In some languages<br />

(Nom<strong>in</strong>ative-Accusative), the object of a transitive clause is marked with Accusative case. Thus, Pullum<br />

proposed that a stratum conta<strong>in</strong><strong>in</strong>g an object but no subject should be called UNaccusative. In other languages<br />

(Ergative-Absolutive), the subject of a transitive clause is marked with Ergative case. Pullum's proposed term<br />

for a stratum with a subject but no object was UNergative.<br />

Some of the current and ongo<strong>in</strong>g confusion with these terms arises from the fact that Luigi Burzio, <strong>in</strong> his 1981<br />

MIT dissertation, refers to Unaccusative predicates as "ergative" and to Unergative predicates as "<strong>in</strong>transitive".<br />

Pullum refers to this re-nomenclature as "a truly crackbra<strong>in</strong>ed piece of term<strong>in</strong>ological revisionism". However,<br />

if Burzio's term<strong>in</strong>ology muddied the waters some, the ad hoc manner (per ignorance and <strong>in</strong>tellectual sloth) <strong>in</strong><br />

which others have mixed up both sets of terms is particularly unforgivable (you know who you are). Notice<br />

that Burzio, <strong>in</strong> reserv<strong>in</strong>g "<strong>in</strong>transitive" for predicates with an un<strong>der</strong>ly<strong>in</strong>g SUBJECT but no OBJECT, had left<br />

no cover term for monadic predicates. Dissatisfied with this state of affairs, but unwill<strong>in</strong>g to wholly abandon<br />

the more "fashionable" term, Ergative, some l<strong>in</strong>guists <strong>in</strong> the mid-1980s took to us<strong>in</strong>g Ergative <strong>in</strong> contrast to<br />

Unergative, reserv<strong>in</strong>g <strong>in</strong> this way the term Intransitive for the union of the two sets.<br />

The Pullum-Postal Term<strong>in</strong>ology:<br />

INTRANSITIVE can be either:<br />

UNERGATIVE (has a SUBJECT and no OBJECT), or<br />

UNACCUSATIVE (has an OBJECTand no SUBJECT)<br />

The Burzio Term<strong>in</strong>ology:<br />

INTRANSITIVE (has a SUBJECT and no OBJECT), or<br />

ERGATIVE (has an OBJECTand no SUBJECT)<br />

Terms for the Fashionably Confused:<br />

INTRANSITIVE can be either:<br />

UNERGATIVE (has a SUBJECT and no OBJECT), or<br />

ERGATIVE (has an OBJECTand no SUBJECT)<br />

(STAN DUBINSKY 1996; L<strong>in</strong>guist List 7. 2; URL: http://www.emich.edu/~l<strong>in</strong>guist/issues/7/7-2.html)<br />

36


Das folgende Schema faßt die bisherigen Ausführungen zusammen; das externe Argument ist im<br />

Raster jeweils unterstrichen. So ke<strong>in</strong>e genaueren Angaben gemacht s<strong>in</strong>d, beziehen sich die Aussagen<br />

bezüglich gr. Funktion (GF) und syntaktischer Position gleichermaßen auf TS und OS:<br />

(i) Verb Arg1 Arg2 Verb Arg Verb Arg<br />

z.B.: kick NP1 NP2 jump NP<br />

be kicked,<br />

sank<br />

NP<br />

Theta: Agens Patiens Agens Patiens<br />

Position: [NP..]S [NP..]VP [NP..]S<br />

TS: [NP..]VP<br />

OS: [NP..]S<br />

GF: S O S<br />

TS: O<br />

OS: S<br />

Kasus: Subj Obj Subj Subj<br />

Was die bisherigen Ausführungen und dieses Schema ganz klar verdeutlichen, ist die <strong>in</strong> diesem<br />

Rahmen vorliegende systematische Verzahnung von Argumentstruktur, syntaktischer Position,<br />

grammatischer Funktion, Theta-Rolle, Kasusmarkierung und, last but not least, Oberflächenanordnung<br />

<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Konstituenten. Bezüglich <strong>der</strong> weiter oben erwähnten Korrespondenzen<br />

gilt, daß stets das TS-Subjekt mit <strong>der</strong> Theta-Rolle Agens korreliert; das OS-Subjekt mit <strong>der</strong><br />

Kasusmarkierung Subjektskasus usw. Wichtig dabei ist, daß die <strong>in</strong> Schema (i) kodierten Inhalte <strong>in</strong><br />

dieser Form nicht den Status von Postulaten haben (die z.B. über Sprachdatenanalyse <strong>in</strong>duktiv<br />

gewonnen wurden), son<strong>der</strong>n ableitbar s<strong>in</strong>d aus dem Netz von nicht-konstruktionsspezifischen<br />

Hypothesen und Theoriekomponenten, die dieses Modell ausmachen, im konkreten Fall <strong>der</strong><br />

Differenzierung von <strong>in</strong>ternen und externen Argumenten und den Angaben <strong>in</strong> den Abschnitten<br />

Kasuszuweisung und Thetamarkierung. Daß diese Herangehensweise potentiell große ökonomische<br />

Kraft hat, ist klar. Auch klar ist, daß hier Erklärung geleistet wird <strong>in</strong> dem Maße, <strong>in</strong> dem die Form<br />

<strong>der</strong> beobachteten Daten die logische Konsequenz aus den <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Grammatik</strong> vorgestellten<br />

Hypothesen ist. Die hierbei gewonnenen Konstrukte s<strong>in</strong>d dabei durchaus kompatibel mit<br />

traditionellen Begriffen aus <strong>der</strong> Sprachwissenschaft, z.B. was die gr. Funktionen betrifft.<br />

Wenn wir uns <strong>in</strong> Schema (i) auf die Attribute für Theta-Rolle und Kasus konzentrieren, dabei aber<br />

die konkreten Werte durch Variablen ersetzen, erhalten wir Schema (ii):<br />

(ii) V Arg1 Arg2 V Arg V Arg<br />

Theta A B A B<br />

Kasus 1 2 1 1<br />

Hier sehen wir die für Nom<strong>in</strong>ativ-Akkusativsprachen typische Zuordnung – wenn 1=Nom<strong>in</strong>ativ und<br />

2=Akkusativ kann dieses Schema auch problemlos auf das Deutsche abgebildet werden.<br />

4. Ergativsprache<br />

Stellen wir nun diesem Schema das folgende gegenüber:<br />

(iii) V Arg1 Arg2 V Arg V Arg<br />

Theta A B A B<br />

Kasus 1 2 2 2<br />

In <strong>der</strong> letzten Zeile sehen wir e<strong>in</strong>en deutlichen Unterschied zu Schema (ii), und die Variablenb<strong>in</strong>dung<br />

1=Ergativ und 2=Absolutiv veranschaulicht, daß dieses Schema auf die Situation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ergativsprache4 deutet:<br />

4 Das Phänomen <strong>der</strong> 'gespaltenen <strong>Ergativität</strong>' wird <strong>in</strong> diesem Aufsatz erst gar nicht angesprochen – es würde die Sache<br />

auch ke<strong>in</strong>esfalls vere<strong>in</strong>fachen, son<strong>der</strong>n um e<strong>in</strong> vielfaches komplexer machen.<br />

37


(iv) V Arg1 Arg2 V Arg V Arg<br />

Theta Agens Patiens Agens Patiens<br />

Kasus Ergativ Absolutiv Absolutiv Absolutiv<br />

Die Kernfrage hier lautet: wie kann e<strong>in</strong>e solche Zuordnung im Rahmen des vorgestellten Modells<br />

erfasst werden? Spezifischer: was ist <strong>in</strong> diesen Rastern jeweils das externe, was das <strong>in</strong>terne<br />

Argument? Wie wird die Relation zwischen Argumentstruktur und Kasusmarkierung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

solchen Schema erfaßt? Wie sähen TS und OS aus? Was bedeutet das für die übere<strong>in</strong>zelsprachliche<br />

Vergleichbarkeit von Konstrukten wie 'Subjekt' und 'Objekt'?<br />

Wenn man sich auf die Annahme (o<strong>der</strong> Sprachen) beschränkt, daß <strong>Ergativität</strong> e<strong>in</strong> re<strong>in</strong><br />

morphologisches Phänomen ist (d.h. daß sich die jeweiligen Argumente des Verbs <strong>in</strong> Schema (iv)<br />

syntaktisch-semantisch analog zu ihren Korrelaten <strong>in</strong> Schema (i) verhalten), wäre es vielleicht<br />

denkbar – bei Beibehaltung <strong>der</strong> zugrundeliegenden Annahmen bezüglich syntaktischer und thematischer<br />

Strukturen – 'nur' Än<strong>der</strong>ungen bei <strong>der</strong> Kasuszuweisung vorzunehmen, die ja e<strong>in</strong> Oberflächenphänomen<br />

ist.<br />

Wenn wir aber davon ausgehen, daß es Sprachen gibt, <strong>in</strong> denen sich <strong>Ergativität</strong> nicht nur auf <strong>der</strong><br />

morphologischen Ebene, son<strong>der</strong>n auch im spezifisch syntaktisch-semantischen Verhalten <strong>der</strong><br />

jeweiligen Konstituenten manifestiert, wird die Sache etwas problematischer. E<strong>in</strong> offenbar recht<br />

beliebtes Beispiel dafür ist das australische Dyirbal (vgl. MARANTZ 1983, LEVIN 1987). E<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>faches und <strong>in</strong>formelles Beispiel dafür, was es bedeuten kann, daß sich <strong>Ergativität</strong> im syntaktischsemantischen<br />

Verhalten <strong>der</strong> Argumente manifestiert, bietet die folgende Koord<strong>in</strong>ationsstruktur:<br />

John hits Bill and dies. Diesem Ausdruck kann die folgende logische Struktur zugeordnet werden:<br />

HIT(JOHN,BILL) ∧ DIE(JOHN). Hier liegt e<strong>in</strong>e Subjekt-Subjekt Korrelation vor zwischen dem Subjekt<br />

des hit und dem (nicht-genannten) Subjekt des die. Interessanterweise aber nun gibt es Sprachen, <strong>in</strong><br />

denen die logische Form des genannten Satzes so aussähe: HIT(JOHN, BILL) ∧ DIE(BILL), d.h.<br />

Sprachen mit e<strong>in</strong>er Objekt-Subjekt Korrelation. Hier korrespondiert <strong>der</strong> Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> Morphologie<br />

<strong>der</strong> Sprachen mit e<strong>in</strong>em jeweils an<strong>der</strong>en Verhalten <strong>der</strong> sich entsprechenden Argumente.<br />

Informell ausgedrückt sche<strong>in</strong>t es, als läge hier im Vergleich zu e<strong>in</strong>er Nom<strong>in</strong>ativ-Akkusativsprache<br />

e<strong>in</strong>e gewisse Art <strong>der</strong> Spiegelverkehrtheit <strong>in</strong> Form und Verhalten <strong>der</strong> Argumente vor.<br />

Genau <strong>in</strong> dieses Bild paßt <strong>der</strong> '<strong>Ergativität</strong>sparameter' bzw. die '<strong>Ergativität</strong>shypothese' als e<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeit, im Rahmen des vorgestellten Modells und se<strong>in</strong>er spezifischen Annahmen auch solche<br />

Phänomene bzw. Sprachen zu behandeln:<br />

a. agent roles – assigned by predicates<br />

theme/patient roles – assigned by verbs<br />

b. agent roles – assigned by verbs<br />

theme/patient roles – assigned by predicates<br />

(MARANTZ 1984:196)<br />

In a. ist die Situation <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Nom<strong>in</strong>ativ-Akkusativsprache wie<strong>der</strong>gegeben, die im übrigen <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen ist mit dem weiter oben angeführten Williams-Zitat: die Theta-Rolle Agens<br />

wird zugeordnet vom predicate, sprich <strong>der</strong> VP, die Theta-Rolle Patiens dagegen wird direkt vom<br />

Verb zugewiesen. Für e<strong>in</strong>e Ergativsprache gälte Struktur b., <strong>in</strong> <strong>der</strong> es genau umgekehrt ist: die<br />

Theta-Rolle Agens wird vom Verb; die Theta-Rolle Patiens dagegen von <strong>der</strong> VP zugeordnet. Das<br />

bedeutete, daß die 'spezifischen Annahmen' des Modells, hier also im wesentlichen die Differenzierung<br />

von <strong>in</strong>ternen und externen Argumenten und e<strong>in</strong>e diese modellierende syntaktische<br />

Grundausstattung mit zwei hierarchisch dist<strong>in</strong>kten Nom<strong>in</strong>alkonstituenten unverän<strong>der</strong>t bestehen<br />

bleiben kann (D- soll als TS; S- als OS verstanden werden):<br />

38


(LEVIN 1987: 23,4)<br />

Danach kann Schema (iv) wie folgt konkretisiert werden bezüglich <strong>der</strong> Frage, welches das <strong>in</strong>terne<br />

und welches das externe Argument ist (letztere s<strong>in</strong>d unterstrichen):<br />

(v) V Arg1 Arg2 V Arg V Arg<br />

Theta Agens Patiens Agens Patiens<br />

Kasus Ergativ Absolutiv Absolutiv Absolutiv<br />

5. Fragen I<br />

Was hätte diese Vorgehensweise für Konsequenzen?<br />

Nun, zunächst mal bedeutete sie, daß man die eher traditionellen Subjekts- und Objektsbegriffe<br />

relativieren müßte, denn nach Schema (v) wäre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ergativsprache z.B. bei e<strong>in</strong>em zweiwertigen<br />

Verb das Patiensargument als externes Argument die unmittelbar von S dom<strong>in</strong>ierte NP und somit das<br />

Subjekt des Satzes. Zu dem 'traditionellen' Subjektsbegriff paßt z.B. das folgende Zitat:<br />

Independent Existence. The entity that a b-subject refers to (if any) exists <strong>in</strong>dependently of the action or<br />

property expressed by the predicate. This is less true for non-subjects. Thus <strong>in</strong> a student wrote a poem the<br />

existence of the poem is not <strong>in</strong>dependent of the act of writ<strong>in</strong>g; whereas the existence of the student is.<br />

(KEENAN 1976:312)<br />

Unter Berücksichtigung <strong>der</strong> Tatsache, daß die mit den grammatischen Funktionen traditionell<br />

verbundenen Inhalte teilweise stark vorwissenschaftlichen Charakter haben, ist dagegen pr<strong>in</strong>zipiell<br />

nichts e<strong>in</strong>zuwenden, wenn es auch <strong>der</strong>en übere<strong>in</strong>zelsprachliche Vergleichbarkeit erschwert. 5<br />

Logisch-semantisch bedeutet Schema (v), dass e<strong>in</strong>e Ergativsprache e<strong>in</strong>e fundamental an<strong>der</strong>e Prädikationsstruktur<br />

hat als e<strong>in</strong>e Nom<strong>in</strong>ativ-Akkusativsprache: während e<strong>in</strong> zweiwertiges Verb <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Nom<strong>in</strong>ativ-Akkusativsprache <strong>in</strong> diesem Modell logisch betrachtet als (VERB(PATIENS))(AGENS)<br />

auftritt, wäre es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ergativsprache (VERB(AGENS))(PATIENS). Informell ausgedrückt: während<br />

bei e<strong>in</strong>em Verb wie kick die VP [kick someth<strong>in</strong>g] das Prädikat für das Agens-Argument liefert, wäre<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ergativsprache [somebody kick] das Prädikat für das Patiens-Argument. Hier ist die Frage<br />

angebracht, <strong>in</strong>wieweit e<strong>in</strong>e solche Annahme auch gestützt ist durch entsprechende sprachliche<br />

Daten. Verbalphrasen mit <strong>in</strong>transitiven Verben e<strong>in</strong>erseits und transitiven Verben plus Patiens-<br />

Argument an<strong>der</strong>erseits bilden im Englischen e<strong>in</strong>e (syntaktische) Distributionsklasse. Gibt es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ergativsprache entsprechend Paradigmen für VP, die nur aus e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>transitiven Verb bestehen<br />

e<strong>in</strong>erseits und VP, die aus e<strong>in</strong>er Komb<strong>in</strong>ation aus Verb und Agens-Argument bestehen an<strong>der</strong>erseits?<br />

Noch e<strong>in</strong> weiterer, etwas abstrakterer Punkt: so die Prädikationsstruktur e<strong>in</strong>es Satzes E<strong>in</strong>zug f<strong>in</strong>det<br />

<strong>in</strong> dessen logische Form bzw. daraus ablesbar ist, und die logische Form ihrerseits e<strong>in</strong>e Schnittstelle<br />

ist zu e<strong>in</strong>em (wie auch immer gearteten) semantisch/konzeptuellen System – implizieren die<br />

unterschiedlichen Prädikationsmuster <strong>in</strong> Nom<strong>in</strong>ativ- und Ergativsprachen dann auch e<strong>in</strong>en<br />

Unterschied <strong>in</strong> <strong>der</strong> kognitiven Grundausstattung <strong>der</strong> Sprecher <strong>der</strong> jeweiligen Sprache?<br />

5 Hier könnte man vielleicht auf die Idee kommen, daß die grammatischen Funktionen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ergativsprache sowieso<br />

e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Rolle spielen, bzw. daß es gar ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n macht, sie bei <strong>der</strong> Beschreibung e<strong>in</strong>er Ergativsprache zu<br />

verwenden. Diese Annahme ist allerd<strong>in</strong>gs nur schwer mit dem 'erweiterten Projektionspr<strong>in</strong>zip' <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen,<br />

dessen Kernaussage ja genau dar<strong>in</strong> besteht, daß je<strong>der</strong> Satz e<strong>in</strong> Subjekt haben muss.<br />

39


Von diesen eher allgeme<strong>in</strong>en Fragen abgesehen, hätte die Vorgehensweise aber auch theorie<strong>in</strong>tern<br />

gravierende Konsequenzen. Von <strong>der</strong> UTAD müßte man sich verabschieden, <strong>in</strong>sofern <strong>in</strong> ihr ja nun<br />

ke<strong>in</strong> universell gültiges Pr<strong>in</strong>zip mehr ausgedrückt ist. Auch die UTAH kann <strong>in</strong> ihrer bestehenden<br />

Form nicht beibehalten werden; sie hätte ebenfalls ke<strong>in</strong>e universelle Gültigkeit mehr son<strong>der</strong>n müßte<br />

sprachspezifisch umformuliert werden. Genau an dieser Stelle wird die Sache ausgesprochen<br />

<strong>in</strong>teressant: angenommen, man würde so verfahren – für die Integration von Ergativsprachen <strong>in</strong> das<br />

Modell gilt <strong>der</strong> <strong>Ergativität</strong>sparameter, die UTAD wird gestrichen; die UTAH quasi e<strong>in</strong>zelsprachlich<br />

parametrisiert – was hätte das wie<strong>der</strong>um für Folgen für das bestehende Hypothesengerüst? Es<br />

würde bedeuten, daß diejenigen Annahmen, die bis dato auf den Konstrukten UTAD und UTAH<br />

basierten bzw. darauf Bezug genommen haben, ebenfalls neu überdacht werden müssen. Schon für<br />

den vorliegenden Text (<strong>der</strong> diesbezüglich natürlich schlicht und plakativ gehalten wurde) ergäben<br />

sich Konsequenzen: dem Schema (i) nämlich wäre e<strong>in</strong>e wesentliche Grundlage genommen.<br />

In <strong>der</strong> bisherigen Argumentation ist stets von <strong>der</strong> Frage ausgegangen worden, wie die Behandlung<br />

von Ergativsprachen aussehen kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Modell, <strong>in</strong> welchem unterschieden wird zwischen<br />

<strong>in</strong>ternen und externen Argumenten, die jeweils <strong>in</strong> hierarchisch dist<strong>in</strong>kten syntaktischen Positionen<br />

auftreten. Diese Grundannahme erwies sich wie gesehen als nicht unproblematisch, beispielsweise<br />

im Bereich <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> grammatischen Funktionen. Diesbezüglich aber könnte die Situation<br />

vielleicht vere<strong>in</strong>facht werden, <strong>in</strong>dem auch Strukturen zugelassen s<strong>in</strong>d, <strong>in</strong> denen die Argumente<br />

e<strong>in</strong>es Verbes nicht hierarchisch vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> differenziert werden. Auf <strong>der</strong> Satzebene würde das<br />

konkret heißen, neben e<strong>in</strong>er Struktur wie (9) auch e<strong>in</strong>e Struktur wie (10) anzunehmen:<br />

(9) S (10) S<br />

XP1 VP XP1 V XP2<br />

V XP2<br />

E<strong>in</strong>e Struktur wie (9) wird als 'hierarchisch' o<strong>der</strong> 'konfigurational' bezeichnet, e<strong>in</strong>e Struktur wie<br />

(10), <strong>in</strong> <strong>der</strong> beide XP Schwestern des Verbs und Töchter des S s<strong>in</strong>d, es also ke<strong>in</strong>e VP-Konstituente<br />

gibt, dagegen als 'flach' o<strong>der</strong> 'nicht-konfigurational'. Zu dieser Annahme und <strong>der</strong> Frage nach den<br />

grammatischen Funktionen das folgende Zitat:<br />

I have been assum<strong>in</strong>g so far that GFs are determ<strong>in</strong>ed directly by the structural configurations of D-structures<br />

and transformationally <strong>der</strong>ived S-structures. A crucial assumption throughout has been that there is a category<br />

VP <strong>in</strong> the X-bar system of the base, thus permitt<strong>in</strong>g GFs to be def<strong>in</strong>ed <strong>in</strong> terms of structural configurations. But<br />

there are languages <strong>in</strong> which this does not seem to be true. (CHOMSKY 1981: 127,8)<br />

Entsprechend f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Literatur auch <strong>der</strong> sogenannte 'Konfigurationalitätsparameter', <strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>e grundsätzliche Unterscheidung trifft zwischen Sprachen, <strong>der</strong>en syntaktischer Aufbau <strong>der</strong><br />

Struktur unter (9) folgt und solchen Sprachen, bei denen Struktur (10) angemessen ist.<br />

E<strong>in</strong>e Art Startschuss für die Konfigurationalitäts-Debatte <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>generativen</strong> L<strong>in</strong>guistik s<strong>in</strong>d die<br />

Erkenntnisse, die Kenneth Hale (HALE 1983) bei <strong>der</strong> Untersuchung des australischen Warlpiri<br />

gewonnen hat – neben dem Dyirbal e<strong>in</strong>e im <strong>generativen</strong> Paradigma ebenfalls recht geschätzte<br />

Sprache, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>e 'morphologische' <strong>Ergativität</strong> zugesprochen wird (LEVIN 1987:19).<br />

Gehen wir nun davon aus, daß wir es mit e<strong>in</strong>er Sprache zu tun haben, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Struktur 10) durch<br />

entsprechende Sprachdaten (Distributionskriterien etc.) gestützt ist: damit wäre e<strong>in</strong>e Reihe <strong>der</strong><br />

weiter oben gestellten Kernfragen sofort erledigt: wir müssten nicht mehr entscheiden, welche<br />

Argumente <strong>in</strong>tern, welche extern s<strong>in</strong>d: diese Unterscheidung gibt es <strong>in</strong> Struktur (10) nicht mehr.<br />

Auch die Frage nach <strong>der</strong> VP Prädikation und <strong>der</strong>en sprachdatentechnischem Nachweis ist abgehakt:<br />

es gibt ke<strong>in</strong>e VP mehr.<br />

6. Fragen II<br />

Aber: wenn man davon ausgeht, daß e<strong>in</strong>e konfigurationale Struktur wie <strong>in</strong> (9) die Grundlage ist für<br />

etliche <strong>der</strong> Konstrukte und Pr<strong>in</strong>zipien, die im Rahmen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>generativen</strong> <strong>Grammatik</strong><br />

auftreten – wie im vorliegenden Text gesehen für die grammatischen Funktionen, Thetamarkierung<br />

40


und Kasuszuweisung, als weitere, die hier nicht auftreten, seien nur C-Kommando, Rektion,<br />

B<strong>in</strong>dung, Emtpy Category Pr<strong>in</strong>ciple usw. genannt – bleibt davon dann noch etwas übrig <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Grammatik</strong>, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Struktur (10) e<strong>in</strong>e syntaktische Grundlage stellt? Wie universal ist die<br />

<strong>Grammatik</strong> dann noch? O<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d Sprachen mit e<strong>in</strong>er flachen Struktur wie <strong>in</strong> (10) per se<br />

grundsätzlich so an<strong>der</strong>s gestrickt, daß auf diese Konstrukte generell verzichtet werden kann? Was<br />

aber passiert, wenn ich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er nicht-konfigurationalen Sprache auf e<strong>in</strong> Phänomen stoße, welches<br />

e<strong>in</strong> Analogon <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er konfigurationalen Sprache hat, und dort mit eben e<strong>in</strong>em dieser Konstrukte<br />

beschrieben und erklärt wird? Und überhaupt – wie sähe die Beschreibung von Sprachen mit<br />

gespaltener <strong>Ergativität</strong> aus, die <strong>in</strong> diesem Beitrag noch nicht e<strong>in</strong>mal erwähnt s<strong>in</strong>d?<br />

7. Schluss<br />

In den Frageteilen 5 und 6 offenbaren sich empf<strong>in</strong>dliche Punkte dieses Ansatzes. Das Pr<strong>in</strong>zip,<br />

bestimmte Hypothesen und Theoriebauteile zu modifizieren, wenn die Überprüfung <strong>der</strong> Theorie am<br />

konkreten Material dieses notwendig macht, sprich wenn die Hypothesen nicht mit den Daten <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen ist – dagegen ist re<strong>in</strong> gar nichts e<strong>in</strong>zuwenden, im Gegenteil, genau dieses<br />

Verfahren, letztendlich die enge Verzahnung von Empirie und Theorie, von <strong>in</strong>duktivem und<br />

deduktivem Vorgehen, ist die Grundlage des Modell- o<strong>der</strong> Theoriebildungsprozesses.<br />

Die konkrete Herangehensweise im Rahmen <strong>der</strong> <strong>generativen</strong> <strong>Grammatik</strong> aber hat nach me<strong>in</strong>em<br />

Empf<strong>in</strong>den e<strong>in</strong>en zu starken ad-hoc Charakter. Die Parametrisierung so fundamentaler Pr<strong>in</strong>zipien<br />

wie z.B. <strong>der</strong> Konfigurationalität zieht potentiell e<strong>in</strong>en Rattenschwanz von Problemen nach sich.<br />

Dieses und <strong>der</strong> ungefestige theoretische Status von Konfigurationalität an sich zeigt sich nicht<br />

zuletzt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Tatsache, daß die diesbezügliche Klassifikation von Sprachen alles an<strong>der</strong>e als<br />

e<strong>in</strong>heitlich ist:<br />

...there is no stable theory of configurationality. The situation appears to be even more chaotic if we take <strong>in</strong>to<br />

consi<strong>der</strong>ation the fact that compet<strong>in</strong>g analyses have been proposed for one and the same language.<br />

(MARÁCZ & MUYSKEN 1989:38)<br />

Mir sche<strong>in</strong>t, dass die im Rahmen <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen <strong>generativen</strong> <strong>Grammatik</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

neueren Modellvariante, dem M<strong>in</strong>imalist Program, verwendeten Begriffe und Konstrukte immer<br />

neue Abstraktionsstufen erreichen. Dabei wird e<strong>in</strong>e gewisse Art wissenschaftlicher Präzision, gar<br />

mathematischer Exaktheit angestrebt, die sich aber bei genauem H<strong>in</strong>sehen – und auch unabhängig<br />

von <strong>der</strong> empirischen Rechtfertigung – als nicht tatsächlich gegeben erweist.<br />

Das hier diskutierte Modell wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> neueren Sprachwissenschaft heftig kritisiert und sieht sich<br />

zahlreicher Beanstandung an<strong>der</strong>er grammatiktheoretischer Formalismen ausgesetzt. Die Häufung<br />

<strong>der</strong> Interrogativsätze <strong>in</strong> den letzten Abschnitt dieses Text reflektiert die Tatsache, daß sich auch<br />

ohne Bezug auf Konkurrenzmodelle, d.h. nur theorieimmanent argumentiert, e<strong>in</strong>e Reihe von<br />

offenen Fragen mit dem Ansatz verb<strong>in</strong>den.<br />

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Literatur:<br />

BAKER, M.C.<br />

1988 Incorporation: A Theory of Grammatical Function Chang<strong>in</strong>g. Chicago: University of Chicago Press<br />

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a asl 251.2 547<br />

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1987 Studies <strong>in</strong> Ergativity. Amsterdam etc.: North Holland<br />

a asl 252.6 229<br />

HAEGEMANN, L.:<br />

1994 Introduction to Government & B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g Theory. Oxford etc.: Blackwell Publishers<br />

KEENAN, E. L.<br />

1976 Towards a Universal Def<strong>in</strong>ition of 'Subject'. In: LI, C.N. (Ed): Subject and Topic. New York etc, Academic<br />

Press, 1976<br />

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LEVIN, B.<br />

1987 The middle construction and ergativity. In: DIXON, R.M.W (ED) 1987, 17-31.<br />

MARÁCZ, L. & MUYSKEN, P. (EDS)<br />

1989 Configurationality. The Typology of Asymmetries. Dordrecht, Foris Publications<br />

a asl 252.4 351<br />

MARANTZ, A.<br />

1984 On the Nature of Grammatical Relations. Cambridge, Mass: MIT-Press<br />

a asl 252.4 575<br />

WEBELHUTH, G. (ED)<br />

1995 Goverment and B<strong>in</strong>d<strong>in</strong>g Theory and the M<strong>in</strong>imalist Program. Oxford: Blackwell<br />

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WEBELHUTH, G.<br />

1995 X-bar Theory and Case Theory. In: WEBELHUTH G. (ED) 1995: 15-95<br />

WILLIAMS, E.:<br />

1995 Theta-Theory. In: WEBELHUTH, G. (ED) 1995: 97-124<br />

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